Koloniale Herkunft von „Victoriasee“: Endlich ein afrikanischer Name
Afrikas größter See wurde von den Briten nach Queen Victoria benannt. Heute wollen ihn viele Menschen in der Region umbenennen – doch wie?
Afrikas größtes Binnengewässer erhielt seinen Namen vom britischen Armeeoffizier John Hanning Speke, der auf der Suche nach den Quellen des Nils am 30. Juli 1858 als erster Europäer den See zu Gesicht bekam. Er vermutete richtig, dass dieser See – und nicht der zuvor von ihm bereiste Tanganjikasee viel weiter südwestlich – die Nilquelle war, und taufte den See daher nach der britischen Queen Victoria, als Symbol des Machtanspruchs des Empire über das gesamte Nilbecken von der Quelle bis hinunter ans Mittelmeer.
Die Menschen, die rund um den See lebten, nannten den See natürlich anders. Das Volk der Luo, das im heutigen Westen Kenias und der Mara-Region Tansanias beheimatet ist, nannten ihn „Nam Lolwe“, die Swahili-sprechenden Völker am Südufer im heutigen Tansania „Ukerewe“. In der Luganda-Sprache des mächtigen Königreiches Buganda am Nordufer, Kern des heutigen Uganda, heißt er „Nalubaale“. Viele Menschen bezeichnen ihn einfach mit dem in vielen Sprachen der Region gebräuchlichen Wort für See – „Nyanza“.
Der Zugang zu sauberem Wasser ist auf der Welt höchst ungleich verteilt. Ein Rechercheprojekt auf verschiedenen Kontinenten über Trinkwasser, Dürre, Überschwemmungen und Geldströme in der Entwicklungszusammenarbeit unter taz.de/wasser
Einen afrikanischen Namen soll der See nun bald wieder tragen, so die Petition. Gerade einmal 264 Menschen haben bislang unterschrieben – das ist nicht viel, doch die Idee gewinnt in der Region rund um den Victoriasee immer mehr Anklang. Vergangenes Jahr schlug Abdullak Makame, tansanischer Abgeordneter im „East African Legislative Assembly“ – eine gemeinsame Parlamentarierversammlung der Staaten Ostafrikas – eine Namensänderung vor. Doch der Antrag erhielt keine Mehrheit.
Streit über Alternativname
Ugandische Aktivisten haben anlässlich des Befreiungstags im Juni eine weitere Onlinepetition gestartet: Sie wollen Straßen- und Landschaftsnamen dekolonisieren, darunter auch den See und die zahlreichen Nationalparks. Diese hat bereits 5.700 Unterschriften, darunter die zahlreicher Parlamentsabgeordneter sowie traditioneller Könige. Das ugandische Parlament hat darüber beraten.
Doch so groß der Willen ist, den Victoriasee umzubenennen, so wenig Einigkeit gibt es über eine Alternative. Politiker in Kenia und Tansania fürchten, dass die Umbenennung zu Konflikten führen könnte, weil jeder Uferstaat einen anderen Namen bevorzugt.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alleingang des Finanzministers
Lindner will Bürgergeld kürzen
Putins Brics-Gipfel in Kasan
Club der falschen Freunde
Deutsche Asylpolitik
Die Hölle der anderen
Kritik an Initiative Finanzielle Bildung
Ministeriumsattacke auf Attac
Linke in Berlin
Parteiaustritte nach Antisemitismus-Streit
Investitionsbonus für Unternehmen
Das habecksche Gießkannenprinzip