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Lehre aus den LandtagswahlenKlimaschutz geht nur sozial

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Klima und Energie waren für die Wäh­le­r:in­nen wichtig. Für die bestraften Ampelparteien heißt das: Ihre Klimapolitik muss besser und sozialer werden.

Schloss Meseberg im August: Hier wollte die Ampel-Koalition eigentlich mit neuer Kraft starten Foto: Michael Kappeler/dpa

B ei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern haben die Ampelparteien auch die Quittung für ihre Klimapolitik bekommen. Daraus müssen sie die Konsequenz ziehen, schneller und stärker die sozialen Folgen des Klimaschutzes abzufedern.

Bei der Frage des Meinungs­forschungsinstituts Infratest dimap „Welches Thema spielt für Ihre Wahlentscheidung die größte Rolle?“ landete „Klima und Energie“ laut ARD in Hessen auf dem zweiten, in Bayern immerhin auf dem dritten Platz. Und zulegen konnten besonders Parteien, die für weniger Klimaschutz plädieren als die Ampel.

Das dürfte vor allem an der Diskussion über das Heizungsgesetz liegen, die die Klimadebatte im Wahlkampf dominierte. Die Rechte hat Eigentümern und Mietern Angst gemacht, sie würden viel für den „Heizungstausch“ in ihren Häusern zahlen müssen. Diese Sorge ist teils übertrieben, weil keinesfalls funktionierende Heizungen auf den Müll geworfen werden sollen. Nur, wenn sie sowieso ausgewechselt werden, etwa weil sie sich nach einem Defekt nicht mehr reparieren lassen, muss der Eigentümer grundsätzlich eine Anlage wählen, die zu mindestens 65 Prozent erneuerbare Energie nutzt.

Aber es war ein fataler Fehler der Ampel, erst lange nach Bekanntwerden dieser Pflichten die Zuschüsse zu veröffentlichen. Falsch war auch, Eigentümern zu erlauben, die Miete wegen einer klimafreundlicheren Heizung dauerhaft zu erhöhen. Wer so wenig auf die soziale Abfederung achtet, muss sich nicht wundern, wenn er Wähler verliert.

Was sollte die Ampel aus ihrem Wahldebakel lernen? Weniger Klimaschutz geht nicht, denn die Erderwärmung schreitet voran. Aber die Koalition muss mehr aufs Soziale achten. Eine der ersten Lehren sollte sein, das Klimageld nicht, wie derzeit geplant, erst 2025 oder später auszubezahlen. Denn der CO2-Preis fürs Tanken und Heizen mit fossilen Energien steigt schon am 1. Januar 2024. Deshalb muss der Staat einen großen Teil der Einnahmen bereits dann den Bürgern zurückzahlen – nach sozialen Kriterien.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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29 Kommentare

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  • Die Ampel sollte halt auch zur Kenntnis nehmen, dass bei der stark gestiegenen sozialen Ungleichheit hierzulande nach 40 Jahren neoliberaler Politik, vielen Menschen existenziell das Ende des Monats näher ist als das Ende der Welt.

  • Ja! Klima und Energie sind für die ganze Welt wichtig - ganz entgegen den Wahlerfolgen der Rechten/Rechtsradikalen.



    Die Klimapolitik der Ampel muss besser und sozialer werden!



    Ich breche wegen dieser trotzigen Haltung in Gelächter aus.



    Ranklotzen so lange es geht!



    Wärmepumpen für alle!



    Sammeltaxis statt Pkws!



    keinen weiteren Autobahnausbau.



    Unsere Antwort auf die AfD: Tempo 120!

    • @Land of plenty:

      Und die Werte für die AFD gehen durch die Decke.

  • Dass das Thema Migration für die Wahl rechter Parteien tatsächlich der Hauptgrund war, halte ich nur oberflächlich betrachtet für richtig.

    Zur ganzen Wahrheit gehört, dass Politikeraussagen (nicht nur der AFD) zu diesem Thema von fast sämtlichen Medien regelmäßig als Top-Thema verbreitet wurden.



    So entsteht leicht der m.E. falsche Eindruck dass dies der Hauptkritikpunkt an der "Ampelpolitik" sei.

    Die enttäuschten Erwartungen vieler Bürger sind allerdings je nach Partei



    unterschiedlich zu bewerten.

    Der Anspruch an die SPD ist, dass sie SOZIALdemokratische Politik vertritt und sich für soziale Gerechtigkeit und um die Abfederung der gegenwärtigen Preisentwicklung einsetzt. Der Verweis auf Mindestlohn und Bürgergeld hilft nicht, wenn der tägliche Einkauf und Energiekosten sich (z.B. für Rentner) im Portemonai bemerkbar machen.



    Die AFD scheint die Sorgen der Bürger an diesem Punkt anders aufzunehmen - auch wenn sie keine Lösungen zu bieten hat.

    Von den Grünen wird erwartet, dass sie bezüglich ÖKOLOGIE, MIGRATIONS- und FRIEDENSPOLITIK



    konsequent die ursprünglichen grünen Positionen vertreten.



    Angesichts von LNG-Terminals, sogenanntem "Asylkompromiss" und Forcierung von Waffenlieferungen ist davon kaum noch etwas zu erkennen.

    Na ja.. und die FDP wird in erster Linie als Partei der Blockierer und Opposition in der eigenen Regierung wahrgenommen.

    Wohlwissend, dass im politischen Alltagsgeschäft Kompromisse gefunden werden müssen, muss man sich nicht über den Verlust von Wähler*innen-Stimmen und Vertrauen wundern, wenn man als Partei den eigenen Ansprüchen und denen der Bürger nicht mehr gerecht wird.

    Selbst wenn die Zuschreibung der Themenschwerpunkte je nach Partei schon lange nicht mehr stimmt und zum Teil überzogen ist - wenn nur noch faule Kompromisse übrigbleiben, werden die dafür verantwortlichen Parteien dafür von enttäuschten Wähler*innen am Wahltag abgestraft.

    Es profitieren dann diejenigen mit den scheinbar einfachen Antworten.

  • Es waren also Missverständnisse bei einem Thema, das nicht das wichtigste war, die zu diesem Wahlergebnis geführt haben?

  • Klimapolitik *ist* Sozialpolitik, Klimawandel trifft (schon jetzt!) die Schwächeren.

    Wir sollten auch nicht den Rechten in die Falle gehen, die jetzt behaupten, "die Armen können sich das alles nicht leisten". Die Armen gehen denen am Arsch vorbei.

    Oder -- höflicher -- von Frans Timmermans:

    " It's quite astonishing to see people who generally have not shown a lot of consideration for people with low incomes to all of a sudden become the champions of people with low incomes, fighting climate policy" [1].

    Und ja, klar: wenn Instrumente wie Energiesteuer eingesetzt werden, dann müssen die finanziell Schwächeren finanziell unterstütz werden. Die haben sowieso den kleinten CO2-Fussabdruck.

    [1] www.theguardian.co...t-climate-backlash

  • Es hätte zig Gelegenheiten gegeben, die Bevölkerung und die Wirtschaft beim Klimaschutz mitzunehmen. Indem diese Bedrohung wirklich als ernstzunehmend behandelt worden wäre und zwar konsistent. Indem man die ganzen Ausweichmanöver und Greenwashing der Wirtschaft nicht noch unterstützt, sondern als das geoutet hätte und dagegen vorgegangen wäre. Stattdessen wurde weiter ausgesessen und den Amigos und der eigenen Klientel weiterhin die Pfründe zugeschanzt. Der Staat als Selbstbedienungsladen, selbst in einer kritischen Phase. Nichts begriffen.

    Wenn unterm Strich nur die finanziell schwächeren die Last des Umbaus tragen sollen, wie immer, wenn es irgendeine Last zu verteilen gibt, und die ohnehin schon genug tragen, darf man sich nicht wundern, dass Bauernfänger spielend punkten, die es auch nicht anders machen würden, weil sie es genau wie die Regierung nicht wollen und nicht können.

