Rishi Sunak in Großbritannien: Premier aus dem Empire

Großbritanniens künftiger Regierungschef Rishi Sunak verkörpert Londons globale Finanzelite. Das kann ihm nutzen – allerdings auch schaden.

Rishi Sunak und seine Frau Akshata Murthy

Sunak und seine Frau Akshata Murthy: Er war Finanzminister, als sie keine Steuern zahlte Foto: Ian West/dpa

London taz | Viel ist in Großbritannien in den vergangenen Jahren über das Erbe des britischen Empire diskutiert wurden. Nun wird mit Rishi Sunak zum ersten Mal ein Kind des Empire Premierminister – und seine Person offenbart, wie aus der imperialen Hinterlassenschaft etwas ganz anderes geworden ist, nämlich die globale Finanzindustrie.

Es gäbe Rishi Sunak nicht ohne die imperialen Verflechtungen. Koloniale Umstände brachten seine Großeltern in den 1930er Jahren aus dem indischen Punjab ins britische Ostafrika, jeweils nach Kenia und Tanganjika. Die Unabhängigkeit trieb viele Inder in den 1960er Jahren aus Afrika nach Großbritannien, auch die Familien von Yashvir und Usha, ein Arzt und eine Apothekerin. Ihr erster Sohn Rishi wurde am 12. Mai 1980 in Southampton geboren. Sie saßen im Zuschauerraum, ein stilles altes indisches Ehepaar mit Tränen in den Augen, als Rishi Sunak im August bei seinem letzten Wahlkampfauftritt gegen Liz Truss seine Eltern als großes Vorbild würdigte und ihnen dafür dankte, wie sie sich für ihre Kinder aufgeopfert hätten.

Damals im August war er der Verlierer. Jedoch nur knapp, und ihm schlug auch in den Wahlkampfveranstaltungen viel Respekt entgegen. Jetzt hat er es nach ganz oben geschafft, ganz ohne Wahlkampf. Und er ist erst 42.

Wie bei so vielen Kindern strebsamer, kolonialer Einwandererfamilien war sein Aufstieg schon fast ein Klischee: aus der Armutsmigration direkt ins Establishment. Schulsprecher am Eliteinternat Winchester, Studium des klassischen Elitepolitiker-Lehrgangs Politik, Philosophie und Wirtschaft in Oxford mit Spitzenabschluss 2001, dabei Praktikum in der Parteizentrale der Konservativen, danach erst mal drei Jahre bei Goldman Sachs. Es folgten Tätigkeiten bei Hedgefonds in London und Kalifornien, wo er ein MBA-Zweitstudium absolvierte.

Im Geiste des „Global Britain“

Dabei traf er seine spätere Ehefrau Akshata Murty, Tochter von einem der reichsten Geschäftsmänner Indiens: N. R. Narayana Murthy, Gründer der Technologiefirma Infosys – allein der 0,91-Prozent-Anteil der Tochter daran ist fast eine Milliarde US-Dollar wert.

Die beiden heirateten 2009, kehrten zurück nach Großbritannien und wurden im Laufe der Jahre zu gewichtigen Playern: Sie in der Finanzwelt der Londoner City, unter anderem als Direktorin der Investmentfirma Catamaran Ventures im Besitz ihres Vaters; er in der Politik in Westminster, als aufstrebender konservativer Politiker, der 2015 für den Wahlkreis Richmond im ländlichen Yorkshire ins Unterhaus einzog.

Rishi Sunak verkörpert in seiner Person und Karriere vollkommen die Übereinstimmung von finanziellen und politischen Interessen, die das Fundament des konservativen Selbstverständnisses in der britischen Politik bildet. Anders als viele Politiker mit City-Interessen unterstützte Sunak 2016 den Brexit – sein Werdegang erfüllt und verkörpert die Brexit-Parole vom „Global Britain“: Demnach sei die EU zu eng für die Entfaltung der britischen Interessen. Das sorgte für seinen Aufstieg, als Boris Johnson 2019 Premierminister wurde. Sunak wurde Nummer zwei im Finanzministerium und im Februar 2020 Finanzminister.

Als die Coronapandemie zuschlug, stampfte er aus dem Nichts gigantische Unterstützungsprogramme für die Wirtschaft aus dem Boden. Diese Aufgabe meisterte Sunak mit Bravour. Dass er damit Großbritanniens Schuldenlast massiv nach oben trieb, sprach eher für ihn – er war eben kein neoliberaler Ideologe, sondern konnte pragmatisch auf die Umstände reagieren.

Die schwerreiche Ehefrau zahlte keine Steuern

Seinen Nimbus verlor Rishi Sunak erst, als er 2021 dann doch höhere Steuern und Sozialversicherungsbeiträge durchsetzte, um das ausufernde Haushaltsdefizit einzufangen. Nur zufällig fanden daraufhin Medien heraus, dass seine schwerreiche Ehefrau in Großbritannien keine Steuern zahlt. Als weiterhin indische Staatsbürgerin nutzte sie eine Sonderregelung, wonach Ausländer in Großbritannien gegen eine Abschlagszahlung ihre ausländischen Einkünfte nicht in Großbritannien versteuern müssen. Für 30.000 Pfund im Jahr hatte Akshata Murty geschätzt 20 Millionen Pfund Steuern vermieden. Dass ihr Mann als Finanzminister das hinnahm, hat sein Image nachhaltig beschädigt. Er gilt seitdem als Vertreter eines abgehobenen Establishments, das Sonderregeln beansprucht, möglicherweise schwerwiegender als Boris Johnson mit seinen Corona-Partys.

So wurde nicht er, sondern die einfacher gestrickte Liz Truss Favorit der Partei, als Johnsons Stern sank. Sunak sollte jedoch recht behalten mit seinen Warnungen vor ihrer Idee, mitten im globalen Abschwung die Wirtschaft durch Steuersenkungen ankurbeln zu wollen. Das machte ihn jetzt inhaltlich überzeugend.

Aber kann Sunak das wichtigste Ziel aller konservativen Politiker erfüllen: Wahlen gewinnen? Auf der aktuellen „Rich List“ der reichsten Briten, die die Sunday Times jedes Jahr veröffentlicht, steht das Ehepaar Sunak/Murty dieses Jahr auf Platz 222. Noch nie stand auf der Liste bisher überhaupt ein Politiker. Bei einem Wahlkampf müsste Rishi Sunak mit dem Makel leben, der Kandidat der Reichen zu sein.

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