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Foto: Florian Gaertner/photothek/imago

Grüne Außenministerin in FidschiUnd zwischendurch der Weltuntergang

Annalena Baerbock will mit Geopolitik das Klima retten – und umgekehrt. Unterwegs mit einer Ministerin, der keine Zeit mehr bleibt.

Bernhard Pötter
Von Bernhard Pötter aus Suva/vuniniodrovo/togoru

D ie Ministerin will es jetzt genau wissen. „Wo war früher der Fluss? Da drüben?“ Annalena Baerbock nimmt die laminierte Karte und blickt durch den Regen über die Hütten von Vuniniodrovo. Ihre Delegation hat sich in Autos und Kleinbussen in dieses kleine Dorf eine Autostunde von Suva, der Hauptstadt der Inselrepublik Fidschi, vorgekämpft: durch tropfnassen Wald voller Bambus, Kokospalmen und Riesenbäumen auf steilen Asphaltstraßen und bröckelnden Schotterpisten. Und ihr Besuch Anfang Mai hat genau damit zu tun, dass der Fluss Waimanu nicht mehr da drüben ist, sondern immer näher kommt und dem Dorf den Boden abgräbt.

Die deutsche Außenministerin, zuständig auch für internationale Klimapolitik, besichtigt in Fidschi einen Ort, wo die Klimakrise vor der Haustür nicht Halt macht. Mehr Regen im Ostteil der Insel füllt den Fluss mit schlammig-braunem Wasser, ein höherer Meeresspiegel staut den Wasserlauf von der Küste her. Geld für Gegenmaßnahmen haben die Einwohner von Vuniniodrovo nicht. Ihnen bleibt nur der langsame Rückzug, wenn die Strömung an ihren Gärten, Wegen und Häusern nagt. 42 Siedlungen in Fidschi haben bisher einen Antrag auf Umsiedlung gestellt. Die Regierung rechnet damit, dass sie langfristig für ein Fünftel der Bevölkerung, für 200.000 Menschen, neue Siedlungen braucht.

Fidschi braucht Hilfe. Und Annalena Baerbock sagt diese Hilfe bei ihrem Besuch am Montag vergangener Woche zu. Die Außenministerin hat sich eine ganze Woche lang aus ihrem hektischen Tagesgeschäft rund um Gazakrieg und Ukrainekrise verabschiedet (wenn man die nächtlichen Telefonate einmal ausklammert) und sich auf den sehr langen Weg nach Australien, Neuseeland und Fidschi gemacht. Denn Deutschland, so sieht es die Ministerin, braucht auch seine „Wertepartner“ im Pazifik. Deutschland will sie nicht allein lassen gegenüber dem wachsenden Einfluss Chinas, das in der Region ein dichtes Netz an Beziehungen und Abhängigkeiten aufbaut. Deswegen, so Baerbocks Argument, sind Verbündete gleich doppelt wichtig: um einerseits China einzudämmen und die schlimmsten Folgen der Klimakrise andererseits.

Das vollgepackte Programm der Ministerin sieht aus, als sei es von den Ressorts Entwicklung, Wissenschaft und Verteidigung zugleich organisiert worden: Forschung zu Cyberattacken und Antarktis, Rückgabe von Kunstschätzen an Indigene, Frauenfußball, Blauhelme, Marinewerft, Gespräche mit Studierenden. Wo bleibt da jetzt noch mal die Geopolitik? Überall, sagt Baerbock: „Die Klimakrise ist die größte Bedrohung für die Sicherheit im 21.Jahrhundert, das sagen mir auch viele Entwicklungsländer.“ Da sei das Riesenthema Migration, das auch durch die Klimakrise beeinflusst wird. Da seien die Ziele der russischen und chinesischen Antarktisforschung. Da sei natürlich die Debatte um finanzielle Hilfen, damit Inselstaaten mit Überschwemmungen und Sturmschäden fertig werden können. Dazu kämen Angriffe auf die innere Sicherheit, wie russische Cyberattacken. Gleich zu Beginn ihrer Reise ereilte Baerbock die Nachricht, dass die Bundesregierung russische Hacker für einen Angriff auf E-Mail-Konten von SPD-PolitikerInnen im Juni 2023 verantwortlich macht. Baer­bock, aus dem fernen Adelaide, kündigt Konsequenzen an.

