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Debatte um Marschflugkörper für UkraineTausch für Taurus

Die Bundesregierung soll einen Ringtausch erwägen, um die Ukraine mit Langstreckenraketen zu beliefern. Ex­per­t:in­nen begrüßen das.

Ein Tornado Kampfjet bestückt mit einem Taurus Lenkflugkörper Foto: Andrea Bienert/BW/dpa

Berlin taz | In die festgefahrene Debatte um die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern ist Bewegung gekommen. Wie deutsche und britische Medien am Donnerstag berichteten, soll die Bundesregierung die Möglichkeit eines Ringtauschs erwägen. Das hieße, Deutschland liefert Taurus-Marschflugkörper der Bundeswehr an Großbritannien oder Frankreich, die dann im Gegenzug ähnliche Waffensysteme aus ihren eigenen Beständen in die Ukraine exportieren würden. „Für die Ukraine wäre das eine gute Nachricht“, so die Sicherheitsexpertin Claudia Major im „ZDF-Morgenmagazin“. Major, die zum Be­ra­te­r:in­nen­kreis der Bundesregierung gehört, bezeichnete die Lage in der Ukraine als „dramatisch.“ Es ginge für die Ukraine in diesem Jahr vor allem darum durchzuhalten.

Spre­che­r:in­nen des Verteidigungsministeriums und des Bundespresseamts wollten die Berichte auf Anfrage nicht kommentieren. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sagte verschiedenen Medien, er kenne ein solches Angebot nicht.

Marschflugkörper sind ein Waffensystem, das sich selbst ins Ziel steuern kann. Sie sind dafür gedacht, weit hinter der Frontlinie gelegene Ziele zu treffen. Die Ukraine besitzt bereits Marschflugkörper aus britischen und französischen Beständen vom Typ Storm Shadow und Scalp, doch die Vorräte neigen sich dem Ende zu.

Die Lieferung weiterer Marschflugkörper hält Major daher für notwendig. Gegenüber der taz sagte sie: „Russland hat Munitionsstützpunkte, Gefechtsstände, Versorgungsrouten weit hinter die Linien verlegt. Die Ukraine braucht also Waffen mit größerer Reichweite, wenn sie die strategischen Ziele trotz der großen Entfernung treffen und damit Russland schwächen will.“

Die Ukraine hatte die Bundesregierung bereits im Mai vergangenen Jahres offiziell um Taurus-Marschflugkörper gebeten. Während aus den Reihen der FDP und der Grünen sowie der Unionsopposition vehement die Lieferung befürwortet wird, zeigten sich Bundeskanzler Olaf Scholz und die SPD bislang abwehrend. Die Gründe wechseln – mal ist es die Sorge vor einer weiteren Eskalation, Angriffen auf Russland und dass Deutschland in den Krieg hineingezogen werden könne, es gibt aber auch Bedenken gegen die Weitergabe sensibler Daten. Gründe, die Major nicht überzeugen: „Alle Bedenken sind bislang entkräftet worden, zumal Frankreich und Großbritannien ähnliche Marschflugkörper geliefert haben.“

Ein Ringtausch könnte dennoch sinnvoll sein. Im Gegensatz zu den Taurus wären weitere Storm Shadow- oder Scalp-Marschflugkörper sofort einsatzfähig, weil diese bereits an die von der Ukraine genutzten Kampfjets sowjetischen Typs angepasst wurden. Zum anderen würde damit das Problem umgangen, dass die Bundeswehr der ukrainischen Armee möglicherweise sensible Geoinformationsdaten zugänglich machen oder deutsches Personal einbinden müsste. Für Großbritannien oder Frankreich wäre der Deal interessant, weil sie so ein etwas moderneres und aufgrund höherer Präzision etwas wirksameres Waffensystem erhielten.

Der Taurus-Bestand der Bundeswehr soll nach Expert:innen-Schätzungen zwischen 500 und 600 liegen. Hergestellt wird der Taurus von einem Gemeinschaftsunternehmen der Deutschland-Tochter des europäischen Rüstungskonzerns MBDA und Saab Dynamics aus Schweden. Er ist das deutsch-schwedische Gegenstück zu den parallel von MBDA entwickelten und weitgehend identischen Marschflugkörpern Storm Shadow und Scalp. Der Stückpreis liegt bei allen drei Varianten bei etwa einer Million Euro.

Nachweislich erstmals im Einsatz war ein Storm Shadow-Flugkörper im Juni 2023 bei der Beschädigung der zur Krim-Halbinsel führenden Tschongar-Brücke. Während der Taurus über eine Reichweite von bis zu 500 Kilometer verfügt, kommen Storm Shadow und Scalp auf eine Reichweite von bis zu 560 Kilometer. Wobei unklar ist, ob Großbritannien und Frankreich bei ihren Lieferungen die Reichweite verringert haben, was technisch möglich wäre.

Major wies gegenüber der taz aber auch darauf hin, dass Marschflugkörper allein nicht ausreichten, um die Kräfteverhältnisse zu Gunsten der Ukraine entscheidend zu verändern. „Es geht nicht nur um ein Waffensystem, das die Ukraine braucht und das Wunder bewirken würde, sondern um die langfristige, verlässliche Unterstützung der Ukraine im Gesamtpaket, und zwar militärisch, finanziell, humanitär und politisch.“

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55 Kommentare

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  • Die Ukraine braucht vor allem und in sehr großen Mengen Munition und Artillerierohre und das nicht erst seit gestern, für beides hätte man genug Zeit gehabt Produktionskapazität aufzubauen, das ist aber anscheinend nicht passiert.

    • @FancyBeard:

      Leider ist die Bedeutung von Logistik im Kriegsfall bei vielen unserer Parlamentarier noch nicht angekommen.







      ------------------------------------------------------------



      Das ist doch schließlich etwas, womit man sich doch bitteschön nicht mehr die Finger schmutzig machen möchte.



      Hatte nicht Francis Fukuyama auch vom »Ende der Geschichte« gesprochen? Also lass diesen unschönen Krieg schnell vorbeigehen, damit ich meine Politkarriere als stromlinienförmiger Kader in der von mir gewählten Friedenspartei bei Beibehaltung meiner Denkfaulheit fortsetzen kann.



      Es reicht doch schon, wenn sich meine Klientel, die ich vorgebe zu vertreten, sich bei jedem Gespräch über die Herausforderungen und Unwägbarkeiten der realen Welt beschwert.



      Das möchte ich doch bitteschön nicht auch noch in meiner Blase haben!



      ------------------------------------------------------------

      Was die Ukraine JETZT braucht sind Artilleriemunition und Luftabwehrsysteme samt Raketen - nach über anderthalb Jahren Vorlauf!

    • @FancyBeard:

      Gähn, wir haben 1500 Leos, 40000 Marder und etliche hundert Gepard verschrottet, die Herstellungskapazitäten für Ausrüstung und Munition abgebaut, keine bewaffneten Drohnen entwickelt geschweige denn gebaut, die Artillerie fast komplett abgebaut (ausser PzH) und das alles unter Merkel und Scholz, mit begeisterter Unterstützung der Grünen. Und jetzt soll das alles in 2 Jahren hergezaubert werden. Ohne dass irgendjemand mal sagt woran das liegt und sich vielleicht mal entschuldigt, Einsicht zeigt, die lage analysiert und Strategien entwickelt wie das alles verbessert werden kann., Aber Pardon, die Grünen wussten ja bis vor 14 Tagen noch nicht mal dass es diese "Tierpanzer" gibt... und von industrieller Produktion haben Leute wie Habeck und seine Kumpels im Ministerium ja genau soviel Ahnung wie von Wirtschaft oder Insolvenzen. Fordern kann jeder, aber man muss sich mal die Wirklichkeit anschauen die einen umzingelt bevor man sagen kann was möglich ist und was nicht.

  • "Zum anderen würde damit das Problem umgangen, dass die Bundeswehr der ukrainischen Armee möglicherweise sensible Geoinformationsdaten zugänglich machen oder deutsches Personal einbinden müsste." Wo wäre denn das Problem dabei? Russland lässt sich von Iran, Türkei und China und wer weiß von wo noch beliefern, aber gibt sich ehrlich empört, wenn die Ukraine sich ebenfalls bei Partnern ausrüstet? Und davon lässt Scholz sich beeindrucken?

  • Wo waren die Strack-Zimmermann, die Hofreiter`s, als die CDU im Bundestag den Antrag stellte Taurus sofort zu liefern ?? Da hat man sich schön brav weggeduckt, der Schutz des schwachen Kanzlers hatte Vorrang. Sich aber jetzt wieder vor jedes Mikrophon zu stellen und die Marschflugkörper zu fordern ist nur heuchlerisch.

    • @Günter Witte:

      Welchen Sinn hätte es, die Koalition platzen zu lassen und dann gar nichts zu erreichen?

    • @Günter Witte:

      Ich höre gern, was Hofreiter und Strack-Zimmermann sagen. Ich glaube es nur nicht mehr.