    Was Leute da draußen brauchen, ist Perspektive, Planungssicherheit, eine zur Abwechslung mal wenigstens ansatzweise gerechte Lastverteilung. Und was die Welt braucht, sind Leute in entscheidenden Positionen, die qualifiziert und verantwortungsvoll genug sind für die Aufgaben, die anstehen. Menschen, die genug Verstand haben, um Resultate anders als durch gewohnheitsmäßige Plünderung von allem und jedem zustande bringen zu können.

    Für den Anfang vielleicht mal den höher zweistelligen Milliardenschaden durch Cum-Ex zurückholen, damit ließe sich schon einiges reißen bzgl. Klimaschutz. Spitzensteuersatz von 42% wieder auf 53%, wie er bei Kohl! war. Und dann Anreize schaffen, für jeden anderen Mist ist Geld da. Solar boomt ohnehnin, aber trotz und nicht wegen der Politik, die konnte nur noch hinterherdackeln und einige Willkür-Regelungen zu PR-Zwecken aus dem Weg räumen. Ohne dabei aber die Gelegenheit zu versäumen, wie gewohnt nur ihre Klientel zu fördern.

    • @uvw:

      Guter Kommentar. Danke. Zur erwähnten Reform der Lohn-/Einkommenssteuersätze sollte auch eine Erhöhung der Steuerbefreiungsgrenze (bis mindestens 20.000 Euro Jahreseinkommen) kommen.

      Die auch 2024 weiter bestehende Besteuerung von Geringverdienern ist wirtschaftlich und gesamtgesellschaftlich völlig widersinnig.

  • Es ist schon fast niedlich, wie hier versucht wird, eine failing democracy mit dem konzeptuellen Rahmen einer stabilen und funktionierenden zu analysieren.

    Das war keine Wahl, die von Inhalten geleitet wurde. Sondern von Parolen, Propaganda, und großmäuligem Brüllaffentum.

    Da ging es nicht um programmatische Zukunftsentscheidungen, sondern mehrheitlich darum, irgendwem irgendwas heimzuzahlen, und wenn man dazu den eigenen Kopf in einen Kessel kochendes Wasser tunken muss, dann ist das halt so.

  • Die Ampel hat ein riiiieeesiges Kommunikationsproblem und dann kommen noch Axel Springer und Union und AfD dazu.



    Wenn man klar kommunizieren würde, dass erneuerbare Energien eigtl günstiger sind und dass die Heizungen in den skandinavischen Ländern seit Jahren normal sind hätte man sich wohl einiges ersparen können

    • @Karim Abidi:

      Naja - meine Stromrechnung hat sich in den letzten Jahren verdreifacht bei gleichbleibenden Verbrauch. Günstig ist anders.

    • @Karim Abidi:

      "erneuerbare Energien eigtl günstiger sind"

      Es zählt nur, welcher Preis am Ende auf der Stromrechnung der Kunden steht. Und da hat Deutschland die teuersten Tarife auf der Welt. Und das scheint sich trotz mehr Erneuerbaren auch in absehbarer Zeit nicht zu ändern.

  • "Klima und Energie waren für die Wäh­le­r:in­nen wichtig. Für die bestraften Ampelparteien heißt das: Ihre Klimapolitik muss besser und sozialer werden."



    Die große Bestrafung sehe ich nicht, sondern das Artikulieren des WählerInnenwillens als Ablehnung einer proaktiven Rolle in der persönlich schmerzhaften Beteiligung bei Maßnahmen im Klimaschutz.



    "Und zulegen konnten besonders Parteien, die für weniger Klimaschutz plädieren als die Ampel."



    Die Medien, die das pejorative Narrativ von der "Verbotsampel" wider Wissenschaft und Erkenntnis gefüttert haben, sollten sich kritisch fragen, wem das in die Karten gespielt hat.



