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Krieg in NahostEmpörung über Entkleidete aus Gaza

Ob die umstrittenen Aufnahmen Hamas-Kämpfer zeigen, ist unklar. Israels Armee rückt derweil weiter auf die zweitgrößte Stadt Chan Junis vor.

Israels Militär setzt seine Offensive im Süden Gazas fort: Chan Junis am Sonntag Foto: REUTERS/Ibraheem Abu Mustafa

Jerusalem taz | Am Wochenende haben erneut Videos und Fotos von gefangengenommenen und entkleideten Palästinensern aus dem Gazastreifen für Empörung gesorgt. Israels Armeesprecher Daniel Hagari sagte am Samstag: „In Schedschaija und Dschabalia haben die Terroristen, die sich ergeben haben, Waffen und Ausrüstung übergeben.“ Jeder, der aktuell noch im Norden verblieben sei, werde festgenommen und auf Verbindungen zur Hamas überprüft. Auf einem in der Nacht zu Sonntag veröffentlichten Video ist zu sehen, wie ein Mann langsam vor Dutzenden Gefangenen und einem israelischen Panzer entlanggeht und ein Sturmgewehr ablegt. Die Männer tragen lediglich Unterhosen.

Die Art der Festnahme und die Veröffentlichung der Videos sorgten für Kritik, vor allem in der arabischen Welt und seitens internationaler Organisationen. Ägyptens Außenminister nannte sie „katastrophal und entwürdigend“. Die israelische Armee erklärte, die Männer hätten sich entkleiden müssen, um sicherzustellen, dass sie keine Sprengsätze bei sich trügen. Die Aufnahmen wurden nicht von der Armee selbst verbreitet, die die Veröffentlichung „unnötig und verletzend“ nannte.

In sozialen Medien äußerten viele Nutzer Zweifel, ob es sich bei den Gezeigten tatsächlich um Kämpfer handelt. So ist einer der Männer offenbar der Korrespondent der in London ansässigen Nachrichtenseite The New Arab, Dia al-Kahlut. Die Hamas erklärte, die Festgenommenen seien nicht Teil des bewaffneten Arms der Organisation, den Al-Kassam-Brigaden. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Derweil rückten israelische Soldaten am Sonntag im Süden Gazas weiter auf die zweitgrößte Stadt Chan Junis vor. Die Armee erklärte die bisherige Evakuierungsroute für Zivilisten aus dem Norden, die Salah-al-Din-Straße, wegen der Kämpfe für gesperrt. Flüchtende sollen auf dem Weg nach Süden nun die Küstenstraße nutzen.

Zugleich verschlechtert sich die humanitäre Lage weiter. Der Leiter des UN-Hilfswerks für Palästinaflüchtlinge erklärte am Sonntag in Doha, dass seine Hilfsorganisation am Rande des Zusammenbruchs stehe. Der israelische TV-Sender KAN berichtete unter Berufung auf Verteidigungskreise, dass die Offensive gegen die Hamas noch weitere zwei Monate fortgesetzt werden soll. Danach solle es weiter „lokale Operationen“ geben.

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23 Kommentare

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  • Das Bild in der Sueddeutschen zeigt jedenfalls dass wer auch immer in Gaza hungert, es nicht die Hamas - Teroristen sind.

  • Es mag ja sein, dass es nötig ist, Kämpfer zu entkleiden, um sie zu entwaffnen. Es ist unter keinen Umständen nötig, Bilder davon in den sozialen Medien zu posten. Um genau zu sein, verstößt es glaube ich gegen internationales Recht, und zwar mit gutem Grund.



    Wer zeigen will, dass er Kämpfer entwaffnet hat, kann sie erst entkleiden, entwaffnen, und dann NACHDEM sie sich wieder angezogen haben, Fotos veröffentlichen. Niemand muss dabei Gesichter erkennen.



    Auch wenn ich das Bedürfnis nach Rache seitens der Israelis nur allzu gut verstehen kann - hier muss man die Kontrolle behalten.

    Das hält mich nicht davon ab, die "arabische Welt" dafür zu kritisieren, dass sie auf Massenvergewaltigungen und Tötungsvideos nicht mindestens genauso schockiert reagiert hat, natürlich ist das noch vielfach schlimmer. Aber es rechtfertigt nun mal keinen Rechtsbruch.



    Und noch nie hat Demütigung zu dauerhaftem Frieden geführt. Einfach noch nie.

    • @Annette Thomas:

      Aha. Wo war die Empörung in der arabischen Welt über die ganzen Videos, die die Hamas von ihren grauenhaften Verbrechen angefertigt hat?

      Und sorry - einen mutmaßlichen Terroristen in Unterwäsche zu zeigen, ist dann vielleicht doch ein kleines bisschen weniger schlimm, als die Gruppenvergewaltigung und anschließende Ermordung einer Zivilistin.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Ich bin entsetzt und erschüttert über die himmelschreiende Dopppelmoral die sich an diesem Thema entzündet.

    Gegen die Männer, die vom israelischen Militär in Gaza festgenommen wurden, besteht der Verdacht, das sie zur Terrororganisation Hamas oder zum islamistischen palästinensischen Djihad gehören.

    Gibt es jemanden der bezweifelt, das bei der Festnahme sicher gestellt wird, das niemand während oder nach der Festnahme verborgene Waffen nutzt oder Sprengstoff zündet um sich selbst und andere in die Luft zu jagen?

    Wer die Videos über den Zivilisationsbruch vom 7. Oktober zwangsweise verfolgen mußte, weil einige über die öffentlich - rechtlichen



    in Nachrichtensendungen verbreitet wurden, kann feststellen, das nur einige Täter des furchtbaren Massakers auch an der Bewaffnung erkennbar waren - andere könnten genauso als Obstverkaüfer oder als Mitarbeiter in einem Falafelladen missverstanden werden.

    Das bedeutet: Wer aktiver islamistischer Terrorist, Mitläufer oder stillschweigender Massaker - Akzeptierer in Gaza ist verschwimmt vor den Augen des Betrachters - mit anderen Worten: Wer nach 17 Jahren Terrorherrschaft durch Hamas in Gaza noch Zivilist ist - ist weitgehend unklar.

    Hamas und der islamistische palästinensische Djihad waren die Verbrecher, die 1200 Zivilisten in Israel bestialisch zu Tode gequält und die entkleideten verstümmelten Leichen in entwürdigender Weise zur Schau gestellt haben.

    Also wenn jemand die festgenommenen Männer in Unterhosen als entwürdigende Darstellung empfindet - aber mit eisigen Schweigen auf die entkleideten verstümmelten Frauen vom 7. Oktober reagiert - an dieser Stelle ist eigentlich nur noch sprachloses Entsetzen als Reaktion möglich.

    • @06438 (Profil gelöscht):

      "Wer nach 17 Jahren Terrorherrschaft durch Hamas in Gaza noch Zivilist ist - ist weitgehend unklar."



      Vorsicht mit solchen Argumenten. Das ist doch genau dieselbe Schiene, auf der palästinensische Gruppen (nicht nur Hamas) ihre Anschläge auf zivile Israelis rechtfertigen, die angeblich alle "Soldaten" seien.

  • Die Videos von Vergewaltigungen und anderen Schwerverbrechen an Israelis haben in der arabischen Welt dagegen kaum Empörung und Abscheu ausgelöst.

  • Der Skandal ist die Veröffentlichung, denn diese allein ist entwürdigend. Die sachliche Notwendigkeit der Vorgehensweise an sich ist nachvollziehbar. Die Israelis haben das Recht, sich selbst vor versteckten Sprengsätzen oder ähnlichem zu schützen.

  • Da es sich bei den festgenommenen Personen wohl um Terroristen und nicht um reguläre Truppen handelt, sehe ich das Vorgehen als angemessen an.

    • @Puky:

      Da sind nachweislich Zivilisten und Reporter dabei...

      • @Karim Abidi:

        Und woher wissen Sie das. Gibt es "nachweisliche" Quellen?

      • @Karim Abidi:

        Wo ist der Nachweis?

        Konnten die israelischen Soldaten das sicher erkennen?

  • Wer hat das Video verbreitet, wenn es nicht die israelische Armee war?

    • @Francesco:

      Vermutlich ein Mitglied dieser Armee. Das ändert aber nichts daran, dass es nicht durch die Institution erfolgte.

      • @Paul Meier:

        Dann hoffe ich, dass die Armee dagegen vorgeht. Das ist ein gravierender Verstoß gegen die Genfer Konventionen.

        • @Francesco:

          Dann empfehle ich die Lektüre der Genfer Konvention. Da es keine regulären Truppen sondern Kombattanten sind, dürften diese jederzeit sofort getötet werden. Zivilisten müssen natürlich verschont werden.

          • @Puky:

            "keine regulären Truppen sondern Kombattanten"

            Kombattanten sind reguläre Truppen.

        • @Francesco:

          Naja es gibt gravierendere Verstöße... unschön, aber im Vergleich zu der Behandlung von israelischen "Kriegsgefangenen" der Hamas eher harmlos.



          Seit dem Foto von der verwirrten Oma mit Sturmgewehr habe ich sowieso nichts als Verachtung übrig für die Propagandisten der bewaffneten Gruppen in Gaza. Sie belustigen sich über die Wehrlosesten! Und da habe ich mir die fiesen Videos noch nicht mal angetan.

  • Naja, bevor sich einer in die Luft sprengt und dabei Menschen tötet, ist es doch besser, bis auf die Unterhose entkleidet zu sein.

    Aus dem Zusammenhang gerissene Fotos und Videos sind sowieso immer problematisch. Fast niemand kennt den Grund für das Abgebildete, aber alle regen sich sofort auf.

    In einem Kriegsgebiet ist es besser in Unterhosen zu überleben, als von fanatischen Islamofaschisten in die Luft gesprengt zu werden.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Das Entkleiden von Festgesetzten/Gefangenen ist in den letzten Kriegen immer wieder praktiziert worden.



      Natürlich ist es ein Argument sie auf Sprengstoff, Granaten und ähnliches zu durchsuchen. In Korea und Vietnam kam es nicht selten vor das sich Kämpfer zunächst ergaben, um dann sich und den Feind in die Luft zu sprengen.



      Deshalb war das auch ein Mittel zum Eigenschutz.

      Die am Wochenende zu sehenden Bilder haben aber auch den Charakter den Feind zur Schau zu stellen und zu demütigen. Nach einer Durchsuchung gibt es keinen Grund einem Gefangenen die Bekleidung nicht zurückzugeben. Bzw. Bilder in diesen Posen zu machen.







      Aber wer im Glashaus sitzt.... Guantanamo, Irak, Afghanistan, Vietnam, Korea, Ukraine...

      • @Tom Lehner:

        Möglicherweise gab es einen ganz simplen Grund: Die israelische Armee hatte keine Kleidung für die Leute.

        Dass die ihre Kleidung nicht im Rucksack mitbringen durften, dürfte selbstverständlich sein.

        Dort wäre dann ja auch der Sprengstoff versteckt.

      • @Tom Lehner:

        Der Vergleich mit Guantanamo ist vollkommen deplatziert. Hier geht es um die Entkleidung unmittelbar nach Festnahme, um zu verhindern, dass versteckte Sprengkörper gezündet werden, was ja wohl nicht aus der Luft gegriffen ist. In Guantanamo sassen die Häftlinge schon lange ein und konnten keine versteckten Waffen haben. Deshalb diente die Entkleidung dort nur der Demütigung. Wie kann man so etwas nur vermischen?

      • @Tom Lehner:

        Das alles ist in vielen Punkten ein Déjà-vu:



        Bei dw.com steht 2004



        "Paradigmenwechsel



        Bush hielt seine eigene Ansicht zum Umgang mit Gefangenen in einem Dokument vom 7. Februar 2002 fest. Der Krieg gegen den Terrorismus erfordere einen Paradigmenwechsel und terroristische Angriffe "ein neues Denken über das Kriegsrecht", heißt es darin. Gefangene müssten aber entsprechend der Genfer Konventionen behandelt werden. Er akzeptiere die Expertise des Justizministeriums, wonach er als Oberbefehlshaber in Kriegszeiten die Genfer Konventionen aussetzen könne. "Ich lehne es aber zu diesem Zeitpunkt ab, von dieser Vollmacht Gebrauch zu machen", erklärte er in dem Memo mit dem Titel "Humane Behandlung von El-Kaida- und Taliban-Gefangenen".



        (...) weiter ...



        Am 16. April 2003 stimmte Rumsfeld 24 Verhörmethoden zu, die in Übereinstimmung mit den Genfer Konventionen eingesetzt werden sollten. Vier Methoden, darunter Isolation von Gefangenen, bedurften demnach vorab seiner Genehmigung. Das Entkleiden von Häftlingen war ab da nicht mehr erlaubt."



        Genfer Konvention ist eine Basis für humanitäre Behandlung der Gefangenen, ein gemeinsamer Nenner der Verständigung.

        • @Martin Rees:

          "Humane Behandlung von Al Qaida und Taliban Gefangenen"

          In Guantanamo im rechtsfreien Raum?