      • @Carsten S.:

        Vieles hat doch mit Populismus zu tun. Es ist doch sehr unwahrscheinlich, dass oben erwähnte Politiker als Kanzler ähnlich reagieren würden.



        Auch bei den Bellisten unter den Politikern, haben die wenigsten Interesse an einer wirklichen Eskalation.

    • @Günter Witte:

      Ach was! Das war ein so klarer wie vorhersagbarer Versuch vom »Club Der Ungleichen« die Ampel unter Missachtung der Gepflogenheiten des Parlaments »auf eine Schwachstelle zu prüfen«. Dabei ist man leider mit der Brechstange abgerutscht und hat Kratzer in der Glaubwürdigkeit der Politik gegenüber der Bevölkerung hinterlassen.



      Hat das der Ukraine im Endeffekt geholfen?

      Genauso könnte man die Frage nach dem CDU-Ortsverein in Troisdorf stellen, der den Ausbau der vorhandenen Munitionsfabrik aus reinen NIMBY-Gründen blockiert.



      Oder braucht die Ukraine keine Artilleriegranaten an der Front und IRIS-T-Raketen zur Luftabwehr mehr?

  • Das scheint eine Win-Win-Idee zu sein, wenigstens für die Ukraine und Großbritannien.



    Besser für die Ukraine und die Welt wären allerdings Friedensverhandlungen.

    • @XXX:

      Echte Friedensverhandlungen mit nachhaltiger Wirkung, wird es mit Putin und den Kremlins nicht geben, sondern nur »Unterwerfungsverhandlungen«.



      Das hat er in den letzten 23 Monaten sehr klar und sehr deutlich gemacht.

      Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass man echte Friedensverhandlungen also nur MIT Russland und der Ukraine aber OHNE Putin führen kann.

      Haben Sie einen Lösungsvorschlag für diese Aufgabenstellung?

      Solange man weder den Krieg nicht eskalieren, noch die Ukraine zusammenbrechen lassen möchte, bleibt aus meiner Sicht nur die Möglichkeit, die Ukraine in ihrem Abwehrkampf so gut wie irgendmöglich in allen Belangen zu unterstützen, bis Russland aufgibt oder wirtschaftlich zusammenbricht.

      Die Ukraine braucht jetzt vor allen Dingen Artilleriemunition und Luftabwehrsysteme sowie alle weiteren bereits versprochenen und zugesagten Waffen und Unterstützung.



      Aber ganz sicher keine Diskussionen über den Taurus oder irgendeinen anderen »Game Changer«

    • @XXX:

      Frieden ist sofort da, wenn die russischen Truppen hinter ihre Grenzen zurückgezogen werden. Was gibt es da denn zu verhandeln? Wieviel Ukraine haben Sie denn zu verschenken?

    • @XXX:

      Dann holen Sie doch bitte Putler an den Verhandlungstisch.

      Sämtliche Abkommen mit Russland (Budapester Memorandum, Minsker Abkommen) sind nicht das Papier wert,



      auf dem sie stehen.

      Die ganze Reisediplomatie an den grossen Tisch hat eine Menge CO2 produziert - sonst nichts.

      Es gibt weitere russische Kolonialkonflikte in Georgien und in der Moldau.

      Mit diesem Putler- Russland kann man vielleicht 3 bis 5 Jahre Waffenstillstand aushandeln, aber keinen dauerhaften Frieden. Selbst das geht nur, wenn man notfalls bereit und fähig ist, Russland bedeutenden Schaden zuzufügen.

    • @XXX:

      Russland hat die jüngste Schweizer Initiative leider ausgeschlagen...

    • @XXX:

      "Besser für die Ukraine und die Welt wären allerdings Friedensverhandlungen."



      Noch besser wäre ein Wille zum Frieden auf Seiten Russlands. Den kann ich leider nicht sehen.

    • @XXX:

      Ich fürchte letzteres wird schwierig, solange jemand bestimmtes im Kreml sitzt.

      Spontanes Ableben zwar erwünscht, aber nicht so einfach zu realisieren.



      Wer im Bunker sitzt, kann schlecht aus dem Fenster fallen.



      Wer per Bahn reist, kann schlecht mit dem Flugzeug abstürzen.

      Vielleicht fällt er ja demnächst mit nacktem Oberkörper vom Pferd. Der Frühling kommt ja und lockt mit einem Ausritt.

