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Digitalisierung und die AmpelLindner hat leider recht

Hat jemand zufällig Räumlichkeiten für ein Digitalministerium? Bitte bei Christian Lindner melden! Wird aber wahrscheinlich trotzdem nix.

Kein Platz, aber auch keine Kraft für ein Digitalministerium Foto: Aitor Diago/getty images

E ndlich Weg von Fax und Rohrpost, war Christian Lindners Traum gewesen. Nun hat es sich wohl ausgeträumt. Am Donnerstag hieß es aus den Verhandlungskreisen für den Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung: ein eigenes Digitalministerium sei vom Tisch. Zunächst berichtete das Handelsblatt, unter Berufung auf besagte Verhandlungskreise. Dabei hatte die FDP als einzige der drei Ampelparteien ein solches Ressort ausdrücklich in ihrem Wahlprogramm stehen. Im Wahlkampf meinte Parteichef Christian Lindner noch: „Die Bundesregierung braucht ein Digitalministerium, um Verwaltung und Netzinfrastruktur zu modernisieren.“

Nun aber treffen Lindners digitale Träume auf die harte Realität. Denn ein eigenes Digitalministerium würde neues Personal erfordern sowie eine enorme Umstrukturierung. Und außerdem – nun wird es wunderbar bittersüß – scheint es sehr schwierig zu sein, Räumlichkeiten in Berlin-Mitte für ein neues Bundesministerium zu finden. Die Problematik Wohnen und Mieten macht auch vor denen keinen Halt, die sie lösen könnten.

Die digitale „Wind of Change“-Stimmung aus dem Wahlkampf ist also verpufft. Denn für ein neues Digitalministerium müsste einiges verändert werden, andere Ressorts müssten Verantwortlichkeiten und Personal abgeben, es bräuchte eine fachliche Restrukturierung. Und da wird es haarig. Bekanntermaßen haben die vergangenen Bundesregierungen es verpasst, zu beweisen, dass sie in der Lage sind, sich für die Digitalisierung mal um 180 Grad zu drehen. Oder für überhaupt irgendetwas.

Anstelle eines Ministeriums gab es schon nach der Bundestagswahl 2017 nur eine Digitalstaatsministerin. Dorothee Bär (CSU) hatte zwar einen hübschen Titel, aber kein Budget. Hinzu kam eine Abteilung für Digitales im Kanzlerinnenamt und ein Digitalrat, der die Bundesregierung beraten sollte. Gebracht hat das alles nichts. Deutschland liegt in so ziemlich allen internationalen Vergleichen auf den letzten Plätzen unter den Industrienationen.

Was nun? Es gibt mehrere Möglichkeiten. Erstens, ein bestehendes Ministerium mit der Zuständigkeit für Digitales aufzuwerten – und zwar richtig, mit dem Budget, Innovationen auch umzusetzen. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise gibt es ein Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie. Möglichkeit zwei: Digitalisierung zur „Chefsache“ machen. So hätte Olaf Scholz das gerne. Im Sommer sagte der SPD-Kanzlerkandidat, er könne sich vorstellen, einen „Chief Digital Officer“ im Bundeskanzleramt zu installieren – inwiefern das anders wäre als Dorothee Bär, bleibt unklar. Möglichkeit drei: So weitermachen wie bisher. Überall hie und da die Wörter „Digitalisierung“ und „elektronisch“ einfließen lassen, um den Bür­ge­r:in­nen weiterhin vorzugaukeln: Alle, wirklich alle in diesem Laden kümmern sich! Besser wäre, und ich möchte es kaum aussprechen, wenn sich in diesem einen Fall doch die FDP durchsetzt.

