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Verteidigungsexpertin Claudia Major„Raus aus der Kuschelecke“

Zum Krieg Russlands gegen die Ukraine bezieht Claudia Major klar Stellung. Ein Gespräch über die Chancen von Verhandlungen und deutsche Versäumnisse.

„Als Opfer tauge ich nichts“, sagt Claudia Major Foto: Sophie Kirchner
Jan Feddersen
Interview von Jan Feddersen

Es ist gar nicht so schwierig, mit Claudia Major termineinig zu werden, obwohl sie als eine der wichtigsten deutschen Verteidigungsexpertinnen auch international ständig unterwegs ist. Nahe der U-Bahn-Station Nollendorfplatz in Berlin treffen wir uns in einem Café; sie nimmt sich für alle ihre Erwägungen Zeit. Ihr Mobiltelefon zeigt immer wieder Pushmeldungen an. Am Ende sind es fast zwei Stunden, die wir uns miteinander austauschen, einen Termin hat sie zwischenzeitlich sausen lassen.

wochentaz: Frau Major, der Ukraine-Krieg …

Claudia Major: Ich unterbreche Ihre erste Frage ungern, aber das ist nicht das richtige Wort: Ukraine-Krieg. Es lässt den Angreifer außen vor: Es ist der Krieg Russlands gegen die Ukraine.

Sie haben Recht. Sie sind mit dem Beginn dieses Krieges vor einem Jahr zu einer der gefragtesten Expertinnen in Sachen Sicherheitspolitik geworden. Wie kam es zu Ihrem Interesse an diesem Thema?

Fragen der Freiheit und Selbstbestimmung und wie und in welchem Rahmen sie gewährleistet werden kann, so würde ich mein Interesse begründen. Ich bin in der DDR aufgewachsen und kann mich, da war ich 13, noch gut an die Wende erinnern. An die damit verbundene Freiheit, die wir plötzlich empfunden haben. Und wie groß die Welt auf einmal geworden ist.

Im Interview: Claudia Major

Claudia Major wurde 1976 in Ostberlin geboren. Sie hat ein deutsch-französisches Doppeldiplom in Politikwissenschaften und promovierte zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU. Major leitet die Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik. Seit 2010 ist sie Mitglied im Beirat „Zivile Krisen­prävention und Friedensförderung“ der Bundesregierung. Claudia Major ist verheiratet und hat drei Kinder.

Wie erging es Ihnen dann im Westen?

Mich fasziniert immer noch alles. Ich will verstehen, lernen. Immer. Das treibt mich an.

Doch weshalb haben Sie sich ein Wissens- und Analysegebiet ausgesucht, das klassisch als männlich verstanden wird?

Die Frage, ob männlich oder weiblich, stellte sich mir nicht. Ich habe zwar auch den Eindruck, dass sich Kolleginnen die Anerkennung härter erarbeiten müssen, also besser, durchdachter, analytischer sein müssen als die Männer. Aber das hat mich immer eher angespornt, oder ich habe mich einfach daran gewöhnt.

Wie macht sich diese Art von Gender Gap noch bemerkbar?

Wir Frauen in unserem Metier – ich bin ja nicht die einzige – kriegen viele sexistische Beschimpfungen ab. Männer kriegen seltener hässliche Kommentare in den sozialen Medien darüber, wie sie aussehen, ob dick oder dünn oder zu groß oder zu klein, was sie anhaben. Und wahrscheinlich auch weniger Einladungen zum Kennenlernen und schlüpfrige Kommentare. Aber ich beschreibe es nur, als Opfer tauge ich nicht.

Und jenseits der Kommentarspalten, etwa unter französischen oder amerikanischen Sicherheitsexperten?

Männlichen Kollegen wird bei der Entwicklung ihrer Expertise ein Bonus gegeben, wahrscheinlich häufig unbewusst. Ein Mann wird schon etwas wissen, wenn er über Panzer spricht. Ihnen eilt, nicht nur in meinem Fachgebiet, eine Art Kompetenzvermutung voraus.

Ihnen doch auch inzwischen, oder?

Das können Sie wahrscheinlich besser einschätzen. Aber ich hoffe, dass ich sie mir erarbeitet habe.

Sie äußern in Talkshows oft sehr dezidierte Positionen, so im Hinblick auf Waffenlieferungen an die Ukrai­ne.

Ich bemühe mich immer, erst die Situation zu erklären, Optionen aufzuzeigen und die Folgen von diesen unterschiedlichen Entscheidungsmöglichkeiten, also zum Beispiel Waffenlieferungen oder nicht, zu analysieren. Und dann kann und sollte man seine Position auch klar benennen und sich nicht wegducken.

Sind Sie, aufgewachsen eben in der DDR, nach der Wende häufiger in Osteuropa gewesen?

Ja, in Mitteleuropa und im Kaukasus, auch in der Ukraine. Ich erinnere mich, nur eine Episode, als ich als Wahlbeobachterin in Georgien war – mit einem armenischen Kollegen, dem georgischen Fahrer und der georgischen Übersetzerin. Am Abend machten die unsere Verabredung für den nächsten Tag klar – auf Russisch. Ich erwiderte: Ja, da kann ich auch. Die drei drehten sich völlig überrascht um, und als ich ihnen erklärt hatte, woher ich Russisch kann …

Männlichen Kollegen wird bei ihrer Expertise ein Bonus gegeben, häufig wohl unbewusst. Ihnen eilt eine Art Kompetenzvermutung voraus: Ein Mann wird schon etwas wissen, wenn er über Panzer spricht.

Claudia Major:

… in der DDR die erste Fremdsprache …

… sagten sie: Du bist ja eine von uns. Das reichte für ein gemeinsames Grundverständnis.

Und im Hinblick auf die DDR, Ihr erstes Heimatland?

Christa Wolf, wenn ich mich recht erinnere, sagte mal, die DDR sei ein grauer Staat gewesen, aber wir haben in diesem Grau viele Farben gesehen. Wir konnten nicht nach Westdeutschland reisen, dafür aber reiste ich als Kind nach Rumänien, Ungarn, in die Tschechoslowakei.

Für die westdeutsche Sozialdemokratie galt allermeist: Mit Russland müssen wir ins gute Benehmen kommen oder es bleiben. Die restlichen Länder Osteuropas …

… wurden zu wenig als eigene Staaten wahrgenommen, sondern mehr als Gebiet zwischen Russland und Deutschland. Zu wenig wahrgenommen wurde auch, das gilt nicht allein für die sozial­demokratische Perspektive, die Verschiebung der inneren Verhältnisse in Russland, insbesondere seit der Machtübernahme durch Wladimir Putin 1999. Er hat das Land mehr und mehr in einen autokratischen Staat verwandelt und kritische Stimmen ausgeschaltet. Auch die aggressive Außenpolitik, sei es der Krieg in Georgien 2008 oder die Annexion der Krim, und die Einmischung in andere Staaten, wie die Intervention bei den US-Wahlen, der Tiergartenmord – das alles hat zu wenig Veränderung in der deutschen Russlandpolitik geführt. Russland wurde mehr so gesehen, wie viele es sehen wollten, aber weniger, wie es sich tatsächlich entwickelte.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Aber die SPD und ihr legendärer Ostpolitik-Kanzler Willy Brandt haben die sogenannte Entspannungspolitik in der Bundesrepublik doch erst durchgesetzt – inklusive eines anderen, um Aussöhnung bittenden Blicks auf Osteuropa. Warum?

Das Ziel der Aussöhnung ist ja auch ein guter Ansatz. Aber wenn wir von Wandel durch Handel reden, müssen wir beide Dimensionen beachten, nicht nur den Handel, auch den Wandel. Aus deutscher Perspektive hieß es, wenn man mit Russland nur mehr eng zusammenarbeitet, dann werden sie sich uns annähern, werden demokratisch, wirtschaftlich liberal und international verantwortungsbewusst. Und enge Kooperation verhindert Konflikte. Da war auch eine Prise Arroganz dabei, den anderen mittel- und osteuropäischen Ländern gegenüber.