Umfrage: 1,5-Grad-Ziel nicht haltbar

Hunderte von führenden Klima-Expert*innen glauben, dass das Pariser Klimaabkommen nicht mehr zu halten ist. Wie eine am Mittwoch veröffentlichte Umfrage der britischen Zeitung Guardian unter 380 Kli­ma­wis­sen­schaft­le­r*in­nen ergab, glauben 80 Prozent von ihnen, dass sich die Erde im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter um mindestens 2,5 Grad Celsius erwärmen wird. Im Pariser Abkommen von 2015 war beschlossen worden, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Nur 6 Prozent der Expert*innen, allesamt Mitglieder im wichtigsten UN-Umweltgremium, dem Weltklimarat IPCC, halten das 1,5-Grad-Ziel weiterhin für erfüllbar. 50 Prozent der Ex­per­t*in­nen halten sogar einen Temperaturanstieg von 3 Grad Celsius für wahrscheinlich.

Politischen Unwillen, die Klimakrise ernsthaft anzugehen, und die mächtigen Interessen der fossilen Lobby sieht eine Mehrheit der Befragten als die hauptsächlichen Gründe für ihre pessimistische Einstellung zur Zukunft der Welt. Ebenso die Schere zwischen Arm und Reich und den mangelnden Einsatz für den Globalen Süden seitens der reicheren Länder. „Ich bin überzeugt, dass wir alle Lösungen haben für den 1,5-Grad-Pfad und dass wir sie in den kommenden 20 Jahren einsetzen werden“, sagte etwa Henry Neufeldt vom Kopenhagener Klima Zentrum. Allerdings sei zu befürchten, dass die Bemühungen zu spät kämen.

Den größeren Zusammenhang von Außen- und Klimapolitik hat Baerbocks Ministerium vor einem halben Jahr in der „Klimaaußenpolitikstrategie“ der Bundesregierung zusammengefasst. Als Ergänzung zur Sicherheits- und Chinastrategie lautet die Idee dahinter: Die Klimakrise bedroht die Stabilität der Staaten und der internationalen Ordnung. Gleichzeitig nutzen Staaten wie Russland ihre Position als Lieferanten von klimaschädlichem Öl und Gas, um die internationalen Regeln zu brechen und Kriege zu führen. Die weltweite Energiewende ist daher nicht nur ökologisch und ökonomisch geboten, sondern verschiebt auch die geopolitischen Gewichte hin zu mehr Unabhängigkeit und Sicherheit für alle. Baerbocks Motto ist deshalb: „Klimapolitik ist Geopolitik. Und Geopolitik ist Klimapolitik.“

Vor Ort, in Suva, schrumpft die große Weltpolitik allerdings zunächst auf ein etwas bedrückendes Alltagspanorama. Bei schwüler Hitze von 30 Grad fällt aus einem grauen Himmel rund um die Uhr warmer Regen. Neben gesichtslosen Stahl- und Glasblöcken, Tankstellen und Supermärkten faulen flache Holzhäuschen in der feuchten Wärme. Große Pfützen stehen auf den Hauptstraßen, vor der Küste liegen Fischkutter mit rostigen Rümpfen. Suvas Strand ist betoniert, das Wasser ist zu dreckig zum Baden, die Insel hat ein Alkohol- und Drogenproblem. Nichts zu sehen vom tropischen Inselglück mit weißem Sandstrand und blauem Himmel, das man auf anderen Inseln von Fidschi wohl findet. Die Männer, die in der schwülen Hitze die traditionellen knielangen Röcke tragen, erfüllen vielleicht noch am ehesten ein romantisches Südseeklischee, das man sich als Besucher erwarten mag.

Allerdings ist der Pazifik nicht nur ein Hotspot für Klimaschäden, sondern auch Vorreiter in der Klimapolitik. Auf Druck der Inselstaaten gelangte das 1,5-Grad-Ziel ins Pariser Klimaabkommen. Zwischen dem vom steigenden Meeresspiegel bedrohten Inselstaat Tuvalu und Australien wurde zudem das erste Abkommen über die Aufnahme von Klima-MigrantInnen geschlossen.

Nur hier, im Pazifik, sitzen der drittgrößte Kohleexporteur der Welt, Australien, und die verwundbarsten Länder in einem Gremium, dem Pacific Island Forum, zusammen: Auf einer Anhöhe von Suva residiert das PIF in einem großen, dunklen Holzhaus mit spitzem Dach und großflächigen Malereien der Indigenen, umgeben von einem Palmengarten. Baerbock trifft sich mit dem Regionalgremium der 14 pazifischen Länder plus Australien und Neuseeland und signalisiert Unterstützung: So wie die Eröffnung der neuen deutschen Botschaft im letzten August. Die Botschaft hinter der Botschaftseröffnung: Wir stehen zu euch.

