Grüne verteidigt Heizungsgesetz: „Die Ampel streitet zu viel“

Das Heizungsgesetz sei pragmatisch und sozial, meint Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge. Der Bundestag werde es wohl im Juli beschließen.

Frau im Blazer vor Panoramafenster mit Blick auf die Reichstagskuppel

„Wir bringen Ehrlichkeit in die Debatte“, meint Katharina Dröge Foto: Jens Gyarmaty/laif

taz: Frau Dröge, wo bleibt der Befreiungsschlag? Die Umfragewerte Ihrer Partei gehen in den Keller, die FDP führt die Grünen am Nasenring durch die Manege.

Katharina Dröge: Das teile ich nicht. Wir werden vor dem Sommer eines der wichtigsten Gesetze für den Klimaschutz in dieser Legislatur beschließen. In den Umfragen stehen wir etwa bei dem Ergebnis der letzten Bundestagswahl. Und das nach Wochen harter Debatten, in denen viele falsche Behauptungen kursierten und Verunsicherung geschürt wurde, besonders von der Union. In der Ampel wird zu viel gestritten. Die Menschen wollen eine Regierung, die Probleme löst und nicht auf offener Bühne streitet.

Sie ist 38 und seit Dezember 2021 mit Britta Haßelmann Co-Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion. Die Volkswirtin stammt aus Nordrhein-Westfalen und gehört seit 2013 dem Bundestag an.

Das geplante Gebäudeenergiegesetz, kurz GEG, sieht vor, dass bis 2045 nach und nach fossile Heizungen abgeschafft werden. Den Grünen schadet die Debatte darüber enorm. Also: Wo bleibt der Befreiungsschlag?

Es ist wichtig, dass das Gesetz vor dem Sommer beschlossen wird. Dann können wir endlich sachlich darüber reden. Die Mehrheit der Menschen ist ja für eine Wärmewende. Aber viele sind verunsichert, weil sie nicht wissen, was genau auf sie zukommt oder wie sie das finanziell schaffen. Das Gesetz ist pragmatisch und sozial. Wir wollen das im Parlament noch stärken. Aber solange die heftigen Kampagnen laufen, die darauf abzielen, das Gesetz zu verhindern, dringt man mit solchen Themen kaum durch.

Also: Augen zu und durch?

Wir bringen Ehrlichkeit in die Debatte, das hat sich vorher keiner getraut. Die Bundesregierung vor uns hat beschlossen, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral wird. Sie hat den Menschen aber nicht gesagt, dass deshalb eine gerade neu eingebaute Gasheizung nicht so lange laufen kann, wie sie halten wird. Und dass Gas und Ölheizungen in Zukunft sehr teuer werden.

Wie konnten die Grünen derart in die Defensive geraten?

Es war sicher nicht hilfreich, dass der Entwurf für das Gebäudeenergiegesetz in der Bild-Zeitung gelandet ist, bevor er fertig war. Und der soziale Ausgleich in der Regierung noch nicht geeint war. Die Menschen haben einen falschen Eindruck bekommen, was auf sie zukommen könnte.

Der Entwurf ist durch die Bild-Zeitung öffentlich geworden, die seit Monaten eine Kampagne dagegen führt. Nicht nur die Union, auch Ihr Koalitionspartner FDP hat sich der Kampagne angeschlossen.

Es wäre gut gewesen, wenn sich alle hinter die Beschlüsse, die wir gemeinsam getroffen haben, gestellt hätten.

Haben Sie das Verhetzungspotenzial des Gesetzes unterschätzt?

Wir wussten, dass man gegen ein Gesetz, das wirklich jeden Menschen betrifft, Kampagnen machen kann. Aber gibt es eine Alternative dazu? Die Dringlichkeit der Klimakrise kann man mittlerweile an der Lebensdauer einer Heizung messen. Die hält 30 Jahre. Und so lange haben wir nicht mehr, bis wir klima­neu­tral sein müssen.

