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Gutachten zum Amazon-KonzernWie man das Monopol zerschlägt

Die Bundesregierung hat das Kartellrecht verschärft. Nun stellt eine NGO ein Gutachten dazu vor, wie sich der Onlinehändler Amazon entflechten ließe.

„Würden Sie vielleicht ein Paket für den Nachbarn annehmen?“ Foto: Bernd Feil/Imago

Berlin taz | Eine Entflechtung des IT- und Logistikkonzerns Amazon wäre rechtlich möglich und marktpolitisch sinnvoll – zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten, das am Dienstag vorgestellt wurde. „Amazon agiert nicht frei am Markt, sondern bevorzugt sich selbst“, sagte der Jurist Kim Manuel Künstner, Experte für Kartellrecht bei der Kanzlei Schulte Rechtsanwälte und Autor des Gutachtens. Eine Entflechtung nach Geschäftsbereichen – Einzelhandel, Logistik, Marketplace-Plattform, Amazon Web Services und Smart-Home-Geräte – würde dazu führen, dass der Wettbewerb gestärkt werde.

Amazon ist eines der größten und marktmächtigsten Unternehmen der Welt. Das US-Magazin Forbes, das basierend auf Umsatz, Gewinn, Vermögens- und Marktwertdaten ein Ranking herausbringt, platzierte Amazon dort für 2022 auf Rang 6. Geht es um die Zahl der Beschäftigten, ist Amazon laut Lobbycontrol der zweitgrößte Arbeit­geber weltweit. „Amazons Monopolstellung macht das Unternehmen in vielerlei Hinsicht unregulierbar, das schadet der Demokratie“, erklärte Max Bank von Lobbycontrol. Die NGO hatte das Gutachten in Auftrag gegeben.

Eine Entflechtung würde dem zufolge positive Auswirkungen in mehreren Bereichen haben – etwa was die Arbeitsbedingungen angeht, die Steuereinnahmen oder den Umgang mit persönlichen Daten. Auch kleine und mittelständische Unternehmen würden profitieren – derzeit gibt es immer wieder Beschwerden darüber, dass Amazon dank seines umfassenden Einblicks in die Marktdaten gut laufende Produkte von Händlern, die auf der Plattform verkaufen, später selbst anbietet.

„Amazon ist nicht nur auf dem Markt aktiv, es ist der Markt“, sagte Bank. Amazon selbst teilte auf Anfrage mit, sich sehr wohl in der Konkurrenz zu anderen Unternehmen zu sehen – nicht nur im Bereich Handel, sondern auch in den anderen Branchen, in denen der Konzern tätig ist.

Kartellrecht mit „Klauen und Zähnen“

Was die Forderung nach einer Entflechtung erstmals in den Bereich des Möglichen rückt, ist vor allem die frisch in Kraft getretene Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte mit den steigenden Spritpreisen als Folge des Angriffskriegs auf die Ukraine ein Kartellrecht mit „Klauen und Zähnen“ gefordert.

Nun ist laut dem Juristen Künstner eine Entflechtung auch dann möglich, ohne dass es einen konkreten Verstoß gegen das Kartellrecht gibt. Eine „erhebliche und dauerhafte Störung“ des Wettbewerbs durch ein Unternehmen reiche aus.

Tatsächlich ist der Konzern bereits im Visier des Bundeskartellamtes. ­Aktuell laufen zwei Verfahren: eine Prüfung dazu, ob Amazon Einfluss auf die Preise der auf der Plattform tätigen Händler genommen hat. Und eine weitere Prüfung möglicher Benachteiligungen von Marktplatzhändlern durch Amazon.

Ein weiteres, schon abgeschlossenes, Verfahren ist aktuell beim Bundesgerichtshof anhängig. Hier klagt Amazon dagegen, dass es als Unternehmen mit „überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb“ eingestuft wird. Diese Einstufung bedeutet, dass das Bundeskartellamt mehr Instrumente für ­Eingriffe hat. Lobbycontrol kündigte an, im nächsten Schritt mit dem Gutachten auf das Bundeskartellamt zuzugehen.

Die Behörde äußerte sich anlässlich des Inkrafttretens des neuen Kartellrechts zurückhaltend: „Die entsprechenden Verfahren werden aufwendig sein. Dies gilt in besonderem Maße für die als Ultima ratio vorgesehene Entflechtung“, sagte Kartellamtschef Andreas Mundt.

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25 Kommentare

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  • „Amazon agiert nicht frei am Markt, sondern bevorzugt sich selbst“



    Ach? - Und das ist bei Microsoft, Google, Apple, X, Meta, Bytedance und wie sie alle heißen anders ?

    Das ist ja geradezu so, als ob man dem wind das wehen verbieten wolle.

    • @Bolzkopf:

      Sicherlich ist die Marktmacht vieler Konzerne mehr als fraglich, aber wenn wir hier vom größten Online-Händler der Welt reden, hat das mit Apple, Microsoft, Samsung wohl weniger zu tun. Da müssten (und sollten) wir gleich das Übel an der Wurzel diskutieren und das heißt schlicht und ergreifend Kapitalismus.

      • @EDL:

        Naja, wie übel es in den alternativen Systemformen zum Kapitalismus gerade im Einzelhandel zuging (und noch zugeht), müssen wir uns an einer (vermeintlichen) Marktmacht einzelner Konzerne nicht stören.

  • Das verlinkte Gutachten ist hervorragend ausgerabeitet. Sowas sieht man leider seltend. Respekt!

  • Bevor man über Entfesselung Ausländische Konzerne in Deutschland redet sollte man zuerst vor der eigen Tür kehren und die Einzelhandelsriesen zerschlagen. EDEKA, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe beherrschen rund 90% des Deutschen Marktes und können somit beliebig Erzeugerpreise drücken und gleichzeitig durch überhöhte Preise für den Verbraucher ihre Gewinne steigern. Hier müsste, zum Vorteil von Erzeugern UND Verbrauchern, wieder mehr Konkurrenz durch viele, kleinere Anbieter herrschen.

    • @Günter Witte:

      Wobei man dazu sagen muss, dass gerade die Discounter durch ihre Marktmacht die Preise für den Endkunden deutlich gesenkt haben. Von "überhöhten Preisen" kann man de fakto nicht sprechen, im Gegenteil: gerade bei den kleineren Anbietern oder auch auf dem Wochenmarkt kosten die selben Artikel dem Verbraucher deutlich mehr Geld.

      • @Tom Tailor:

        Der Forist Günter Witte bezieht sich auf das Drücken der Erzeugerpreise und hier stimme ich ihm völlig zu. Mit diesem Vorgehen erhöhen die Discounter ihre Gewinnspannen. Für viele Landwirte bedeutet das, dass sie ihre Produktionskosten nicht oder kaum noch decken können.



        Wir kaufen unser Lebensmittel daher seit Jahren ganz überwiegend direkt beim Erzeuger und zahlen faire Preise.

      • @Tom Tailor:

        Die Marktmacht von Discountern ist dieser Tage so groß, dass sie mittlerweile teurer sein können als Supermärkte und ihnen die Kundschaft trotzdem nicht ausgeht - in dem Glauben, dass man im Discounter ja immer günstiger einkauft. Irrtum. Ich kaufe im Edeka mittlerweile günstiger ein, als bei Lidl. Niemand hat so stark die Preise erhöht wie aktuell die Discounter ...

        • @EDL:

          Naja, eine aktuelle Entwicklung von einzelnen Preisen untermauert nicht unbedingt den Monopol-Vorwurf, da es ja offenbar möglich ist woanders einzukaufen. Darüber hinaus sind ALDI, LIDL, PENNY & Co, seit Jahrzehnten Marktführer im Einzelhandel, ohne das es Probleme mit der Kartellbehörde oder Verbrauchern gab.

  • Könnt Ihr noch an das Kartellverfahren gegen Microsoft erinnern? Damals, um 2000 herum?

    Was ist dabei nochmal herausgekommen?

    Die Bestie lebt noch, ist noch viel fetter und monopolistischer geworden.

    Ich hoffe ja sehr, dass diesmal die Treffer etwas effektiver sind.

  • Warun soll Amazon zwerschlagen werden? die Kunde



    n und lieferanten sind doch offensichtlich zufrieden damit, sonst würden sie den Kanal nicht nutzen.Wenn ihr wollt, dass das Monopol durchbrochen wird, kauft woanders.

    • @Münchner:

      Drogenkartelle werden auch zerschlagen.

      • @Manzdi:

        Allerdings nicht weil sie zu groß sind ;-)

    • @Münchner:

      Das Wort Monopol bedeutet nun mal, dass vergleichbar wonaders schon nicht mehr eingekauft bzw. verkauft werden kann. Da das Monopol Amazon Wettbewerber herausdrängen kann aus dem Markt bzw. vernichten kann!

      • @Hannah Remark:

        Und, ist das bei Amazon der Fall? Oder kann man die Produkte, die bei Amazon erhältlich sind, auch woanders beziehen?

