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G20-Außenminister auf BaliEiszeit vor Palmenkulisse

Beim G20-Außenministertreffen reist Sergei Lawrow früher ab. Annalena Baerbock muss einsehen: Ein Dialog mit Russland ist derzeit unmöglich.

Blieb nicht lange auf Bali: Russlands Außenminister Lawrow – hier mit indonesischer Kollegin Marsudi Foto: AP

Nusa Dua taz | Annalena Baerbock hatte alles genau geplant. Geselligkeit und schöne Bilder mit dem russischen Außenminister sollte es beim G20-Außenministertreffen auf der indonesischen Ferien­insel Bali auf keinen Fall geben.

Doch dem Treffen fernbleiben, wie zwischenzeitlich erwogen worden war, wollten die westlichen Au­ßen­mi­nis­te­r*in­nen auch nicht. „Natürlich sind wir als G7 bei diesem G20-Treffen, um die indonesische Präsidentschaft zu unterstützen.“ Zudem sei es „wichtig, dass Russland hier nicht die Bühne überlassen wird“.

Vielmehr wollten sie das Treffen nutzen, Russland weiter zu isolieren – und die deutsche Außenministerin sollte dabei eine zentrale Rolle spielen: Weil Deutschland derzeit den Vorsitz in der G7 hat, sollte sie es sein, die bei der Auftaktsitzung direkt auf die Rede von Lawrow antworten würde.

„Ich werde in meinem Redebeitrag, wo Herr Lawrow ja im Konferenzraum mit am Tisch sitzen wird, sehr deutliche Worte finden, dass wir diesen Bruch des internationalen Völkerrechts nicht akzeptieren“, hatte sie am Vorabend gesagt. Baerbock wolle „noch mal eindringlich appellieren: Stoppen Sie diese Bombardierung“.

Doch daraus wurde nichts. Direkt nach Lawrows eigener Rede, in der er dem Westen die Verantwortung für die Nahrungsmittelkrise gegeben haben soll, verließ er den Raum – und hörte somit nicht, was Baerbock ihm sagen wollte. Und nicht nur das: Er kehrte danach auch nicht mehr zurück, sondern verließ das Treffen noch vor der zweiten Arbeitssitzung. Das gemeinsame Mittagessen auf der Terrasse vor dem riesigen Hotelpool fand bereits ohne ihn statt.

Keine Normalität, keine Nähe

Ist das jetzt eine Niederlage für den Westen, weil Lawrow die Möglichkeit bekam, seine Position vorzutragen, ohne sich Widerspruch anhören zu müssen? Oder ist es eine Niederlage für Lawrow, der offensichtlich zu feige ist, sich einer Diskussion zu stellen?

Für Baerbock ist klar, wie dessen Verhalten zu deuten ist: Dass Lawrow den Raum verlassen habe, zeige, „dass es derzeit keinen Millimeter Gesprächsbereitschaft der russischen Regierung gibt“.

Der Plan des Westens scheint indes insgesamt aufgegangen zu sein. Im Vorfeld hatte Lawrow in einer Mitteilung noch verkünden lassen: „Wir pflegen einen offenen und ehrlichen Meinungsaustausch.“ Dass das nicht wahr ist, ist nun für die ganze Welt zu sehen. Und auch schöne Bilder, die ihn auf Augenhöhe mit den anderen Au­ßen­mi­nis­te­r*in­nen zeigen, gab es nicht.

Dabei bietet das Luxus-Resort Mulia auf der indonesischen Insel Bali, in dem das Treffen stattfindet, mit seinen palmengesäumten riesigen Pools und dem feinen Sandstrand die perfekten Voraussetzungen für wunderschöne Erinnerungsfotos. Doch ein Gruppenbild mit Lawrow gibt es nicht.

Jedes Zeichen von Normalität, gar von Nähe, soll vermieden werden. Auch den Empfang am ersten Abend hatten Baerbock und andere Teil­neh­me­r*in­nen darum geschwänzt. Man könne angesichts der russischen Bombardierungen „nicht einfach zum netten Socializing, zum netten Abendessen übergehen“, hatte die deutsche Außenministerin erklärt.

Bilaterale Gespräche, die am Rande solcher Treffen traditionell eine wichtige Rolle spielen, führten nur die Amtskollegen aus China und der Türkei mit Lawrow. Baerbock hatte im Vorfeld klar gemacht, dass sie sich davon nichts verspreche. „Wenn es ein Fünkchen Chance gäbe, dass wir mit Russland wieder normal reden können, dann würden wir das tun.“ Aber die vergangenen Wochen hätten gezeigt, dass das Land keineswegs bereit sei, die Angriffe zu stoppen.

Bereits die Begrüßung verlief kühl

Bereits die Begrüßung war nicht im Sinne Lawrows verlaufen. Als er als ­einer der letzten Teilnehmer über den roten Teppich lief, um zwischen den Fahnen der 20 beteiligten Nationen der indonesischen Gastgeberin Retno Marsudi die Hand zu schütteln, fiel deren Begrüßung sichtlich kühler aus als bei vielen anderen Teilnehmer*innen.

Zudem wurde er auch dort schon mit kritischen Fragen konfrontiert: Ein ZDF-Redakteur will wissen, wann er den Krieg stoppt, die taz fragt nach, warum er das nicht tue. Lawrow guckt kurz irritiert, ignoriert die Fragen aber – anders als die indonesische Security, die dem ZDF-Reporter anschließend Respektlosigkeit vorwirft und ihn vor die Tür setzt.

Wenige Minuten später in ihrer Begrüßungsrede übt aber auch Retno Marsudi selbst deutliche Kritik an Lawrow. „Es ist unsere Verantwortung, den Krieg eher früher als später zu beenden und unsere Meinungsverschiedenheiten am Verhandlungstisch beizulegen und nicht auf dem Schlachtfeld auszutragen“, sagt sie. Dabei plädiert die indonesische Außenministerin für gemeinsame Lösungen: „Unilateralismus bedeutet: Der Mächtige nimmt sich alles – und das ist nicht das, was wir wollen.“

Über die Redebeiträge von Staaten wie China, Indien und Südafrika, die den russischen Krieg bisher nicht klar verurteilt haben, gab es am Freitag keine detaillierten Informationen. Baerbock sprach im Anschluss an die Verhandlungen, die erwartungsgemäß ohne gemeinsame Abschlusserklärung enden, von einer großen Geschlossenheit der „G19“, also aller Teilnehmer außer Russland.

„Auch wenn wir in manchen Punkten unterschiedlicher Meinung sind, stellen wir uns den massiven Auswirkungen dieses russischen Angriffskrieges gemeinsam entgegen, um zu verhindern, dass die Welt in ein globales Chaos stürzt“, fasste sie die Gespräche zusammen.

Eine große Rolle hätten dabei die Auswirkungen des Krieges auf die globale Ernährungssituation gespielt. Auch US-Außenminister Antony Blinken erklärte im Anschluss, bei den Beratungen sei Russland mit Forderungen zahlreicher Staaten konfrontiert worden, den Krieg zu beenden. Ein „starker Chor aus der ganzen Welt“ habe Moskau dazu gedrängt, die Angriffe einzustellen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass das tatsächlich passiert, dürfte auf Bali allerdings nicht gestiegen sein. Ob Russland den Kurzauftritt in der Runde der Mächtigen für sich als Erfolg bewertet, wird sich vermutlich spätestens im Herbst zeigen: Dann findet, ebenfalls auf Bali, der G20-Gipfel der Staats- und Regierungschefs statt.

Putin hat bisher offen gelassen, ob er daran persönlich teilnehmen wird – und der Westen, wie man darauf reagieren würde. Die eisige Stimmung vor der balinesischen Palmenkulisse könnte sich also durchaus wiederholen.

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25 Kommentare

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  • "Baerbock muss einsehen". Interessant, der Autor als Außenminister. Baerbock müsste nicht so auftreten, hätte die Vorgänger Regierung - mit wohltätiger Duldung der meisten Medien - nicht so komfortabel versagt. Im Übrigen ist Lawrow kein Fuchs und Baerbock nicht überfordert. Lawrow ist wie Putin ein brutaler Lügner und Kriegsverbrecher, sonst nichts. Aber Grünenbashing ist en vogue und Frauen müssen in einer männerdominierten Gesellschaft von Haus aus doppelt so gut sein, Merkel mal ausgenommen, die hat alle Fähigen weggebissen. Wer von der Union ihres letzten Kabinetts war eigentlich besser als Baerbock? AKK, lächerlich, Altmaier, Totalversagen, Scheuer, ohne Worte, Klöckner, Lobbyistin pur, Spahn, Amateur mit übersteigertem Selbstbewusstsein, Karliczek, Nullnummer, Seehofer, ohne Worte.

  • Solange Russland nicht mit der Ukraine auf Augenhöhe verhandeln will gibt es nichts zu verhandeln. Sich von Lavrow halbe Stunde belügen lassen ist nicht verhandeln sondern zeitverschwendung. Baerbock sollte lieber Global Regierungen abklappern die sovietische Waffen auf Lager haben und kaufen was nicht komplett druchgeroset ist.

  • "Dabei bietet das Luxus-Resort Mulia auf der indonesischen Insel Bali, in dem das Treffen stattfindet, mit seinen palmengesäumten riesigen Pools und dem feinen Sandstrand die perfekten Voraussetzungen für wunderschöne Erinnerungsfotos."

    Interessant wo die taz die Prioritäten setzt.

  • RS
    Ria Sauter

    Manchmal ist es klüger, mal den Mund zu halten.



    Frau Baerbock überschätzt sich völlig ! Völlig naiv ,höflich ausgedrückt.



    Hat sie gedacht dieser aalglatte Mann lässt sich so vorführen?



    Schade, um die vergeigte Chance.

    Frage:



    Warum muss so ein Tross viele Flugmeilen zurücklegen um miteinander zu sprechen?



    Videokonferenz? Klimawandel?



    Ist nur bei anderen Menschen ein Thema?

    • @Ria Sauter:

      "Warum muss so ein Tross viele Flugmeilen zurücklegen um miteinander zu sprechen?"

      Die Antwort ist schlicht Frau Flieder. DE hat den zweiten Weltkrieg verloren und muss nun mit einer weltweiten Staatengemeinschaft kommunizieren. Berlin ist nicht mehr der Mittelpunkt der Welt

      • @Rudolf Fissner:

        "Berlin ist nicht mehr der Mittelpunkt der Welt"

        War es nie. Man wollte es nur zweimal dazu machen.

    • @Ria Sauter:

      Erwarten Sie von einem Land, dass sich praktisch nur über den Verkauf von fossilen Brennstoff en und Waffen finanziert, Sorge ums Klima?

  • Der Westen: Wir unterstützen die Ukraine.



    Lawrow: Mir egal, ich komme trotzdem.



    Der Westen: Wir unterstützen die Ukraine.



    Lawrow: Unter diesen Umständen macht es keinen Sinn hier zu sein.

    Russische Politik in a nutshell.

  • „Wir pflegen einen offenen und ehrlichen Meinungsaustausch.“

    Ja klar. Hab ich sofort geglaubt. Passt bestens in die Reihe vertrauenswürdige Aussagen des Kremls.

    "Die Uniformierten auf der Krim sind keine russischen Soldaten, sondern "örtliche Selbstverteidigungskräfte" (Putin)

    "Russland erwägt keinen Anschluss der Krim." (Putin)

    "Ich kann versichern, dass keine russischen Truppen mit den Vorbereitungen für eine Invasion in die Ukraine beschäftigt sind." (Wladimir Tschischow)

    "Die militärische Sonderoperation in der Ukraine hat zum Ziel, einen Krieg zu verhindern" (Lawrow)

    "Die russische Armee greift keine zivile Infrastruktur an". (Putin)

    "Das ist inszenierte antirussische Provokation....Der Zustand der Leichen beweist, dass die Toten erst in Butscha lagen, nachdem unsere Soldaten die Stadt schon verlassen hatten." (Lawrow)

    Dann warens erst die Ukrainer, die man von den Nazis "befreien will", dann die "Biowaffelabore der NATO", vor denen man sich schützen müsse, dann

    „Wir sprechen über die Veränderung der Weltordnung, die von den Vereinigten Staaten und den Nato-Ländern nach der Auflösung der Sowjetunion geschaffen wurde.“ (Putin)

    Und zuletzt:

    "Peter der Große führte 21 Jahre lang den Großen Nordischen Krieg.... Ja, er holte das Land zurück und stärkte es. Genau das hat er getan. Offensichtlich sind jetzt wir an der Reihe, das Land zurückzuholen und zu stärken." (Putin)

    Und zur Sahne obendrauf:

    „Adolf Hitler hatte auch jüdisches Blut. Das heißt überhaupt nichts. Das weise jüdische Volk sagt, dass die eifrigsten Antisemiten in der Regel Juden sind.“ (Lawrow)

  • "Baerbock sprach im Anschluss an die Verhandlungen, die erwartungsgemäß ohne gemeinsame Abschlusserklärung enden, von einer großen Geschlossenheit der „G19“"

    Hehehehe :-)

  • Tja, liebe Putinfreunde. Fordert ihr immer noch, mit Russland zu verhandeln oder kapiert ihr langsam mal, dass es von Seiten Russlands nicht die geringste Bereitschaft dazu gibt?

    Russland macht sich nicht einmal mehr die Mühe, auch nur den Anschein eines halbwegs normalen, zivilisierten Landes zu erwecken. Im Gegenteil, seine Führung, von Putin über Lawrow und Medjedew bis hin zu Sacharowa und Simonyan zelebrieren Hass und Barbarei geradezu genießerisch. Es kann mit dieser Mafia keine Verhandlungen geben, schon gar nicht auf Augenhöhe. Weil sie es nicht wollen.

    • @Suryo:

      Taz vom 7.7.: "Aus dem US-Außenministerium hatte es zuvor geheißen, ein bilaterales Treffen von US-Außenminister Antony Blinken mit Lawrow sei nicht vorgesehen.

      Lawrows Anwesenheit gilt als Test für eine mögliche Teilnahme von Kremlchef Wladimir Putin am G20-Gipfel am 15. und 16. November, der ebenfalls auf Bali stattfindet. Mehrere Staaten haben ihre Teilnahme infrage gestellt, sollte Putin persönlich erscheinen."

      [...]

      Dieser Kommentar wurde gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette. Die Moderation

  • Russland: überall mitreden wollen, sich aber nichts sagen lassen. Zuhören will man schon gar nicht. Wie will man mit diesem Land überhaupt noch verhandeln?

  • „ Annalena Baerbock muss einsehen: Ein Dialog mit Russland ist derzeit unmöglich.“

    Die Subline steht in seltsamem Widerspruch zum Artikeltext, in dem ausgeführt wird, das Fr Baerbock eigentlich ohnehin keinen Kontakt, keine Begegnung und keine gemeinsamen Fotos mit Lawrov wollte. Nun er ihr sogar noch die Show gestohlen.



    Sie ist halt eine sehr schlechte Diplomatin und man fragt sich schon, wie solch eine Ethik-Getriebene zur deutschen Chefdiplomatin ernannt wurde.

    Ich vermisse Angela Merkel, die in Krisenzeiten fast immer pragmatisch zum Wohle unseres Landes agiert hat.

    • @neu_mann:

      Sehr wahr. Aber es fehlen ja auch Verhandlungsangebote. Die Phantasie reicht ja nicht darüber hinaus der Ukraine zu empfehlen auf Krim, Donbas und Luhansk zu verzichten. Der Konflikt wird noch lange gehen, es ist nur die Frage wie schnell man ihn von der militärischen Ebene weg bekommt. Der nötige Verhandlungsdruck wird willendlich auf keinem Gebiet erzeugt, weder mit internationaler Diplomatie, noch mit wirksamen Saktionen noch militärisch. Wenn man sich selbst im Handeln so einschränkt, dass nur noch reaktives Handeln möglich ist, dann muss man sich auch nicht wundern, dass einem das Heft des Handels entgleitet.

    • @neu_mann:

      "Ich vermisse Angela Merkel, die in Krisenzeiten fast immer pragmatisch zum Wohle unseres Landes agiert hat."

      Ich vermisse diese ganzen Schlaftabletten nicht im Mindesten. DIE haben uns dahin geführt wo wir jetzt stehen!

    • @neu_mann:

      Tut mir Leid, aber Angela Merkels Wirken ist mindestens im Nachhinein eben nicht immer zum Wohle des Landes ausgefallen, auch wenn das immer ihre Absicht gewesen sein mag: Den Atomausstieg umzukippen war ein Fehler, und die Verweigerung des massiven Einstiegs in die EE hat uns Jahre gekostet.



      Und warum hätten Fotos und Handshake mit Lawrow ohne jegliche inhaltlichen Resultate Baerbock zu einer besseren Diplomatin machen sollen? Und inhaltlich ist mit Russland derzeit von niemandem irgendwas zu erreichen, solange Putin nicht findet, hinreichende Kriegsziele erreicht zu haben. Von daher habe ich an Baerbocks Deutlichkeit überhaupt nichts zu kritisieren.