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Verbot von WerbetafelnAdblocker für die Stadt

Immer mehr Städte erklären den öffentlichen Raum zur werbefreien Zone. Aber wer Werbetafeln demontiert, demontiert auch einen Teil der Öffentlichkeit.

Schon immer ein Ort der öffentlichen Verhandlung: die Reklamewand, hier in London im 19. Jahrhundert Foto: Archives Snark/Photo12/picture alliance

Sie hängen an Ampeln, Bushaltestellen oder Baustellengerüsten – die Rede ist von Werbeplakaten. Den meisten Stadt­be­woh­ne­r:in­nen fallen diese Werbetafeln kaum noch auf, man läuft an ihnen vorbei, so wie man Werbebanner im Netz wegklickt – obwohl sie ja irgendwie zum Stadtbild gehören. Doch damit könnte bald Schluss sein.

Die Stadt Genf will Werbeplakate ab 2025 aus dem öffentlichen Raum verbannen. Die links-grüne Mehrheit im Genfer Stadtrat hat vor wenigen Wochen eine entsprechende Volksinitiative („Zéro Pub“) angenommen. Kommerzielle Werbung schade dem Urbanismus, fördere den Überkonsum und stelle „visuelle Verschmutzung“ dar, lautet die Kritik der Initiator:innen. Man wolle den öffentlichen Raum daher „befreien“.

Nach dem Vorbild von São Paulo diskutieren Städte und Gemeinden auf der ganzen Welt, ob sie ihre Innenstädte zur werbefreien Zone erklären sollen. Die brasilianische Metropole hatte 2007 ein strenges Verbot von Außenwerbung durchgesetzt („Clean City Law“), in dessen Folge 15.000 Plakatwände und 300.000 Ladenfront-Beschriftungen entfernt wurden. Zahlreiche Städte wie Grenoble oder Chennai in Indien sind dem Beispiel gefolgt.

Die Argumente für eine werbefreie Stadt sind schnell aufgezählt: Kommerzialisierung, Hyperkonsum, Umweltverschmutzung. Bäume statt Billboards, rufen die Werbekritiker:innen. Und auf den ersten Blick ist man geneigt, ihnen bedingungslos zuzustimmen. Der Stelenwald von Reklametafeln ist ästhetisch wie psychologisch eine Zumutung, an jeder Ecke springen einen die aggressiven Kauf-mich-Botschaften an – als würde man im Internet von Cookies und personalisierter Werbung nicht genug verfolgt.

„Heuschreckenschwärme von Schrift“

Schon Walter Benjamin klagte in seiner 1928 publizierten Schrift „Einbahnstraße“ über ein „dichtes Gestöber von wandelbaren, farbigen, streitenden Lettern“: „Heuschreckenschwärme von Schrift, die heute schon die Sonne des vermeinten Geistes den Großstädtern verfinstern, werden dichter mit jedem folgenden Jahre werden.“

Es stimmt ja: Immer mehr städtische Flächen werden zugekleistert mit Werbung – von Straßenbahnen über Bandenwerbung in Stadien bis hin zu gesponserten Stadtmöbeln. Und weil die Leute nur noch auf ihr Smartphone starren, werden die Plakate auch immer überdimensionierter, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. In der Smartphone-Welt, schrieb das Magazin Curved, zähle immer noch der größte Bildschirm. Wer durch die nach den Lockdowns wieder aufblühenden Shopping-Malls läuft, könnte denn auch meinen, in einem werbefinanzierten Freizeitpark gelandet zu sein, einer urbanen Version von Facebook. Ein Flyer hier, ein Gewinnspiel dort; Rabattaktionen, wohin man blickt.

