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Ukrainisches AKW unter BeschussKrieg und „friedliche“ Kernenergie

Trotz Beschuss zeigt sich um das Atomkraftwerk Saporischschja keine erhöhte Radioaktivität. Aber das Tabu ist gebrochen: AKWs sind militärische Ziele.

Ein Super-GAU wäre hier schlimmer einst in Tschernobyl: In Saporischschja strahlt mehr Material Foto: ap

Berlin taz | Das Szenario ist apokalyptisch: Die russischen Besatzungstruppen hätten das Atomkraftwerk Saporischschja „mit Sprengstoff verkabelt“, um es im Zweifel in die Luft sprengen zu können, erklärte Anfang der Woche das ukrainische Ministerium für Kultur und Informationspolitik. Der russische Armee-Befehlshaber am größten Atomkraftwerk in Europa wurde mit den Worten zitiert, „dies wird entweder russisches Land oder verbrannte Erde sein“.

Ein militärischer Angriff auf eine Atomanlage sei „selbstmörderisch“, sagte UN-Generalsekretär António Guterres nach dem Beschuss des AKW-Geländes in der südlichen Ukraine am vergangenen Wochenende.

Die UN-Atombehörde IAEA zeigte sich wegen der Situation wieder einmal „tief betroffen“ und forderte: „Jegliche militärische Aktion muss enden, die die nukleare Sicherheit gefährdet.“ Und der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hatte schon im März gewarnt: „Wenn das Kraftwerk in die Luft fliegt, wird das zehnmal stärker als Tschernobyl sein.“

Wie groß ist also die Gefahr, dass der Überfall Russlands auf die Ukraine zu einer atomaren Katastrophe führt? Und welche Meldungen sind Fake News, wenn sich jetzt die Kämpfe um die Gegend rund um das AKW verlagern? Neutrale Beobachter wie die IAEA sind dort bislang nicht zugelassen.

Krieg mit dem größten Atomkraftwerk in Europa

Die „friedliche Nutzung der Atomkraft“, die Nuklearfans propagieren (Der Slogan der IAEA lautet: „Atome für den Frieden“), wird nun zum großen Risiko. Zum ersten Mal in der Geschichte wird in einem Land mit einem großen Nuklearpark heftig und rücksichtslos Krieg geführt.

Dabei werden völkerrechtliche Regeln missachtet und Nuklearanlagen zu einem Teil der militärischen Strategie. Das bestätigte indirekt am Dienstag der Chef des ukrainischen Atomkraftbehörde Energoatom, Petro Kotin: Er forderte laut Agenturberichten, die Ukraine müsse Saporischschja unbedingt rechtzeitig vor dem Winter zurückerobern. Denn der russische Beschuss in der vergangenen Woche habe drei Leitungen beschädigt, die Saporischschja mit dem ukrainischen Stromnetz verbinden würden. Russland wolle dagegen die Anlage an sein eigenes Netz anschließen – dabei geht es auch um die Versorgung der Krim mit Strom.

Das Risiko einer Katastrophe am größten Atomkraftwerk Europas steigt mit jedem Kriegstag: Saporischschja mit sechs großen Reaktoren mit jeweils 950 Megawatt, die voller heißer Brennstäbe sind, ist zu einem militärischen Objekt geworden. Damit hat Russland ein jahrzehntealtes Tabu der internationalen Atomgemeinde gebrochen.

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Andererseits dämpfen Experten aber auch die Ängste, es drohe ein zweites Fukushima oder Tschernobyl: Bisher gibt es keine Messungen von radioaktiven Verstrahlungen. Die Reaktoren und die Behälter für radioaktiven Müll sind intakt, die Kühlung der Systeme ist durch mehrfache Absicherung bislang gewährleistet. Selbst ein Treffer auf die Reaktoren oder die Brennelementelager würde wohl nur unter sehr ungünstigen Bedingungen zu großer Verstrahlung führen. Ein Unfall im Brennelementelager wäre vor allem ein „lokales, höchstens ein regionales Problem“, heißt es vom deutschen Bundesamt für Strahlenschutz (BfS).

Dazu kommt: Weder die Ukraine noch Russland haben ein strategisches Interesse an einem Super-GAU in Saporischschja. Nun fordert auch Russland, der UN-Sicherheitsrat solle sich mit der Lage befassen. Die Regierung in Moskau habe darum gebeten, dass der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, den UN-Sicherheitsrat am Donnerstag über „Angriffe der ukrainischen Streitkräfte auf das Kernkraftwerk Saporischschja und deren mögliche katastrophale Folgen“ unterrichtet, heißt es aus Diplomatenkreisen. IAEA-Techniker sollen den Zustand des größten Atomkraftwerks Europas überprüfen. Die Ukraine hatte bereits am Montag die Inspektion der von russischen Soldaten besetzten Anlage gefordert.

Stromnetz in Saporischschja beschädigt

Vor Ort ist die Lage kompliziert: Am 3. und 4. März haben russische Truppen das Werksgelände am riesigen Stausee des Dnipro besetzt. Schon damals hielten Experten den Atem an, als ein Geschoss ein Schulungszentrum auf dem Gelände des Kraftwerks in Band setzte.

Seitdem läuft der Betrieb unter russischer Regie, ausgeführt von ukrainischen Technikern. Von den sechs Reaktoren wurden damals drei heruntergefahren, ein vierter ging nach dem Angriff am Wochenende in die Notabschaltung. Denn ein Geschoss war nach Angaben des ukrainischen Betreibers Energoatom „direkt neben den Behältern für Atommüll“ gelandet.

Der strahlende Müll wird in 174 großen Betonbehältern auf dem Gelände gelagert und enthält die gebrauchten Brennstäbe aus den Reaktoren, nachdem diese 5 Jahre im Wasserbecken einen Teil ihrer Radioaktivität verloren haben. Anders als etwa in Deutschland, das nach einem unterirdischen Endlager sucht, sieht die ukrainische Politik bislang nur vor, den Müll 50 Jahre an den Kraftwerken zu lagern. Was danach passiert, ist ungewiss.

Diese Behälter „HI-STORM FW“ der US-Firma Holtec haben Wände aus Stahl und 75 Zentimeter Beton. Sie werden in vielen Ländern wie in den USA als Langfristlager für den Atommüll eingesetzt und schützen laut Hersteller Brennstäbe „vor natürlichen und menschengemachten Projektilen, einschließlich dem Einschlag eines F-16-Kampfjets“.

Noch stärker gesichert seien auch die Schutzhüllen der sechs Reaktoren, sagt Uwe Stoll, Geschäftsführer und Experte für Nuklearsicherheit bei der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS): „Die Reaktorhülle ist gegen Flugzeugabstürze ausgelegt.“

Bislang gibt es keine Hinweise auf höhere Strahlenwerte

Florian Gering, Bundesamt für Strahlenschutz

Auch eine Zerstörung der externen Stromversorgung oder der Kühlung des Reaktors – was in Fukushima zur Kernschmelz-Katastrophe führte – sei selbst bei einem direkten Treffer sehr unwahrscheinlich: „Es gibt mehrere Notstrom-Aggregate, die die Kühlung übernehmen können. Und gleich nebenan ist der Dnipro-Stausee mit viel Kühlwasser“, so Stoll. Der Einschlag am Atommülllager sei wohl eine 152-Millimeter-Granate gewesen, bisher gebe es aber keine sicheren Angaben darüber, woher sie kam und ob sie gezielt dorthin geschossen wurde.

Wie sicher sind AKWs?

Wie genau Atomkraftwerke und ihre Infrastruktur gegen welche Angriffe gesichert sind, unterliegt der Geheimhaltung. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 wurden auch die deutschen AKWs darauf getestet, ob sie den Einschlag einer großen Verkehrsmaschine voller Kerosin aushalten würden. Ja, sagte damals die Reaktor-Sicherheitskommission der Bundesregierung. Und auch gegen Angriffe mit Waffen seien die Anlagen getestet worden, sagt Stoll, aber Einzelheiten dazu seien nicht öffentlich. „Aber klar ist schon: Im Zweifel gibt es immer eine Waffe, die das Containment durchschlagen kann.“

Die müsste dann aber bewusst auf das nukleare Ziel ausgerichtet sein. Dafür gibt es bisher keine Anhaltspunkte. Es ist nicht einmal klar, woher der Beschuss am Wochenende kam: die russische Seite macht die Ukraine verantwortlich, die Ukrainer die Russen. Die russischen Besatzer haben Truppen auf dem Gelände stationiert und lagern nach ukrainischen Berichten in oder an den AKW-Hallen Gerät und Munition – vielleicht, um einen Angriff zur Rückeroberung abzuschrecken. Das AKW versorgt die Ukraine, aber auch den russisch besetzten Teil des Landes mit Strom und die Anlage ist offenbar nur mit ukrainischen Technikern zu bedienen. Welchen Vorteil sollten also die russische oder die ukrainische Führung an einem zielgerichteten Atom-Desaster haben? „Ich verstehe das einfach nicht“, sagt Uwe Stoll.

Auch Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital blickt mit Sorge nach Saporischschja. Es gebe zwar „keinen Grund für akute Panik“ und auch ein „Zufallstreffer wird wohl keinen GAU auslösen“. Aber „militärische Eskalation hat ihre Stufen nicht immer unter Kontrolle. Und wir sehen eine neue Dimension der Kriegsführung“, die die große strategische Bedeutung von Nuklearanlagen in die Militärplanung einbeziehe. „Das verstößt gegen die Genfer Konventionen, die Staudämme und Atomkraftwerke besonders schützt und hat eine perfide Methodik“, so Smital.

Bei Besuchen von Greenpeace in der Tschernobyl-Zone nach der russischen Besetzung habe sich gezeigt, dass das Gelände und teilweise selbst die Labore vermint worden seien. Die weltweite Debatte über die Atomkraft müsse in Zukunft auch berücksichtigen, dass Nuklearanlagen zu Waffen werden könnten, so Smital.

Kein Hinweis auf höhere Strahlung

Konkret gibt es in Saporischschja „bislang keine Hinweise auf höhere Strahlenwerte“, sagt Florian Gering, Leiter der Abteilung Radiologischer Notfallschutz beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). Zwar sind auf dem Kraftwerksgelände manche Ins­tru­mente ausgefallen, aber die Datenlage sei ausreichend: Das Amt nutzt offizielle ukrainische Daten, aber auch Messstellen von Umweltorganisationen und Privatleuten an etwa 15 Orten rund um Saporischschja. „Wenn etwa auf dem Gelände ein Behälter für Atommüll zerstört würde, wäre das nur ein lokales oder regionales Ereignis“, so Gering, da die Radioaktivität dort „etwa um mindestens den Faktor 100 geringer ist als im Reaktorkern“.

Die Reaktoren müssen aber selbst nach einer Abschaltung noch monatelang gekühlt werden, weil sonst der Kern schmelzen kann. Riskant sei die Situation auch durch den Druck auf die Bedienungsmannschaften, warnen die Experten: Ukrainische Techniker, die unter russischem Befehl das AKW fahren, sich gleichzeitig um ihre eigene Sicherheit und ihre Familien sorgen, seien anfällig für Fehler. Und wenn Entscheidungen in einem Notfall nicht von den Experten sondern der militärischen Führung getroffen würden, könne das Komplikationen bedeuten.

Einen Vergleich mit dem Super-GAU von Tschernobyl 1986 finden die Experten schwierig. „Ich rechne nicht mit einem zweiten Tschernobyl“, sagt Stoll. Und das BfS betont, bisher gebe es keine erhöhte Strahlung, und bei einem möglichen Unfall komme es für die Folgen auf den Wind an: Der bläst aber in 85 Prozent der Fälle nach Osten, nicht nach Westen, hat eine aufwändige Simulation des BfS ergeben. Im ungünstigsten Fall – Freisetzung und Wind nach Westen – sei damit zu rechnen, dass in Deutschland kein Salat vom Feld gegessen werden darf. „Aber das Land, das neben der Ukraine am wahrscheinlichsten von radioaktiver Freisetzung betroffen wäre, das wäre Russland“, meint Gering.