  • Es wird höchste Zeit, dass dieser neoliberale Global Player in die Schranken verwiesen wird. Der Konzern ist unsozial, unökologisch und demokratiegefährdend. Und das Schlimme ist, er wächst, obwohl er in manchen Sparten defizitär wirtschaftet. Er kann es sich leisten und nutzt diese Stärke, um die Konkurrenz auszuradieren. Das Ziel dieses Giganten ist das Markt- und Machtmonopol.

    • @Manzdi:

      Inwiefern ist Amazon denn unsozial, unökologisch und vor allem demokratiegefährend ?

      Und sind die Kunden es damit auch ? Sind die damit mit einem Fuß auf derselben Ebene wie ein AfD-Wähler ? Oder...Gott bewahre, auf derselben Stufe wie ein AfD-Parteimitglied ? Gerade die unsäglichen Amazon Prime-Abonennten sollte man sich da in jedem Fall mal vornehmen.

      • @SeppW:

        Ist es sozial, wenn man seine Angestellten schlecht bezahlt und unter enormen Druck setzt?

        Ist es sozial, wenn man durch seine Marktmacht, z.B. familienbetriebene Buchläden in die Insolvenz treibt?

        Ist es sozial, wenn man aufgrund seiner transnationalen Aufstellung Steuervermeidung betreibt, gleichzeitig aber die Steuern zahlen lässt, die man in den Ruin treibt?

        Ist es ökologisch, ein Liefersystem zu etablieren, dass zusätzlich tagtäglich die ganze Bunderepublik abfährt, obwohl andere Logistikunternehmen das ohnehin schon tun?

        Ist es ökologisch die Rücksendungen in den Müll zu werfen, weil es billiger ist?

        Ist es demokratisch, gewachsene und etablierte Strukturen auszuhöhlen, um das Ziel einer allumgreifenden Marktmacht zu erhalten?

  • Es gab noch niemals einen so klaren Fall für eine Zerschlagung eines Konzerns wie bei Amazon. Ich hoffe das wird bald was.

  • Die Frage, ob Amazon aufgeteilt wird bzw. werden muss, wird ganz gewiss nicht in oder von Deutschland entschieden. In den USA laufen allerdings auch entsprechende Prüfungen - auch zu Microsoft und Google - und allein deren Ergebnisse sind relevant.

    • @Dr. McSchreck:

      Der Ort des Sitzes des Unternehmes ist für das Wettbewerbsrecht nicht maßgeblich. Im Zweifel würde sich Amazon jedoch aus dem deutschenMarkt zurück ziehen um eine Zerrschlagung zu vermeiden.

      Temu steht zur Übernahme des Marktes bereist bereit. Und da sie anders als Amazon keinen Marktplatz für Dritte anbieten, droht insoweit auch keine Zerrschlagung.

      • @DiMa:

        Eben....So wichtig ist Deutschland nicht, dass man sich "zerschlagen" ließe.

        Übrigens gibt es Aktionärvertreter, die die Aufspaltung in verschiedene Bereiche sogar ausdrücklich begrüßen würden, da Amazon angeblich weit mehr wert sei, wenn man die Einzelteile getrennt bewertet und allein der Cloud- und Services-Bereich würde fast den kompletten Aktienwert abbilden....

        • @Dr. McSchreck:

          Nach der im Gutachten genannten Zerschlagungsregelung müsste Deutschland im Falle einer Zerschlagung einen Schadenersatz leisten, wenn der Wert von 50 Prozent unterschritten werden würde. Das gilt nicht nur für den inländischen Bereich. Da könnte einiges an Kosten zusammen kommen. Diese Position fehlt in dem ansonsten guten Gutachten.

          • @DiMa:

            Dazu käme wohl auch der Verlust an zahlreichen Arbeitsplätzen und damit Lohnsteuern, Sozialabgaben usw. - Amazon ist für Ungelernte inzwischen ein attraktiver und relevanter Arbeitgeber, der dann eben von Polen und den Niederlanden aus weiterarbeiten würde.

            Rechtlich mag das ganze richtig sein, wirtschaftlich sehe ich keinerlei Vorteil.

            • @Dr. McSchreck:

              Sie vergessen leider, dass Amazon gleichzeitig dafür sorgt, dass viele Kleinbetriebe im Einzehandel aufgeben müssen. Ihr Argument mit den Lohnsteuern und Sozialabgaben führt sich somit selbst ad absurdum.

              Ob die schlecht bezahlten Subunternehmen-Bediensteten überhaupt nennenswert Steuern zahlen, da sie prekär beschäftigt sind, darf bezweifelt werden. Und Amazon ist dafür hinreichend bekannt, dass es seine Gewinne in Luxenburg versteuert, womit dem deutschen Fiskus ein beträchtlicher Teil an Steuern verlorengeht.