piwik no script img

Überfall auf Migranten in SachsenAttacke in Flüchtlingsunterkunft

Im Sebnitz dringen Männer in ein Haus ein, zwei afghanische Jugendliche werden verletzt. Rechtsextremer Hintergrund wird vermutet.

Sebnitzer Innenstadt. Hier befindet sich die Flüchtlingsunterkunft, in der die Attacke stattfand Foto: Olaf Döring/picture alliance

Dresden taz | Ein Überfall auf eine Flüchtlingsunterkunft hat die sächsische Kleinstadt Sebnitz aufgeschreckt. Am vergangenen Samstagabend gegen 22.30 Uhr drangen zwei maskierte junge Männer durch die Hintertür in das mitten in der Stadt gelegene Wohnhaus ein. Zwei weitere blieben im Hof. Ein Handyvideo, das Hausbewohner aufnahmen und dem lokalen Dresden Fernsehen zuspielten, zeigt die beiden Eindringlinge.

Beide tarnen sich mit Sturmhauben. Einer von ihnen ist mit einer Stange bewaffnet und trägt ein T-Shirt mit einer schwarz-weiß-roten Reichsflagge und dem Kopf eines stahlhelmtragenden Wehrmachtssoldaten. Den bisherigen Ermittlungen zufolge attackierten die Angreifer im Hausflur zwei 16 und 18 Jahre alte afghanische Hausbewohner, drückten den älteren gegen die Wand und riefen fremdenfeindliche Parolen.

Er musste später ambulant medizinisch versorgt werden. Als weitere Hausbewohner zu Hilfe eilen wollten, flohen die Täter. „Das war ein schlimmes Erlebnis“, sagte später Achmed, der zwölfjährige Bruder eines der Angegriffenen, dem Fernsehsender.

Ein Täter konnte schnell ermittelt werden

Das Haus mitten in der Stadt gehört der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Wobau und war nach Leerstand ab 2015 für die verstärkt nach Deutschland drängenden Flüchtlinge wieder hergerichtet worden. Ob die dabei außen installierte Videokamera jetzt den Übergriff aufgezeichnet hat, ist noch unklar. In den fünf Wohnungen sind vor allem Familien untergebracht, eine davon mit acht Kindern.

Am Montag teilte die Polizeidirektion Dresden mit, dass einer der beiden Tatverdächtigen ermittelt werden konnte. Eine „markante Personenbeschreibung“ und das Video hätten trotz der Maskierung dazu beigetragen. Die Sebnitzer Wohnung des 20-jährigen Deutschen sei durchsucht und Beweismittel seien sichergestellt worden. Gegen ihn wird wegen gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung sowie Hausfriedensbruch ermittelt. Nach seinen Komplizen wird weiterhin gefahndet, die Tatbeteiligung der beiden außerhalb des Hauses verbliebenen Männer geprüft.

„Wir sind überrascht, dass die antimigrantische Stimmung zu solchen Auswüchsen führt“, sagt Linken-Stadtrat Rainer Böhme, der auch Vorsitzender des Vereins Buntes Sebnitz ist. Die Neigung, früher NPD und nun AfD zu wählen, sei in der Region Sächsische Schweiz zwar bekannt. Die Kameradschaft „Skinheads Sächsische Schweiz“ wurde 2001 verboten. Hinweise auf eine sich formierende militante Naziszene habe es nicht gegeben.

Ein Sprecher der Dresdner Polizeidirektion bestätigt, dass der Tatverdächtige zuvor nicht durch Straftaten aufgefallen war. Er konnte wegen seiner korpulenten Statur, seiner auffälligen Tattoos und seines Schmucks ermittelt werden. Einer der afghanischen Jugendlichen berichtete von einer Pöbelei und rassistischen Beleidigungen am Busbahnhof kurz vor der Attacke auf das Haus.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • "Hinweise auf eine sich formierende militante Naziszene habe es nicht gegeben."

    Ist das ernst gemeint?



    Die sollten sich mal mehr anstrengen, dass es diese Szene gibt und dass sie immer einen Hang zur Gewalt und zur verbalen Gewalt hat, ist doch jahrelang dokumentiert. Wie soll das den Behörden nicht bekannt sein?

    Und in dieser Gegend müssen solche Einrichtungen auch gut geschützt werden, dass da Leute einfach so reingekommen sind, spricht nicht für die Betreiber. Die sollten dringend nacharbeiten.

    • @Andreas_2020:

      Keine Auflagen....dann sind es ja nur Kosten = weniger Gewinn... nee dann lieber verzichten, die Opfer waren doch nur "Geflüchtete"...

