Kritik am neuen ÖPNV-Angebot: Wirklich ein Ticket für ganz Deutschland?

Lange wurde um das Deutschlandticket in der Politik gerungen. Noch heute gibt es einige ungeklärte Kritikpunkte

Ein roter bus auf einer Landstraße zwischen feldern und Bäumen

Nahverkehrsbus auf der Landstraße zwischen Hirschberg und Warstein, Nordrhein-Westfalen Foto: Jochen Tack/imago

Immer noch kein Sozialticket

45,02 Euro haben Emp­fän­ge­r*in­nen des Bürgergeldes für Mobilität insgesamt zur Verfügung. Ein 49-Euro-Ticket ist damit nicht bezahlbar. Einige Orte bieten das Deutschlandticket zu einem vergünstigten Preis an. Für sozial Schwache ist das Deutschlandticket etwa in Hamburg für 19 Euro erhältlich.

Ticket ist kinderfeindlich

Im regionalen Nahverkehr gibt es viele Abonnements mit Vergünstigungen für Kinder. Beispielsweise kann man mit einer Umweltkarte in Berlin bis zu drei Kinder und Jugendliche am Wochenende mitnehmen. Bei dem 49-Euro-Ticket gibt es diese Option nicht. Auch Kinder müssten dann ein eigenes Ticket haben, was die Reise als Familie insgesamt teurer macht.

Hürden für Ältere

Als Handyticket, als Chipkarte oder in wenigen Fällen ausgedruckt als QR-Code gibt es das Deutschlandticket. Allerdings variiert das Angebot in den Regionen. Der Sozialverband Deutschland kritisierte vor Einführung des Tickets, dass eine rein digitale Variante nicht barrierefrei sei, da viele alte und arme Menschen gar kein modernes Smartphone besitzen. „Wir sehen, dass die Menschen persönliche Beratung brauchen, auch wenn sie dafür vier, fünf Stunden warten müssen“, sagt Ulf Middelberg von den Leipziger Verkehrsbetrieben bei einer Tagung zur Bilanz des Deutschlandtickets am Mittwoch.

Semesterticket nicht einheitlich

Für Studierende ergaben sich mit der Einführung des Deutschlandtickets eine Vielzahl von Fragen. Die Hochschulen regeln unterschiedlich, wie das Deutschlandticket mit dem Semesterbeitrag verrechnet wird. Etwa, wann man die Mehrkosten für das Ticket begleichen muss oder ob man sie mitunter doppelt zahlen muss. Das Netzwerk Digitalcourage in Leipzig kritisiert, dass für ein Upgrade auf das Deutschlandticket nur eine Lösung mit App verfügbar sei.

Studierende, denen Datenschutz wichtig ist, müssten trotzdem auf einen Dienst von Google zugreifen. An vielen Hochschulen stehe infrage, ob es das Semesterticket für deutlich vergünstigte Bus- und Bahnfahrten in Zukunft geben wird. Das ist nur gerechtfertigt, wenn es deutlich günstiger als andere Tickets ist. Mit dem Ticket für 49 Euro ist der Abstand aber nicht mehr groß genug.

Jobticket nicht immer günstiger

Für manche Ar­beit­neh­me­r*in­nen ist das Deutschlandticket eine gute Nachricht. Der Grund: Für manche wurde das Ticket noch günstiger, weil die Arbeitgeberin einen Teil dazu beisteuert. Die Unternehmen müssen das Ticket aber nicht bezuschussen, deshalb gilt die Regelung nicht für alle Beschäftigten. Der Hauptgeschäftsführer des VDV, Oliver Wolff, sieht in dem Jobticket auch einen Imagefaktor für Unternehmen, um moderne, umweltfreundliche Mobilitätsangebote für die Beschäftigten anzubieten.

Au­to­fah­re­r*in­nen steigen selten um

Das Deutschlandticket wurde eingeführt, um Menschen zu der Nutzung von umweltfreundlicheren Verkehrsmitteln zu motivieren. Nur ist der Anteil an Nutzer*innen, die von Auto auf ÖPVN umgestiegen, gering. Der VDV teilte am Mittwoch die Ergebnisse einer Befragung mit. Demnach seien rund 8 Prozent Neukund*innen, die bisher so gut wie nie Bahn gefahren sind, unter den Ticketnutzer*innen.

Reisende aus dem Ausland sind ­ausgeschlossen

Das Deutschlandticket ist nur im Abo erhältlich. Das gibt den Bahnunternehmen Sicherheit. Für Menschen aus anderen Ländern, die Deutschland bereisen wollen, sei ein Abo aber eher ungünstig, so der Verband Pro Bahn zu der Funke Mediengruppe.

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