Wenn Ihnen das klar war: Warum waren die Grünen so schlecht aufgestellt?

Wir haben von Anfang erklärt, worum es wirklich geht. Aber wenn die erste Öffentlichkeit, die dieses Gesetz erblickt, ein Artikel in der Bild-Zeitung mit einer starken Zuspitzung ist, muss man gegen diese Wahrnehmung argumentieren.

Sie mussten damit rechnen, dass Dinge durchgestochen werden.

Bislang war noch kein Gesetz in der Frühkoordinierung durchgestochen worden, das also nur an sehr wenige Leute in der Regierung gegangen ist. Die Frühkoordinierung dient dazu, die Koalitionspartner zu fragen, ob das so passt. Das war bislang eine sehr vertrauliche Runde. Daraus haben wir gelernt.

Es gab einen Entwurf, die soziale Abfederung fehlte. Den Grünen haftet das Image an, es mit der Sozialpolitik nicht wirklich ernst zu meinen. Das haben Sie bestätigt.

Wir Grünen machen seit Ewigkeiten eine sehr starke Sozialpolitik. Wir sind der Motor in den sozialpolitischen Debatten, auch in dieser Bundesregierung etwa beim Bürgergeld oder der Kindergrundsicherung. Dabei stehen wir oft links von der SPD.

Aber beim Heizungsgesetz hatten Sie nichts.

Doch. Robert Habeck hat in der Bundesregierung dafür gekämpft, dass wir zu einer sozial gestaffelten Förderung kommen.

Die grüne Fraktion musste ein ergänzendes Sozialkonzept einspeisen.

Die Bundesregierung hat eine Förderung mit 30 Prozent für alle und 50 Prozent für geringe Einkommen beschlossen. Wir kämpfen jetzt im Bundestag für bis zu 80 Prozent für Menschen mit wenig Geld. Das ist der sozialste Weg zu einer Wärmewende. Die Alternative, die jetzt von CDU und FDP formuliert wird, die Wärmewende allein über den CO₂-Preis zu regeln, ist ungerechter.

Das Signal, das Habeck bei der Vorstellung des GEG gesendet hat, war: Es geht den Grünen um das Klima und die Heizungen; es ist nicht so wichtig, was das für die Leute bedeutet.

Nein, überhaupt nicht. Wir Grünen haben von Anfang an angekündigt, dass es eine soziale Förderung geben wird. Aber die Details konnten wir erst vorstellen, als sie geeint waren. Wenn man seine Ideen unabgestimmt öffentlich macht, wird es nachher nur schwerer, sich in der Koalition darauf zu verständigen.

Die FDP hatte da den Spin längst gesetzt. Brauchen die Grünen ein Coaching in Machtpolitik?

Es geht doch darum, was man durchsetzt. Nehmen wir das Aus für Verbrennerautos. Eine Zeit lang wurde sehr laut über ­E-Fuels diskutiert. Wirklich wichtig war, dass Deutschland am Ende in der EU für das Aus für fossile Verbrenner gestimmt hat. Damit haben wir einen riesigen Schritt für den Klimaschutz im Verkehrssektor erreicht. So wird es beim Gebäudeenergiegesetz auch sein.

Aber hält die Gesellschaft das aus? Die AfD liegt in Umfragen bei 18 Prozent – auf einer Ebene mit der SPD und über Ihnen.

Diese aktuellen Umfragewerte für die AfD besorgen mich sehr und sollten für alle demokratischen Parteien ein Alarmzeichen sein. Gerade in herausfordernden Zeiten erwarten die Menschen, dass die Politik Probleme ehrlich benennt und Lösungen erarbeitet. Im vergangenen Jahr hat die CDU überall behauptet, es werde Blackouts geben. Aber, wie abzusehen war, ist das nicht passiert. Danach wurde die Debatte wieder sachlich und so wird es auch beim Gebäudeenergiegesetz passieren.