Verlorenes Land: Ministerin Baerbock vor der schon teilweise versunkenen Siedlung Togoru, gemeinsam mit Bewohnerin Lavenia McGoon Foto: Florian Gaertner/photothek/imago

Dieses Signal versucht Baerbock nun auch auf dieser Reise bei jeder Gelegenheit anzubringen. Auch beim Treffen mit den Menschen im bedrohten Dorf Vuniniodrovo, wo nur noch knapp 200 Familien leben. Die Ministerin sitzt im Sommerkleid vor einer Wand mit schwarz-rot-goldenem Stoff im Gemeinschaftshaus. Durch Öffnungen in den Wänden streicht eine kühlende Brise. Auf Bastmatten hocken die Männer des Dorfs im Schneidersitz und begrüßen die mächtige Frau aus Deutschland: Händeklatschen, Gastgeschenke, die Bitte um Einlass ins Dorf, eine Schale mit Kawa – einem leicht betäubenden Trunk aus einer Wurzel. Es ist nicht immer leicht, Außenministerin zu sein.

Männer, die daneben- und im Mittelpunkt stehen

Zwanzig Meter vom Haus entfernt knabbert der Waimanu-Fluss in einer langgezogenen Rechtskurve an seinem Steilufer aus dunkler Erde. In ein paar Jahren wird auch das Versammlungshaus in seinen schlammigen Fluten verschwinden, da sind sich alle einig.

Ich hatte vor, hier auch zu sterben. Aber das werde ich nicht mehr schaffen

Ulamila Kurubale, Bewohnerin des von Überflutung bedrohten Dorfs Vuniniodrovo

Bedroht ist auch das Haus von Ulamila Kurubale, die in einem blau gemusterten Kleid auf die deutsche Ministerin wartet. Erst in der Nacht sei die große Kokospalme hinter ihrem Haus umgefallen, erzählt sie, und zeigt auf den gestürzten Baum, der aus dem Strom ragt. „Ich bin 46 Jahre alt und in diesem Haus geboren“, sagt Kurubale. Ihr Haus hat eine Holzveranda und ein Wellblechdach und steht, wie alle Häuser im Dorf, bereits auf Stelzen. „Ich hatte vor, hier auch zu sterben. Aber das werde ich nicht mehr schaffen.“ Noch 20 Jahre, und das Dorf ist Geschichte, sind sich die Experten und Einheimischen einig.

Zwei Tage lang haben die Frauen des Dorfes Sandwiches geschmiert, Kuchen gebacken und Muscheln und Hühnchencurry gekocht. Beim Empfang durch die Männer lobt die Ministerin daher am Anfang gleich mal die Arbeit der Frauen. Danach sitzt sie mit ihnen kurz vor dem Fluss auf einer Decke beim Picknick zusammen, die Männer stehen daneben.

Meist allerdings stehen die Männer überall im Mittelpunkt – auch in der Geo-, Sicherheits- und Klimapolitik. Das will Baerbock ändern: Ihre feministische Klima- und Außenpolitik soll Frauen und Familien stärken. Da geht es nicht nur um Macht und Gerechtigkeit, sondern auch um den besten Klimaschutz: Viele Studien belegen, dass Frauen dabei effizienter sind, weil sie kooperativer arbeiten, die Interessen von Familien und Kindern mehr im Blick haben und besser mit Ressourcen wirtschaften. Gleichzeitig leiden Frauen und Mädchen am meisten unter der Krise. In vielen Gegenden der Welt übernehmen sie vor allem Aufgaben in der Landwirtschaft oder Care-Arbeit – und je schlechter die wirtschaftlichen Bedingungen durch den Klimawandel für die Familien werden, desto geringer die Chance gerade der Mädchen auf Bildung.

Am zweiten Tag des Besuchs kämpft sich eine kleine Gruppe der Delegation noch vor Beginn des offiziellen Programms durch den Regen von Suva. In einer Seitenstraße klettert sie eine Treppe hoch und landet im unscheinbaren Büro der Hilfsorganisation Oxfam Pazifik. Hier hängen neben nüchternen Schreibtischen selbstgemalte Plakate, unter anderem: „Wenn Männer unterdrückt werden, ist das eine Tragödie. Wenn Frauen unterdrückt werden, ist es Tradition.“

Eunice Wotene und Ilisa Masivesi sind Finanzexpertinnen bei Oxfam, sie arbeiten an einer zentralen und bislang vernachlässigten Frage der aktuell heißen Debatte um Klimafinanzen: Erreicht das Hilfsgeld der Geberländer diejenigen, die wirklich Hilfe brauchen? „Es fließt auch bisher schon viel Klimageld in den Pazifik“, sagt Wotene, „aber das meiste davon kommt nicht bei den Menschen an, die es am meisten benötigen, den Frauen und Kindern.“

Oxfam arbeitet nun an einer Studie, die unter anderem die Kriterien für die Transparenz von Geldflüssen aufzeigen soll. Die Deutschen sind sehr interessiert: 2024 wird innerhalb der UN das große Jahr der Klimafinanzen. Wenn man da sicherstellen könnte, dass Hilfsgelder effizienter eingesetzt werden, wäre das ein großer Fortschritt.

Für eine wirklich strategische und kohärente Politik ist noch viel Luft nach oben

Lutz Weischer, Germanwatch

Wenn man Annalena Baerbock fragt, was der Unterschied von „Klimaaußenpolitik“ zu Klimapolitik sei, sagt sie: „Der wichtigste Schritt war, dass wir die Klimaaußenpolitik mit ins Auswärtige Amt genommen und alle Klimaressorts unter ein Dach gesetzt haben“. Es brauche die ganze Bundesregierung dafür. Und es zeige, dass „Klimaaußenpolitik auch eine große geostrategische Frage ist“, wie man eben im Pazifik sehe. Dazu brauche es andere Finanzierungsmechanismen, mehr Geldquellen und veränderte Entwicklungsbanken.

Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch hat gerade eine erste Bilanz dieser Strategie gezogen. Tenor: Es sei sinnvoll, die Arbeit der Regierung zusammenzufassen und zu koordinieren, daran habe es bisher gemangelt. Allerdings seien die „Umsetzungsstrukturen weitgehend unklar“ und es fehle eine regelmäßige Aktualisierung. „Für eine wirklich strategische und kohärente Politik ist noch viel Luft nach oben“, sagt Lutz Weischer, politischer Direktor. „Zu viel läuft auch weiterhin nebeneinanderher und die Ressorts folgen häufig weiterhin ihren Eigeninteressen.“ Vor allem würden Kürzungen im Haushalt des Auswärtigen Amts, die derzeit debattiert werden, „die Glaubwürdigkeit der deutschen Klimaaußenpolitik unterminieren“.

Dazu kommt: Auch der Tag einer Annalena Baer­bock, die sich und ihr Team mit großer Energie durch die Welt jagt, hat nur 24 Stunden. Die Strukturen und der Ehrgeiz für die Strategie stammen aus den Anfangszeiten der Ampelkoalition, als man dachte, man könne dieser Menschheitskrise jetzt mal fokussiert den Kampf ansagen.

Wechselnde Alliierte

Inzwischen ist klar: Die Kriege in Gaza und in der Ukraine binden einen Großteil der Kraft, der Zeit und der Ressoucen, die sie und ihr Ministerium aufbringen. Für alle anderen Sorgen, Ideen und Herausforderungen inklusive Weltuntergang durch die Klimakrise, bleibt der Rest. Und da ist von der Drohung, im nächsten Bundeshaushalt massiv bei der Entwicklungspolitik und humanitärer Hilfe zu kürzen, noch gar nicht die Rede. Wieder einmal wird also die mittelfristige Stabilität des Klimas zu einem Kollateralschaden der akuten Konflikte und Interessen.

Es gibt die wenig schmeichelhafte Vermutung: Hat sich die engagierte Klimapolitikerin Annalena Baerbock mit diesem Ministerium selbst die Möglichkeit geschaffen, neben allem anderen auch noch ihr persönliches Steckenpferd „Klimapolitik“ weiter zu reiten? Und was wird aus dem Thema im Auswärtigen Amt, wenn mal ein neuer Chef dort einzieht, der Klima nicht als Priorität sieht? Bisher treibt vor allem die Ministerin mit einer überschaubaren Schar an Mitstreitenden das Klimathema in der schwerfälligen Diplomatie-Bürokratie voran, hört man immer wieder.

Auf jeden Fall hat die neue Konstruktion einen Vorteil: Als Außenministerin der drittstärksten Wirtschaftsnation wird Baerbock etwa bei G7- und G20-Treffen mit dem Klimathema ernst genommen. Anders als viele Umwelt- oder Klimaminister anderer Staaten muss sie nicht um einen Platz am Tisch kämpfen. So kann sie für ihr Thema werben – wenn nicht etwas Wichtigeres ansteht.

Beim Gespräch mit ihrer australischen Amtskollegin Penny Wong gelingt das allerdings auf auf dieser Reise nicht so gut. Wong ließ hinterher Baerbocks Kritik am fehlenden klimapolitischen Engagement ihrer Regierung trocken abtropfen: „Wir sind gewählt, um zu versuchen, unsere Wirtschaft zu verändern und netto Null zur Mitte des Jahrhunderts zu erreichen. Es ist eine Herausforderung, unsere fossilen Energien zu transformieren, aber wir sind entschlossen, das zu tun.“ Nach einem Aufbruch in Down Under klingt das erstmal nicht.

Geschenkt: Eine Kokosnuss für die Ministerin Foto: Sina Schuldt/dpa

Baerbocks Klima-Geopolitik hat auch noch ein anderes Problem: Je nach Thema wechseln die Alliierten. Für eine bessere Sicherheitspolitik setzt Deutschland vor allem auf Australien und Neuseeland, China ist der klare Gegner. In der Klimapolitik wiederum ist zwar China auch der größte CO2-Emittent, liefert aber gerade die erneuerbaren Techniken wie Solar- und Windenergie, die für grüneres Wachstum gebraucht werden. Und die sogenannten „Wertepartner“ Australien und Neuseeland sind durch ihre fossile Orientierung und den mangelnden Ehrgeiz, das zu ändern, klimapolitisch schwierige Partner für die Pazifikregion.

Letzter Tag der Reise: Mit Blaulicht und Eskorte fegt die Kolonne der Ministerin mit einem Dutzend SUVs, Pickup-Trucks und Kleinbussen durch die Regenschleier über die Insel von Fidschi. Nach einer Stunde Fahren, Schlingern und Holpern stoppt der Tross an der Siedlung Togoru: In einfachen Hütten leben hier zwei Großfamilien mit etwa 50 Menschen direkt am Strand. Hunde streunen umher, zwischen Wäscheleinen und Palmen liegen zerbrochene Korallenstücke und Palmwedel, der Sand ist voll von alten Autoreifen. 50 Meter vom Strand entfernt ragen steinerne Sarkophage aus dem Schlick, alte Gräber und Mauern, die von Seepocken überwachsen sind.

Laveni McGoon lebt hier mit ihrer Familie. „Früher war das hier Wiese, hier haben Kinder gespielt“, sagt sie. Sie deutet auf eine Sandbank, etwa 150 Meter Richtung Ozean: „Das war unsere Küste“. Inzwischen hat sich das Meer nicht nur das Land geholt, sondern auch die Überreste der Toten weggespült.

Baerbock läuft mit McGoon über den Strand, der noch bis vor ein paar Jahren festes Land und Friedhof war. Sie hat die Sandalen ausgezogen und läuft barfuß durch den schwarzen Morast, während sich die Beamten und Journalisten die Schuhe dreckig machen.

Bevor das Land verschwindet, sterben die Mangrovenwälder, die die Küste schützen: Wenn das Salzwasser zu lange hoch steht, können ihre Wurzeln nicht mehr genug atmen, sagt Isaac Rounds, ein Experte, der extra zum Termin gekommen ist. „Man müsste hier einen Damm bauen, um diese Häuser am Strand zu sichern, vielleicht einen Kilometer lang“, sagt Rounds, „aber das kostet Millionen, dafür hat die Regierung kein Geld“. Die einfachen Holzhäuser ohne fließendes Wasser werden nicht mehr lange stehen. Dann gehört auch Familie McGoon zu den 200.000 Fidschianern, die ein neues Zuhause suchen.

Baerbock baut sich vor den wartenden Kameras auf, im Hintergrund der überspülte Friedhof. Sie sagt, was man in so einer Situation sagt: dass die Klimakrise hier „nichts Abstraktes“ sei, sondern den Menschen „das Wasser im wahrsten Sinne bis zum Hals steht“. Annalena Baerbock steht am Ende der Welt und warnt 2 Minuten und 57 Sekunden vor dem Ende der Welt.

Dann beendet sie ihr Statement. „Gibt es Fragen?“ Schweigen. Dann die einzige Meldung: „Ich hätte noch eine Frage zu einem anderen Thema. Der deutsche Botschafter aus Russland ist zurückbeordert worden.“ Ob sie dazu bitte etwas sagen könne?

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33 Kommentare

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  • Macron hat es auf den Punkt gebracht:



    Es gibt die, die sich vor dem Ende der Welt fürchten, und die, die sich vor dem Ende des Monats fürchten. Ich möchte für die, die den Schuss nicht gehört haben, ergänzen: Putin kommt, wenn man ihn nicht aufhält, sogar vor Ende des Monats.



    Man kann gerne der Minderheit angehören, die den Untergang der Welt wichtiger finden. Aber man muss in einer Demokratie auch die berücksichtigen, die das Ende des Monats fürchten, denn die stellen die Mehrheit der Wähler. Solange die Grünen das nicht wahr- und erstnehmen, ist ihr politischer Erfolg begrenzt.



    Trotz aller Häme des Artikels hatten wir schon schlechtere Außenminister als Annalena Baerbock. Sie muss nur das nächste Mal dem weitaus talentierteren Habeck Platz machen und darf nicht wieder die Chance bekommen, den grünen Wahlkampf gegen die Wand zu fahren.

    • @Kurt Kraus:

      Putin, immer Putin. Im Kern kann keiner genau wissen, was Putin genau vorhat (außer, dass er vier Oblaste in der Ukraine + die Krim annektieren will und keine NATO in der Ukraine haben will, siehe Istanbul). Der Rest sind Spekulationen. Ich höre immer das Baltikum, daher die NATO. Warum nicht Kasachstan, da leben viele Russen und es gibt viele Rohstoffe? Warum überhaupt irgendwas außerhalb der Ukraine?



      Ich meine, wenn man annimmt, es ging um die NATO in der Ukraine. Dann wird er danach aufhören.



      Wenn man annimmt, es ging um sein mythisches "Russen, Ukrainer und Belarussen sind ein Volk", dann wird er nach der Ukraine aufhören, weil Balten und Polen eben NICHT dazu gehören. Georgien hätte er schon 2008 erobern können. Hat er aber nicht.

      • @Kartöfellchen:

        Der gute Putin.

        Eigentlich ist er ja ganz vernünftig.

  • Gründlich Grüne Gründe



    @ Wiili Müller formerly called Jupp Schmitz



    Is doch nett so. Solch Erheiterndes soll ruhig stehenbleiben.

  • Wenn man das AA führt wie eine NGO, dann macht man das genau so.



    Sie sollte in ihrem berechtigten Kampf gegen den Klimawandel in die Länder fahren, die wirklich etwas tun können. Alles andere ist Folklore.



    Wenn man wissen möchte, auf welchen Füßen Außenpolitik stehen sollte, kann man das bei (und jetzt kommt das böse K-Wort) Henry Kissinger nachlesen (ich weiß, jetzt werden gleich Ländernamen wie "Chile", "Griechenland", "Osttimor" aufploppen). Also auf welchen nicht-tönernen Füßen.



    Die Folgen davon, dass Frau Baerbock (im Zusammenwirken mit dem Kanzler) die überaus wichtige, um nicht zu sagen die für D überlebenswichtige Europapolitik und insbesondere die Pflege der Beziehung zu Frankreich (und jetzt wieder Polen) völlig vernachlässigt, kann man gerade anhand der teils etwas dubiosen Alleingänge des Präsidenten Macron besichtigen.

  • Ich bin überzeugt, dass durch die Klimakatastrophe einfach nur unfassbar viele Menschen sterben.

    Ob jetzt direkt oder durch die Verteilungskämpfe um die immer weniger werdenden Nahrungsmittel und Ressourcen.

    Dann wird wieder ein Gleichgewicht einkehren. Dass das gesamte Leid vermeidbar wäre, ist denjenigen, die gerne Brumm, brumm machen (und anders klimaschädlich sind)



    einfach egal. Trifft sie ja nicht selbst.

    Wo ist eine UN, die sich für zukünftige Generationen einsetzt, wenn man Sie braucht.

  • Heute ist Bunte-Tag bei der taz.

  • Ihr fehlt nicht nur Zeit, sondern auch die Unterstützung: da ist ein egomaner Finanzminister, der aus populistischen Eigeninteressen davon schwadroniert "...was wirklich wichtig für Deutschland ist..." Es gibt auch Einwände gegen ihre Politik von Menschen, die nicht begriffen haben, dass das Klima ALLE betrifft, egal wo man lebt. Zusätzlich zur Klimarelevanz ist die Unterstützung und Ermutigung für Völker denen es längst nicht so gut geht wie uns, enorm wichtig. Alles hängt bekanntlich mit allem zusammen - auch wenn es weit entfernt ist. Und - von gerade diesen Menschen könnten wir enorm viel lernen - wenn wir uns weniger arrogant verhalten.

