Semesterticket für Studierende in Gefahr: 49-Euro-Ticket macht Probleme

Das günstige ÖPNV-Billett für Studierende ist eine Errungenschaft. Jetzt ist es in Gefahr, ausgerechnet durch das neue Deutschlandticket.

Anzeigetafel auf einem Bahnhof mit der Aufschrift "Entschuldigung"

Die Einführung des 49-Euro-Tickets hat seine Tücken: An Studierende ist nicht gedacht worden Foto: Michael Gstettenbauer/imago

Was haben Studierende mit dem 49-Euro-Ticket zu schaffen? Die meisten haben doch schon ein Semesterticket, oder?

Ja, die meisten der rund drei Mil­lio­nen Studierenden in Deutschland haben ein sogenanntes Semesterticket, mit dem sie den ÖPNV vor Ort benutzen und oft in angrenzenden Verkehrsverbünden fahren können. Aber das ist durch das sogenannte Deutschlandticket, mit dem Bür­ge­r:in­nen seit Mai bundesweit den ÖPNV für 49 Euro im Monat nutzen können, gefährdet.

Wieso gefährdet das eine das andere?

Das Semesterticket ist ein Solidarmodell, alle Studierenden müssen es kaufen – wodurch es günstiger wird als bei einer Wahlfreiheit. Der Preis ist unterschiedlich hoch. Im fränkischen Schweinfurt etwa werden aktuell weniger als 7 Euro im Monat fällig. In größeren Städten wie Berlin oder Hamburg sind es mehr als 30 Euro – fast so viel, wie das neue „Deutschlandticket Jobticket“ kostet, das für Beschäftigte eingeführt wurde. Mit mehr als 35 Euro liegt der Preis für das Semesterticket in Köln, Düsseldorf oder Aachen sogar darüber.

Das Semesterticket ist zwar eine soziale Errungenschaft, aber nicht unumstritten, es gab Klagen dagegen – etwa von Autofahrenden, die dafür nicht zahlen wollten. In der Vergangenheit hatten sie keinen Erfolg. Das könnte sich jetzt jedoch ändern.

Denn das Bundesverwaltungsgericht argumentierte in einem Urteil, dass mit dem Solidarmodell ein Ticket nur angeboten werden darf, das deutlich günstiger ist als alle anderen Angebote des Nahverkehrs. Ein Rechtsgutachten, das der AStA der TU Dortmund in Auftrag gegeben hat, kommt zu dem Schluss, dass Klagen gegen das Semesterticket künftig erfolgreich sein könnten. Der Preisunterschied zum 49-Euro-Ticket sei zu gering – zumal die Studierenden damit bundesweit fahren können.

Welche Konsequenzen hat diese Rechtslage?

Studierendenvertretungen fürchten angesichts der Rechtslage, dass sie das Semesterticket nicht fortführen können. Vertragspartner sind sie und die regionalen Verkehrsverbünde. „Wenn die Verkehrsbetriebe das Semesterticket nicht günstiger machen, müssen wir die Verträge kündigen“, sagt der AStA-Vorsitzende der TU Dortmund, David Wiegmann, der taz.

In Brandenburg ist bereits eine Hochschule aus dem Semesterticketvertrag mit dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) ausgetreten. Auch eine Berliner Hochschule hat die Verträge ab dem Wintersemester ausgesetzt. Andere erwägen den gleichen Schritt.

Für Matthias Anbuhl, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Studierendenwerks, birgt dieses Vorgehen ein grundsätzliches Risiko: „Das Solidarmodell ist eine soziale Errungenschaft, die nun wegzubrechen droht.“ Er fürchtet, dass die Studierendenvertretungen später nicht ohne Weiteres zu einem Semesterticket für alle zurückkehren können und der ÖPNV damit zu teuer wird.

Hat die Politik das Problem verschlafen?

Jein. Die Länderverkehrsministerkonferenz (VMK) hat im März eine Erklärung dazu abgegeben, aber noch keine Lösung gefunden. Übergangsweise sollen Studierende ihr Semesterticket für weniger als 20 Euro im Monat zum 49-Euro-­Ticket aufwerten können. In vielen Bundesländern wie Berlin, Thüringen oder Hessen ist das Upgrade aber erst seit diesem Donnerstag möglich, in Schleswig-Holstein soll es im Juli kommen.

Oft ist das Upgrade teurer als 20 Euro, viele Studierende zahlen zusammen mit dem Semesterticket mehr als Beschäftigte, die das vom Staat bezuschusste „Deutschlandticket Jobticket“ im Monat rund 34 Euro kostet. „Unterm Strich zahlen Studierende jetzt mehr als andere, obwohl viele von ihnen in finanziellen Nöten stecken“, sagt Studierendenwerks-Chef Anbuhl. Nach der jüngsten Sozialerhebung ver­fügen 37 Prozent der Studierenden monatlich über weniger als 800 Euro.

Welche Lösung soll es langfristig geben?

Die VMK hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingesetzt, die Vorschläge für ein tragfähiges Modell erarbeiten soll. Nach Angaben des Sprechers von NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne), der zurzeit Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz ist, gibt es aber bislang kein Ergebnis. „Diese Erarbeitung ist noch nicht abgeschlossen, und es gibt derzeit auch noch keine Entscheidung über ein Modell“, sagt der Sprecher. „Unser Ziel ist aber weiterhin, zum Wintersemester ein solches Modell einführen zu können.“

Möglich wäre zum Beispiel ein bundesweites Semesterticket, das deutlich günstiger als das 49-Euro-Ticket ist. Dafür gibt es sogar bereits einen Namen: das „Deutschlandticket Uni“.

Warum wird das „Deutschlandticket Uni“ nicht einfach eingeführt?

Dafür müssen sich Bund und Länder auf eine Lösung einigen. Dazu gehört nicht nur die Frage, ob und wie viel Geld sie zu geben bereit sind. Sie müssen sich auch auf die Konditionen einigen. Beim Semesterticket gibt es viele Varianten, mal darf ein Fahrrad oder Hund mitgenommen werden, in einigen Regionen können am Wochenende Personen mitfahren. „Die Branche strebt eine einheitliche Lösung an“, sagt ein Sprecher des Verbands der Verkehrsunternehmen (VDV). Die Verkehrsunternehmen beraten die Politik – sitzen aber wie die Studierenden nicht mit am Verhandlungstisch.

Sind Studierende die einzige Gruppe, die durch das 49-Euro-Ticket-Raster fallen?

Nein. Auch für Schü­le­r:in­nen gibt es keine bundesweite Lösung. Ein günstiges Deutschlandticket für Menschen mit sehr wenig Geld fehlt ebenfalls.

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