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Umgang mit dem Fall AiwangerNeue Wurschtigkeit

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Antisemitismus ist kein Tabu mehr. Der Fall Aiwanger ist eine Zäsur: 20 Jahre nach der Hohmann-Affäre weicht die Union den Konsens auf.

Der Fall Aiwanger hat den Erinnerungs-Diskurs verändert Foto: Sven Hoppe/reuters

Bravourös“ nannte Friedrich Merz den Umgang von Markus Söder mit dem Aiwanger-Skandal. Mit diesem überschwänglichen Lob steht der CDU-Parteichef ziemlich alleine da.

Von allen anderen Parteien im Bundestag – die AfD ausgenommen – wurde Söders Entscheidung, Aiwanger als seinen Stellvertreter im Amt zu belassen, scharf kritisiert. Selbst in seiner eigenen Partei sehen das manche anders als Merz. Die schleswig-holsteinische CDU-Politikerin Karin Prien nannte den Aiwanger-Skandal eine „Zäsur für die Erinnerungskultur“ in Deutschland. Der Fall ist auch eine Zäsur für die Union.

Die letzte Zäsur dieser Art liegt ziemlich genau 20 Jahre zurück. 2003 hielt der damalige CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann in der Nähe von Fulda vor den Mitgliedern eines CDU-Ortsverbands eine Rede zum Tag der Einheit. Darin sagte Hohmann sinngemäß, wer Deutsche pauschal als „Tätervolk“ bezeichne, der müsse „der gleichen Logik“ zufolge auch „die Juden“ als „Tätervolk“ bezeichnen.

Es dauerte eine Weile, bis der antisemitische Tenor dieser Rede skandalisiert wurde. Nach einer breiten öffentlichen Debatte entschied sich die damalige CDU-Vorsitzende Angela Merkel im November 2003, Hohmann aus der Fraktion auszuschließen und seinen Rauswurf aus der Partei voranzutreiben. Die Union war damals, wie heute auch, in der Opposition.

Die bürgerliche Elite applaudierte

Knapp vier Jahre nach der Walser-Debatte und kurz nach der Möllemann-Affäre war das ein mutiger Schritt. Der Schriftsteller Martin Walser hatte 1998 in seiner Friedenspreis-Rede in der Frankfurter Paulskirche von Auschwitz als „Moralkeule“ gesprochen und das Holocaust-Denkmal als „Alptraum“ bezeichnet. Die gesamte anwesende bürgerliche Elite hat ihm dafür applaudiert.

Vier Jahre später spielte der FDP-Politiker Jürgen Möllemann im Wahlkampf mit antisemitischen Ressentiments und wurde dafür – erst nach einem enttäuschenden Ergebnis bei der Bundestagswahl 2002 wohlgemerkt – von seiner eigenen Partei hart abgestraft. Die Debatten um Walser, Möllemann und Hohmann öffneten die Augen dafür, dass Antisemitismus nicht nur in Form von Holocaust-Relativierung und Geschichtsrevisionismus in dumpfen Bierzelt-Runden, sondern in verfeinerter Form auch in bürgerlichen Kreisen gedeiht.

Seitdem hat sich viel getan. Merkel erklärte als Kanzlerin den Kampf gegen Antisemitismus zur Chefsache und ließ sich dafür von einem Ex­per­t:in­nen­kreis beraten. Die Zahl der staatlich bestellten Antisemitismusbeauftragten wächst seither beständig. Selbst die AfD ist, zumindest offiziell, strikt gegen jeden Antisemitismus und hat deswegen sogar mal einen Landtagsabgeordneten ausgeschlossen: den wirren Verschwörungsideologen Wolfgang Gedeon in Baden-Württemberg.

