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Grünen-Politiker Saleh zu Nahost-Debatte„Eine unerträgliche Stimmung“

Als im Irak geborener Grünen-Politiker steckt Kassem Taher Saleh beim Thema Nahost zwischen zwei Welten. Er fordert von seiner Partei eine differenziertere Haltung.

Kritisiert den grünen Vizekanzler: Kassem Taher Saleh Foto: Roger Hagmann
Tobias Schulze
Interview von Tobias Schulze

taz: Herr Taher Saleh, anders als viele Kol­le­g*in­nen haben Sie sich in den letzten Monaten nicht öffentlich zum Nahost-Krieg geäußert. Warum nicht?

Kassem Taher Saleh: Erstens hatte ich in den letzten Monaten in meinem Fachgebiet, der Baupolitik, viel zu tun. Zweitens standen bei uns sächsischen Grünen die Vorbereitungen auf die Wahlkämpfe dieses Jahres an. Ich wusste: Wenn ich mich öffentlich zum Nahen Osten äußere, brauche ich dafür meine volle Kraft und die gesamte Power meines Teams. Die habe ich erst jetzt.

Warum fordert Ihnen das Thema Kraft ab?

Im Interview: Kassem Taher Saleh

ist 1993 im Irak geboren und im sächsischen Plauen aufgewachsen. Seit 2019 ist der gelernte Bauingenieur Mitglied der Grünen und seit 2021 Abgeordneter im Bundestag.

Ich befürchte, dass ich von Springer und Co in eine Ecke gedrängt werden könnte: Dass ich wegen meiner Positionen, meiner Biografie und meines religiösen Hintergrunds als muslimischer Antisemit betitelt werde.

Woher kommt diese Befürchtung?

Mir ist klar, dass Deutschland in einer historischen Verantwortung steht. Das heißt aber nicht, dass wir alles, was Israel macht, zu 100 Prozent unterstützen müssen. Ich lehne das israelische Vorgehen im Gazastreifen und den Bruch des Völkerrechts ab. Seit Monaten sterben Zivilisten. Leider entstand aber nach dem 7. Oktober in der migrantischen Community und bei mir der Eindruck: Wir müssen uns jetzt ohne Wenn und Aber zu Israel bekennen – sonst sind wir nicht mehr Teil dieses Landes.

Es gab Fälle von Profisportlern und Künstlern, die sich nicht mehr frei äußern konnten. Auf Demos wurden Menschen von der Polizei herausgezogen, weil sie den falschen Schal trugen. Jugendliche bekamen in der Schule unangenehme Fragen gestellt, bloß weil sie einen muslimischen Hintergrund haben. Das waren schmerzhafte Erfahrungen, und von politischer Seite wurde diese spalterische Stimmung auch noch befeuert.

Was meinen Sie damit?

Ich meine damit auch die Social-Media-Rede von Robert Habeck, die im November viral ging. Darin hat er gesagt, Muslime in Deutschland müssten sich klipp und klar von Antisemitismus distanzieren, um nicht ihren eigenen Anspruch auf Toleranz zu unterlaufen. Warum so pauschal? Und was ist mit antisemitischen Anschlägen wie dem in Halle? Der Täter dort war kein Migrant, sondern ein Nazi. Ich habe in den letzten Monaten eine unerträgliche Stimmung erlebt, in der Muslime pauschal als Antisemiten bezeichnet wurden.

Es gab und gibt auf migrantisch geprägten Demonstrationen aber nun mal antisemitische Vorfälle – und einen Mangel an Empathie für die jüdischen Opfer der Hamas.

Da gebe ich Ihnen recht. Ich hätte mir auf den Demonstrationen auch klarere Positionen zu den Morden des 7. Oktober gewünscht, genauso wie eine klare Distanzierung von all jenen, die das Massaker gefeiert haben. Die Hamas ist eine Terrororganisation, will den Staat Israel auslöschen und muss vernichtet werden.

Trotzdem frage ich mich, warum Israel in Kauf nimmt, dass durch den Beschuss von Krankenhäusern und Schulen so viele Unschuldige sterben. Daneben hätte ich mir gewünscht, dass man das und den Schmerz der migrantischen Communitys stärker in unsere politischen Debatten aufnimmt. Auch da hat es mir an Empathie gefehlt, gerade von Regierungsmitgliedern und insbesondere von Bundeskanzler Olaf Scholz.

Sie sind im Irak geboren und mit zehn Jahren nach Deutschland gekommen. Ihr Vater ist Kurde, Ihre Mutter Araberin. Wie genau prägt Ihre Biografie Ihre Sicht auf den Konflikt?

Seit meiner Geburt ist das Thema Israel und Palästina immer wieder Gesprächsthema in meiner Familie – verstärkt natürlich nach Militäraktionen im Westjordanland und im Gaza­streifen. Ehrlicherweise habe ich da nicht immer ein differenziertes Bild mitbekommen. In der Hinsicht hätte ich mir als Gegengewicht in der Schule mehr Aufklärungsarbeit in Deutschland gewünscht.

Die gab es nicht?

Was bedeutet es, jüdisch zu sein in Deutschland? Was bedeutet es, jüdisch zu sein in Israel? Das hätte ich gerne in der Schule erfahren, aber das hat komplett gefehlt. Und das gibt es bis heute nicht genug. Bei einem Besuch in einer Schule hier in Dresden-Johannstadt haben mir die Lehrerinnen und Lehrer offen gesagt: Bitte halten Sie mal eine Stunde ein Referat über den Konflikt – wir sind in der Hinsicht überfordert.

Ich würde mir wünschen, dass die Politik hier ansetzt und die Bildungsarbeit ausbaut, anstatt nur pauschal zu sagen: Entweder du bekennst dich zum Existenzrecht Israels oder du bist kein Deutscher. Das Existenzrecht Israels darf nicht angetastet werden, aber die Menschen müssen auch verstehen, warum. Für diese Debatte braucht es mehr Aufklärung.

Sie haben Ihre familiäre Prägung erwähnt. Steht der Nahost-Krieg heute zwischen Ihnen als Grünen-Abgeordnetem und Ihrem Umfeld?

Aus dem Familienkreis höre ich: Warum äußerst du dich nicht? Und warum sieht die Bundesregierung nur die eine Seite? Mein Freundeskreis ist auch sehr divers und migrantisch geprägt, dort höre ich ähnliche Fragen.

Was antworten Sie?

Ich antworte verständnisvoll: Ich verstehe euren Schmerz und euer Leid komplett, ich melde mich zu dem Thema auch in Fraktionssitzungen. Ich bin aber in vorderster Linie Baupolitiker und nicht Außenminister. Bitte habt Verständnis dafür, dass ich nicht alle eure Erwartungen erfüllen kann.

Gibt es auch Momente, in denen Sie inhaltlich in den Widerspruch gehen?

Ja, das gab es vereinzelt auch – wenn jemand die Taten des 7. Oktobers mit dem palästinensischen Leid der letzten Jahrzehnte legitimiert hat. Da muss man ganz klar widersprechen.

Die Grünen bemühen sich seit Längerem, diverser zu werden und mehr Menschen mit Migrationshintergrund anzusprechen. Sehen Sie dieses Ziel aktuell in Gefahr?

Ich fürchte, ja. Ich kenne einige aus der migrantischen Community, die bei der Bundestagswahl 2021 mit breiter Brust für uns geworben haben und jetzt nicht mehr wissen, wen sie wählen sollen.

Ist bei den Grünen denn Platz für Positionen wie Ihre?

Ja. Ich war auch nicht der Einzige, der das in Fraktions­sitzungen angesprochen hat. Auch andere haben von Anfang an die zivilen Opfer gesehen. Nur in der Kommunikation kam das leider kaum vor. Die migrantischen Communitys wurden nicht mitgenommen.

Im November gab es einen Beschluss des Grünen-Parteitags. Darin geht es sowohl um das Recht Israels auf Verteidigung als auch um seine völkerrechtlichen Pflichten und die zivilen Opfer im Gazastreifen. Das müsste doch in Ihrem Sinne gewesen sein?