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Malaika Rivuzumwami
Redakteurin taz zwei
Jahrgang 1994 | bei der taz seit 2016 | früher auf Deutschlandreise für taz.meinland & Editorial SEO für die taz | seit 2019 Redakteurin für Gesellschaft und Medien | spricht mit im Podcast Weißabgleich und schreibt die Kolumne Digital Naives | Interessiert sich für Datenpolitik, Fake News & Social Bots.
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21 Kommentare

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  • @UVW

    Der vernünftigste Vorschlag bis jetzt. Und "Chaos macht Schule" ins Bildungsministerium!

    Dann kämen wir voran, ja.

  • Digitalministerium greift auch zu kurz.



    Es brauch weiter Informationsministerium und Effizienzministerium. Was die verschiedenen Ministerien und Regierungskreise auf ihre Kommunikation und allgemeine Effizienz überprüft. Könnte man alles drei ins Bildungsministerium bringen.



    Das brauch eh minimum den doppelten etat.

    Denn es ist wissenschaftlich tatsache, das wenn man die effizienzprobleme aller ministerien und regierungsorgane sowie den zivilen schnittstellen lösen würde, man das BIP und andere dinge um locker 20% steigern könnte, wenn nicht mehr.

    Es ist ebenso tatsache, das die regierungen informationen nicht gut mit den bürgern kommunizieren, sowie überhaupt informationen verheimlicht. das muss ein ende haben.

    beides geht hand in hand mit der digitalen strukturreform.

    und erst mal bitte alle regierungssysteme auf linux umstellen.



    da kippt der gates aus den latschen! :)

  • Einmal hat der Lindner recht, ein einziges Mal und dann besteht er nicht drauf. Was willste da machen?

  • Wieso Diensträume? Ich denke, es geht um digital, das kann man ja wohl dezentralisiert organisieren. Oder Sie wissen nicht, was Sie tun.

    • @Kappert Joachim:

      Sehr treffend!

  • Einfach den CCC beauftragen. Im Unterschied zu Dorothee Bär haben die Ahnung von ihrem Fachgebiet. Und Räumlichkeiten haben die auch selber.

    Was beim Verteidungungsministerium und McKinsey geht, sollte doch beim Digitalministerium ein Klacks sein. Der CCC macht übrigens ehrenamtlich! schon etliche Jahre die Hausaufgaben der Politik, zb durch "Chaos macht Schule" www.ccc.de/schule

    Bonus: Externe, die sich wirklich auskennen, langfristige Konsequenzen ihrer Entscheidungen im Blick haben und nicht gewohnheitsmäßig in die eigene Tasche wirtschaften. Wär mal was anderes.

    • @uvw:

      Sehr richtig so. Eine unabhängige NGO wird hier benötigt. Kein Ministerium mit Bürokratie ohne Ende.

    • @uvw:

      Dass eine (ehemalige) Ministerin wie v.d.L. oder AKK die Expertise an McKinsey übergab, ist wirklich ein Skandal.



      Aber die Lösung mit dem CCC wäre schon aus dem Grund etwas anderes, weil es in den Ministerien keine wirklich kompetenten Menschen gibt, die in der Lage sind, Deutschland auf den notwendigen Stand der Digitalisierung zu bringen. Wahrscheinlich ist die Idee mit dem CCC schon deshalb unrealistisch, weil diese Leute auch das Sicherheitsbedürfnis im Auge haben. Politisch scheint zumindest die Datensicherheit normaler BürgerInnen keine große Rolle zu spielen.

  • Lindner hat leider andere Ambitionen, offenbar auch selbst Prioritäten, da ja nun doch einiges auf Finanzen weist, ungeachtet der Mahnungen noch von Nobelpreisträgern. Ich verstehe gar nicht, warum man sich grad hierzulande immer soviel aus der Verkündung macht, wenn die Namen nach einer Woche doch vergessen sind oder ohne Gewicht. Immerhin kennt man den FDP-Chef unter Ökonomen, oder ist bereit, die fünf Minuten aufzuwenden, ich denke unter Leuten mit Turing-Award eher kein Begriff. Auch nicht Digitalisierung, so wie man das hier versteht, was glaub ich auch gar nicht so einfach ist. Ich hätte es ziemlich schlimm gefunden eher gerade mit Hausnummern - oder auch Köpfen - vorzugaukeln, hier würde jetzt was passieren, das zu passieren ganz anderer und anderswo Ansätze bedürfte und die ehrlich gesagt nicht erst an der Politik scheitern. Dann müsste man sich grundsätzlicher Hinterfragen, vor allen in Sachen Bildung und (o wei) Zuwanderung, nur ab da ist so ziemlich alles andere gleich mit im Korb und eben das ist der Punkt. Oder gibt es bei den int. Ranking-Spitzen für sowas Entsprechungen? Oder hätte je gegeben? Ich kann mich erinnern, wie einvernehmlich befremdlich selbst Trump damals den Big Hitters von der Westküste gegenübersaß. Für mich ist grad das Maß, in dem eine Gesellschaft sowas überhaupt an Politik delegiert, Ausdruck eigentlichen Unwillens und daher auch irgendwo Ausflucht. Für das, was auch an der Stelle dazu beigetragen werden könnte, hätte man, Scholzens truly pfiggige Anglizismen hin oder her, doch nicht die SPD zur Wahlsiegerin gemacht, es tut mir leid. Das hätte selbst ein grünes Kanzleramt schwerst gefordert - auch allen zu vermitteln.

  • "Chefsache" klingt ja erstmal toll. Wie war das nochmal bisher? Sagte unsere Kanzlerin nicht nach der ersten total vergeigten PISA-Studie, "Bildung ist Chefsache"? Oder die "Chefsache" Migraton (Wir schaffen das! - ohne zu verraten, ob im nächsten oder ob erst im übernächsten Jahrtausend).



    Andererseits kann es uns bei der Digitalisierung aber auch so ergehen wie bei der Globlisierung oder bei der Finanzkrise oder bei der Atomkraft oder den Elektrofahrzeugen - denn anfangs werden dem "User" natürlich die Vorteile und Bequemlichkeiten "verkauft" - aber hinterher sieht die Zeche dann doch ganz anders aus. Und ein "Digital Native", wie sich heutzutage manche stolz nennen, kann auch blitzschnell in eine hilflose, verwirrt umherirrende, sinn- und zwecklose Kreatur verwandelt werden - ein kleiner Stromausfall icht ja schon aus .- und "Klimapolitk" stellt je auch gerade die Weichen in die Richtung, daß wir TOTAL von der Stromversorgung abhängig werden. Wir brauchen kein PRO-Digitalisierungsministerium - wie es hier initiiert werden soll (und schon garnicht unter Leitung einer vor allem schaumschlagenden Partei/Person), sondern jemand, der die Sache mit etwas mehr Sinn und Verstand angeht - also besser doch: "Chefsache" - und dann sehen wir, ob wir einen "Chef" haben, der den Titel verdient - oder ob nicht!

  • Möchte wissen was alle gegen FAX-Geräte haben. Das funktioniert wenigstens, zumindest diejenigen die noch an die alte Telefonleitung angeschlossen sind. Da darf schon mal die digitale Infrastruktur zusammenbrechen, FAX funktioniert.

  • Räume in Berlin Mitte?

    Wozu?

    Das kann man doch weitgehend online organisieren.



    Mit den besten Mitarbeitern aus der gesamten Republik.

  • Digital ... digital ... das war doch das mit dem Finger ... das was Micky Krause so treffend besingt !

    Dann ist doch glasklar: Das gehört ins Gesundheitsministerium



    - und immer schön brav nach GOÄ Ziffer 11 abrechnen, nicht wahr ...

  • Die FDP hätte es halt Blockchain-Cyberministerium nennen müssen. Dann hätte es kein Halten gegeben und Büroplatz für Cyber Cyber gibt's im Cyberspace doch allemal.

    Spaß beiseite: Wenn ich mir die Digitalprojekte dieser Republik so ansehe (Uploadfilter und §13/16, Leistungs-"Schutzgelderpressungs"-Gesetz, Autobahnvollsperrungen wegen Softwareupdates, Fanta-Luca-App, Windows-Rückmigrationen, Vorratsdatenspeicherung, Störerhaftung, Bundestrojaner etc. etc.) bin ich eigentlich froh, dass der Bereich nicht auch noch ein eigenes Ministerium mit eigenem Budget bekommt. Denn wer weiß was denen dann noch so einfallen würde.

    Und mindestens der Porsche fahrenden FDP traue ich irgendwie nicht zu, mit Geld gemeinwohlorientiert umgehen zu können.

  • Möh! Ohne mein Mondschaf sag ich gar nichts! - 🤭 -

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      „Malaika Rivuzumwami . Jahrgang 1994“ 1994. Da haben wir bei Anwenderfirmen die ersten Projekte zu papierloser Vorgangsbearbeitung eingeführt. Viele Wirtschaftsunternehmen sind in Sachen Digitalisierung weiter, als Herr Lindner sich vorstellen kann. Der kennt ja nur Verwaltungen oder hat sich mit Avataren beschäftigt. Erinnert sich noch jemand an „Second Life“? Alle mussten sowas haben.



      Selbst bei der KfW können Anträge mittlerweile online gestellt werden. Fakt ist, dass viele kleinere Firmen die Systemkosten der modernen Anwendungen (HW, SW, Service) nicht stemmen können und als Folge seit mindestens 20 Jahren eine Welle von Fusionen, Übernahmen und Betriebsaufgaben durch’s Land rollt. Soll dort der Staat eingreifen? Ich glaube nein.



      Ich kann alle notwendigen Erledigungen bei Banken, Versicherungen und (sic!) auch Behörden digital abwickeln. Die Defizite liegen bei den Bürger*innen. Hier wird Unterstützung gebraucht. Ein Betätigungsfeld für die sozialen Dienste. Mal in Skandinavien fragen, wie das dort gemacht wird.



      Möh.. ge die Macht mit uns sein.

  • Vielen Dank! Eine der wenigen guten Ansätze der FDP findet keinen Zuspruch. Die Digitalisierung wird also auf das Jahr 2060 verschoben und für der Papierkrieg mit Ämtern geht weiter wie bisher. Enttäuschend

  • Alles was die FDP anfasst, kann nichts Vernünftiges werden. Denn diese Hohepriester des Egoismus haben kein Interesse an sinnvollen Lösungen, sondern wollen nur ihrer jeweiligen Klientel soviele überteuerte Aufträge zuschanzen wie möglich. Das gäbe höchstens ein Flickenteppich. Ländliche Regionen wären abgehängt. Das nennt sich dann Marktwirtschaft. Auch führen diese Hohepriester der als Bürokratieabbau verschleierten Staatsausmerkelung nur dazu, daß Staatsgelder ungehemmt und unkontrolliert in Private Taschen fließen, ohne Bedürftigkeitsprüfung wohlgemerkt. Summa summarum Geld weg, nichts erreicht, Millionäre reicher gemacht, und da das ganze ja unter Schuldenbremse finanziert werden muss, mit tiefgreifendeten Griffen in die Sozialkassen. Schließlich wollen die diese ebenfalls abschaffen. Denn Rente und Gesundheitsversorgung sollen ja sowieso nur diejenigen bekommen, die sich das leisten können.

  • Digitalministerium, von mir aus. Aber dann bitte mit Sachverstand. Nicht mit Lindner.

    • @tomás zerolo:

      Aber der gesellschaftliche Schaden ist größer, wenn er Finanzminister wird.

      Deshalb finde ich das schon in Ordnung.

    • 9G
      96177 (Profil gelöscht)
      @tomás zerolo:

      danke, auf den Punkt gebracht!