Cannabis-Gesetz eingetütet: Der erste Schritt zur Vernunft

Natürlich hat das Gesetz jede Menge Schwächen. Doch mit der Legalisierung und dem ausbleibenden Weltuntergang wird sich manche Erkenntnis durchsetzen.

Cannabispflanzen in einem Aufzuchtszelt

Privater Anbau von Cannabispflanzen in einem Aufzuchtszelt Foto: Christian Charisius/dpa

Vielleicht ist es einfach an der Zeit, sich nicht mehr aufzuregen. Das Cannabisgesetz der Ampelkoalition hat in dieser Woche auch die letzten Blockadeversuche im Bundesrat überstanden und kann nunmehr am 1. April in Kraft treten, und das ist bei allen Schwächen des Gesetzes ein historischer Fortschritt.

Man kann, was in der letzten Woche von Uni­ons­po­li­ti­ke­r*in­nen und Län­der­jus­tiz­mi­nis­te­r*in­nen an Argumenten aufgefahren wurde, als letzte Zuckungen der sterbenden Prohibitionsideologie begreifen, und eine solche Einstellung hilft, um nicht zu verzweifeln.

Da wird allen Ernstes als Argument angebracht, die Rückabwicklung nach dann neuer Gesetzeslage zu Unrecht ergangener Urteile im Zusammenhang mit Cannabisbesitz und -konsum sei zu aufwändig. Deshalb sollte das Gesetz so nicht kommen oder wenigstens nicht die rückwirkende Amnestie oder wenigstens nicht gleich. Merken diese Leute eigentlich, was sie da sagen?

Was sie vor allem denjenigen sagen, die von solchen Urteilen betroffen sind, ja, deren Leben und berufliche Perspektiven die Prohibition zerstört hat? Es war bislang nicht zu aufwändig, jedes Jahr rund 180.000 vollkommen unsinnige Anzeigen im Cannabis-Zusammenhang zu bearbeiten und dann entweder einzustellen oder zu Urteilen zu kommen, aber die rückwirkende Amnestie ist zu anstrengend? Ernsthaft?

Absurde Blüten

Ein sächsischer CDU-Ministerpräsident, der zuvor schon verkündet hatte, er wolle das Gesetz in den Vermittlungsausschuss bringen und dafür sorgen, dass es da nie wieder herauskomme, stellt sich mit weinerlicher Stimme in den Bundesrat und berichtet, was für schlimme Auswirkungen des Crystal-Meth-Konsums er mit eigenen Augen gesehen habe. Bitte? Und CSU-Politiker*innen argumentieren, man brauche neben Alkohol und Nikotin nicht noch eine Droge – ja dann kifft halt nicht.

Natürlich hat das in viel zu vielen Runden mit viel zu vielen Be­den­ken­trä­ge­r*in­nen windelweich verhandelte Gesetz jede Menge Schwächen. Mit Eigenanbau und Anbauvereinigungen allein bekommt man den Schwarzmarkt natürlich nicht signifikant reduziert. Es braucht dringend lizensierte Unternehmen und kontrollierte Vertriebswege. Es ist auch überhaupt nicht einzusehen, dass Cannabis in Deutschland quasi das einzige Produkt überhaupt sein soll, was legal nur ohne Profitinteresse hergestellt werden darf. Was soll das?

Die viele Jahrzehnte alte Debatte treibt noch immer absurde Blüten. Aber immerhin: Der erste Schritt ist getan. Und wenn – wie überall woanders, wo seit ein paar Jahren legalisiert ist – mal alle gemerkt haben, dass die Welt nicht davon untergeht, kann man auch wieder vernünftig reden.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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