Ich habe den Beschluss gerade nicht Wort für Wort vor Augen. Insgesamt kam aber für mich der Schutz der Zivilistinnen und Zivilisten auch darin nicht klar genug zum Ausdruck.

Aber mit Ihrer Außenministerin müssten Sie zufrieden sein? Bei ihrem Besuch in Israel sagte sie diese Woche, die angekündigte Offensive auf die Stadt Rafah wäre eine „humanitäre Katastrophe mit Ansage“.

Annalena Baerbock hat das Leid der Menschen in Gaza und die hohe Zahl der zivilen Opfer immer wieder klar benannt. Ich hätte mir das zwar früher gewünscht, aber mir ist auch bewusst, dass der Zeitpunkt und die Art der Ansprache gegenüber Israel sehr gut überlegt sein müssen. Das ist Diplomatie. Das kann ich als politischer Neuling nur begrenzt werten. Insgesamt hat sich in Deutschland die politische Bewertung des Kriegs in den letzten Wochen zum Glück stark gewandelt. Ich hätte mir diesen Switch einfach früher gewünscht.

Wir haben bis hierhin viel über Kommunikation und Gefühle gesprochen. Welche konkreten Forderungen haben Sie aber an die deutsche Außenpolitik?

In drei Wochen ist Ramadan. Was passiert da mit den Menschen in Gaza? Wie sollen sie auf halbwegs menschenwürdige Art und Weise ihre Religion ausüben? Ich würde mir wünschen, dass die Menschen zumindest diesen einen Monat ohne Angst um ihr Leben, ohne Krieg und ohne Waffen begehen können. Eine Feuerpause für die Zeit des Ramadan wäre das Mindeste. Das sollte auch unsere deutsche Außenministerin fordern.

Für Feuerpausen hat sich Annalena Baerbock schon mehrfach ausgesprochen.

Dann braucht es jetzt noch mal mehr Nachdruck.

In den Niederlanden hat ein Gericht gerade Rüstungslieferungen an Israel unterbunden. Sollte auch die Bundesregierung Exporte an Israel einschränken?

Lange Zeit habe ich Waffenlieferungen generell kritisch gesehen. Ich habe aber eine ­differenziertere Haltung, seitdem ich vor Kurzem in der ­Ukraine war und dort einen russischen Raketenangriff ­miterlebt habe. Israel hat das Recht, sich zu verteidigen. ­Insofern würde ich sagen: Verteidigungswaffen ja. Aber Angriffswaffen an Israel zu liefern, halte ich persönlich für ­schwierig. Ich würde mir wünschen, dass die Bundesregierung auch hier ihren Kurs ­ändert.

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23 Kommentare

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    Die Moderation

  • Danke für das Interview und danke Herr Saleh für Ihren differenzierten und einleuchtenden Gedanken zu diesen, für mich schwer einschätzbaren und komplexen Konflikten.

  • Es gibt de facto keine militärischen Stellungen der Hamas, die man angreifen könnte, diese sind stets in die zivile Infrastruktur integriert oder befinden sich unter Tage.



    Es ist Kalkül der Hamas Schulen, Krankenhäuser, Kindergärten oder andere Hilfseinrichtungen zu missbrauchen, um im Falle eines Gegenschlags wenigstens noch einen Propagandasieg davon tragen zu können. Die Hamas will das möglichst viele Kinder, Alte und Kranke in Gaza sterben.

    Israel hat im Grunde keine andere Wahl als entweder tatenlos zu bleiben oder mit den (von der Hamas Provozierten) Kollateralschäden und der damit verbundenen, negativen Presse zu leben. Das Israel nach dem 07. Oktober einfach die Hände in den Schoß legt und sagt „Ja gut, dann machen wir halt einfach nix!“ war nicht zu erwarten und auch das war ja Kalkül der Hamas. Man wollte die, sich langsam aber stetig bessernden Beziehungen, zu den anderen Staaten der Region torpedieren.

    Von Herrn Schulze hätte ich mir gewünscht, dass er die, aus meiner Sicht, offensichtliche Frage stellt: Warum ist der Konflikt zwischen Israel und Gaza für Sie und andere Muslime, in Deutschland, so relevant, während andere Konflikte, in denen weit mehr Muslime starben & sterben (Jemen, Syrien, die Kurdengebiete der Türkei,…) kaum Resonanz generieren?

    • @Julius Anderson:

      Danke, dass sind auch alles Ideen und Fragen gewesen, die mir durch den Kopf gehen. Israel beschießt Krankenhäuser und Schulen bzw. durchsucht diese ja nicht, um den Zivilist*innen zu schaden, sondern weil die Hamas so feige ist, mit kaltblütigen Kalkül die eigenen Menschen als Schutzschilde zu missbrauchen. Ich vermisse vollkommen, dass Menschen mit einem muslimisch-migrantischen Hintergrund, die sich öffentlich äußern, diesen Fakt einbeziehen, wenn sie monieren, dass in diesem Konflikt gerade Zivilist*innen sterben. Zudem könnte ja auch einmal verglichen werden: die Hamas greift gezielt Zivilist*innen an, in der erklärten Absicht, diese zu foltern, zu vergewaltigen, zu töten oder zu verschleppen. Die israelische Armee greift gezielt eine Terrororganisation an, warnt Zivilbevölkerung, versucht Korridore zu erschließen, die dieser eine Flucht vor Militärschlägen ermöglichen und trotzdem ist diese Armee dann generell der Buhmann? Wenn die israelische Armee gezielt Zivilist*innen abschlachten würde, wenn sie gezielt soziale und Gesundheitseinrichtungen angreifen würde, um dort Zivilist*innen zu töten, dann wäre jede Kritik angebracht. Aber so? Und wie stellen sich die Menschen denn einen Krieg vor, dass es dort keinerlei zivile Opfer gibt? Das ist doch vollkommen unrealistisch. Hier stellen sich nicht nur Aggressoren bzw. diejenigen, die diese Aggressoren immerhin gewählt und/oder an der Macht gelassen haben selbst so hin, sondern werden auch noch durch Dritte so hingestellt, als ob sie die alleinigen Opfer sind und nicht einmal ansatzweise an dem, was ihnen jetzt passiert mitbeteiligt sind. Wenn sich die Muslim*innen weltweit und insbesondere die Palästinenser*innen in Gaza gerne beschweren möchten hinsichtlich ihres Leids, dann sollten sie sich an die Hamas wenden und ggf. auch einmal an die eigene Nase fassen, wen sie da über Jahre und Jahrzehnte vielleicht sogar aktiv unterstützt haben.

  • Guter Hinweis auf den Beginn des Ramadan.

    Das wäre doch ein brillanter Zeitpunkt zur Freilassung der Geiseln, die sich noch in der Gewalt der palästinensischen Terroristen befinden, oder?

    Noch besser wäre es, die Geiseln schon heute freizulassen. Damit entfiele für die israelische Armee die Rechtfertigung für weitere Angriffe auf Gaza.

    Aber das ist wahrscheinlich zu einfach gedacht.

  • 》 Muslime in Deutschland müssten sich klipp und klar von Antisemitismus distanzieren [...] Warum so pauschal? [...] Ich habe in den letzten Monaten eine unerträgliche Stimmung erlebt, in der Muslime pauschal als Antisemiten bezeichnet wurden.《

    "Muslime" ist eine Sammelbezeichnung. In meiner Familie, auch für mich selber, galt eigentlich immer die Definition aus Lessings Nathan der Weise, der Ringparabel.

    Das funktionierte auch gut. Mein Vater war Katholik, meine Großmutter fand, Juden und Muslime hätten mehr gemein als Juden und Christen, weshalb sie am 1. Weihnachtstag immer zwei oder drei ihrer muslimischen Kommilitonen mitbrachte.



    Und ihre Beerdigung war dann auch eine jüdisch-muslimisch-christliches Ereignis.

    Spätestens die Reaktionen muslimischer Führer nach den Verbrechen des 7.Oktober aber stellen das in Frage.

    So bezeichnete der Diyanet¹-Vorsitzende Ali Erbas Israel in der ersten Freitagspredigt nach dem Massaker als „rostigen Dolch im Körper der islamischen Geografie“ is.gd/8RyuDQ und ließ seitdem keinen Zweifel daran, dass er die Hamas als Befreiungsbewegung versteht.

    Die eine sunnitisch-islamistische Terrororganisation ist, unterstützt von der schiitischen islamischen Republik Iran.

    ¹die türk. Religionsbehörde

    》Am 7. 10. 2023 wurde auf der Neuköllner Sonnenallee, dem wohl arabischsten Straßenzug Deutschlands, freudig Baklava verschenkt: Blätterteiggebäck in Honig, wahlweise mit gehackten Walnüssen, Mandeln oder Pistazien. Um dem Terrorder Hamaszu huldigen. Undden Massenmord an israelischen Zivilistenals Sternstunde der palästinensischen Freiheitsbewegung zu zelebrieren. Ähnliche Kundgebungen gab es an etlichen Orten der Welt: Malaysia, Kanada, Dschibuti, London.《 (Zeit.de) is.gd/2PVxvN

    Deshalb so pauschal? So heterogen der Islam sein mag - auf welcher Grundlage soll wan wie selbstverständlich davon ausgehen, dass jewand, der sich als Muslim*a bezeichnet, solchen Führern nicht folgt?

  • "Ich hätte mir auf den Demonstrationen auch klarere Positionen zu den Morden des 7. Oktober gewünscht," meint Kassem Taher Saleh. Nun ja, die vom Interviewer als "migrantisch geprägt" bezeichneten Demonstrationen zum Nahostkonflikt haben diesbezüglich an Klarheit wenig zu wünschen übrig gelassen. Und es gab bisher in Deutschland, soweit ersichtlich, keine einzige von Palästinensern oder anderen Arabern geprägte Demonstration gegen die Hamas, obwohl diese nur die Geiseln freilassen und kapitulieren müsste, um die Zivilbevölkerung Gazas vor weiteren Kriegsgefahren zu schützen.

  • Okay, aber wo bleibt die Anfrage an die eigene „migrantische Community“, warum man nicht nur wenige klare Worte gegen den Überfall der Hamas findet, sondern auch nichts von einer Verurteilung des feigen Versteckens hinter Zivilisten, unter Krankenhäusern und in UNO - Schulen hört? Von einer befriedendenden Freilassung der Geiseln ganz zu schweigen? Wo bleibt die Forderung an muslimische Herrscher ihre Unterstützung des Terrors einzustellen und statt dessen Israel durch die Stärkung ziviler, demokratischer Kräfte in Gaza und Ramallah unter Druck zu setzen?

    • @vieldenker:

      Guter Beitrag. Je länger der Nahostkonflikt andauert, umso länger wird die Liste der aufzuarbeitenden Fehlleistungen und Gräuel. Auf beiden Seiten, in Regierungen und in den Bevölkerungen.

      Ein Mensch, aus der Region, betroffen und dennoch weitsichtig genug, um beide Seiten anzusprechen und dazu noch in einer exponierten Position, der fehlt. Seit Jahren bzw. Jahrzehnten.

  • Den Switch, den er persönlich sich im politischen Klima in Deutschland früher gewünscht hätte, den die Bewertung dieses Krieges angeht wurde ja vorausgesagt - u.a. hier in der taz. "zum Glück hat der sich stark gewandelt": hier stellt sich für mich die Frage, wie weit sich nach seiner Ansicht die Bewertung denn wieder auf das Niveau von vor 7/10 zurückdrehen soll? Irgendwie steckt für mich da das "Aufatmen" drin, dass die Kritik an Israel wie sie vor 7/10 "normal" war, sich nun langsam wieder einstellt: Man darf nun wieder unverholen allein Israel in die Pflicht nehmen, diesen Konflikt zu lösen bzw. zu handeln. Ich habe bisher wenige bzw. keine palästinensische Stimme gehört, die sich gegen die Hamas wendet, dass diese die Waffen niederlegen, die Geiseln freigeben und sich ergeben sollen. Was ich auch nicht gelesen habe, sind Forderungen an die Menschen in Gaza (auch schon zu früheren Zeitpunkten, denn mit ist bewusst, dass jetzt zivilen Widerstand zu organisieren nahezu unmöglich ist) sich in Form von ziviler Selbstorganisation gegen die Hamas zu stellen.



    Vermutlich ist auch dort bekannt, dass der Hamas beispielsweise ein Hungerstreik der eigenen Bevölkerung völlig egal wäre, da ihnen die eigene Bevölkerung schlicht egal ist. Wer in einer solchen Dimension von ideologischen Wahn gefangen ist, denkt in völlig anderen Kategorien. An dieser Stelle ist jedoch auch die Frage zu stellen inwiefern die simple Unterteilung - wie sie immer wieder gefordert wird - zwischen ziviler Bevölkerung und Hamas zu bewerkstelligen ist. Immerhin handelt es sich um eine nicht unbedeutende Zahl an Hamas"kämpfern", von denen sicherlich nicht jeder mit seiner Familie für den Beitritt in die Brigaden gebrochen hat.



    Vielleicht weiß hier ja jemand mehr über die von mir oben benannten Forderungen. Ich bin offen für Links zu entsprechenden Artikeln.

  • Genauso wie 'wir' uns gegen die Hamas und den Terror sistanziren, erwarte ich von aufrechten Israeli und ihren Unterstützern hierzulande, dass sie sich vom Landraub der Siedler und den Bombardements einer von Rechtsradikalen getriebenen israelischen Regierung differenziert distanzieren, die nur Hass säen und einer Verständigung im Wege stehen. ES muss auch im Interesse der Bevölkerung Istaels sein, verlässlich im Frieden zu leben und Palästinenser in die Arme von Hamas oder der Hisbollah zu treiben. Deren Finanziers im Iran und anderswo wollen keinen Frieden.

  • Gerade das von Saleh angesprochene Halle ist doch ein gutes Beispiel, da wurde genau das von den Deutschen verlangt - wobei man es eigentlich nicht von friedlichen Menschen verlangen sollte, sich von Terror zu distanzieren. Wenn dies aber von einer Seite geschieht, sollte sich sich daran messen lassen - und Habecks Einleitung war auch genau diese: die Muslime in diesem Land verdienen jede Unterstützung gegen Ausgrenzung (sinngemäß), jetzt dürfen wir aber auch erwarten, dass sie sich nicht selbst an Ausgrenzung von Juden beteiligen.

  • Ramadan dauert mehrere Wochen... das halte ich für unrealistisch. Eine pauschale Feuerpause dagegen für angebracht (wenn auch für gleichermaßen unrealistisch, weil Bibi). Bibi möchte offenbar den Gazastreifen dem Erdboden gleichmachen. Und dann? Die ganze Situation ist so zerfahren und zusätzlich von Bibis persönlichen Motiven durchsetzt... Es bräuchte einen großen Reset wie in Ruanda, doch davon ist Bibi meilenweit entfernt.

    Nochmal Ramadan: die Replik aus Israel käme sofort: was war mit Jom Kippur?

    • @Trolliver:

      Der Jom-Kippur-Krieg wird in der arabischen Welt "Ramadan-Krieg" genannt, weil der Angriff der beteiligten arabischen Staaten während des Ramadan stattfand. Offenbar hatten diese muslimisch geprägten Staaten keinerlei Probleme damit, während des Ramadan Krieg zu führen.

  • Von solchen Stimmen brauchen wir mehr. Danke für Ihren Mut.

  • "Ich lehne das israelische Vorgehen im Gazastreifen und den Bruch des Völkerrechts ab." Wenn man das Vorgehen Israel ablehnt, sollte man Alternativen nennen, die eine Wiederholung des 7. Oktober ausschließen. Wenn man Israel den Bruch des Völkerrechtes unterstellt, sollte man Nachweise nennen. Beides wird so einfach nicht gelingen, und daher erfolgt es nicht. Und daher finde ich diesen Satz nicht in Ordnung.

    • @Niclas Grabowski:

      Sie sollten sich mit den Ursachen dieses Terroraktes beschäftigen. Alle israelischen Regierungen rauben illegal - vor allem durch bewaffnete Siedler ( ca. 400 000 im Westjordanland) palästinensisches Land. Man kann von einer völkerrechtswidrigen Annektion sprechen. Die kolonialen Grundzüge der imperialistischen Politik der Briten unde Franzosen werden im völkerrechtswidrigen Vorgehen der Israelis fortgeführt. Es geht und ging immer darum, die palästinensische Bevölkerung zu vertreiben und um die "Umsiedlung der Bewohner des Gazastreifens"... "und wir werden im Gazastreifen leben" ( Ben-Gvir-Minister für die Nationale Sicherheit Israels und Smotrich -I Finanzminister und zuständig für den Siedlungsausbau im von Israel besetzten Westjordanland. Smotrich leugnet die Existenz des palästinensischen Volkes.)Noch ein letzter Satz: Die internationale Staatengemeinschaft hat sich NICHT um die jahrzehntelangen Erniedrigungen und Ungerechtigkeiten, die Pästinensern wiederfahren ist, gekümmert. Ich erspare mir die Aufzählungen, die in ihrer Art nur noch als rassistisch und unmemschlich zu bezeichnen sind.

      • @Struppo:

        "Sie sollten sich mit den Ursachen dieses Terroraktes beschäftigen."

        Gerne: Die maßgebliche(!) Ursache dieses Terroraktes ist, dass sich in Gaza (wo alle israelischen Siedlungen 2005 geschleift wurden) eine radikale, islamistische Terrormiliz als faktische Staatsmacht etablieren konnte, die die Vernichtung Israels zum Ziel hat und der dafür jedes Mittel recht ist - STATT sich mit legitimen Mitteln gegen das reale Unrecht zu wehren, dass anderswo Palästinensern geschieht. Alles weitere sind Ausreden, um seinem Hass so freien Lauf zu lassen, wie die Hamas das tut.

  • Wie soll man denn zwischen Angiffswaffen und Verteidigungswaffem unterscheiden? Es liegt doch an den Menschen, wie und gegen wen sie die Waffen einsetzen. Waffen sind zum töten da. Immer und nur dazu!

    • @Matt Gekachelt:

      Das geht wohl von der - militärisch wie völkerrechtlich nicht haltbaren - Vorstellung aus, "Verteidigung" umfasse lediglich die passiven Abwehrmaßnahmen, die man noch ergreifen kann, wenn der Feind schon angreift. "Counterforce"-Verteidigung ist nicht Teil dieses kurzsichtigen Denkkonzeptes.

    • @Matt Gekachelt:

      Raketen und Ersatzteile für den Schutzschild Israels wären ein Beispiel für Waffen zu Verteidigung.

      Panzer sind hingegen reine offensive Waffen und eignen sich nur für Angriffe/Gegenangriffe.

      In den meisten Fällen ist eine klare Unterscheidung jedoch nicht so einfach.

    • @Matt Gekachelt:

      Vermutlich ist sowas wie der Iron Dome gemeint, Luftabwehr.

      Was auch ein Defizit in dem Interview sichtbar macht: weder der andauernde Beschuss aus Gaza noch die Geiseln werden wirklich thematisiert - warum nutzt Saleh - wenn es um das Grauen, dass die Zivilist*innen in Gaza erleiden - seine Reichweite, auch in die migrantische Community, auch in die Sonnenallee nicht, um an die Hamas zu appellieren, die Geiseln freizulassen, sich zu ergeben (z.B. der UNO, statt sich in ihrem aussichtslosen Kampf hinter Zivilist*innen zu verschanzen) und die Verantwortlichen für die Verbrechen des 7.Oktober an ein internationales Gericht zu überstellen?

    • @Matt Gekachelt:

      Wenn man Luftabwehrraketen nicht zu Boden-Boden Raketen umfunktioniert, dann sind das denke ich reine Verteidungswaffen.