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21 Kommentare

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  • Eigentlich brauchen "wir" die restlichen AKWs überhaupt nicht:

    "Übrigens: Netto hat Deutschland in diesem Jahr bisher 18,5 Milliarden Kilowattstunden exportiert, davon 9,7 Milliarden nach Frankreich. Die drei letzten deutschen AKW haben in dieser Zeit 19,6 Milliarden Kilowattstunden ins Netz eingespeist, liefen also fast ausschließlich für den Export, wie die Daten des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme zeigen"



    www.heise.de/tp/fe...15696.html?seite=2

  • Ich befürchte nur, die Intelligenz der Protagonisten reicht nicht aus, um eine Katastrophe zu verhindern.

  • „dies wird entweder russisches Land oder verbrannte Erde sein“

    Wenn sie nach Tschernobyl nicht gelernt haben, dass die Zerstörung eines Kernkraftwerks kein rein lokales Ereignis ist, haben sie echt wenig gelernt. Russland wird mit Sicherheit auch betroffen sein von radioaktivem Fallout. Die spinnen, die Russen (Obelix).

    Vielleicht dient die Sache wenigstens als Auffrischung dafür, was wir in der Anti-AKW Bewegung schon vor 40 Jahren (unter vielem anderen) als Gegenargument genannt haben: ein AKW kann eben auch als Erpressungsmittel genutzt werden.

    • @Jalella:

      Jein. Mit Tschernobyl (oder Fukushima) kann man das nicht gut vergleichen. Das waren singuläre Ereignisse die extreme physikalische Kräfte involvierte, welche - wenn überhaupt - nur die stärksten konventionellen Waffen entfesseln können.

      Die Hauptgefahr, wenn AKWs in militärische Konflikte geraten, ist etwas anders: nicht ein katastrohales Versagen des Containments mit Kernschmelze, sondern Beschädigungen der weit weniger gut geschützten Peripherie durch Explosionen, Splitter und Erschütterungen. Das Resultat wäre nicht ein Reaktorkern der hochgeht wie eine Bombe, sondern leckgeschlagene Kreisläufe, Materialermüdungen und Mikrobrüche, ggfs nichtkatastrophaler Austritt von radioaktiven Substanzen. Das Kraftwerk wäre unbrauchbar, und zumindest zeitweilig in irreparabelen Zustand.



      Verhält sich zu Tschernobyl ungefähr so wie eine "schmutzige Bombe" zu einer normalen Kernwaffe. Das Problem ist weniger eine weiträumige Kontamination, sondern dass ein nicht gut einsargbarer Haufen extrem schwer zu beseitigender Schrott in der Gegend herumsteht, und alldieweil vor sich hinkontaminiert wie ein leckes Auffangbecken in Fukushima und das jahre- wenn nicht jahrzehntelang, ohne dass man groß etwas tun kann. Beim AVR im KFZ Jülich haben sie einfach eine Hülle über das betroffene Gelände gebaut, aber das war ein winziger Versuchsreaktor; Saporischia ist der größte derartige Komplex in Europa.

  • Die militärische Nutzung der AKWs durch das russische Militär ist völkerrechtswidrig.



    Die militärische Nutzung von Krankenhäusern durch das ukrainische Militär ist völkerrechtswidrig.



    Als aufrechter Mensch kann man und frau nicht das eine veruteilen und das Andere gutheißen.



    Dass sich hierzulande neuerdings Menschen an die Atomkraft klammern und in dem Zusammenhang von



    " Sicherheit" sprechen, ist sehr kurzsichtig und unfreiwillig komisch.

    • @Philippo1000:

      Sicher finden sich auch auf ukrainischer Seite Dinge die gegen international festgelegte Standards verstoßen. Aber "als aufrechter Mensch" so zu tun als gäbe es keine qualitativen und quantitativen Unterschiede zwischen den beiden Kriegsparteien ist bewusst und massiv verzerrend.

      • @Ingo Bernable:

        Wir erhalten Nachrichten von ukrainischer und russischer Seite, die nicht nachprüfbar sind ( und in den Medien auch so bezeichnet werden).



        Bisher wurde jede Kritik an der Ukraine pauschal abgewiesen.



        Dieses "Schwarz - Weiß" Bild ist offenbar nicht korrekt.



        Ich erinnere mich, dass es eine große Empörung gab, als im Zusammenhang mit einer deutschen Aktion in Afghanistan ZivilistInnen starben.



        Ein Völkerrechtsbruch, der zu untersuchen war.



        Gelten für die Ukraine andere Maßstäbe?



        Oder ist Völkerrecht für Alle verbindlich?



        Wir sollten nicht den Fehler begehen, dass Einige "gleicher als gleich" sind.



        DAS bedeutet gleiches Recht für Alle.

  • 1986 haben sich die radioaktiven Isotope nur so gut verbreitet, weil der Graphit in Tschernobyl so gut gebrannt hat - und wenn der mal brennt und richtig heiss ist, ist der nur ganz schwer zu löschen. Erst recht, wenn die Feuerwehrleute bei ihrer Arbeit stark verstrahlt werden.



    Genau das ist bei den Druckwasserreaktoren WWER 1000 in Saporischschja nicht möglich, da diese keinen Graphit enthalten.



    Beladen sind die Reaktoren mit jeweils 66 t Uran. Der RBMK 1000 (Tschernobyl) wird mit 192 t Uran beladen, das ist fast dreimal so viel wie im WWER 1000. Selbst wenn wir alle 6 Reaktoren zusammenrechnen, komme ich auf 400 t Uran - das ist ungefähr doppelt so viel wie in einem Tschernobyl-Reaktor. Wie Sie auf einen Faktor 10 kommen, kann ich nicht nachvollziehen (Quellen: Wikipedia deutsch und englisch).



    Eine bewusste Zerstörung des Reaktors wird von den überregionalen Folgen vermutlich weniger schlimm sein als der Unfall von Tschernobyl - aber immer noch viel zu schlimm, als dass man sie in Kauf nehmen dürfte.



    Egoistisch würde ich das so zusammenfassen, dass ich für Deutschland kein grosses Risiko erwarte.



    Ich hoffe dennoch, dass Ukrainer und Russen hier kein Risiko eingehen werden, da die lokalen und regionalen Folgen vermutlich schwerwiegend sein würden.



    Ansonsten würde ich (für Deutschland) zu etwas mehr Gelassenheit raten. Wir sollten nicht der russischen Angstpropaganda auf den Leim gehen, denn 1. sind die Folgen für Russland erheblich schlimmer, und 2. sollten wir uns nicht mit etwas erpressen lassen, was uns kaum betrifft.

    • @Carsten S.:

      Wenn ein guter Teil der Ernte kontaminiert ist (wenn auch nur auf relativ geringem Level) fällt das natürlich indirekt auch auf Deutschland zurück.

      Enerhodar liegt leider so, dass die reichsten Böden im westlichen Eurasien am schlimmsten betroffen wären.

      Aber ja, Russland wäre stärker und direkter betroffen.

  • Das ist doch auch eine Gefahr für uns. Das wäre doch Grund genug um klar zu machen, wenn Russland weiter so fahrlässig mit dem Schutz des Kernkraftwerkes umgeht, dass das ein Nato-Bündnisfall ist. Dann könnte man ein Ultimatum setzen und wenn sich nichts tut, dann das Gebiet notfalls auch mit Gewalt unter Schutz stellen. Wäre das nicht sinnvoll?

    • @ismirnichegal:

      Nein, und auch nicht machbar. Die UNO dürfte das als als aktiven Eingreifgrund werten, die NATO nicht. Die NATO könnte Katastrophenschutzpersonal und -ausrüstung schicken, aber gemäß ihrer Charta darf sie über so einer Sache kein Fass aufmachen. Zumal Erdogan das eh blockieren würde.

  • „Weder die Ukraine noch Russland haben ein strategisches Interesse an einem Super-GAU in Saporischschja.“

    Wenn das KKW aktiv vermint wurde, was im Artikel behauptet wird, dann ist der Satz komplett hinfällig. Das KKW ist dann bereits ein militärisches Objekt, ein Pfand der Erpressung. Ein vermintes KKW kann ja auch schlecht „sicher“ betrieben werden, das Anbringen von Sprengstoff und Auslösern macht jede Betriebsgenehmigung hinfällig, auch in Regionen wie derUkraine und Russland.

    Wird das KKW gesprengt oder beschossen, dann sind die Folgen natürlich nicht nur regional, selbst wenn das Inventar nicht sofort vollständig freigesetzt wird, weil wir dann eine jahrzehntelange starke Kontamination der Umgebung sowie von Luft und Wasser haben - die sich letztlich in das globale Ökosystem einschleichen wird. Das Elend tritt dann nur nicht schnell ein, wie in Tschernobyl, sondern als permanente Katastrophe der Menschheit, ähnlich wie in Fukushima nur ohne jedes Containment. Wer soll das stoppen? In einem Krieg, und ohne die Möglichkeiten der SU einfach menschenverachtend hunderttausende „Bioroboter“ erneut zum Sterben zu schicken?

    Die Folge aus dieser Erkenntnis muss sein: Ausstieg aus dieser nutzlosen Wahnsinnstechnik überall, und so schnell wie möglich. Bei uns aber auf jeden Fall zum 31.12.2022 - und wenn die Grünen zu dumm sind, das mit dieser expliziten Schützenhilfe auch zu vermitteln und durchzuziehen, dann sollten sie sich bitte gleich in die „NATO-Tarnfarbenen“ umbenennen.

    • @hup:

      Es ist im Moment eher still um diese Gespensterdebatte Streckbetrieb geworden.

      "S Mueller-Kraenner



      Danke an @OlafLies für das klare Statement, dass das AKW Lingen zum Ende des Jahres vom Netz geht. Jetzt warte ich auf ein ebenso klares Statement von Winfried Kretschmann zum Ende von Neckarwestheim. Von Herr Söder erwarte ich zu Isar2 gar nichts mehr. #Atomkraft @Umwelthilfe"



      twitter.com/sascha...wWgMC-uaOVoZsrAAAA

      Von den Grünen hören wir dazu wenig - auch nicht von der TAZ.

      • @Brot&Rosen:

        "Von den Grünen hören wir dazu wenig"

        Was sollen die auch groß dazu sagen? Wenn am Ende die Zahlen auf den Tisch liegen, und die zeigen, dass wir ohne Streckbetrieb und anderen Firlefanz auskommen (momentan wird genau darauf hingearbeitet), werden sie schon genug reden. Aktuell können sie die Gegenseite sich um Kopf und Kragen quasseln lassen. Dabei zu unterbechen, wäre unhöflich. (Napoleon soll mal was in diese Richtung gesagt haben.)

      • @Brot&Rosen:

        Auch dazu ist es still von Seiten der Grünen und der TAZ:

        "S Mueller-Kraenner



        Eon erklärt offiziell, auf einen Weiterbetrieb des AKW Isar2 nicht vorbereitet zu sein. Offensichtlich hat das Unternehmen daran auch kein Interesse, was wiederum zeigt, wie absurd die Debatte zu einer Laufzeitverlängerung ist. ⁦@Umwelthilfe







        spiegel.de



        Eon zu AKW-Weiterbetrieb: »Zu Gesprächen bereit«



        Eon hat nach eigenem Bekunden keine Pläne für einen Weiterbetrieb des Atomkraftwerks Isar 2 in der Schublade. Käme dieser Wunsch aus der Politik "



        twitter.com/sascha...wWhsC4tb-dhZ0rAAAA

        • @Brot&Rosen:

          Protest gegen Isar 2.



          "In der Debatte um einen Weiterbetrieb des bayerischen Kernkraftwerks Isar 2 melden sich nun auch die Atomgegner vehement zu Wort, der Bund Naturschutz kündigt Klagen an. Warum haben sie so lang geschwiegen?"



          www.sueddeutsche.d...z-isar-2-1.5638020

        • @Brot&Rosen:

          Protest gegen Isar 2.



          "In der Debatte um einen Weiterbetrieb des bayerischen Kernkraftwerks Isar 2 melden sich nun auch die Atomgegner vehement zu Wort, der Bund Naturschutz kündigt Klagen an. Warum haben sie so lang geschwiegen?"



          www.sueddeutsche.d...z-isar-2-1.5638020

  • "Deutschland kein Salat vom Feld gegessen werden darf."



    Sind denn andere Sorten Obst und Gemüse immun gegen radioaktive Belastung? ´86 mussten neben etlichen Arten Feldfrüchten auch große Mengen Milch entsorgt werden weil sich in ihr Cäsium und damit eben auch Cäsium-Isotope anreichern. Und in einige Regionen muss heute noch ein beachtlicher Anteil der erlegten Wildschweine entsorgt werden weil sie zu viele belastete Pilze gefressen haben. Besteht also wirklich Grund zur Entwarnung wenn man weiß, dass die Wolke aus Tschernobyl zunächst über Belarus nach Schweden trieb, bevor Ausläufer auch Teile Deutschlands erreichten, und dass das dortige radioaktive Inventar gerade mal 1/10 des in Saporischschja befindlichen betrug?



    "Die russischen Besatzungstruppen hätten das Atomkraftwerk Saporischschja „mit Sprengstoff verkabelt“, um es im Zweifel in die Luft sprengen zu können, erklärte Anfang der Woche das ukrainische Ministerium für Kultur und Informationspolitik. Der russische Armee-Befehlshaber am größten Atomkraftwerk in Europa wurde mit den Worten zitiert, „dies wird entweder russisches Land oder verbrannte Erde sein“."



    Die Warnungen werden also von beiden Seiten formuliert. Wäre es, wenn auch nur eine minimale Chance besteht, dass an diesen Darstellungen etwas dran ist, demanch nicht höchste Zeit genau jetzt den Zivilschutz anlaufen zu lassen?

  • "Aber klar ist schon: Im Zweifel gibt es immer eine Waffe, die das Containment durchschlagen kann.“ Die müsste dann aber bewusst auf das nukleare Ziel ausgerichtet sein."



    Und was spricht in einem von Russland begonnenen Krieg, der sich schon lange nicht mehr an die Konventionen hält, dagegen?

    Auch wenn keiner der führenden Kriegstreiber die Absicht hat die Kraftwerke zu zerstören, wer garantiert, das dies nicht durch uneinsichtige Militärs erfolgt? Schließlich versichern militärische Führungspersonen das sich ihre Soldaten in den die kriegerischen Auseinandersetzungen an die bekannten Kriegskonventionen halten.



    Da haben wir in den letzten Wochen anderes erlebt!

    Ein Terrorregime wie Putins Gefolgschaft schreckt vor den stationären Atombomben nicht zurück und wird diese als Waffe einsetzen, soweit notwendig.



    Auch wenn in letzter Konsequenz Teile der Ukraine nicht mehr bewohnbar sein könnten, oder der Wind in Richtung Russland wehen sollte.



    Dieses Risiko hatten die Amerikaner seinerzeit beim Angriff in Japan ebenfalls berücksichtigt und es hat sie nicht davon abgehalten.

    • @Sonnenhaus:

      Man hatte nicht immer eine (teils irrationale) Angst vor der Nukleartechnik. In der Frühzeit der Nuklearwaffen hat man sogar bewusst eigene Soldaten der Strahlung nach der Zündung einer Atombombe ausgesetzt.



      Nicht zuletzt gab es oberirdische Atomtests.

      • @Carsten S.:

        "In der Frühzeit der Nuklearwaffen hat man sogar bewusst eigene Soldaten der Strahlung nach der Zündung einer Atombombe ausgesetzt."

        Die "(teils irrationale) Angst" speiste sich aus den Ergebnissen dieser Menschenversuche. Schön war das nämlich nicht.

        Siehe auch:

        en.wikipedia.org/w...the_surviving_crew



        Leberzirrhose als typische Todesursache, und niemand weiß genau, warum. Wissen Sie, wie das ist, an einer Leberzirrhose zu krepieren, nur weil irgendein Lamettaträger Scheiße gebaut hat und Befehle befolgt wurden? "Sterben" ist nämlich ein viel zu mildes Wort für das, was da passiert.

        "Wir fingen (immer nur) ein paar Fische, und die gesamte Dorfgemeinschaft musste diese mageren Portionen unter sich aufteilen... die Fische waren nicht zum Essen geeignet. Sie waren giftig von dem Zeug, das sie im Riff fraßen. Uns machten sie krank, als wenn die Arme und Beine einschlafen, und man kein Gefühl mehr darin hat."



        en.wikipedia.org/w...ove_to_Kili_Island

        "(Teils irrationale) Angst"? Irrational nur für die, die in ihrer ideologischen Verblendung gefangen sind. Für *normale* Menschen ist die Angst vor radioaktiver Kontamination *sehr* rational. Niemand möchte so sterben wie Douglas Crofut.