Konservative und Rechte entdeckten aber auch recht bald, dass sich der „Kampf gegen Antisemitismus“ prima gegen Linke und Ein­wan­de­r*in­nen wenden lässt. Die Debatten um den Philosophen Achille Mbembe und die letztjährige Documenta entfalteten nur deshalb so eine Wirkung, weil sich konservative und rechte Medien und Po­li­ti­ke­r:in­nen daran beteiligten und sie auf die Spitze trieben.

Springer ist merkwürdig milde

Die Zeitungen des Springer-Konzerns, allen voran die Bild, legten dabei einen besonderen Eifer an den Tag. Als man dort vor zwei Jahren herausfand, dass die Journalistin (und ehemalige taz-Kolumnistin) Nemi El-Hassan während des Gaza-Kriegs 2014 an einem antiisraelischen Al-Quds-Marsch teilgenommen hatte, kannte die Bild ebenfalls kein Pardon.

Obwohl sich El-Hassan tränenreich entschuldigte und erklärte, sie schäme sich rückblickend dafür, verlor sie ihren Job beim WDR. Der Fall steht exemplarisch für einen Übereifer, der in den vergangenen Jahren in Kultur und Medien eingezogen ist. So wurden wiederholt Konzerte und Ausstellungen abgesagt, Preise zurückgezogen und Künst­le­r:in­nen ausgeladen, nachdem herauskam, dass diese in der Vergangenheit etwa einen Israel-Boykott unterstützt hatten.

Angesichts dieser Strenge erstaunt die neue Wurschtigkeit, mit der Merz, Söder und Springer-Zeitungen aktuell über den Aiwanger-Skandal hinweggehen. Jetzt, wo der Antisemitismusvorwurf einen konservativen Politiker trifft, sind sie merkwürdig milde. Das rechtsextreme Flugblatt, Berichte über Hitler-Grüße und antisemitische „Witze“, das alles wird zu einer bloßen „Jugendsünde“ verniedlicht.

Merkel erklärte den Kampf gegen Antisemitismus einst zur Chefsache und ließ sich von Ex­per­t:in­nen beraten

Obwohl sich Aiwanger dazu weder erklärt noch wirklich entschuldigt hat, lässt die Bild deutliche Sympathien für ihn erkennen. Die Welt-Kolumnistin Anna Schneider und der Cicero freuen sich vielmehr darüber, dass „die Berliner Blase“ endlich „ihre Deutungshoheit verliert“. Und FAZ-Herausgeber Bertold Kohler meint, dass sich „die Leute nicht mehr bevormunden“ lassen wollten. Auf die Stimmen von Jü­d*in­nen, die sich über Aiwanger entsetzt zeigen, meint man, nicht mehr hören zu müssen. Antisemitismus ist kein Tabu mehr.

Die AfD radikalisiert sich indes weiter. AfD-Chefin Alice Weidel bekennt, die Niederlage Nazi-Deutschlands sei für sie kein Grund zum Feiern, und AfD-Spitzenkadidat Max Krah erklärt: „Unsere Vorfahren waren keine Verbrecher.“ Natürlich ist Aiwangers jugendlicher Rechtsextremismus nicht dasselbe. Aber wenn Aiwanger seinen – auch jüdischen – Kri­ti­ke­r*in­nen eine „Instrumentalisierung der Shoah“ vorwirft, dann hallt darin Walsers Rede von der „Moralkeule ­Auschwitz“ nach. Merz, Söder und Bild scheint das nicht zu stören. Auch deshalb kann sich Aiwanger als Opfer einer linken Kampagne inszenieren, und seine Freien Wähler erleben in den Umfragen einen ungekannten Höhenflug.

Doch Friedrich Merz ist viel zu beschäftigt damit, das Erbe Merkels abzuräumen. In Thüringen hat die Union unter seiner Ägide Löcher in die „Brandmauer“ gegen rechts gerissen. Sein Lob für Söder zeigt, dass ihm auch die Folgen des Aiwanger-Skandals für die Erinnerungspolitik egal sind.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er schreibt über Politik und Popkultur – inbesondere über die deutsche Innen- und Außenpolitik, die Migrations- und Kulturpolitik sowie über Nahost-Debatten und andere Kulturkämpfe, Muslime und andere Minderheiten sowie über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 folgte das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”
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24 Kommentare

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  • Es kristallisiert sich:



    Jede Kritik an den Noch-Demokraten der C*U wird mit einer Befeuerung der AfD gleichgesetzt.

  • Es ist ihnen ganz im Gegenteil nicht "Wurscht". Es ist kalkül. Weder die CSU noch die FW können sich Verluste leisten. Deshalb fischt man am rechten Rand. Bewusst und jetzt erst recht. Lieber mit der AfD regieren als keine CSU Regierung. Wetten?

    • @Tom Lehner:

      Die Vorwürfe gegen Aiwanger er sei ein faschistischer rechtspopulististischer antisemitischer Nazi (und Söder deswegen natürlich auch) wegen der Geschichte von vor 35 Jahren, die nicht einmal zweifelsfrei ihm zugeordnet werden kann, sind einem Großteil der Bevölkerung schlicht nicht vermittelbar.

      Da ist deshalb auch keine neue Zäsur. Wegen was auch? Weil Aiwanger auch in den 35 Jahren bis heute nicht antisemitisch auftrat?

      Das Thema ist aber eine Steilvorlage für Rechtspopulisten. Es hat alles was es braucht um den Vorwurf der politischen Diffamierung zu nähren.

      Die Vertreter der Anti-Aiwanger Fraktion müssen sich mit diesem Vorwurf auseinandersetzen. Und mit der Frage, ob sie es sind die schlecht vorbereitet einen lahmen Zug befeuert haben, der der AfD bzw. dem Rechtspopulismus zufährt.

  • "Die letzte Zäsur dieser Art liegt ziemlich genau 20 Jahre zurück. 2003 hielt der damalige CDU-Bundestagsabgeordnete ..."

    Wie keine 13 Jahre? Als Abgeordnete der Linkspartei bei einer Rede von Shimon Peres im Bundestag anlässlich des 65. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz demonstrativ sitzen blieben? ( taz.de/Peres-Auftr...arlament/!5148404/ )

    Herr Bax, was für eine Zeitrechnung haben Sie?

  • "Angesichts dieser Strenge ERSTAUNT die neue Wurschtigkeit, mit der Merz, Söder und Springer-Zeitungen aktuell über den Aiwanger-Skandal hinweggehen"

    Ist das ernst gemeint?? Es war doch schon immer so, dass sich "konservative" Medien im Zweifel auf die Seite der Rechten schlagen. Bild, Welt und co. sind vielleicht keine glühenden Antisemiten, aber die hatten noch nie ein Problem damit Antisemitismus mitzutragen wenn des ihrer reaktionären Agenda dient. Denn Antisemitismus ist für diese Leute keine Bedrohung, ansatzweise linke Ideen (Kommunismus!1!!!1elf) schon.

    • @~Toni~:

      Äh, gerade Bild und Welt haben aber ein ganz großes Problem mit Antisemitismus! Denn das muß mensch der Springerpresse lassen: Antisemitismus wird da grundsätzlich laut Satzung auf das entschiedenste bekämpft!

  • Ich sage es schon seit der Fastnacht Rede v



    Stracke - Zimmi. Merz will Koalitionen auch mit der AFD. Seine Schmierkampange gegen die Ampel ist sehr erfolgreich und super Anti-Sozial, weil er die Gesundheit unserer Demokratie langfristig zerstört und ihm das offensichtlich, "Schei...egal" ist. Das er keinerlei positive Beiträge u Anregungen zu Diskussionen im Bundestag liefert, aber gleichzeitig sabotiert, unterstreicht nur wie gefährlich er ist für unsere Demokratie.

