Debatte um Nancy Fraser: Welche Verfolgung?
Die Philosophin Nancy Fraser wurde von der Uni Köln ausgeladen, weil man sie beim Wort nahm. Mit McCarthyismus hat das nichts zu tun.
Die Formel für Generöse könnte in dieser Causa lauten: Die Uni Köln hat sich taktlos verhalten und zunächst ihre getroffene Entscheidung, die US-Philosophin Nancy Fraser mit dem Albertus-Magnus-Preis zu ehren, wieder zurückgenommen.
Wer öffentlich A sagt, kann dann nicht mehr vor dem B zurückweichen. Denn tatsächlich war ja schon länger bekannt, dass Fraser, ob in einem Anfall von für ihr Milieu klassischem Signaturwahn oder wohlüberlegt, eine öffentliche Petition gegen Israel unterzeichnet hat.
Das aber war nicht der Grund für den Kölner Unirektor Joybrato Mukherjee, Fraser die Auszeichnung (inkl. einiger Vorlesungen) wieder zu entziehen, sondern der Inhalt des Unterschriebenen selbst: In der Petition nämlich wird auch der Boykott der israelischen Universitäten gefordert.
Rektor Mukherjee konnte, so gesehen, nicht anders, als Fraser die Ehrenprofessur zu entziehen. Denn zu den Spezialitäten der Uni Köln gehören enge Kooperationen mit nämlichen israelischen Universitäten: Weshalb – die Kriterien der Identität der Uni Köln mal endlich ernst genommen – sollte eine Intellektuelle einen Preis zuerkannt bekommen, dem sie mit ihren Statements hohnspricht?
Verfolgte Unschuld?
So war das auch im Fall des in Südafrika lehrenden kamerunischen Philosophen Achille Mbembe: Nicht die Dämonisierung des jüdischen Staates war allein bizarr, sondern das Tun der prominenten Stimme des „Global South“: Weil er mit Verve die Ausladung einer israelischen Wissenschaftlerin von einer Tagung in Südafrika betrieb.
Was Fraser jetzt in zahllosen Interviews mit deutschen Medien betreibt, ist, die Rolle der verfolgten Unschuld zu geben. Ist sie nicht: Sie zählt, wie Masha Gessen, Judith Butler and you name it many more, zu jenen Stichwortgeberinnen* des antiisraelischen Zeitgeistes, der diesen Staat schlimmer als Nordkorea, Russland oder Iran zeichnet. Fraser kann weiterhin in Deutschland lehren, auch akademisch.
Manche Kolleg:Innen hätten sie gern als Opfer eines Phänomens, das sie als Cancel Culture, gar neuen McCarthyismus bezeichnen. Das ist falsch: In Deutschland hat es unglückliche Stornierungen gegeben, aber Verfolgungen dann doch nicht. Sie werden bloß alle nicht mehr wie moderne Mandarininnen* in den Manegen der kritisch-theoretischen Weltbilder vorgeführt werden können, jedenfalls nicht mehr fraglos als Topcheckerinnen der Weltenläufte.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen