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Inflationsbonus-PlanLohnpolitik geht Scholz nichts an

Hannes Koch
Kommentar von Hannes Koch

Eine Einmalzahlung für Beschäftigte ist keine schlechte Idee. Doch sie ist Sache der Tarifpartner. Scholz bringt sie nur wegen Lindner ein.

Tarifpolitik ist nicht Sache des Kanzlers Foto: Kay Nietfeld/dpa

O laf Scholz regiert. Aber der Bundeskanzler regiert auch hinein – aktuell in die Lohnpolitik, die nicht primär ihn etwas angeht, sondern die Firmenverbände und Gewerkschaften. Deren Spitzen lehnen Scholz’ neuen Vorschlag deshalb auch ab. Die Zurückweisung ist zwar folgerichtig, aber zur Wahrheit gehört auch: Die Idee der steuerfreien Einmalzahlung an die Beschäftigten hat durchaus Vorteile.

Das Kanzleramt strebt offenbar an, mit Arbeitgebern und Gewerkschaften eine Vereinbarung zu schließen. Diese sollen sich auf Tariferhöhungen einigen, die deutlich unter der Inflationsrate liegen. Während die Inflation 5 oder 6 Prozent erreichen könnte, erhielten die Beschäftigen im kommenden Jahr beispielsweise nur 3 Prozent mehr Lohn. Zusätzlich soll es steuerfreie Einmalzahlungen von vielleicht 800 Euro pro Kopf geben, die nicht in den Tarif eingerechnet werden.

Die Logik des Plans: Er kann dämpfend auf die Inflation wirken. Die Tarifanhebung, die jeweils die Basis für die Erhöhungen der kommenden Jahre darstellt, fiele so gering aus, dass sie nicht zu einer dauerhaften Lohn-Preis-Spirale beitrüge. Höhere Löhne führten also nicht zu weiteren Preissteigerungen. Moderate Lohnabschlüsse schützen außerdem die Unternehmen, die unter den galoppierenden Energiekosten leiden. Mit den Einmalzahlungen erhielten die Beschäftigten aber trotzdem eine Unterstützung, um mit den hohen Gas-, Benzin- und Strompreisen zurechtzukommen.

Allerdings sind auch die Nachteile von Scholz’ Vorhaben nicht zu übersehen. Vor allem muss man sich darüber im Klaren sein, dass es sich bei den Einmalzahlungen vermutlich nicht um einen Bonus zugunsten der Beschäftigten handelt. In der Summe aus geringer Tariferhöhung und Einmalzahlung erhalten sie wahrscheinlich weniger, als wenn IG Metall und Verdi ihre volle Kraft auf die Straße bringen, um den Ausgleich der Inflation durchzusetzen.

Zudem müssen viele Arbeitenden auf die Einmalzahlung verzichten, weil deren Firmen nicht tarifgebunden sind. Und drittens kommen breite Bevölkerungsgruppen nicht in den Genuss, die ebenfalls unter den Energiepreisen leiden – Rentnerinnen und Rentner, Haushalte, die staatliche Unterstützung wie Grundsicherung erhalten, Studierende.

Deshalb sollte die Regierung Menschen mit niedrigen Einkommen einen wirklichen Bonus auszahlen. Dieser Inflationsausgleich dürfte allerdings seine Grenze in der Schuldenbremse finden, die FDP-Finanzminister Christian Lindner 2023 unbedingt wieder einhalten will. Der Spielraum im Bundeshaushalt verringert sich damit drastisch. Deshalb wählt Scholz den holprigen Umweg der Tarifvereinbarung.

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Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
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18 Kommentare

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  • Das ist konservative Allmosenlogik a la FDP / CDU anstatt eine nachhaltige Politik mit einer gerechten und stabilisierenden Umverteilung - was auch wirkungsvolle Niveaus der Spitzensteuer, Vermögenssteuer und Erbschaftssteuer heissen müsste.

    Dieses Kleckern ist doch lächerlich wenn offensichtlich so viel da ist.



    Wo sind wir denn angekommen?

  • "Während die Inflation 5 oder 6 Prozent erreichen könnte ..."



    ähm, da liegen wir bereits drüber ...

    Die Rezession kommt, die EZB hat sie nur verschleppt, indem sie über Jahre Geld gedruckt hat, ohne Gegenwerte zu schaffen. Das konnte und kann nicht ewig gut gehen. Ewiges, unbegrenztes Wachstum kann es in einer endlichen Welt nicht geben.

    Klar kann man den Leuten diskutieren, ob nun 10% Lohnerhöhung oder 1000€ Einmalzahlung besser sind, oder ob eine Mischung aus beidem die Lösung darstellt - am Ende sind es nur Nebelkerzen und Spiegelgefechte.

    Zum Glück habe wir Putin, so ist der Schuld und nicht die gierigen global agierenden Wirtschaftskonzerne.

  • Das Hauptproblem ist aber, dass die Preisanstiege mit einer Zinswende zusammenfallen. Was den Druck gleich nochmal erhöht und mit einer Einmalzahlung nicht getan ist!

  • Wie viel Prozent der Arbeitsverhältnisse sind mittlerweile tarifgebunden? 30%? Natürlich geht did Politik die Entwicklung der Löhne etwas an, grade in diesen Zeiten. Von Einmalzahlungen halte ich gar nichts, weil sie sich nicht auf künftige Tarifbeschlüsse auswirken und großartig sinken wird das Preisniveau wohl kaum in den nächsten Jahren. Die Arbeitnehmer durften dann mal wieder die Kosten der Krsise tragen und wurden mit billigen 800€ abgespeist.