  • eine kabarettistische und dichterische Zusammenfassung der Aiwanger-Ereignisse vor Dultkulisse:

    www.youtube.com/watch?v=fGCd3GYBaQQ

    Hubert Aiwanger sieht sich ernstlichen Extremismusvorwürfen aus seiner Jugend ausgesetzt, die er nicht aufklärt. Obwohl er erstmals im Jahr 2008 Erkundigungen nach dem rechtsextremen Flugblatt einholen ließ, bestreitet er, Näheres über die Umstände des Skandals zu wissen. Auch zu den Bezeugungen seiner rechtsextremen Äußerungen kann er vorgeblich nichts beitragen. Mit seinem Verhalten steht er in der Tradition des Nichtwissens und Nichtgewesenseins. Der aktuell wieder zunehmende Einfluss antidemokratischer Kräfte gebietet eine klare Abgrenzung gegen Rechtsextremismus. Totschweigen bedeutet Dulden. Dieser Makel haftet Aiwanger in Bezug auf seine Biografie an, umso schwerwiegender, da er in seinen politischen Äußerungen antidemokratische Narrative und Wissenschaftsfeindlichkeit salonfähig macht. Das vorliegender Video ist eine lyrische Verarbeitung des Umgangs Aiwangers mit den Hinweisen auf seine rechtsextreme Vergangenheit..

  • Konservative haben sich allzuoft auf Rechtsextreme gestützt, wenn es um Machterhalt gegen links ging. Leute wie Merz kennen da keine Skrupel.

  • Ich freue mich, dass Daniel Bax wieder kenntnisreich und engagiert in der taz schreibt

  • @GNUTELLABROT MERZ

    Ich glaube, die waren immer so. Nur haben sie sich nicht immer getraut: Rechte sind strukturell feige.

    • 3G
      31841 (Profil gelöscht)
      @tomás zerolo:

      Das würde ich bitte mal noch genauer betrachtet sehen.



      Der Satz: "Das wird man doch noch sagen dürfen" ist nichts anderes als "Komm mach' mit, damit wir stark genug sind, um uns raus zu wagen."

      Weiteres Thema: Der verat der FDP. Wie kann sie in Thüringen, wo Lindner gesagt hat, man soll lieber die Linke als die AfD wählen, dem Antrag der CDU zustimmen?

      Das Zusammenspiel dieser beiden Parteien läuft darauf hinaus, die Erstarkung der AfD laufen zu lassen, damit man gebraucht wird, um sie einzuhegen und dabei Elemente der AfD-nahen eigenen Agenda als Puffer nach weiter rechts zu rechtfertigen.

      "Er wächst zusammen, was zusammen gehört" ;-(

      Ich denke, dass die Verschiebung von Grenzen durch Geschichtsrevisionismus auch die Zielrichtung hat, sich auch hinsichtlich anderer kultureller, gesellschaftlicher und politischer Angelegenheiten künftig gegen die demokratische und menschenrechtliche Verpflichtung der Verfassung aus der Verantwortung ziehen zu können. Hier droht ein allgemeiner politischer "Klima"kollaps. Angestrebt werden Verhältnisse eines zur Autokratie neigenden und strebenden autokratischen Parlamentarismus, der für sich beansprucht, allein durch Mehrheit schon Demokratie zu sein. Eine rechte, faschistische "Volksdemokratie".

      • @31841 (Profil gelöscht):

        Sie fordern nichts weniger, als dass demokratische Oppositionsparteien keine Anträge mehr zur Abstimmung vorlegen dürfen, wenn diese der Minderheitsregierung nicht gefallen.

        Das ist ein merkwürdiges Demokratieverständnis.

        Ich frage mich weshalb die Zusammenarbeit der demokratischen Parteien nicht funktionierte. Bei Minderheitsregierungen ist ein Geben und Nehmen angesagt.

        Und aktuell habe ich den Eindruck, dass RRG in Punkto Antifaschismus beim Geben null über den eigenen Schatten springen will. Es wird links nicht einmal debattiert!