Die Wärmewende wird 2024 nicht abgeschlossen sein, sie ist ein Generationenprojekt. Die verhetzte Stimmung könnte bleiben.

Es gibt doch jetzt schon ganz viele praktische Beispiele, die zeigen, dass es geht. Kommunen, bei denen es super läuft mit der kommunalen Wärmeplanung. Die Hälfte der Leute, die neu baut, entscheidet sich schon jetzt für die Wärmepumpe, einfach weil es sinnvoll und im Betrieb günstiger ist. Halb Europa nutzt diese Technologie. Das wird funktionieren.

Beim GEG klingt der Start dramatisch nah: 2024, das ist nächstes Jahr. Ist der Druck nicht zu hoch, wenn Sie die Bevölkerung mitnehmen wollen?

Das Gesetz enthält sehr viele Übergangsfristen. Wenn meine Heizung kaputtgeht, muss ich nicht am nächsten Tag eine klimaneutrale kaufen. Ich habe drei Jahre Zeit, mich zu entscheiden. Auf die Fernwärme kann ich sogar bis zu 10 Jahre warten, bis ein Anschluss da ist, und so lange zum Beispiel mit einer gebrauchten Gasheizung weitermachen. Im Parlament beraten wir über weitere pragmatische Lösungen.

Wann kommt das GEG in den Bundestag?

In der nächsten Sitzungswoche.

Ist das denn schon entschieden?

Ich denke, das werden wir entscheiden.

Müssen Sie Ihre Politik den Menschen nicht näherbringen, auch jenseits Ihrer Kernklientel?

Das Gesetz ist für alle Menschen. Eckpunkte für das Gesetz sind übrigens seit dem Juli vergangenen Jahres öffentlich. Es gab damals einen sehr breiten Beteiligungsprozess, um möglichst viele mitzunehmen. Es gab Rückmeldungen, die auch eingeflossen sind. Angesichts einer drohenden Gaskrise durch Russland war aber auch vielen klar, dass das Gesetz sehr sinnvoll ist.

Aber die Lage hat sich geändert. Überschätzen Sie die Zustimmung für Ihre Klimapolitik – und unterschätzen, wie groß die Abwehr ist, wenn es konkret wird?

Grundsätzlich gibt es eine hohe gesellschaftliche Zustimmung für Klimaschutz.

Wenn es abstrakt ist.

Einzelne Maßnahmen, die zu Klimaschutz führen, werden oft kritischer bewertet. Aber da sind alle in der Verantwortung, hierfür zu werben. Und bislang beschränken sich die anderen Parteien oft darauf, alle Vorschläge, die zu mehr Klimaschutz führen, kaputt zu reden, ohne eigene Vorschläge zu machen.

Das mag ja stimmen, aber müssen Sie das in Ihrer Kommunikationsstrategie nicht berücksichtigen?

Am Ende muss man Friedrich Merz und der Union eine Frage stellen: Wer alles ablehnt, ohne eigene Ideen zu haben, der will am Ende keinen Klimaschutz. Und dann müssen sie das auch zugeben, dass ihnen die Klimaziele egal sind. Dann führen wir eine andere Debatte.

Sie haben der FDP Arbeitsverweigerung vorgeworfen, Ihre Co-Vorsitzende hat gesagt, Christian Lindner sei kein ehrlicher Kaufmann mehr. Wie soll das noch gut zwei Jahre weitergehen?

Es war wichtig, an Verlässlichkeit zu erinnern, weil schriftlich getroffene Vereinbarungen nicht eingehalten worden sind. Das ist ein Problem für unsere Arbeitsgrundlage. Aber wir haben danach natürlich auch viel miteinander gesprochen. Ich bin überzeugt, dass alle Interesse daran haben, wieder zu einer konstruktiven Zusammenarbeit zu kommen. Und dann werden wir das Gebäudeenergiegesetz gemeinsam beschließen.

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