  • "es gibt aber auch Bedenken gegen die Weitergabe sensibler Daten. Gründe, die Major nicht überzeugen: „Alle Bedenken sind bislang entkräftet worden, zumal Frankreich und Großbritannien ähnliche Marschflugkörper geliefert haben.“

    Großbrittanien und Frankreich, haben jeweils export varianten ihrer Marschflugkörper geliefert, die ohnehin für den internationalen Markt bestimmt sind, der Taurus hat keine export variante. Insofern ist der Vergleich fraglich.

    • @Berglandraupe:

      So schaut es aus. Die reguläre Varianten von Scalp und Storm Shadow haben eben auch eine Reichweite von 540 km, während Taurus mit mehr als 500 km angegeben wird.

  • "Es geht nicht nur um ein Waffensystem, das die Ukraine braucht und das Wunder bewirken würde, sondern um die langfristige, verlässliche Unterstützung der Ukraine im Gesamtpaket, und zwar militärisch, finanziell, humanitär und politisch.“



    Interessante Reihenfolge, "diplomatisch" kommt nicht vor, "personell durch BeraterInnen auch nicht.



    Bei zdf.de war zu lesen:



    "Weder Russland noch die Ukraine könnten den Krieg militärisch zu ihren Gunsten entscheiden, schreibt der amerikanische Politikberater Samuel Charap von der RAND Corporation in seinem Aufsatz "An Unwinnable War – Washington Needs An Endgame in Ukraine" im Magazin Foreign Affairs. Möglich sei ein Kriegsende nur mit Verhandlungen. Er fordert außerdem, dass die USA und ihre Verbündeten ihre Prioritäten ändern und "ein Szenario für das Ende des Krieges entwickeln"...."



    Ziele für Marschflugkörper liegen in Russland, das entnehme ich dem Subtext. Kaliningrad wäre eins.



    Zu Befürchtungen in Berlin:



    Und bei t-online.de



    "...Befürchtung, dass der Beschuss russischen Territoriums mit den deutschen Raketen zu einer weiteren Eskalation des Konflikts führt und Deutschland mit hineingezogen wird. Moskau liegt etwas weniger als 500 Kilometer Luftlinie von der ukrainischen Grenze entfernt, also in Taurus-Reichweite."



    Klingt das nach einem für die Bundesregierung tolerablen Masterplan?



    Es war immer von den langfristigen Kriegszielen die Rede. Wenn sich nicht viel ändert, ist es möglich, dass Trump bald wieder mitmischt.

    • @Martin Rees:

      Das ist doch mal ein Ansage: »Ziele für Marschflugkörper liegen in Russland, das entnehme ich dem Subtext. Kaliningrad wäre eins.«

      Vielleicht sollten wir die Dinger nur an die UA liefern, wenn sie damit die Raketen in der Oblast Kaliningrad auch mit platt machen? Das nennt man doch dann Win-Win-Situation, oder?

      Danach können sie gerne auch den Schwarzbau auf der Krim abreißen, der sie so sehr nervt.

      Aber vermutlich habe ich mich zu früh gefreut. Ich lese gerade etwas von Bundesregierung und Masterplan in einem Satz.



      Geht das überhaupt?

  • Jeeesuss f..king Christ - liefert endlich ausreichend Waffensysteme!



    die UA Armee verhungert sonst am langen Arm Europas.



    Putin muss erfolgreich gestoppt werden bevor er die EU angreift.

    • @So,so:

      "Bevor er die EU angreift". Was für ein Blödsinn!

    • @So,so:

      „Putin muss erfolgreich gestoppt werden bevor er die EU angreift.“



      Gottverdammich! Putin muss gestoppt werden, um die EU-Potentaten in der EU (Orban, Fico) in die Schranken zu weisen und auch, um dem Vormarsch von Faschismus und Nationalismus inmitten Europas Einhalt zu gebieten. Am besten, bevor Trump in den USA wieder das Ruder übernimmt und noch mehr Verwirrung und Unheil stiften kann.



      Wäre es im Februar/März vorletzten Jahres - mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine - so gekommen, wie manche prognostiziert haben (auch hier in der taz) und durchgeknallte russische Nationalisten wie Dugin propagiert, wären russische Truppen schon zwei Monate später in Lissabon gestanden - und wir müssten uns nicht mehr über Waffenlieferungen für die Ukraine unterhalten.



      Es ist aber anders gekommen: Putins Truppen wurden vor Kiew gestoppt und zurückgeschlagen, die verkommene russische Soldateska hat sich dafür in Butscha und anderswo grausam an der ukrainischen Zivilbevölkerung gerächt, an wehrlosen Opfern. Ein Kriegsverbrechen, das vor dem IStHG auf jeden Fall geahndet werden muss - aber Genozid? Auch darüber haben wir hier in der taz intensiv gestritten.



      Der Krieg schlägt jetzt auf Russland zurück, das militärische Potential dazu hat die Ukraine schon jetzt. Und denken Sie, die russische Armee schafft es mit Mitteln der konventionellen Kriegsführung, noch großartige Geländegewinne an den Fronten zu erzielen, geschweige denn, die Ukraine zu zerschlagen und seinem Territorium einzuverleiben? Vielleicht reicht es noch für Awdikija - aber wie hoch wird der Preis dafür sein?



      Wenn Putin es (noch) nicht kapiert, heißt das nicht, dass es der Westen nicht begreifen kann. Das ist jetzt kein Plädoyer für oder gegen Taurus, aber ein Background, der bei der Entscheidung mitbedacht werden muss.

  • Die wichtigste und dringendste Unterstützung, welche die Ukraine aus Europa jetzt braucht, ist keine theoretische militärtechnische Diskussion über ein das eine oder andere Waffensystem bis hinunter zu den technischen Details, sondern schlicht die Lieferung dessen, was die EU-Staaten ohnehin schon zugesagt haben.

    Herr Borrell, wo bleiben die 1.000.000 155mm-Granaten für die ukrainische Artillerie?

    Oder war das nur ein populärer Versprecher, dem Betteln um persönliche Aufmerksamkeit geschuldet, wie im Gaza-Krieg schon wieder zu beobachten?

    Solange das Delta zwischen Ankündigen und Liefern nicht nur in diesem Fall weiterhin so groß bleibt, sehe ich mit Hinblick auf die Europa-Wahl dieses Jahr schwarz.

    • @Radium:

      Er hat das Versprechen gemacht, ohne vorher zu prüfen, ob man es halten kann. Jetzt versucht man, die Produktion anzukurbeln. Aber das dauert eben. Material, Maschinen und Arbeitskräfte fallen nicht vom Himmel...

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Es würde nicht dauern, wenn man der Sache entsprechende Priorität einräumen würde. Die hat es aber nicht, das sind immer noch alles Worthülsen. Das liegt aber nicht nur an Politik, sondern auch an der militärischen Führung in Europa welche sich irgendwelche Großoffensiven mit westlichem Material herbeifantasierten, die die russische Front zerschlagen und aufrollen würde. Spätestens nach dem Scheitern dieser Strategie in der ersten Hälfte des letzten Jahres (und ehrlich gesagt ist sie schon gescheitert sobald die Russen sich eingeben und Minenfelder anlegten) hätte man alles daran setzen müssen im Bereich Munition und Artillerie voranzukommen.

        • @FancyBeard:

          "Es würde nicht dauern, wenn man der Sache entsprechende Priorität einräumen würde."

          So einfach ist das nicht. Es hat z.B. keiner dran gedacht, das man frisch produziertes Pulver erst ein paar Monate lagern muss, bis man es in Granaten füllen kann.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Also doch nur ein populärer Versprecher, dem Betteln um persönliche Aufmerksamkeit geschuldet, wie im Gaza-Krieg schon wieder zu beobachten!

        Denn das wusste er garantiert vorher.

        Was mich dabei so ärgert ist, dass er scheinbar überhaupt keine Energie und Zeit daran verwendet, dieses Versprechen umzusetzen. Das wirkt einfach wie ein Prozess, der in Brüssel aufgesetzt wurde und nun bitteschön brav in den jeweiligen Mitgliedsstaaten abgearbeitet werden soll.



        Verzögerungen? Hindernisse? Einschränkungen? Probleme, die der Lösung bedürfen? - Hey, ich hab nur das Versprechen gegeben, liefern müssen jetzt andere?

        Politische Verantwortung? - Ja klar, dafür bekomme ich ja mein Geld und trete garantiert nicht zurück!

        Wenn die Ukraine verliert? Pech gehabt, aber mein Job und Pension sind sicher.

        • @Radium:

          Es geht nicht um persönliche Aufmerksamkeit. Die gesamte Politik ist damit beschäftigt, der Ukraine Versprechungen zu machen, die man nicht einhalten kann. Nur im sie bei der Stange zu halten.

          Z.B. ist jedem in Brüssel klar, dass die EU in ihrer jetzigen Verfassung die Ukraine nicht aufnehmen kann. Die EU müsste sich vorher gründlich reformieren. Trotzdem macht man seit Jahren falsche Versprechungen und beginnt jetzt sinnlose Beitrittsgespräche. Nur um der Bevölkerung zu suggerieren, sie Kämpfe für eine Zukunft in der EU.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Ich kann Ihnen nur zustimmen!

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Ich stimme Ihnen zu, auch vor dem Hintergrund der (offenen) Frage, wie lange dieser Krieg noch dauern kann.



            In ukrainischen Regierungs- und Militärkreisen ist man der Auffassung - nach der gescheiterten Offensive vom Sommer/Herbst letzten Jahres - erst wieder 2025 zu vergleichbaren militärischen Aktionen in der Lage zu sein, die zunächst ja einmal die Krim von der russischen Versorgung abschneiden sollen. Das Durchbrechen der russischen Verteidigungsanlagen und die Zwischenziele Tokmak/Melitopol konnten jedoch nicht ansatzweise erreicht werden - auch nicht mit den angeblichen Gamechangern, mit US-amerikanischen, britischen und deutschen Kampfpanzern. Die verhindern aktuell nur das Schlimmste, nämlich das Durchbrechen der Russen im Donbass.



            Der Stillstand bzw. konventionelle Abnutzungskrieg an den Fronten muss nämlich mitbedacht werden, wenn über Taurus pro und contra diskutiert wird. Ausreichend Artilleriemunition ist dabei jedoch das Entscheidende.



            Möglicherweise wird die russische Luftüberlegenheit mit dem Taurus-System mit größerer Reichweite und noch größerer/präziserer Durchschlagkraft nur gestört (Strategie der Nadelstiche). Seine militärischen Kapazitäten kann Russland noch relativ problemlos weit rückwärtig verlagern, wo Marschflugkörper vom Typ Taurus sie auch nicht erreichen können.

            • @Abdurchdiemitte:

              Man sollte vielleicht noch ergänzen, das die Überlegenheit des Taurus bis jetzt nur aus den Hochglanzprospekten des Herstellers resultiert. Ob er in der Praxis so toll ist, wurde noch nicht getestet.

              Die besonders guten westlichen Panzer haben sich als das entpuppt, was sie sind. Einfach Panzer. Nicht mehr und nicht weniger.

              • @warum_denkt_keiner_nach?:

                Es existieren in den Medien ja lediglich diese beeindruckenden Bilder von einem in die Luft fliegenden Bunker nach Beschuss mit einer Taurus-Rakete.



                Um russische Verteidigungsstellungen direkt an der Front - auch 20, 30 Kilometer dahinter - zu zerschiessen, braucht‘s Taurus allerdings nicht, dafür braucht‘s konventionelle Munition. Die geht der Ukraine jetzt aus und die zugesagten Lieferungen bleiben aus, aus bekannten Gründen. Auch Minenfelder, deren Überwindung so vielen ukrainischen Soldaten während der Offensive das Leben gekostet hat, können mit Taurus auch nicht weggeräumt werden.



                Bleibt das Argument der Luftverteidigung und des Schutzes der ukrainischen Zivilbevölkerung und Infrastruktur. Wenn die gute Luftabwehr mit relativ hoher Abschussquote russischer Drohnen und Raketen seit einiger Zeit schwächelt, hat das seine Gründe. Die Russsen sind ja keine tumben Toren, sie haben bewiesen, dass sie sehr wohl (leider!) in der Lage sind, ihre militärischen Strategien zu modifizieren.



                Manchmal habe ich den Eindruck, dass es bei der Debatte um Taurus lediglich darum geht, sich hierzulande wieder einmal innenpolitisch zu profilieren, als Opposition (Merz) oder innerhalb der Ampel (Strack-Zimmermann, Hofreiter) - na ja, aktuell ist‘s um den Hofreiter Toni ja etwas stiller geworden. Ob den sich mal ein grünes Regierungsmitglied in der Zwischenzeit zur Seite genommen hat?

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Die Aufnahmedebatte ist doch komplett verschoben. Wenn das so weiter geht wird es nichts mehr zum Aufnehmen geben. Die russische Gesellschaft hat völlig in den Kriegsmodus geschalten. Russland steht somit nahezu unbegrenzt Mensch, und wenn es sein muss, auch Material zur Verfügung.

  • Langsam scheint technische Vernunft einzuziehen...

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Die Beurteilung der Lage ist nicht einheitlich.



      Scholz wird Alleingänge meiden.



      Bei tagesschau.de stand:



      /



      "Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass die USA als größter militärischer Unterstützer der Ukraine bislang auch keine Waffen mit vergleichbarer Reichweite liefern. Bislang zögern die USA vor allem, der Ukraine die "Atacms"-Raketen zur Verfügung zu stellen. Denn auch mit diesen Raketen mit 300 Kilometern Reichweite wären Angriffe auf Ziele weit hinter der Grenze zu Russland möglich."



      /



      Im Kant-Jahr ist das mit der 'Diskussion zur Vernunft' eine gute Sache.



      www.gutenberg.org/...6873-h/46873-h.htm

      • @Martin Rees:

        Wichtig ist doch auch, der Ukraine nicht ein Sammelsurium von Waffen, die praktisch das gleiche können, zur Verfügung zu stellen. Die Logistik ist doch so schon kompliziert genug.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Ach die Logistik der Ukrainer ist also kompliziert? Das ist wohl wahr.

          Wahr ist aber auch, dass dies bei den Russen mit dem ganzen alten Gerät bis zurück aus den 1950er-Jahren ebenfalls nicht viel einfacher ist.



          T55 und T90 unterscheiden sich nicht nur im Kaliber der Kanone.

          Entsprechend wäre gezielte Schläge im Hinterland, welche deren Nachschublinien unterbrächen von entscheidender Bedeutung. Die Brücke(n) von Kertsch wäre(n) da nur ein Beispiel, aber mit erheblicher Wirkung. Denn damit könnte man sowohl die Eisenbahn- als auch die Straßenverbindung nachhaltig unterbrechen. Das können die dort ebenfalls vorgehaltenen Fähren nicht annähernd ersetzen.

  • Der beste Beschützer der Kertschbrücke sitzt im Kanzleramt.



    Bestimmt hat er schon einen Plan, wo wir ein paar Millionen Flüchtlinge unterbringen, wenn die Ukraine kollabiert.

    • @Carsten S.:

      Diese Brücke scheint irgendwie zu faszinieren 😁

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        »Infantry wins battle, logistics wins war« - John J. Pershing

        Dieses Zitat hat nichts an Aktualität verloren. Die Kertsch-Brücke ist eben nur eine weitere Anwendung in der Praxis.

        • @Radium:

          Pershing war ja nun nicht gerade ein großer Feldherr...

          Für die aktuellen Kämpfe spielt die Brücke jedenfalls nur eine Nebenrolle. Später wird sie vielleicht mal wieder interessant.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Sie hat ja auch eine symbolische Bedeutung.



        Unter strategischen Aspekten ist sie aber unrelevant, auch wenn vielfach so getan wird als wenn die Brücke für den russischen Angriffskrieg unverzichtbar ist.

        • @Alexander Schulz:

          Ja. Das ist genau das Problem. Viele jagen Symbolen nach, statt sich auf relevante Ziele zu konzentrieren.

        • @Alexander Schulz:

          Ja, insbesondere die russischen Bemühungen, Bedrohungen von Land, aus der Luft und von der See her abzuwehren. Dabei ist diese Brücke ganz sicher keine extrem wertvolle Stütze der russischen Kriegsanstrengungen.

          Und aus ukrainischer Sicht eben überhaupt kein hochwertiges Ziel, sondern nur dem Bürokratismus aus Kyjiw geschuldet, die keine Schwarzbauten auf der Krim dulden können und daher auf dem »Rückbau« bestehen müssen.

          • @Radium:

            - Also die Front kann sehr gut aus dem Norden versorgt werden



            - Russland hat inzwischen profelaktisch mehrere Fähren im asowischen Meer stationiert, die jederzeit in Betrieb genommen werden können



            - Eisenbahn Linie über die Landbrücke ist fast wieder betreibsbereit

            Auch wenn Russland diesen verbrecherischen Angriffskrieg angefangen hat, hört auf euch immer alles schön zu reden und Russland zu unterschätzten!



            Ich verstehe ja, das Selenski Narative braucht, aber trotzdem muss man doch nicht alles 1:1 übernehmen!

            Bei nüchternen Betrachtung müsste doch jedem klar sein, dass Russlands Kriegführung nicht vor einer einzigen Brücke abhängt!



            Ist doch logisch, dass niemand so blöd ist.



            Das sind doch alles Wunschvorstellungen und ist genauso abwegig als wenn sich Russland zurückziehen müsste bzw würde, falls der Ukraine irgendwann Mal zum asowischen Meer durchstoßen würde.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Sie ist eine wesentliche Nachschublinie.



        Ein Blick aauf die Landkarte genügt. Ich kann Sie dazu nur ermuntern.

        • @Carsten S.:

          "Sie ist eine wesentliche Nachschublinie."

          Die Hauptkämpfe finden seit Monaten im Donbass und nördlich davon statt. Auf welcher Landkarte führt der russische Nachschub für diese Frontabschnitte über die Krim? Das wäre ein riesiger Umweg!

          Sollte der Fall eintreten, dass die ukrainische Armee zur Eroberung der Krim ansetzen kann, wird die Brücke wieder interessant. Jetzt ist sie nur ein Prestigeziel.

    • @Carsten S.:

      Ich finde diese Polemik und das Schüren von Ängsten bzgl Flüchtlinge für falsch.

      • @Alexander Schulz:

        Mir macht das auch keinen Spass.

        Es gibt dort aber etliche Millionen *Menschen*, die unter russischer Herrschaft kein gutes Leben haben würden. Siehe Butscha, siehe Irpin, siehe Mariupol. Oder "Der helle Weg" von Staniskaw Assejew.

        Es wäre unverantwortlich, vor dieser Realität die Augen zu verschliessen.



        Ichbhabe mich nur ein wenig drastisch ausgedrückt, um wenigstens ein paar Träumer wachzurütteln.

        • @Carsten S.:

          Es mag im wortst case Millionen von Flüchtlingen geben bei einer Niederlage. Trotzdem hieße das nicht, dass die alle in die EU kommen würde.



          Es gäbe zb die Möglichkeit abkommen mit Drittstaaten usw zu schließen.



          Es gäbe viele verschiedene Lösungen.



          Das beste wäre jedoch eine tragfähige Lösung vor Ort auszuhandeln, damit es dazu erst gar nicht kommt.

          • @Alexander Schulz:

            Welche Drittstaaten und wer trägt dafür die kosten? Und wie wollen sie eine solche Regelung durchsetzen? UK ist mit ihrem Ruanda Plan gescheitert ich sehe nicht wie das Verfassungsgericht so etwas in DE absegnet.

            "Es gäbe viele verschiedene Lösungen." Können sie hier noch 2-3 nennen nur so Interesse halber?

            • @Machiavelli:

              Wir allen hoffen sicherlich, dass die Urkaine nicht verliert, trotzdem sollte man sich auch mit diesem Szenario und den Konsequenzen auseinandersetzen.



              Und das könnte natürlich auch bedeuten, dass viele Menschen fliehen würden.



              Es gäbe verabschiedene Möglichkeiten damit umzugehen. Es könnten alle Flüchtlinge aufgenommen werden oder man könnte sich dazu entschließen humane Alternativen zu finden. Letztendlich würde das von der politischen Stimmung abhängen.



              Folgende Alternativen gäbe es:

              1.) Änderungen des Status von ukrainischen Flüchtlingen

              2.) Moldawien, Türkei usw als Drittländer



              (Europa müsste dafür einen überschaubaren Betrag leisten)

              3.) Verringerung der Pullfaktoren

              • @Alexander Schulz:

                "1.) Änderungen des Status von ukrainischen Flüchtlingen" Die Menschen werden kommen egal wie sie am Status rumdoktern und zurück schick werden wir sie nicht.

                "2.) Moldawien, Türkei usw als Drittländer" Moldawien ist bettelarm und hat schon einen Haufen Flüchtlinge aufgenommen, die Türkei hat ebenfalls Millionen Flüchtlinge aufgenommen die sie loswerden will.

                Sorry aber das ist illusorisch diese Länder können nicht Millionen Menschen aufnehmen und der Kostenbetreag selbst wenn sie es machen würde wäre nicht überschaubar sondern massiv.

                "3.) Verringerung der Pullfaktoren" Bei den dann fliehenden Ukrainern wäre es Pushfaktoren, maßgeblich die Besetzung ihres Landes durch Russland das die Existenz des ukrainischen Volkes, Sprache, Kultur leugnet und in allen besetzen Gebieten massive Menschenrechtsverletzungen verübt.

                Was sie hier schreiben ist Wunschdenken, wenn die Ukraine verliert kommen Millionen zu uns, und damit müssen wir dann umgehen, da hilft am Status rumdoktorn nicht, das wird uns kein Drittstaat abnehmen. Außer sie wollen Ukrainer zu Putin zurückschicken ist das das Szenario mit dem sie sich auseinandersetzen müssen.

      • @Alexander Schulz:

        Es ist keine Polemik, dass die Kertschbrücke eine wesentliche Stütze des russischen Nachschub auf die Krim und die anderen russischen besetzten Gebiete ist.

        Und die Millionen an ukrainischen Flüchtlingen werden im Falles eines russischen Sieges ganz schnell zu einer traurigen Realität für den Rest Europas.

        Das ist kein Schüren von Ängsten, sondern das Abschätzen von Konsequenzen.



        Soll auch im normalen Alltag helfen, dort allerdings im kleineren Maßstab.