Hochmut – inwiefern?

In Deutschland wurden ihre Sorgen oft abgewiegelt: Ach, diese kleinen Länder mit ihren Befindlichkeiten und Ängsten vor Russland. Sie sind so von ihren traumatischen Erfahrungen mit Russland getrieben, wir können das besser einschätzen.

Mir scheint, diese Perspektiven, die die osteuropäischen Erfahrungen während der sowjetischen Zeit in sich tragen, werden in der deutschen Linken nicht gern gesehen. Offenbar lieben manche Linke die Freiheit nicht.

Das will ich nicht beurteilen, aber der Krieg findet, dies darf Deutschen gesagt werden, in jenen Gebieten statt, die der Historiker Timothy Snyder als „Bloodlands“ beschrieb, als Gebiet, auf dem die Wehrmacht wütete, die Stalinschen Behörden und Militärs. Natürlich müssen wir die russischen Sicherheitsbedürfnisse beachten. Aber wie wir durch den Krieg sehen, werden gerade die ukrainischen verletzt. Putin äußerte, sinngemäß, zur Ukraine: Du wirst dich fügen müssen, Schöne.

Nichthandeln hat auch Folgen, siehe Srebrenica, siehe Ruanda. Wir können in Deutschland nicht mehr so tun, als seien wir eine große Schweiz

Claudia Major:

Dieser Satz des russischen Präsidenten arbeitet direkt mit einer Drohung, als sei die Ukraine eine Frau und der Mann, Russland, könne sich nicht zügeln. Wie empfinden Sie eine solche Bemerkung?

Würden Sie diese Frage auch einem Mann stellen?

Selbstverständlich, neulich Ihrem Kollegen Carlo Masala.

Ich möchte es mal so formulieren: Es zeigt die sexistische Gewaltdimension in diesem Krieg. Und impliziert auch eine Täter-Opfer-Umkehr. Auf Twitter schrieb jemand in etwa: Der Rock der Ukraine war halt zu kurz, selber schuld, dass sie das provoziert hat. Dieses vergangene Jahr war in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung, auch für mich als Wissenschaftlerin. Die Zeit des Krieges hat mich enorm mitgenommen. Ich bemühe mich um analytische Distanz, um erklären und kommentieren zu können. Mich trifft der Hass, den ich im Netz und in Zuschriften gegen mich erlebe, immer noch. Es gibt auch wahnsinnig viele nette Kommentare, klar. Aber dieser Trollmist, der ist schon gewaltig.

Aber in der Sache …

… ist mir jede Diskussion nicht nur recht, sondern auch willkommen. Ich wachse am Austausch, am Hinterfragen. Man sollte in jede Debatte gehen und sich fragen – vielleicht hat der andere ja doch recht und ich liege falsch? Aber wenn mich jemand dumme Nazihure oder Kriegstreiberin nennt, dann ist das keine Einladung zur Debatte.

Was haben Sie vor dem 24. Februar 2022 gedacht, zu welchem Resultat kam Ihre Analyse zu Putin und seinen Kriegsambitionen?

Dass ein Angriff wahrscheinlich ist, aber ich hätte einen kleineren militärischen Einsatz erwartet. Die Konstante Russlands ist, dass es versucht, mit militärischer Macht seine Interessen durchzusetzen. Tschetschenien, 2014 die Krim, davor Georgien, dann Syrien. Aber das waren alles räumlich und zeitlich begrenzte Einsätze. Ich hielt noch kurz vor dem 24. Februar einen umfassenden Krieg für unwahrscheinlich, wenn auch nicht ganz ausgeschlossen.

Warum?