    "Das ist selbst für diese Verbots-Ampel ein einmaliger Vorgang“ bei welt.de



    Auf die Vier-Letter-Gazette(n) aus dem Lager der üblichen Verdächtigen ist populistisch stets Verlass.

  • "Aber es war ein fataler Fehler der Ampel,..."



    Es war doch eben diese Ampel selbst, die sich da gegenseitig zerlegt hat... keine gemeinsame Politik die nur falsch kommuniziert wurde... es gibt gar keine gemeinsame Ampelpolitik.

  • Ich glaube, dass das richtig ist. Das Problem der Grünen: Sie müssten alles darauf ausrichten.



    Spitzenkandidaten: Klimapolitiker.



    Finanzen: Riesiges, 25 Jahre Klimainvestitionsprogramm. Nur der Staat kann die nötigen Summen finanzieren.

  • Es ist egal, aus welchen Gründen wir Klimaschutz hinbekommen oder nicht. Ohne eine rasche und effektive Klimapolitik, werden wir bald auch keine Sozialpolitik mehr brauchen.

    • @Holger_0311:

      Richtig. Das ist - sehr sarkastisch gesagt - das einzig Gute, wenn wir keinen Klimaschutz hinbekommen, der diesen Namen verdient:



      Nie mehr verlogene Debatten um Alleinverdienende, Altersarmut und soziale Gerechtigkeit.

    • @Holger_0311:

      Diese Aussage ist einfach falsch. Auch wenn „wir“ in Deutschland die stärksten Klimaschutzbestimmungen der Welt hätten, hätte es keinen Einfluss auf die Erderwärmung. Nicht den geringsten. Weil Die U SA, Indien, China oder Russland und viele andere eben andere Vorgehensweisen haben.

    • @Holger_0311:

      Ohne vernünftige soziale Abfederung wird es aber keinen Klimaschutz geben. Dann regieren nämlich Parteien, die Klimaschutz ablehnen.

    • @Holger_0311:

      Wir brauchen weltweiten Klimaschutz.

      • @Martin Sauer:

        Jeder Staat sollte die eigenen Hausaufgaben machen.

  • Es heißt auch

    KlimaGERECHTIGKEIT

  • "Klima und Energie" sind meines Erachtens nicht gleichzusetzen mit "sozial". Vielmehr geht damit die Angst einher, dass mit gesetzlichen Maßnahmen und Energiekosten irgendwann ein dauerhafter Wirtschaftseinbruch einher gehen wird. Ein wenig Klimageld wird dagegen nicht helfen. Diese Angst wird diese Regierung niemandem nehmen können.

    • @DiMa:

      Die Angst ist nachvollziehbar.

      Allerdings wird das Ausmaß der Wirtschaftseinbrüche vermutlich erheblich größer werden, wenn wir so weiterwursteln, wie bisher.

      In diesem Fall wird es uns noch heftiger erwischen! Auch ein Großteil der hohen Kosten jetzt resultiert schließlich aus jahrelangem Nichtstun, Refom- und Investitionsvermeidung.

      • @Woodbine:

        Das ist eher eine Glaubensfrage. In so einer Situation tendiert der Mensch lieber nichts zu tun, in der Angst sonst etwas falsches zu machen.

        Nehmen wir mal an, wir investieren jetzt wirklich breit angelegt, wer weiß schon, wie sich die Zinsen entwickeln werden und wer weiß schon, ob solche Investition eine Wirtschaft wirklich retten können.

        Ich bin da eher pessimistisch.

  • Welches Thema stand denn auf Platzt 1?

    • @Stoffel:

      Hessen



      1.wirtschaftliche Entwicklung



      2.Klima und Energie



      3.Zuwanderung



      4.Bildung

      Bayern



      1.wirtschaftliche Entwicklung



      2.Zuwanderung



      3.Klima und Energie



      4.Innere Sicherheit

    • @Stoffel:

      Die wirtschaftliche Entwicklung.

      In Hessen wie in Bayern.