  • Gleich mehre Denkfehler:

    "Während die Inflation 5 oder 6 Prozent erreichen könnte..."

    Zu niedrig gegriffen. In Industrie und Handwerk steigen die Einkaufspreise um 20% und mehr. Das wird durchschlagen.

    "...um mit den hohen Gas-, Benzin- und Strompreisen zurechtzukommen."

    Die hohen Energiepreise sind nur ein Teil des Problems. Die Inflation erfasst immer mehr Waren. Das merkt jeder an der Supermarktkasse.

    "...Lohn-Preis-Spirale..."

    Die Inflation wird nicht von einer Lohn-Preis-Spirale getrieben. Sie ist durch Warenmangel entstanden. Um die Inflation zu bekämpfen, müsste dieser behoben werden. Aktuell wird er aber eher durch die Politik verschärft.

  • Wo war Herr Koch, als der Mindestlohn eingeführt bzw. vom Gesetzgeber erhöht worden ist? Ist Lohnpolitik wirklich nur Angelegenheit von Tarifparteien; zumal Tarifparteien nicht über eine etwaige Steuerfreiheit entscheiden können.

  • Aus meiner Sicht fürchtet man sich, dass sich der 10. Februar 1974 wiederholt, als ÖTV, DAG und DPG die Republik lahmlegten und am Ende mit satten 11% Gehaltserhöhung wieder an die Arbeit gingen. Auch Willy Brandt hielt das damals für überhöht.

    Einmalzahlungen wirken sich in keinster Weise auf die spätere Rente aus. Als Arbeitnehmer, der in dern letzten 23 Jahren in einem nicht tarifgebundenen Unternehmen regelmässig mit maximal 2,3 % abgespeist wurde, oft noch darunter, würde ich mich darauf nicht einlassen.

    • @Grenzgänger:

      sorry, Ulrike Herrmann! ;-)

  • Leute.....



    Wieviele werden heute überhaupt noch nach Tarif bezahlt?



    Ich arbeite für ein Unternehmen mit über 2000 Beschäftigen. Tarifvertrag? Nein!

    • @Schängel:

      Kenn ich. Ist bei uns ähnlich.



      Da hilft tatsächlich nur in großer Zahl in die Gewerkschaft einzutreten und dann den Tarifvertrag erzwingen.

      Aber da die Gewerkschaften so gründlich klein gemacht wurden, ist es sehr schwer, erfolgreich für sie zu werben.

    • @Schängel:

      Tja, Betriebsrat gründen, in die entsprechende Gewerkschaft eintreten usw. - was tun, nicht meckern.

      Allerdings ist es oftmals so, dass Unternehmen genau so gut oder auch besser bezahlen obwohl sie keinem Arbeitgeberverband angehören und somit keinen Tarifvertrag haben.

  • Und wieder einmal werden die Rentner*innen vergessen.



    Diese werden es aber nicht bei der nächsten Wahl vergessen haben!

    • @tazMatt:

      Doch werden sie. Genau deshalb funktioniert das Ganze doch so gut.

    • @tazMatt:

      Die Rentner, deren Renten gerade um 6% gestiegen sind?

      • @Kabelbrand Höllenfeuer:

        Das sind 2 Paar verschiedene Schuhe. Die Rente berechnet sich aus den vergangenen!!! Lohnsteigerungen. Es wird also nur etwas nachgeholt, was die Gehaltsempfänger schon bekommen haben. Die Steigerung der Energiepreise betrifft die aktuelle Entwicklung, somit müssen auch Alle, meinetwegen mit sozialer Komponente, die unter einer bestimmten Summe verdienen, den Zuschuss bekommen. Aber keine Unterscheidung Arbeitnehmer gegen Rentner u.ä.

  • Grundsätzlich ist eigentlich immer eine Lohnerhöhung in Höhe Zielinflation (2,2%) plus Produktivitätsfortschritt geboten. Damit sorgt man, dass die Lohn-Preisentwicklung auf den Inflationskorridor beschränkt ist.



    Hier und heute ist durch den externen Schock ein zusätzlicher Ausgleich notwendig, der einen Sockelbetrag für untere und mittlere Einkommen bietet, um deren Belastungen auszugleichen.



    Eine komplett andere Idee sind auch Pay-Checks für diese Gruppen europaweit durch die EZB.

  • Ist der Text wirklich doppelt? Copy-paste fehler?

  • Ungeschickter geht es kaum: mit seinem Vorschlag macht sich Scholz bei allen unbeliebt - Gewerkschaften, Arbeitgeber, Rentnern, Beschäftigte in nicht-tarifgebundenen Betrieben. Bei den Koalitionspartnern.

    "Der Bundeskanzler und seine Bundesregierung sollten sich darauf konzentrieren, ihre eigenen Hausaufgaben zu machen und die kurzfristigen kriegsbedingten Preisspitzen insbesondere für kleinere und mittlere Einkommen schnell aus Steuermitteln abzufedern. Dabei dürfen auch Rentner, Hartz-IV-Beziehende und Studierende nicht länger durchs Raster fallen. Zur Gegenfinanzierung müssen endlich auch in Deutschland die Extragewinne derjenigen Unternehmen abgeschöpft werden, die in der aktuellen Krise massive Extraprofite einfahren.""



    www.linksfraktion....preissteigerungen/