Aus unserer Logik ist ein Krieg kein Mittel der Wahl, um Interessen durchzusetzen. Wir haben aus unserer Historie erfahren, wie viel Leid ein Krieg mit sich bringt.

Aber?

Ich habe unterschätzt, wie anders die russische Kosten-Nutzen-Kalkulation ist. Aus deren Sicht scheint sich Krieg zu lohnen.

Wie haben Sie den 24. Februar 2022 erlebt?

Es war ein Donnerstagmorgen, mich hat der Anruf einer Freundin geweckt, morgens um sechs Uhr. Ich war sofort beunruhigt, weil ich um diese Zeit wenig Anrufe bekomme. Sie hatte lange in Kijyw gelebt. Wir hatten über die letzten Tage viel telefoniert, sie hatte erzählt, dass Freunde die Stadt verlassen hatten, der Flughafen geschlossen war. Sie sagte, es hat begonnen. Sie bombardieren Kyjiw, es ist Krieg. Und wir haben beide geweint.

Kanzler Olaf Scholz rief am 27. Februar 2022 die „Zeitenwende“ aus. Was würde eine solche für Sie bedeuten?

Sie kennen dieses Bonmot: Deutschland delegiert Fragen der Sicherheit an die Amerikaner, bekommt Energie aus Russland und hat die Produktion nach China ausgelagert. Und wir merken nun, dass wir aus dieser geoökonomischen Kuschelecke rausmüssen. Zeitenwende heißt für mich anzuerkennen, dass sich unsere europäische Sicherheitsordnung fundamental und langfristig verändert hat und wir uns in allen Bereichen – politisch, wirtschaftlich, verteidigungspolitisch – neu aufstellen müssen.

Ich bin in der DDR aufgewachsen und kann mich noch gut an die Wende erinnern. An die damit verbundene Freiheit, die wir plötzlich empfunden haben. Und wie groß die Welt auf einmal geworden ist.

Claudia Major:

Das wird, in wesentlichen Teilen der deutschen Gesellschaft, krass kritisiert: Deutschland – nie wieder ein militarisiertes Land.

Von einer Militarisierung sind wir doch weit entfernt: Das hieße ja, Staat und Gesellschaft auf die Bedürfnisse der Streitkräfte auszurichten. Das will doch niemand. Und keiner stellt die grundsätzlich friedensorientierte Position Deutschlands infrage. Wenn aber unser Nachbar meint, er kann mit den Mitteln des Militärs seine Interessen erreichen, dann müssen wir als Staat und Gesellschaft wehrhafter werden, um das schützen zu können, was wir uns aufgebaut haben – so steht es übrigens auch im Grundgesetz. Oder was wir als Ziele definiert haben, das Völkerrecht zu schützen zum Beispiel. Und dann müssen wir anerkennen: Nichthandeln hat auch Folgen, siehe Srebrenica, siehe Ruanda. Wir können nicht mehr so tun, als seien wir eine große Schweiz.

Kein übler Flecken, diese Schweiz.

Deutschland ist ein großes Land in der Mitte von Europa, international eng vernetzt, sehr darauf angewiesen, dass es vernetzt bleibt: über Personalströme, Geldströme, Warenströme. Aber wir haben nicht nur ökonomische Interessen. Wir haben auch eine Vorstellung von dem, was gut ist in der Welt – etwa in puncto Menschenrechte, internationales Recht, Völkerrecht. Dann können wir nicht sagen, was draußen passiert, ist uns egal.

Egal ist es vielen Linken in Deutschland auch nicht. Sie warnen vor Waffenlieferungen an die Ukraine. Denn diese setzten das Sterben fort und verhinderten den Frieden.

Dass es Linke sind, finde ich besonders irritierend, aber vielleicht habe ich als Kind nicht genug beim Marxismus-Leninismus aufgepasst. Doch ich dachte immer, ein Mensch, der sich als Linker versteht, kann doch keinen imperialistischen Krieg rechtfertigen. Würde man die Waffenlieferungen stoppen, würde man der Ukraine die Verteidigungsmittel nehmen und sie einer russischen Besatzung ausliefern. Das wäre aber kein Frieden – sondern eine Vernichtung der ukrainischen Bevölkerung, Kultur, Identität. Also ein Friedhofsfrieden.

Es sind inzwischen Hunderttausende in Deutschland, die das „Manifest für Frieden“, angeführt von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer, unterzeichnet haben. Es fordert einen Stopp von Waffenlieferungen und diplomatische Bemühungen.

Ich kann den Wunsch nach einer diplomatischen Lösung verstehen, das wünsche ich mir auch. Und es gibt ja Gespräche, Russland und die Ukraine vereinbaren regelmäßig Gefangenenaustausche, russische Regierungsvertreter sprechen auch mit der US-Regierung, mit Kanzler Scholz. Aber nicht über einen Waffenstillstand – weil Russland bislang daran kein Interesse hat, sondern weiter Gebiete erobert und hofft, seine Kriegsziele noch zu erreichen. Russland will ja offensichtlich die Ukraine als eigenständigen Staat abschaffen.

Klingt pessimistisch. Wann kommt dann der Frieden?

So brutal es klingt: Krieg führen ist letztlich Teil eines Verhandlungsprozesses. Vereinfacht endet ein Krieg, wenn eine Seite gewinnt, beide nicht mehr können oder sich politisch auf einer Seite etwas verändert und die Kriegsziele sich ändern. Kriegsparteien nehmen häufig erst dann Verhandlungen auf, wenn sie erkennen, dass sie vom Aufhören mehr profitieren als von der Fortsetzung der Kämpfe. Diesen Moment müssten wir dann von außen unterstützen. Aber da sind wir noch nicht. Ein Kapitulationsfrieden, von dem nur eine Seite profitiert, wie im Manifest vorgeschlagen, wird nicht stabil sein. Denn die Stabilität von Abkommen hängt zu großen Teilen davon ab, dass beide Seiten sie als gerecht wahrnehmen, innenpolitisch dafür Unterstützung erhalten und sie umgesetzt werden. Nur dann haben sie Aussicht, dauerhaft zu bestehen. Das Minsker Abkommen ist das beste Gegenbeispiel.

Was wünschen Sie sich politisch?

Dass unsere politische Kommunikation, auch seitens des Kanzlers, mal ein wenig grundsätzlicher und empathischer wird. Dass er sagt: Wir tun das für die Ukraine. Weil es um uns geht. Weil es das ist, was uns ausmacht: Unsere Freiheit, unsere Sicherheit, die wird dort errungen.

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31 Kommentare

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  • Bin bei ganz Vielem dabei, was Frau Major sagt. Prinzipiell eine der Stimmen, der ich gern zuhöre bei diesem Thema.

    Was mir aber immer zu kurz kommt, bei den westliche oder besser auch deutschen Versäuminissen ist dass handel durch Wandel, gerade später unter Schröder und Merkel nicht nur ein blauäugiges Friedensprojekt war, sondern auch knallharte, wirstschaftliche Interessenpolitik. Billige russische Energie für unseren Wohlstand war immer wichtiger als die Interessen der der osteuropäischen Staaten.

    Und so sind die Kosten, durch kriegsbedingte Inflation und die notwendige finanzielle und militärische Unterstützung der Ukraine in gewisser Weise auch eine bittere Quittung dafür.

  • Major: "Und wir merken nun, dass wir aus dieser geoökonomischen Kuschelecke rausmüssen. "







    Dieser kuschlige Satz wäre selbst einem militärischen Scharfmacher wie Franz-Josef Strauß nicht über die Lippen gekommen.



    Major nebelt den Interviewer mit dem Satz "Von einer Militarisierung sind wir doch weit entfernt: Das hieße ja, Staat und Gesellschaft auf die Bedürfnisse der Streitkräfte auszurichten. Das will doch niemand. " ein, damit keine kritische Nachfrage kommt, was mit "geoökonomischer Kuschelecke" gemeint ist.







    Major geht um eine deutsche und europäische Militär- und Wirtschaftspolitik. Geoökonomie bezieht sich auf den Raum, einen lange in Deutschland verpönten Begriff. Heißt: für die Sicherheitspolitik der Bundeswehr gibt es keine räumlichen Grenzen mehr. Zum Beispiel bei wirtschaftlichen Interessen bei seltenen Erden, Öl, Gas, Wasserstoff und Halbleitern.

    Menschenrechte sind das zu diesem Salat gereichte schmackhaft machende Dressing.

    Deutschland müsse wieder Führungsmacht werden, sagte SPD-Chef Klingbeil kürzlich.



    Diese Aussage aus einer außenpolitischen Grundsatzrede, die weltweit von wichtigen Medien zitiert wurde und die einen angesichts der friedenspolitischen Tradition der SPD zusammenzucken lässt, passt zur Suppe, die Major für die neue militärische und wirtschaftliche Zeitenwende der Politiker zusammenrührt.

    Major ist eine knallharte Vordenkerin der neuen geopolitischen Interessen Deutschlands.

    Die Tausenden vor allem älteren Ostdeutschen bei der gestrigen Wagenknecht-Schwarzer-Demo, die einer derartigen Politik zumeist kritisch gegenüberstehen, sind störendes schnell abzuheftendes Beiwerk für eine “Wissenschaft", die Politik, Wirtschaft und Bundeswehr und Medien fast ohne Gegenwehr Beine macht. Zeitenwende!

    • @Lindenberg:

      Mister Roger Cohen, Kolumnist der NYT, frohlockt schon: "Europe is now grappling with how to transform itself from a peace power to a muscular geopolitical protagonist." Wollen wir das? Ein dezidiertes Nein von mir.

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    "Aus deren Sicht scheint sich Krieg zu lohnen."



    Der Erfolg des ursprünglichen Plans wäre "lohnend" gewesen. Aber danach erschienen die befürchteten Folgen eines Rückzugs größer als die Folgen der Fortführung des Überfalls - gemessen an den Massstäben des Kreml.

  • Danke für diese wohltuend nüchterne Einschätzung.

  • ..."Ich bin in der DDR aufgewachsen und kann mich, da war ich 13, noch gut an die Wende erinnern. An die damit verbundene Freiheit, die wir plötzlich empfunden haben. Und wie groß die Welt auf einmal geworden ist"...



    Wie gut diese Erinnerung tut! Schon Perikles wusste..."„Das Geheimnis des Glücks ist die Freiheit, und das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.“

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Es gibt Menschen, die haben viel gelernt.Und die verstehen auch so viel.



    Ich möchte gern wissen, wo sich diese Kuschelecke befindet, in der ich mich angeblich aufhalte.

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Eigentlich steht das doch da:

      "Deutschland delegiert Fragen der Sicherheit an die Amerikaner, bekommt Energie aus Russland und hat die Produktion nach China ausgelagert."

      Die Deutschen wollen gute Geschäfte machen, blenden dabei alles Mögliche aus und wollen sich auf gar keinen Fall die Finger schmutzig machen.

      • @Jim Hawkins:

        Was meinen Sie denn mit "die Finger schmutzig machen"? Also nein, ich will mir nicht die Finger schmutzig machen, indem ich auf dem Sofa sitze, aber andere dränge, zu kämpfen, zu töten, getötet zu werden. Das ist völlig sinnlos.