      Tja so scheint die denke so mancher wohl zu sein...

  • Kann man das wording " nach Deutschland drängenden Flüchtlinge" bitte mal überarbeiten. Sie drängen nicht nach Deutschland, sie suchen Asyl und flüchten.

    Muss man den rechten hier wirklich noch nach dem Mund reden?

    • @Chris Ehl:

      Danke! bin von der Formulierung des Autors auch sehr irritiert.

  • Fremdenfeindlichkeit hat m.E. mit Politik ursächlich nichts zu tun. Auch sog. Linke oder Bürgerliche können fremdenfeindlich sein. Die Rechten tun allerdings so, als sei es eine Lösung, fremdenfeindlichkeit zu fördern und auszuleben und verkaufen das als Alternative Politik. Unverständlich, dass solche Organisationen als Partei formieren können und vom Staat auch noch finanziell Unterstützt werden! Die lehnen den demokratischen Rechtsstaat zwar ab, nehmen die Kohle dennoch an.

  • Gut, daß man einen davon ermitteln konnte. Das lässt die Hoffnung zu, daß auch der zweite zu ermitteln sein wird. Ich hoffe, daß es eine deutliche, angemessene Strafe geben wird.

  • 6G
    687478 (Profil gelöscht)

    „Ein Sprecher der Dresdner Polizeidirektion bestätigt, dass der Tatverdächtige zuvor nicht durch Straftaten aufgefallen war.“

    Wäre er doch bloß lieber ins Berufs- oder Studentenleben, statt in eine kriminelle Karriere eingestiegen.

  • Just heute morgen sah ich in meinem lokalen Laden die "BILD"-Überschrift, die vor Hetze gegen Migrant*innen mal wieder troff.

    Die sind mitschuldig.

  • Da zeigt sich mal wieder, was man von diesen schrägen Vögeln zu halten hat.



    Es zeugt von wahrem Mut, Menschen anzugreifen, die sich nicht wehren können, und das zieht sich wie ein roter Faden durch alle rechtsextremistischen Gewalttaten der letzten Jahre.



    Wenn das die "deutschen Tugenden" sind, die diese Nichtsnutze uns aufzwingen wollen... na, vielen Dank!

  • "„Wir sind überrascht, dass die antimigrantische Stimmung zu solchen Auswüchsen führt“, sagt Linken-Stadtrat Rainer Böhme"

    Das wiederum überrascht mich. Seit den 90ern kennen wir Anschläge auf Asylheime und Ähnliches im Osten. Freudig überrascht bin ich lediglich, dass die Polizei diesmal sogar etwas unternommen hat. Statt, wie z.B. in Lichtenhagen damals, daneben zu stehen und nichts zu unternehmen.

    • @Jalella:

      Ich verstehe Ihre Erleichterung. Ich bin auch erleichtert, dass die zwei Täter feige flohen und einer anscheinend schon gefasst ist. Dass es keine tatkräftige Unterstützung der Bevölkerung für Angriffe mehr zu geben scheint, anders als in Lichtenhagen vor über 30 Jahren. Und dass die Polizei ihre Arbeit macht.



      Zur Einordnung:



      Der Rechtsextremismus (=gewalttätig, menschenverachtend, zerstörend) ist ein Problem in und für ganz Deutschland, sichtbarer, aber sicher nicht ausschließlich in den "östlichen" Bundesländern bzw. "im Osten" unseres Landes - ein othering der "östlichen" Bundesländer hilft da nicht.



      Der Stadtrat im Artikel sprach sicher nur für seine Stadt, nicht für den ganzen "Osten".



      Die 90er gab es überall, Nazi-Gewalt in Wort und Tat gab und gibt es leider schon vorher und leider überall in unserem Land (auch in Hanau, Mölln, Solingen, dem Saarland, Hessen, Dortmund usw.)

      • @E-Bob:

        Dass es keine Unterstützung aus der Bevölkerung für solche Gewaltakte gibt, bezweifle ich doch sehr. Und wir warten jetzt mal in Ruhe ab, ob es weniger oder mehr als 20 Sozialstunden Strafe gibt.

  • Warum steht in der Überschrift "Migranten", wenn Geflüchtete gemeint sind?

    Der Begriff "Migranten" wird im Zusammenhang mit Schutzsuchenden gemeinhin verwendet, um Schutzsuchende zu diffamieren und ihnen das berechtigten Motiv für ihre Flucht (hier: aus Afghanistan!) abzusprechen.