        • 3G
          31841 (Profil gelöscht)
          @Rudolf Fissner:

          Demokratie ist nicht erschöpft und schon gar nicht erfüllt allein in der Befolgung von Regeln des Parlamentarismus. Der parlamentarische Prozess muss vorrangig dem Ziel dienen, eine Gefährdung der verfassungsmäßigen Grundordnung zu unterbinden. Dies beinhaltet die politische Sicherung frt Menschen und Bürgerrechte grundlegend und erstrangig. Dann und nur daran ausgerichtet kommen die Ansprüche der Umsetzung politischer Ziele innerhalb dieses Rahmens.



          Die Partei, mit deren Mitwirkung ohne verabredete Zusammenarbeit gerechnet wurde, verfolgt im Kern und speziell im betreffenden Landtag verfassungswidrige Ziele.



          Warum strebt man von Seiten CDU und FDP einen solchen Kurs und damit die aktuelle Auseinandersetzung an, wenn in Nordhausen (Thüringen) die OB-Wahl ansteht, Aiwanger Absolution erhält usw.? Was wollen CDU und FDP wirklich in dieser Situation? Die SPD und Grünen politisch abfangen? Ihr gutes politische Recht, aber nicht durch ein Kalkül des Zusammenwirkens mit einer im Kern gesichert verfassungsfeindlichen Partei. Deswegen ist das Vorgehen nicht im Sinne der Erfüllung der grundgesetzlichen Intention, sondern ein legalistisch-parlamentarisches Spiel mit den Feuer, das im Sinne einer faschistoid-populistischen Einäscherung von Demokratie im Geiste der Verfassung (s.o.) geschürt wird. Es gibt auch autoritären Parlamentarismus und die Furcht davor. Dem wollen CDU und FDP gerne abhelfen, indem sie sich durch Stärkung der AfD selbst unverzichtbar für ihre eigene und gleichzeitige Beteiligung an Koalitionen machen.

          • @31841 (Profil gelöscht):

            "Die Partei, mit deren Mitwirkung ohne verabredete Zusammenarbeit gerechnet wurde ..."

            Sie wollen sagen RRG hat es bewusst zugelassen, dass eine Mehrheit ohne sie aber mit der AfD zustande kam?

            Das war wahrscheinlich auch in Sonneberg die Haltung der Wähler als der Kandidat der AfD gegen den Kandidaten der CDU gewann.

            RRG scheint das antifaschistische Band, das mit der Unterstützung Ramelows durch die CDU geknüpft wurde, wieder zerschnitten zu haben.

            Und @"Stärkung der AfD": Es ist nicht die CDU, die Wähler verliert (an die Linkspartei) es sind in Thüringen vor allem SPD u. Linkspartei.

            RRG in Thüringen und die Ampel im Bund betreiben die aktuelle Politik, an der die Fascho-AfD an Stärke gewinnt. Nicht die Oppositionspartei CDU.

  • Der Geschichtsrevisionismus war ja schon immer da, vom ersten Tag der Kapitulation Nazi-Deutschlands an. Er ist kein ausschließlich rechtes Projekt, sondern er beschreibt die Sehnsucht der bürgerlichen Mitte, als Nation als anständig und sauber zu gelten, über die Zeiten hinaus. Historikerstreit, Wehrmacht-Debatte, Walsers „Moralkeule“, die Rufe nach einer „erinnerungspolitischen Wende“ aus den Reihen der AfD, die Aiwanger-Affäre etc., das alles zeigt jetzt seine Wirkung.



    Wenn die Schlussstrich-Apologeten hierzulande obsiegen - und es sieht ganz danach aus -, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich die Geschichte wiederholen kann.



    Dank an Daniel Bax für diesen Kommentar, auch für seinen Hinweis auf das heuchlerische rechte Ablenkungsmanöver, Antisemitismus der Linken und muslimischen Migranten ursächlich in die Schuhe schieben zu wollen. Wir aber kennen die (ideengeschichtliche) Herkunft dieser menschenfeindlichen Ideologie und kennen auch die bürgerlich-konservativen Biedermänner zur Genüge, die „Haltet den (antisemitischen) Dieb“ schreien, selber jedoch solche in Reinkultur sind.

  • Das ist eine sehr klare Analyse.



    Wie befürchtet, nutzt der unappetitliche Skandal der Bayrischen Regierung.



    Das letzte Bundesland in dem Metzger Markus und Wurstfingerhubsi den WählerInnen eine Schlachteplatte schmackhaft machen können?



    Nein ! Meckermerzi ist ebenfalls begeistert und schert sich nicht um Brandmauern.



    Auch den ewigen KritikerInnen der Ampel sollte nach den jüngsten CDU/CSU Skandalen deutlich werden, dass die Bundesregierung glücklicherweise in einer anderen Liga spielt.

  • 6G
    677256 (Profil gelöscht)

    "Jetzt, wo der Antisemitismusvorwurf einen konservativen Politiker trifft, sind sie merkwürdig milde."



    Sehe ich nicht so. Im Unterschied zu den Beispielen, die im Artikel genannt werden, geht es nicht rechtsradikales Verhalten des Politiker Aiwanger bei den Vorwürfen, sondern um ihn als Schüler.



    Der Vorgang hat zwei unappetitliche Seiten von denen die eine Aiwanger betrifft, der sich in der Tat zwar distanziert von den damaligen Vorgängen, in stärkerem Maße sich aber darüber echauffiert, dass diese hervorgebracht wurden, um ihm zu schaden. Unklug von ihm, auch wenn das zutrifft.

    Die andere Seite betrifft das Demokratieverständnis derjenigen, die mit den Vorwürfen in den Wahlkampf eingreifen.



    Ich glaube die Wähler sind es einfach leid, dass Kampagnen den Wahlkampf manipulieren. Wir waren da früher besser als die USA, heute nicht mehr.



    Unabhängig davon , ob die Vorwürfe gegen Aiwangers Jugend zutreffen:



    wer will bestreiten, dass es sich um einen gezielten Angriff im Wahlkampf handelt?



    Wer will bestreiten, dass die Shoa hier instrumentalisiert wird?

  • Der Autor übersieht bei seiner Darstellung, dass es sich im Falle Aiwanger nur um unbewiesene Vorwürfe handelt und dass Herr Aiwanger im Zeitpunkt des Tatvorwurfes minderjährig war, ferner die angebliche Tat mehrere Jahrzehnte zurück liegt. Insoweit ist eine differenzierte Betrachtung durchaus angebracht.

    Selbst wenn Herr Aiwanger damals wegen Volksverhetzung verurteilt worden wäre, wäre diese längst aus dem Strafregister gelöscht worden.

    Bedauerlicherweise geht der Autor darauf noch nicht einmal im Ansatz ein.

  • "Konservative und Rechte entdeckten aber auch recht bald, dass sich der „Kampf gegen Antisemitismus“ prima gegen Linke und Ein­wan­de­r*in­nen wenden lässt."

    Das ist glaube ich ein wichtiger Satz. Bei vielen dieser Debatten geht es glaube ich nur sehr am Rande "wirklich" um Juden. Mein Eindruck ist, dass dies gesellschaftliche Kämpfe zwischen gesellschaftlichen Mehrheitsgruppen sind, in einem Umfeld sich ständig verschiebender Mehrheiten, was Denkrichtungen und demografische Zusammensetzungen und andere Dimensionen betrifft. Juden eignen sich, um den Gegner mit Vorwürfen zu treffen, aber gemeint ist allermeist eine oder mehrere der anderen Mehrheitsgruppen.

    Es wäre interessant herauszuarbeiten um welche Inhalte und Gruppen es eigentlich genau geht. Sicher geht es um Alt-Biodeutsche ("Aiwangersche bayrische Hoferben"), die glauben die Wertekoordinaten der Gesellschaft vorgeben zu können, weil sie "schon länger hier wohnen" - in völkisch-familiären Linien, die sie eben für sich passend definieren. Auch andere Gruppen haben aber ähnliche Erzählungen, mal mehr volksbezogen, über Familienlinien, um ihre Sichtweisen zu unterstützen. Wieder andere Gruppen reklamieren universelle Menschheitswerte und gewisse Regeln, was wann als universeller Menschheitswert anzusehen ist.

    Es wäre interessant genauer heauszuarbeiten, welche Ansichten hier wie begründet und in wie großen Gruppen gegenüberstehen.

  • Die Union springt gerade 50 bis 70 Jahre zurück. Damals waren große Teile des heutigen AfD Gedankenguts tief in der Union verwurzelt. Und jetzt besinnt man sich in der Union auf die Ursprünge.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Der politische Konservatismus hatte ja immer seine Probleme mit der Abgrenzung gegen Rechts - genauer: einem klaren Bekenntnis zu demokratischen Prinzipien, ich nenne als Stichworte nur Illiberalismus und Antisemitismus -, gewissermaßen ist der Faschismus historisch als Fleisch vom Fleische des Konservatismus zu sehen.



      Dieses “Fremdeln” mit der Demokratie war in Weimarer Zeiten ein Hauptmerkmal des preußischen Protestantismus, aber auch der politische Katholizismus erwies sich zwar als kritischer, jedoch nicht vollständig immun gegenüber den Verlockungen des NS. Zumindest meinte man, die Nazis als Kampfmittel gegen die “rote Gefahr” instrumentalisieren zu können, ohne zu erkennen, dass man von diesen dann selbst instrumentalisiert wurde. (und ich prognostiziere, dass es der CDU im Umgang mit der AfD nicht anders ergehen wird).



      Ich sehe es so, dass der Gründung der Unionsparteien nach WK2 durchaus die Möglichkeit innewohnte, mit diesen unseligen bürgerlich-(national)konservativen Traditionen zu brechen.



      Aber wie Konservative nun mal so sind: sie lieben die Tradition - und mit ihr die Macht - und hassen die Veränderung (es sei denn, sie verhilft ihnen zur Macht). Über Jahrzehnte reichten ein strammer Antikommunismus und ein “gezähmter” Patriotismus, das formale Lippenbekenntnis zum Existenzrecht des jüdischen Staates sowie die Tatsache, in Wahlen zumeist die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich zu wissen (Volkspartei).



      Dieser Konsens verfängt heute nicht mehr, die Partei steht vor einer Wegscheide: und es sieht so aus, als ob die Polenz’, Hans’, Priens und Günthers marginalisiert dastehen und die Mehrheit bereit ist, Friedrich Merz auf dem Marsch zurück in die Zeit Anfang der 30er Jahre zu folgen.

  • Auch die "Süddeutsche Zeitung" hat ihm mit der Jungnazi-"Jugendsünde" genützt, denn sie tastet Aiwangers Lügengeschichten nicht an. Den Bierzelt-Kulturkampf lässt sie immer weiter laufen: 'Der Niederbayern-Millionär als Opfer' ist der Gewinner.

  • Diese Zäsuren ziehen sich wie ein 'brauner' Faden durch die letzten Jahrzente.



    Dazu passt das aktuelle Abstimmungsverhalten in Thüringen, wo man einen Antrag stellte, der wissentlich nur mit der AFD eine Mehrheit erreichen würde, wohlgemerkt, mit einer Fraktion, die ein ausgewiesener Faschist führt.



    Mir wird jetzt schon Angst und Bange, wenn ich an die nächsten Landtagswahlen denke, insbesondere in Brandenburg, Sachsen und Thüringen