Gewalt gegen Geflüchtete: Fast jeden zweiten Tag
Die Zahl der Übergriffe auf Unterkünfte von Geflüchteten nimmt zu. Fast alle Taten haben einen rechtsextremen Hintergrund.
Diese Übergriffe sind nur drei von vielen: Die Zahl der gegen Geflüchtetenunterkünfte gerichteten politisch motivierten Überfälle, Anschläge, Sachbeschädigungen und tätlichen Angriffe hat seit Anfang vergangenen Jahres kontinuierlich zugenommen.
Wie die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion mitteilte, lagen bis Mitte Juli für die erste Hälfte dieses Jahres Erkenntnisse zu insgesamt 80 politisch motivierten Straftaten vor, bei denen die Unterkunft Tatort oder direktes Angriffsziel war. Davon waren 74 Straftaten mutmaßlich rechten Tatverdächtigen zuzuordnen, zwei Delikte entfielen auf den Phänomenbereich „ausländische Ideologie“. In einem Fall ordnete die Polizei die Straftat dem Bereich „religiöse Ideologie“ zu.
Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort ausführt, wurden bei den im zweiten Quartal 2023 verübten Straftaten gegen Asylbewerber, Geflüchtete und Unterkünfte insgesamt 39 Personen verletzt, darunter vier Kinder.
Noch nicht wie 2015
Im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres hatte die Polizei 52 politisch motivierte Straftaten gezählt, die sich gegen Flüchtlingsunterkünfte richteten. Im zweiten Halbjahr 2022 waren es 71 Straftaten. Es ist das dritte Halbjahr in Folge, dass die Zahl der Übergriffe wieder steigt. Sie liegt dennoch weit unter den Zahlen von 2015. Damals gab es allein 122 Brandanschläge auf Unterkünfte – im Schnitt jeden dritten Tag einen.
Wie schon 2015 fällt der Anstieg der Gewalt zusammen mit steigenden Zahlen Geflüchteter, die in Europa und Deutschland Schutz suchen – und mit einem sich verschärfenden Diskurs über Asylpolitik. Vor wenigen Wochen erst hat die Bundesregierung weitreichenden Asylrechtsverschärfungen auf EU-Ebene zugestimmt.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, forderte mit Blick auf das Umfragehoch der AfD jüngst, das Individualrecht auf Asyl abzuschaffen – und der ehemalige Bundesminister Peter Ramsauer (CSU) verglich Geflüchtete gar mit „Ungeziefer“.
Kaum mediale Beachtung
„Es ist alarmierend, dass Menschen, die hier Schutz suchen, so häufig Gewalt, Anfeindungen und Ausgrenzung erfahren“, sagte die fluchtpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Clara Bünger. Sie warf AfD, CDU und CSU vor, mit „verbalen Angriffen auf das Recht auf Asyl“ den Boden für „rassistische Mobilisierungen“ gegen Geflüchtete zu bereiten. Auch dürfe man nicht vergessen, „dass SPD und Grüne mit ihrer Zustimmung zur Reform des Europäischen Asylsystems selbst für die faktische Abschaffung des Rechts auf Asyl in der EU gestimmt haben“.
„Wir haben längst wieder einen bundesweiten Flächenbrand mit Hass und Hetze gegen Geflüchtete“, schrieb die Amadeu Antonio Stiftung auf dem Kurznachrichtendienst X. Medial fände der Großteil der Übergriffe aber inzwischen kaum noch Beachtung. „Vielerorts stimmen kommunale Amtsträger*innen in den rassistischen Sound ein, statt klare Kante gegen Hass und für Menschlichkeit zu zeigen“, kritisierte die Stiftung. So seien etwa in Mecklenburg-Vorpommern schon mehrere Projekte zur Unterbringung Geflüchteter nach Protesten gestoppt worden.
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