      • 9G
        95820 (Profil gelöscht)
        @Jim Hawkins:

        Was da steht, nennt sie ein Bonmot - und am Ende (empathisch, dramatisch) dann so: „Wir tun das für die Ukraine. Weil es um uns geht. Weil es das ist, was uns ausmacht: Unsere Freiheit, unsere Sicherheit, die wird dort errungen.“



        Klingt wie Marieluise Beck, vor der ich immer erschreck‘. Weil sie im Prinzip beide sagen: „Wir liefern so lange Waffen bis die Ukraine keine Soldat:innen mehr hat. Aber was dann? Ich verlinke nochmal auf Helmut Däuble, der auch den heraufziehenden China/USA-Konflikt im Blick hat: taz.de/Erster-Jahr...nekriegs/!5917806/ Biden ist leider längst im Wahlkampf. Das wird nicht lustig. Und dann noch das: „Krieg führen ist letztlich Teil eines Verhandlungsprozesses.“ Wenn ich so etwas lese, wird mir kalt.

        • 3G
          31841 (Profil gelöscht)
          @95820 (Profil gelöscht):

          >> „Wir liefern so lange Waffen bis die Ukraine keine Soldat:innen mehr hat." Aber was dann?

          • @31841 (Profil gelöscht):

            Das ist kein Zitat, sondern MONDSCHAFs hoechst eigene Interpretation...

          • 3G
            31841 (Profil gelöscht)
            @31841 (Profil gelöscht):

            Übriger Teil des Posts:

            Darauf habe ich auch noch keine Antwort gehört.



            Und wer das fragt, wird einfach rhetorisch missverstanden und bezichtigt, dass man die Unterwerfung der Ukraine wolle. Ich möchte nur eine Antwort auf diese Frage.

        • @95820 (Profil gelöscht):

          Was soll ich sagen.

          Die Position niemals Waffen, niemals Krieg, die mag funktionieren, wenn keiner einen anfängt.

          Putin hat diesen Krieg aber angefangen um erklärtemaßen die Ukraine zu zerstören, zu unterwerfen.

          Er ist der einzige Mensch, der diesen Krieg von jetzt auf gleich beenden könnte.

          Zu fordern, das angegriffene Land durch die Verweigerung von Hilfe so zu schwächen, das es verliert und sich unterwerfen muss, das finde ich unmenschlich und brandgefährlich.

          Das ist nicht links, das ist für meine Begriffe ein Offenbarungseid.

          Die Ukraine kämpft und will kämpfen, das zu ignorieren ist für die Ukrainerinnen und Ukrainer ein Schlag ins Gesicht und paternalistisch.

          • @Jim Hawkins:

            Die Ukraine! Das sind ja nun mal die Menschen der Ukraine.

            Und bis jetzt habe ich - wenn denn in Artikeln wirklich mal einfache Bewohner in den Kampfgebieten zu Wort gekommen sind und keine Gebrüder mit ihrer Panzerhaubitze - diesen oft entnommen, dass sich dort gewünscht wird, das keine Bomben mehr vom Himmel herunterfallen. Also, dass das aufhört. Sozusagen jetzt...und zwar jegliche Bomben.

          • 9G
            95820 (Profil gelöscht)
            @Jim Hawkins:

            „Die Ukraine kämpft und will kämpfen, das zu ignorieren ist für die Ukrainerinnen und Ukrainer ein Schlag ins Gesicht und paternalistisch.“ Wer ignoriert das? Ich wiederhole mal das Zitat von Frau Major, das genau einer Äußerung von Marieluise Beck entspricht: „Wir tun das für die Ukraine. Weil es um uns geht. Weil es das ist, was uns ausmacht: Unsere Freiheit, unsere Sicherheit, die wird dort errungen.“



            Und gerade das nenne ich ängstliche Schrebergarten-Mentalität, welche ja in Verkehrung der Realität immer den Menschen unterstellt wird, die weiter denken. Die Unterstellung von Paternalismus ist auch so ein Schuss mit der Schrottflinte um zu diffamieren.



            Mich erinnert die ganze Geschichte an Afghanistan, unverbrüchliche Solidarität etc. Das (vorläufige) Ende ist bekannt. Und just die, welche sich gern auf historische Beispiele beziehen, weigern sich, mal mehr als 10 Wochen nach vorn zu denken.



            Wer will, dass die Ukraine weiter kämpft, soll mitkämpfen. Wer ihr helfen will ohne mitzukämpfen, sollte diplomatisch helfen. Wer aus der „Kuschelecke“ weiterhin Waffen liefern will, nimmt die totale Vernichtung der Ukraine in Kauf, da irgendwann die Soldat:innen für die Bedienung der Waffen fehlen werden.

          • @Jim Hawkins:

            "Die Ukraine will kämpfen" - das wissen Sie einfach? Haben Sie diejenigen gefragt, die das Land verlassen möchten, aber nicht dürfen, oder die wegen Desertierens im Gefängnis sitzen? Es geht doch um Menschen. Wieso war Selenskji zu Beginn noch offen für Verhandlungen und jetzt nicht mehr. Was geschieht da?

            • @resto:

              Massenmord durch Russland geschah da.

          • @Jim Hawkins:

            Doppelt Schön definiert, Herr Pirat 🏴‍☠️

  • Doe Verlogenheit des Westens ist unbeschreiblich. Wie kann man über das Ende des Krieges sprechen ohne zu verstehen, warum er passiert?

    Tatsache ist, daß der Westen nach dem Zusammenbruch des Ostens immer noch siegestrunken ist. Dabei hat man es verpasst, eine Friedensordnung aufzubauen. Arrogant wir man war, hat man Anderen separate, eigene Interessen nicht mehr zugebilligt.

    Nichts kann und wird den Angriff Putins auf die Ukraine rechtfertigen. Aber es ist auch verlogen, immer auf dem Völkerrecht herumzureiten, welches wir selbst schon oft gebrochen haben.

    Ein sofortiger Stopp des Krieges ist kein „Diktatfrieden“ sondern stoppt das sinnlose Sterben.

    Die Ukraine wird die Krim und die östlichen Gebiete ohne direkte Beteiligung der Nato nicht zurückerobern können. Demnach ist auch unsere bisherige militärische Hilfe verlogen. Um ehrlich zu helfen müsste man offen sagen: Die Ukraine kann nur in einem dritten Weltkrieg siegen, in dem die Nato zur Kriegspartei wird. Mit allen, heute nicht absehbaren Konsequenzen.

    Die Leute, die heute für mehr Waffenlieferungen sind müssen endlich den Mut aufbringen, das offen einzugestehen!

    • @Jens Barth:

      Und die Leute, die gegen Waffenlieferungen sind, müssen offen eingestehen, dass sie die Freiheit und die Existenz der Ukraine Preis geben, damit sie ihren Schrebergarten-Frieden weiter genießen können.

  • Sympathische, eloquente und unaufgeregte Expertin. Ob hier im Interview oder in Talkshows, sie ist immer ein Gewinn.

    • @Jim Hawkins:

      Anschließe mich!



      Gleich gerechnet. 13 Jahre alt als die Mauer viel.



      Außem Osten. Da sage einer....



      Geheimnis umwitterte Frau!



      Bei so einer Frau hätte ich immer ein bischen Angst!



      Sie paßt in viele Bücher meiner Lieblingsschriftsteller.



      Umfangreiches Dossier:



      de.nextau.com/dr-claudia-major/

      • 9G
        95820 (Profil gelöscht)
        @Ringelnatz1:

        Die Frau stammt nicht aus Büchern. Die ist real.

      • @Ringelnatz1:

        Ich kannte Frau Major bis dato nicht, was sie sagt, klingt recht schlüssig.



        Auch scheint sie mit ihrem Namen als Militärexpertin eine gewisse Prädestination mitzubringen...



        Oder?

        • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

          Klaro!!



          Trotzdem LOL!



          Prädestination



          ...Insbesondere geht es dabei um eine Erwählung einzelner Seelen zum ewigen Leben oder zu ewiger Verdammnis..



          de.wikipedia.org/w...r%C3%A4destination



          ;-)

          • @Ringelnatz1:

            Ich geb's ja zu. Ich dachte weniger an die theologische Prädestination...

    • @Jim Hawkins:

      👍