Ungleichheit vorm Weltwirtschaftsgipfel: Die Profiteure der Krisenjahre
Trotz Krisen und Inflation werden die reichsten fünf Männer noch reicher. Sie haben ihr Vermögen seit 2020 mehr als verdoppelt, zeigt der Oxfam-Bericht.
Die Angaben entstammen dem neuen Bericht über globale Ungleichheit, den die Organisation jedes Jahr anlässlich des Weltwirtschaftsforums von Davos veröffentlicht. Der traditionelle Wirtschafts- und Politikgipfel beginnt am Montag in dem Schweizer Bergort. Oxfam macht die dort versammelten Manager und Politiker mitverantwortlich, dass Gewinne, Einkommen und Vermögen ungerecht verteilt würden.
Nach Berechnungen der Entwicklungsorganisation „haben die fünf reichsten Männer der Welt ihr Vermögen seit 2020 von 405 Milliarden US-Dollar“ (etwa 360 Milliarden Euro) „auf 869 Milliarden US-Dollar“ (etwa 800 Milliarden Euro) „mehr als verdoppelt“. Das betrifft den Besitz von Elon Musk (Tesla), Bernard Arnault (LVMH), Jeff Bezos (Amazon), Larry Ellison (Oracle), Warren Buffet (Berkshire Hathaway). In Deutschland hat das Vermögen der fünf Reichsten sogar um drei Viertel zugenommen.
„Alle Milliardäre zusammen sind heute um 3,3 Billionen US-Dollar (34 Prozent) reicher als 2020“, erklärten die Kritiker am Sonntag, das entspricht etwa 3.000 Milliarden Euro. Auch die größten Unternehmen der Welt hätten ihre Gewinne zuletzt deutlich stärker gesteigert als früher – ein Ergebnis unter anderem von Preisanhebungen im Zuge der Inflation. Die Daten hat Oxfam der Milliardärsliste des Wirtschaftsmagazins Forbes entnommen und sie inflationsbereinigt.
Arme verlieren
Im Vergleich dazu hätten „fast fünf Milliarden Menschen, die ärmeren 60 Prozent der Menschheit, seit 2020 zusammen etwa 20 Milliarden US-Dollar Vermögen verloren“ (18 Milliarden Euro), beklagt Oxfam. Das sind allerdings nur 0,2 Prozent Verlust, wie die Organisation selbst einräumt. Das aggregierte Vermögen der 60 Prozent ist also mehr oder weniger gleich geblieben. Diese Angaben beruhen unter anderem auf Vermögensstatistiken der Banken UBS und Credit Swiss. Auch sie wurden inflationsbereinigt.
Dass hohe Vermögen stärker steigen als niedrige, ist kein Wunder, denn Erste beruhen häufig auf der Zunahme von Aktien- und Immobilienwerten, die großen Schwankungen unterworfen sein können. Im Falle von Krisen nehmen diese auch deutlich ab. Die Vermögen der Reichen sagen isoliert betrachtet nichts darüber aus, wie sich die soziale und ökonomische Lage der Mehrheit entwickelt. Bleibt diese gleich, kann man das auch als gute Nachricht werten.
Anstieg während der Pandemie
Derartige Vergleiche hängen immer vom Blickwinkel ab. Daten der Weltbank zeigen, dass der Anteil der sehr armen Menschen an der Weltbevölkerung seit dem Jahr 1990 erheblich gesunken ist, wobei während der Coronapandemie wieder ein gewisser Anstieg beobachtet wurde.
Die Europäische Zentralbank teilte kürzlich mit, dass das Nettovermögen der Privathaushalte im Eurogebiet während der vergangenen fünf Jahre durchschnittlich um 29 Prozent gewachsen sei. Ein Grund: 60 Prozent der Bevölkerung profitierten von steigenden Immobilienwerten. Die Ungleichheit habe deshalb geringfügig abgenommen, so die EZB.
Oxfam fordert höhere Besteuerung von Vermögen
„Die zunehmende soziale Ungleichheit stellt Gesellschaften vor immer größere Zerreißproben. Sie untergräbt die Demokratie und trägt maßgeblich dazu bei, dass die Klimakrise sich zu einer Katastrophe ausweitet“, sagte Serap Altinisik, geschäftsführende Vorstandsvorsitzende von Oxfam Deutschland. „Wir brauchen eine Besteuerung hoher Vermögen, damit auch die Superreichen ihren gerechten Beitrag zum Gemeinwohl leisten.“
Die Organisation macht den Vorschlag, dass Vermögen von über 5 Millionen US-Dollar (etwa 4,5 Millionen Euro) mit 2 Prozent Steuer belegt werden. Ein Steuersatz von 3 Prozent soll ab 50 Millionen US-Dollar (45 Millionen Euro) gelten und 5 Prozent ab 1 Milliarde US-Dollar (900 Millionen Euro). In Deutschland würde das stattliche Mehreinnahmen von etwa 85 Milliarden Euro jährlich erbringen, die allerdings nur von 200.000 Bürgerinnen und Bürgern (0,24 Prozent der Bevölkerung) zu tragen seien. Die zusätzlichen Mittel sollten zum Beispiel in Bildung, Klimaschutz, Gesundheit und soziale Sicherheit investiert werden, fordert Oxfam.
Globale Mindeststeuer für große Unternehmen
In Deutschland wird die Vermögensteuer seit 1997 nicht mehr erhoben. Eine Regierungsmehrheit für ihre Wiedereinführung ist nicht in Sicht. Weltweit existieren nur schwache Ansätze einer koordinierten, internationalen Steuererhebung. Viele Regierungen betrachten das als ausschließlich nationale Kompetenz.
Immerhin wird ab diesem Jahr eine globale Mindeststeuer auf die Gewinne großer Unternehmen in Höhe von 15 Prozent eingeführt. 140 Staaten unterstützen diese Regelung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
USA
Effizienter sparen mit Elon Musk
Demokratie unter Beschuss
Dialektik des Widerstandes
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück