Weltwirtschaftsforum in Davos: Genug Gesprächsstoff am Tisch

Außerhalb von Davos driftet die Welt auseinander. Doch beim Weltwirtschaftsforum soll der freundliche Plausch die Gegensätze überbrücken.

Der französische Präsident Emmanuel Macron spricht mit dem CEO von OpenAI, Sam Altman R der an der Wand lehnt

Emmanuel Macron spricht mit dem CEO von OpenAI, Sam Altman, am Rande des WEF-Treffens des Weltwirtschaftsforums in Davos

DAVOS taz | Man muss das alljährliche Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos nicht mögen. Diesen Kongress der Milliardäre, die die Welt gestalten wollen, weil sie es können, und es auch tun. Aber es ist ein guter Ort, um zu sehen, welche Kräfte den Lauf der Dinge prägen. Jake Sullivan, der unter anderem für Kriege zuständige enge Mitarbeiter von US-Präsident Joe Biden, beschrieb die internationale Lage so: „strategische Konkurrenz in einer Ära der gegenseitigen Abhängigkeit“.

Den eindrucksvollsten Auftritt legte dieses Jahr der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hin. „Putin ist ein Raubtier, das sich nicht mit ­Tiefkühlkost zufriedengibt“, sagte er im vollen Saal des Kongress­zentrums von Davos. Damit spielte er auf die Forderungen an, den Krieg Russlands gegen sein Land „einzufrieren“ und die Gebiets­verluste der Ukraine zu akzeptieren. Russlands Präsident Putin werde jegliches Entgegenkommen als Einladung zu weiterer Aggression verstehen.

Davos steht auf Seiten der Ukraine, offiziell wird Russland boykottiert. Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) versuchte, Unternehmen zur Investition in dem angegriffenen Land zu bewegen. Erhoffte ausländische Firmenansiedlungen in seinem Land bezeichnete Selenski als Investitionen in die Sicherheit Europas. VertreterInnen von 80 Staaten nahmen an einer Friedenskonferenz mit der ukrainischen Regierung teil.

Die Welt hat sich nach dem russischen Angriff neu sortiert – und teils separiert. Aber nicht nur um diesen Konflikt ging es: China einerseits, die USA und Europa andererseits konkurrieren um die politische und wirtschaftliche Führung. Chinas Ministerpräsident Li Qiang­ machte Vorschläge zur Güte, indem er mehr wirtschaftliche Kooperation anregte, doch westliche PolitikerInnen wie Habeck und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verhielten sich reserviert. Gleichzeitig wissen die Regierungen, dass ihre Ökonomien stark verknüpft sind. Ein scharfer Konflikt könnte gigantische Schäden auf beiden Seiten verursachen.

Momente der Annäherung

Eine Entwicklung, die man in Davos nicht gutheißen kann. Der WEF arbeitet als Lobby­organisation der größten Konzerne und setzt sich traditionell für freien Handel weltweit ein. „Nun leben wir in einer Welt, in der wirtschaftliche Konkurrenz zunehmend mit Mitteln von Zöllen, Sanktionen, Import­kontrollen und Protektionismus ausgetragen wird“, sagte Geoökonomin Katrin Kamin vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel. „Ökonomie fungiert mehr und mehr als Waffe in der Auseinandersetzung zwischen Staaten.“

Die OrganisatorInnen des WEF wollen dem entgegenwirken. Sie betrachten den Kongress als alljährlich stattfindenden runden Tisch der Welt, an dem freundliche Gespräche die Gegensätze überbrücken sollen. Solche Momente gibt es immer wieder. So konnte der saudi-­arabische ­Außenminister Prinz Faisal bin Farhan die An­erkennung ­Israels in Aussicht stellen, wenn das palästinensische Volk im Gegen­zug wirklich einen eigenen Staat bekäme. ­Israels Präsident Izchak Herzog bezeichnete das als „Chance“. Wenngleich er darauf hinwies, dass die Zwei­staatenlösung in ­Israel nach dem Angriff der Hamas vom 7. Oktober wenig ­Unterstützung finde. UN-Generalsektretär António Guterres beklagte, beide Kriegsparteien träten das Völkerrecht mit ­Füßen.

Am meisten interessierten sich viele ManagerInnen jedoch für die neuen Möglichkeiten des Maschinenlernens. Die entsprechenden Veranstaltungen waren immer voll. Werden KI-Programme wie ChatGPT so durchschlagende Wirkung entfalten wie die Entwicklung der Elektrizitätsversorgung im 19. Jahrhundert – und das Leben aller verändern? „Ja“, sagte Qualcomm-Chef Cristiano Amon. Economist-Chefredakteurin Zanny Beddoes machte einen skeptischen Eindruck.

Von den Staatschefs der westlichen G7-Gruppe reiste nur Emmanuel Macron aus Paris an

Wenn die Welt, zum Teil zumindest, auseinandertreibt, gibt es großen Gesprächsbedarf. So kamen dieses Jahr 60 Staats- und Regierungsspitzen nach ­Davos, mehr als sonst. Wobei von den Staatschefs der westlichen G7-Gruppe nur Emmanuel Macron aus Paris anreiste. Afrika und Südamerika waren insgesamt schwach vertreten, Asien und der Nahe Osten dagegen stark. So oder so: Wenn in zwei Jahren möglicherweise der 2024 neu gewählte US-Präsident per Helikopter einschwebt, wie Donald Trump 2020, werden im Pressezentrum alle Tische besetzt sein.

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