    • @Perkele:

      Wir haben verstanden: Lindner ist schuld daran das die Fidschi-Inseln untergehen.

      • @Tom Tailor:

        Ja. Ist er. Nicht allein, aber er trägt dazu bei.

  • Diese Politik von Baerbock ist so hohl und wird hier beschrieben als ob Baerbocks Pressesprecher den Text verfasst hat.



    „Vor allem würden Kürzungen im Haushalt des Auswärtigen Amts, die derzeit debattiert werden, „die Glaubwürdigkeit der deutschen Klimaaußenpolitik unterminieren“ wieso soll man an Glaubwürdigkeit verlieren, wenn die Taschen leer sind. Da hat jeder Verständnis Frau Baerbock sollte einfach realistische Außenpolitik machen, dann ist auch die Enttäuschung der Gesprächspartner später nicht so groß. Die Glaubwürdigkeit geht verloren, weil Baerbock in der Welt so tut, als ob sie etwas verändern kann und Macht hätte. Bei den entscheidenden Playern wird sie schon nicht mehr ernst genommen. Das sie jetzt in die hintersten Fidschi Dörfer fliegt und dort zu ihrer eigenen Beruhigung Hoffnung verbreiten will führt doch nur dazu, dass die Leute dort enttäuscht werden.

  • Was viele, selbst sehr schlaue Menschen nicht klar im Primatenhirn einsortiert bekommen:

    Es ist nicht das Ende der Welt. Es ist das Ende der Menschheit auf das wir unbeirrt drauf zu steuern.

    Der wunderschöne "Blaue Planet" (von Erdbewohnern oft auch "Die Welt" genannt) wird sich schnell erholen von seiner Homo Fossilus Plage.

    Wenn die Plage denn erst vorbei wäre... .

    • @Goldi:

      Eigentlich ist es erstmal sogar nur das Ende unserer Zivilisation.



      Die Menschheit selbst könnte es durchaus überleben, wenn das Ende schnell genug kommt, um die letzten Reste des Atomarsenals im Bunker zu lassen.



      Aber wer will ernsthaft, dass wir all unsere Errungenschaften verlieren und nochmal von vorne anfangen?

    • @Goldi:

      Naja, nicht nur für die Menschen auch für unzählige Spezies - Stichwort sechstgrößtes Massenaussterben auf der Erde, seit es dort Leben gegeben hat.

  • Freudscher



    "die hauptsächlichen Grüne für ihre pessimistische Einstellung"



    Gründe ...

    • @lesnmachtdumm:

      Schon an Fehlerhinweise gemailt. Hat nix gebracht. Die sind im Sonntagsstress 🙂🌴🎶

  • Guradian:



    World’s top climate scientists expect global heating to blast past 1.5C target



    www.theguardian.co...global-temperature

    We asked 380 top climate scientists what they felt about the future... They are terrified, but determined to keep fighting.



    ‘Hopeless and broken’: why the world’s top climate scien



    www.theguardian.co...sts-are-in-despair

  • Tja, ein internationales Vertragswerk über die WTO, das Produktionshöchstgrenzen festlegt und die Standortkonkurrenz verringert würde CO2-Emissionen verringern.

  • Man sollte die Kirche im Dorf lassen: An allen Pegelmessstationen im grösseren und kleiner Umkreis um Fidschi steigt der Meeresspiegel gemächlich um 0,8 bis 1,4 mm im Jahr, also weniger als der Anstieg von 1,7 bis 1,8 mm/Jahr global gesehen (lt. NOAA).



    Nur auf Fidschi steigt der Meeresspiegel schneller mit (je nach Messstation) 3,5 bis 7 mm/Jahr, was auf eine Absenkung des Bodens zurückzuführen ist (Subduktion), aber nicht auf den Klimawandel.



    Das versunkene Dorf wurde durch einen Wirbelsturm zerstört, der auch die Küste dort sehr stark erodiert hat.

    Auch wenn es unbestritten den menschengemachten Klimawandel gibt, dort auf Fidschi hat er bisher keinen Schaden angerichtet,

    • @H2Wirtschaft:

      Haben Sie für Ihre Behauptung seriöse Quellen, dass das Versinken nicht durch die Klimakrise verursacht wird und Fidschi von der Klimakrise keinen Schaden nehmen würde?



      Tatsächlich wirken sich die Folgen der Klimakrise gravierend auf Fidschi aus:



      „Im Schnitt sechs Millimeter pro Jahr, aber im Westen, im sogenannten Westpazifik Warm Pool – hier Melanesien, Papua-Neuguinea, Palau, Salomonen –, da kann es bis zu ein Zentimeter sein, und wenn Sie mehr Richtung Osten gehen, wo das Meer tiefer und kühler ist, vier Millimeter, fünf Millimeter. Im Schnitt sechs Millimeter. In zehn Jahren sind es sechs Zentimeter. Ist auch noch nicht viel, sieht man nicht, aber in 100 Jahren sind es 60 Zentimeter. Und wenn Sie eine Insel haben, eine kleine Atollinsel, die nur 2,5 Meter über dem Meeresspiegel rausguckt, dann sind plötzlich 60 Zentimeter weg, da verlieren sie allerhand an Landmasse. Antoine de Ramon N'Yeurt: „Je nachdem, ob die Inseln hoch sind oder niedrige Atolle, ist die Bedrohung unterschiedlich. Für ein Atoll sind es die Überschwemmungen und die Versalzung. Für Orte wie Fidschi vor allem Küstenerosion, Zyklone, heftige Regenfälle“,



      ergänzt Antoine de Ramon N'Yeurt, Klimaexperte der Südpazifik-Universität in Fidschis Hauptstadt Suva. Das erwärmte Meer sei wie eine Wiege für Zyklone, die in den letzten Jahren immer heftiger auftreten ...



      Neben Wirbelstürmen und dem Anstieg des Meeresspiegels machen den Fidschianern noch andere Auswirkungen des Klimawandels zu schaffen: Extreme Regenfälle oder extreme Hitze, Verschiebung der Fruchtzyklen, Versalzung der Böden, Absterben der Korallen. Wie Fidschi sind auch andere Entwicklungsländer sehr verwundbar gegenüber diesen Phänomenen."



      www.deutschlandfun...at-frisst-100.html

      • @Uranus:

        Ich habe versucht hier die Quellen alle anzugeben, doch der Kommentar wurde gestern nicht freigeschaltet. Sorry, an mir liegt es nicht.

  • Frsge:



    Was soll diese Reise bewirken, ernsthaft?



    Es werden noch mehr Emissionen verpulvert.



    Es reist ja ein Riesenaufgebot mit.



    Die Grau läuft barfuss durch Match und dann?

    • @MIA R.:

      Wobei sich pulverförmige Emissionen gut wegspeichern lassen würden.

    • @MIA R.:

      Wie würden Sie denn ein AUßENMinisterium führen, ohne zu reisen?



      Zumal in einer Welt, in der digitale Kommunikation von Tag zu Tag unsicherer wird, weil Hacker mit KI alles vortäuschen können.

    • @MIA R.:

      Vielleicht müsste sie sich auch mal mit Ihnen persönlich treffen, wenn die Vorstellung für das, was sie dort macht, nicht ausreicht.

    • @MIA R.:

      Naja, bei den Urlaubsfliegern heißt es doch auch immer: "Die fliegen auch ohne mich".



      Immerhin vermüllt sie keine Strände und pöbelt nicht besoffen rum.

      • @Erfahrungssammler:

        Ohne Pöbelei und Vermüllung .



        Das sind die Eigenschaften, die eine Aussenministerin haben muss.



        Danke, für die Aufklärung :-)

        • @MIA R.:

          Es ging um einen Vergleich mit Millionen anderer Flugreisen, überwiegend nur zum Spaß, über deren Sinn und Unsinn sich hier niemand außer mir Gedanken macht.



          Lassen Sie sie doch fliegen, das füttert den Whataboutismus.

    • @MIA R.:

      Diese Reise soll schöne Bilder bringen (der Etat für Photographische Begleitung und Stilistin wurde doch stark erhöht) und eine engagierte Frau zeigen, die der Welt zeigt, wo es langgeht und jetzt mal richtig was bewegt. Die Enttäuschung der Leute dort vor Ort wird groß sein.

    • @MIA R.:

      Die Frage habe ich mir auch gestellt. Ich hoffe, es geht nicht nur um schöne Bilder für den Wahlkampf. Wenn schon JournalistInnen keine Fragen mehr haben, war alles super erklärt, oder ...

      • @Torben2018:

        Dazu ist einfach niemandem mehr etwas eingefallen.

    • @MIA R.:

      Ohne Brille geschrieben.



      Soll Frau heissen und Matsch!

      Ihr habt es trotzdem verstanden oder:-)