Streit um Heizungsgesetz: Wärmewende erhitzt die Gemüter
Das Gesetz zum Heizungstausch kommt diese Woche doch nicht in den Bundestag – weil die FDP nicht mitzieht. Das löst eine kleine Regierungskrise aus.
Doch nun ist klar, dass das heftig umstrittene Gesetz zum Heizungstausch diese Woche doch nicht in den Bundestag kommt. Damit wackelt nicht nur der Zeitplan für die Wärmewende, auch die Basis der Ampelkoalition ist erschüttert. Haßelmann sieht jedenfalls deren „Handlungs- und Arbeitsfähigkeit“ beschädigt. Eine freundliche Umschreibung für „Regierungskrise“.
Eigentlich hatte sich die Regierung aus SPD, Grünen und FDP bereits im April auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf geeinigt – wenn auch seitens der FDP mit Bauchschmerzen – und verabredet, dass diese Woche der Bundestag übernimmt und das Heizungsgesetz in erster Lesung berät.
Am Freitag schon sollten die Anhörungen starten, die Einladungen an die Sachverständigen sind verschickt. Die sind nun wieder ausgeladen. Grüne und SPD hatten bis zuletzt auf den Zeitplan gedrängt, um den Start des Inkrafttretens zum 1. Januar 2024 nicht zu gefährden. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hatte durchblicken lassen, dass er das für wichtig hielte. Doch die mitregierende FDP zog nicht mit.
Jetzt wird zurückblockiert
„Das grenzt an Arbeitsverweigerung“, empört sich Haßelmann nun und appelliert an die FDP, ihre Blockadehaltung aufzugeben. Sonst, so warnt sie, könne auch das Gesetz zur Planungsbeschleunigung nicht auf den Weg gebracht werden. Das sieht unter anderem den beschleunigten Ausbau von 144 Autobahnabschnitten vor und sollte nächste Woche im Kabinett verabschiedet werden.
Jetzt wird also zurückblockiert. Nun steht nicht nur das Gesetz zum Heizungstausch auf der Kippe, auch weitere Projekte wie der beschleunigte Ausbau der Infrastruktur wackeln. Im Koalitionsausschuss Ende März hatten die Grünen dem Turbo-Ausbau auch von Autobahnen nur gegen die erneute Versicherung zugestimmt, dass das Gesetz zum Umtausch fossiler Heizungen zum 1. Januar 2024 kommt.
Marcel Emmerich, grüner Bundestagsabgeordneter
Ab dann soll jede neu eingebaute Heizung zu mindestens 65 Prozent aus erneuerbaren Energien betrieben werden, ein Aus auf Raten für Gas- und Ölheizungen, die derzeit vorherrschen. So hatten es die Ampelspitzen bereits vor einem Jahr im Koalitionsausschuss besprochen. Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck, dessen Haus den umstrittenen Gesetzentwurf vorgelegt hat, wirft der FDP nun „Wortbruch“ vor.
Die FDP als wortbrüchiger Systemsprenger? Fraktionschef Christian Dürr sieht das eine Stunde nach Haßelmanns Auftritt ganz anders. Die vier FDP-Minister:innen hätten dem Gesetz inhaltlich nie zugestimmt, stellte er klar, sondern immer deutlich gemacht, dass sie es nicht für beratungsreif hielten.
Nach dem großen Rumms
Dürr sieht große Blöcke im Gesetz, die noch nicht funktionierten, und sieht sich in guter Gesellschaft. Stadtwerke und „Millionen Verbraucher:innen“ teilten die Bedenken der FDP.
Die FDP will vor allem weitere Alternativen zur Wärmepumpe, Dürr spricht sogar davon, dass das Gasnetz, welches derzeit eine halbe Million Kilometer umfasst, weiter für die Wärmeversorgung zur Verfügung stehen müsse, dann natürlich klimaneutral. Woher diese Mengen an klimaneutralem Gas kommen sollen, ist allerdings schleierhaft.
Und es ist ja nicht nur die FDP, die Änderungswünsche am Gesetz hat, auch von SPD und Grünen gibt es Verbesserungsvorschläge, insbesondere was die Frage angeht, wie der Heizungstausch sozialverträglich abgefedert wird. Und mehr Offenheit für alternative Heizungstechnik fordert auch die SPD. Fraktionschef Rolf Mützenich sagte am Dienstag, ihm erschließe sich nicht so richtig, weshalb man das nicht jetzt im Parlament hätte bereden sollen. Er will den Koalitionskrach dennoch nicht ganz so hoch hängen wie die Grünen: „Ich erkenne keine Blockade, sondern Diskussionsbedarf.“
Zwischen den Zeilen klingt FDP-Fraktionschef Dürr nach dem großen Rumms tatsächlich nicht mehr ganz so unversöhnlich wie FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai einen Tag zuvor, der „im Prinzip“ ein neues Gesetz gefordert hatte. „Deutschland braucht eine Reform des Gebäudeenergiegesetzes, aber eine, die funktioniert“, so Dürr. Und wenn die offenen Fragen geklärt seien, dann sei er auch frohen Mutes.
Der Kanzler mit einem Understatement
Um diese offenen Fragen zu klären, treffen sich diese Woche die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der drei Ampelparteien – Julia Verlinden von den Grünen, Lukas Köhler von der FDP und SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch. „Wir wollen am Zeitplan festhalten, das Gesetz vor der Sommerpause zu beschließen“, meint Miersch. Die Menschen seien genervt vom Gezanke um die Heizungen und wollten Klarheit.
Die nächste Gelegenheit zu Beratungen im Bundestag bietet sich ab dem 12. Juni. Dann startet eine doppelte Sitzungswoche. In der ersten Juliwoche tritt das Parlament letztmalig vor der Sommerpause zusammen. Drei Wochen Zeit, um ein hochumkämpftes Gesetz zu beraten und zudem noch flotter als bisher geplant. SPD-Fraktionschef Mützenich ist jedoch überzeugt, dass das gelingen kann, „wenn alle vernünftig sind und alle das wollen“.
Genau daran zweifeln aber viele Grüne mittlerweile. „Die FDP ist eine unzuverlässige und destruktive Clique, die sich an Verabredungen nicht gebunden fühlt. Da gilt nicht mal das Wort des Parteivorsitzenden“, schreibt etwa der baden-württembergische Bundestagsabgeordnete Marcel Emmerich auf Twitter. Und der Europaabgeordnete Rasmus Andresen konstatiert genervt: „Mit einer Oppositionspartei kann man keine Regierung bilden.“
Nun ist auch der Kanzler gefragt, die Wogen zu glätten. Scholz erscheint am Dienstag zur Fraktionssitzung, nimmt den Lift zusammen mit Außenministerin Annalena Baerbock, die zu den Grünen eilt. Zuvor hatte er im Willy-Brandt-Haus anlässlich des 160. Geburtstages der SPD auch über Transformation gesprochen. Der „große Aufbruch“ der Transformation werde nur glücken, wenn alle glauben: „Das geht gut aus, auch für mich selbst!“ Da, sagte Scholz, „sind wir noch nicht ganz“. Das ist angesichts des Hagels von Kritik am Heizungsgesetz ein Satz mit sehr viel Understatement.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos