piwik no script img

Tod von ukrainischen KriegsgefangenenFeige Ausflüchte

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Moskau streitet die Verantwortung für den Raketenangriff auf ein Kriegsgefangenenlager ab. Diese Verschleierungstaktik hat bei Putin Prinzip.

Will mit dem Raketenangriff auf das Kriegsgefangenenlager nichts zu tun gehabt haben: Putin Foto: Mikhail Klimentyev/ap

M an kennt es – von den Chemiewaffenangriffen in Syrien über den Abschuss des Flugs MH-17 bis zum Theaterbombardement von Mariupol und den Massakern in Butscha. Immer wenn ein besonders abscheuliches Verbrechen geschieht, für das allem Anschein nach Russland verantwortlich ist, wird aus Moskau das Ereignis in Zweifel gezogen und sein Ablauf geleugnet.

Manchmal wird eine unabhängige Untersuchung gefordert, die dann so lange hinausgezögert und mit Bedingungen versehen wird, bis sie gar nicht stattfinden kann oder nur so, dass nichts zu sehen ist. Manchmal gibt es nationale Ermittlungen, deren Ergebnis Moskau dann als voreingenommen zurückweist, weil sie den Vorwurf gegen Russland bestätigen.

Der Tod von über 50 ukrainischen Kriegsgefangenen bei einer Explosion im russischen Kriegsgefangenenlager Oleniwka im besetzten Donbass reiht sich ein in diese Kette von Verbrechen, bei denen Verschleierungstaktik ein vertrautes Zeichen für Verantwortung ist. Russland veröffentlicht Listen der Toten, beschuldigt die Ukraine des Beschusses mit US-Raketen und fordert eine Untersuchung durch die Vereinten Nationen und das Rote Kreuz. Es ist eine Forderung ohne jeden Wert.

Ein UN-Team im besetzten Donbass wäre auf die Zustimmung der dortigen Behörden angewiesen, was auf die UN-Anerkennung der „Volksrepublik Donezk“ hinauslaufen würde. Alles andere würde am russischen Veto im UN-Sicherheitsrat scheitern, ohne dessen Zustimmung die UN im Kriegsgebiet keinen Finger rühren werden. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz hat hingegen tatsächlich Zugang beantragt, gemäß dem Recht auf Zugang zu Kriegsgefangenen. Und – der Zugang wird verweigert.

Aber Moskau wird sagen: Wir laden die internationale Gemeinschaft ein – und sie kommt nicht, das beweist doch alles! Und nützliche Idioten, die Russlands Propaganda glauben, werden sie weiter verbreiten. Das angeblich von der Ukraine mit US-Raketen zerstörte Lager ist derweil weitgehend intakt, mit Ausnahme des einen Gebäudes, in dem über 50 Ukrainer getötet wurden.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
Mehr zum Thema

24 Kommentare

 / 
  • Die Überschrift des Artikels 'Feige Ausflüchte' finde ich nicht ganz zutreffend. Denn der Kriegsverbrecher aus Moskau lügt, dass sich die Balken biegen. Das tut er glaube ich nicht aus Feigheit, sondern weil seine Äußerungen seinem asozialen Gehirn als die strategisch günstigste Aussage erscheinen.

    Oft täuscht er sich darin. Denn viele Menschen haben begriffen, was er für einen Charakter hat. Wer glaubt dem Menschen und seinen Spießgesellen eigentlich noch etwas?

    Seit er behauptet hat, dass bei der Annexion der Krim keine russischen Soldaten beteiligt waren und dies aber nach einer Weile mit widerlich süffisantem Lächeln einräumte, weiß man, dass er auch international wichtige Vorgänge nach seinem Gusto kommentiert. Seither hat err ja ungezählte weitere Lügen aufgetischt und sogar diesen Trump bei weitem in deer Anzahl und Schwere der Lügen übertroffen.

    Dabei hofiert der Kerl doch seiner russischen Kirche mit dem ehemaligen KGB-Mann Kyrill an der Spitze. Man stelle sich vor, dass ein früherer CIA-Mann Pabst wäre und Biden würde ihn wegen eines Angriffskrieges hofieren.

    Auch die Russisch-Orthodoxe Kirche gibt doch vor, sich an die Bibel zu orientieren. Wird darin nicht Lügen und Töten sanktioniert? Welch eine Spitze der Gesellschaft haben die russischen Bürger sich da eingebrockt!

    Auch der Vergleich mit den Kriegen anderer Staaten hinkt gewaltig. In diesem Ausmaß hat kein Staat seit dem zweiten Weltkrieg Unrecht vollbracht. Einzelne Personen haben zwar kriegerisch Unrecht getan, aber ein Vergleich mit Putin kann seitdem nur mit Hitler korrekt sein.

    • @fvaderno:

      "Die Überschrift des Artikels 'Feige Ausflüchte' finde ich nicht ganz zutreffend. "



      Da stimme ich zu, nicht aber ihrer Erklärung.



      Das Lügen und Leugnen stellt weniger darauf ab, dass es geglaubt werden will (die Apologeten und nützlichen Idioten müssen sowieso nicht überzeugt werden), sondern zielt auf die Demoralisierung der Opfer, Zeugen und Beobachter ab, und ist deshalb Teil der Tat: Die demonstrative Gewaltausübung wird erst komplett durch die Demonstration von Straflosigkeit.

      Diese Gewaltdemonstration richtet sich übrigens, so paradox das klingen mag, auch gegen russische Soldaten. Desertationen und Verweigerungen sind in der russischen Armee bereits jetzt ein Problem, und die Frage, ob man sich in Gefangenschaft begibt oder Angst davor hat, wird mit der anlaufenden Gegenoffensive der Ukrainer zunehmend aktuell werden.

  • Thomas C. Theiner hat es auf Twitter gut zusammengefasst: twitter.com/noclad...553346547739410432

    - Russland hätte Kriegsgefangene nicht so nah an der Front halten dürfen. -> Genfer Konvention.

    - Der Ort ist 15k von der Front, die Ukrainer hätten keinen Grund HIMARS zu nutzen ein so nahes Ziel zu treffen

    - Der Ort war schon lange als Gefangenenlager bekannt, schon vor dem Kriegs beginn 2014 war hier ein Gefängnis.

    - Die Zerstörung am Gebäude ist nicht konsistent mit einem HIMARS Angriff, es ist zu wenig des Gebäudes zerstört

    - Die Leichen waren verbrannt, HIMARS hätte sie zerfetzt.

    Die Russen lügen ganz offensichtlich, selbst wenn die Ukraine es war sind die Russen schuld weil sie Kriegsgefangene dort nicht hätten halten dürfen. Sie lassen das Rote Kreuz nicht ermitteln. Russland ist ein Terrorstaat und die russische Armee sollte als Terrororganisation klassifiziert werden.

  • Die Kriegsgefangenen wurden mit einer thermobarischen Bombe verbrannt. www.spiegel.de/aus...-8431-7c9700d50755



    Laut urkainischem Geheimdienst wurde das Verbrechen von der Wagner-Truppe verübt, Putins Privatarmee. Ohne Putins Befehl ist so etwas undenkbar.

  • Der Autor scheint der Meinung zu sein (oder verstehe ich ihn falsch?), es sollte keine UN-Untersuchung eines solchen Massakers geben, weil damit die "Volksrepublik Donezk“ quasi anerkannt werden würde.

    Das ist juristisch und faktisch Unsinn. Opfer von Massakern haben einen Anspruch auf Untersuchung, auch wenn sie in Rebellengebieten ihren Tod fanden. Etwas zu untersuchen und dabei mit denen soweit als nötig zusammenzuarbeiten, die vor Ort die Macht haben (also auch Rebellenbewegungen etc.) bedeutet überhaupt nicht, deren Ansprüche anzuerkennen. Dies zu behaupten, ist bizarr.

    Natürlich muss das rote Kreuz zugelassen werden, aber dies genügt nicht. Denn das rote Kreuz ist in aller Regel äußerst verschwiegen, damit es von allen Konfliktparteien weiter akzeptiert wird und so weiterhin Menschen helfen kann.

    Das rote Kreuz kann daher keine UN-Untersuchung ersetzen. Seine Zulassung ist vor allem deshalb wichtig, um das Leben der weiteren Gefangenen so weit als möglich schützen und den Kontakt zu den Angehörigen aufrechterhalten zu können.

    Jetzt gilt es, eine UN-Untersuchung zu fordern und durchzusetzen. Würde Russland diese verweigern, würde es zeigen, dass es offensichtlich nicht an der Aufdeckung der Schuldigen interessiert ist.

    Wer auf eine Untersuchung solcher Massakern mit formalistischen Argumenten verzichten will, schützt nicht die Menschenrechte, sondern bereitet den Boden dafür, dass weitere Massaker geschehen, weil sich die Täter in Sicherheit wiegen, dass es keine Untersuchung geben wird.

    Wer gegen eine Untersuchung eintritt, schadet den Menschenrechten und nimmt den Opfern und Überlebenden ihr Recht auf Aufklärung. Ich hoffe, ich habe den Autor missverstanden.

    • @PolitDiscussion:

      Das Problem ist, dass Russland sich für nicht zuständig erklären würde - denn nach offizieller russischer Behauptung ist das Gebiet ja nicht russisch, sondern gehört der "Volksrepublik". Aus demselben Grund würde Russland auch nicht anerkennen, wenn die Ukraine - der das Gebiet tatsächlich gehört und die völkerrechtlich als einzige Regierung verantwortlich ist - die UN bitten würde, eine Untersuchung durchzuführen. Denn aus russischer Sicht ist die ukrainische Regierung ja auch nicht zuständig. Heißt: Russland würde die UN zwingen, die "Regierung" der "Volksrepublik" um Erlaubnis zu fragen, bzw. müsste diese "Regierung" die UN bitten. Beides kann die UN aber nicht akzeptieren, weil die "Volksrepublik" eben völkerrechtlich kein Staat ist und auch nicht pro forma als solcher anerkannt werden darf.

  • Schön und gut das Sie dieses Thema so aufgreifen. Schön das Sie schon wissen was passiert sein soll.

    Ich erinnere nur an die amerikanischen geführten Kriege, bis heute, oder die an die Kriege von Saudi-Arabien und den Emiraten bis heute. Komisch die machen genau dasselbe, wie hier beschrieben.

    "Nein, das waren wir nicht"..."Ohh, das ja vielleicht ein Fehler in der Kommandoweiterleitung etc."...auch in Deutschland muss man nicht so weit zurückschauen, der Angriff afu den Tanker in Afghanistan wurde GENAUSO von der Stabsstelle in D von Anfang an so behandelt. Bis man irgendwann doch nicht mehr drumherum kam. Aber hey, darüber reden wir ja nicht mehr, denn der Westen darf ja sowas weil er ja ganz bestimmt Menschenrechtsverletzungen und Co. in den jeweiligen Ländern eingrenzen will.....naja mit Menschenrechtsverletzungen. So wie jetzt Krieg mit Krieg zu beenden...

    Sorry wen wollen Sie mit solchen Themen denn bekehren? Und warum schaffen Sie es nicht, ALLE Kriegsländer diesem "Maßstab" zu unterstellen?

    • @Daniel Drogan:

      Heißt im Klartext, ist nicht so tragisch, das tun doch alle.

      • @Lapa:

        Nein, warum glauben Menschen wie Sie, das damit gemeint ist, dann dürfen sich alle wie die Axt im Walde aufführen.



        Warum schafft es keiner von Ihnen genau das Gegenteil als Möglichkeit zuzulassen. Scheinbar ist es bei manchen echt zu schwer die eigene Regierung oder Freundesregierungen zu kritisieren, weil man dann wohl nur ein Nestbeschmutzer wäre?

    • @Daniel Drogan:

      Jaja, "die anderen sind mindestens genau so schlimm" ist n super Argument! Und das Beispiel mit dem deutschenLuftangriff zeigt, dass solche Aktionen bei uns Auswirkungen haben. Glauben Sie, solche gibt es in Russland? Wird die Staatsanwaltschaft ermitteln?

      • @Ingo Knito:

        Auch bei uns hat kein Staatsanwalt je dies korrekt als verfahren aufgesetzt.



        Als erst vor wenigen Jahren die Überlebenden und Opfer in D ein Gerichtsverfahren in die Wege leiten wollten, wurde dies direkt abgeschmettert. Soviel zu "wir stellen und unserer Verantwortung". Ein Hohn gegenüber den Opfer. Aber war man ja zum Glück nicht selbst und schwupps alles dufte...

      • @Ingo Knito:

        "Und das Beispiel mit dem deutschenLuftangriff zeigt, dass solche Aktionen bei uns Auswirkungen haben."



        Ja Auswirkungen haben sie auf den Befehlshaber gehabt:



        www.spiegel.de/aus...-8575-55f9a18813b8

        • @paul meder:

          Genau das meinte ich! Verantwortliche wurden nach oben "verurteilt" für Ihre Kriegsverbrechen. Wir sind somit kein Deut besser, wie Russland, USA, Israel oder GB die ihre "Treusten" bei Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen schützen und befördern, statt gerechten Urteilen zukommen zu lassen und den Opfer Hilfe und Unterstützung zu bieten. Ich frage mich nur warum man dann sowas vom "Feind" fordert.



          Scheiß Heuchelei und Doppelmoral.

    • @Daniel Drogan:

      Über all diese Kriege wird berichtet. Und lesen Sie bitte nochmal die Berichte über den Angriff auf den Öltransporter in Afghanistan. Da wurde nie geleugnet das es ein NATO Angriff war. Es wurde nur über Befehlskette gestrtten und wer "Schhuld" war.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    "Ein UN-Team im besetzten Donbass wäre auf die Zustimmung der dortigen Behörden angewiesen, was auf die UN-Anerkennung der „Volksrepublik Donezk“ hinauslaufen würde."



    Wenn also irgendwo, wie z.B. in Rojava, Katalonien oder Südtirol ein Gebiet aus was für Motiven auch immer für unabhängig erklärt wird, kann dort jeder Staat oder Kanton machen, was er will und die UN kann keine Kriegsverbrechen untersuchen, weil das auf Anerkennung der Unabhängigkeit hinausliefe.



    Das ist ein Problem der UN, das muss ganz klar so gesagt werden. Das Territorialrecht hat damit einen rechtsfreien Raum geschaffen. Was Putin selbstverständlich gewusst hat, als er sein "großzügiges" Angebot unterbreitete.



    Daran sollten sich aber auch alle erinnern, die seit kurzem erst besonders viel von "staatlicher Souveränität" und "territorialer Integrität" halten.



    Der UN-Sicherheitsrat ist auch problematisch als Machtinstrument der großen Imperialmächte. Aber würden die USA, Frankreich oder Großbritannien ihren ständigen Sitz aufgeben?

  • Tja Herr Weisnich, Sie scheinen es wirklich nicht zu wissen: Putin als Kommunisten zu bezeichnen, ist einfach abwegig.



    Alle Kommunisten in der Vergangenheit zu diffamieren ist ja ein interessanter Anspruch...



    Heute gibt es wohl nur noch wenige, die Sie da beleidigen können .



    Pauschale Beleidigungen würde ich als RedakteurIn nicht dulden.

    • @Philippo1000:

      Für eine pauschale Beleidigung fehlt meiner Meinung nach "Alle" vor Kommunisten. Alle Kreter lügen ... usw.

      Lügen tun wir alle, der Witz war ja, dass die Kommunisten dabei nicht rot werden..

      Kleine Hilfe, Friedrich Merz kann sich unbemerkt schwarz ärgern.

  • Deutliche Worte, Herr Johnson, die ich unterstütze. Ihre logische Erklärung ist gut nachzuvollziehen.

  • Die Naivität der sog. Friedensbewegung gegenüber der putinschen Bedrohung ist gefährlich. Faschisten müssen besiegt werden, sonst besiegt der Faschismus uns.

    • @Rinaldo:

      Sorry, Friedensbewegungen sind nicht gefährlich. Bewaffnete egal auf welcher Seite - schon.

      • @paul meder:

        Nicht egal auf welcher Seite. Ein bewaffneter Angreifer ohne Moral ist gefährlich wie Russland grade beweist. Ein bewaffnete Verteidigung ist gegen den bewaffneten Angreifer eine Notwendigkeit. Wenn Sie nicht in der Lage oder Willens sind diese Unterscheidung zu sehen, dann betreiben Sie eine unverantwortliche, widerliche Gleichsetzung.

  • nicht ausgeschlossen ...

    daß eine hinrichtung stattgefunden hat.

  • Das ist nicht erst seit Putin Prinzip sondern seit der Oktoberrevolution. Kommunisten lügen ohne Rot zu werden.