Kommerzialisierung des urbanen Raums

Die Kommerzialisierung des urbanen Raums treibt zuweilen seltsame Blüten. So hat McDonald’s im Rahmen einer Guerilla-Werbeaktion beim Zürifest 2010 gelbe Pommes im Stile eines Zebrastreifens auf die Straße gepinselt. Der Passant latschte quasi über eine zweidimensionale Pommestüte. Konsumkapitalismus am Limit. Insofern, als ein Außenwerbeverbot der kommerziellen Vereinnahmung von Städten Einhalt gebietet, ist damit auch eine Rückgewinnung des öffentlichen Raums verbunden. So hat beispielsweise der Street-Artist Etienne Lavie vor einigen Jahren in Paris Werbeplakate durch historische Gemälde ausgetauscht und den Stadtraum zum Museum gemacht. Delacroix statt Dior.

Natürlich kann man sich über einzelne Werbung, etwa Tabakwerbung oder sexistische Werbung, streiten. Doch die Frage ist, ob sich ein generelles Werbeverbot mit der Idee von Stadt als einer Art von verräumlichtem Informationsaustausch verträgt.

Werbung schon in der Antike

Bereits in antiken Städten wie Pompeji wurde Werbung für Gladiatorenkämpfe oder auch Wahlwerbung auf Hauswände gepinselt. Im Mittelalter gingen Weinschreier durch die Gassen und machten Reklame für Wirtshäuser. Und im viktorianischen London liefen Menschen mit Brust- und Rückenschildern durch die Straßen – wandelnde Werbetafeln, für die Charles Dickens den sarkastischen Begriff der „sandwich men“ prägte.

Die Litfaßsäulen, die 1855 als „Annoncier-Säulen“ in Berlin aufgestellt wurden, waren Kristallisationspunkte der bürgerlichen Öffentlichkeit. Jeder konnte einen Zettel daran heften, und jeder lief daran vorbei. Und diese Eigenschaft besitzt Außenwerbung bis heute: Man kann sie nicht abschalten, und man kann auch nicht mit einem Werbeblocker durch die Stadt laufen.

Zustandsanzeige der Gesellschaft

Obschon Relikte aus einer analogen Öffentlichkeit, sind diese Stadtmöbel eine valide Zustandsanzeige der Gesellschaft. Als im ersten Lockdown die Kulturbetriebe geschlossen wurden, waren die Werbeflächen auf den Litfaßsäulen leer. Wenn Städte Werbetafeln nun aus ihren Zentren verbannen, ist das nicht nur Ausdruck eines kulturellen Leerstands, sondern auch einer Fragmentierung der Öffentlichkeit, wo jeder mit seinem Smartphone als personalisierter Werbetafel herumläuft. Klar, es gibt dann keine sexistischen Werbeplakate mehr in den Städten. Aber auch keine öffentliche Debatte mehr darüber.

Dabei braucht eine offene Stadtgesellschaft Werbebotschaften wie die Luft zum Atmen, schon allein wegen ihres konfrontativen und subversiven Charakters. Über Werbung werden ja auch politische Botschaften transportiert. Man denke an die Benetton-Schockwerbung über HIV-Positive in den 90er Jahren, die eine Debatte über den Umgang mit Aidskranken und die Grenzen des Konsumkapitalismus provozierte.

Auch eine kulturelle „Säuberung“

Es stellt sich daher die Frage, wovon die Ad-Free-Bewegung den öffentlichen Raum befreien will. Von kommerzieller Werbung? Von der Konsumlust? Oder auch von politischer Werbung? Was ist mit Wahlplakaten oder Kunstinstallationen? Erfüllt das auch den Tatbestand der „visuellen Verschmutzung“? Kann es sein, dass die Purifizierung des öffentlichen Raums auch eine kulturelle „Säuberung“ impliziert?

Als in São Paulo Tausende Werbeschilder abmontiert wurden, hatten viele Be­woh­ne­r:in­nen zunächst das Gefühl, die Megacity würde die Uniform des Kapitalismus abstreifen. Statt Panasonic-Werbetafeln zeigte die Stadt die Schönheit ihrer Art-déco-Gebäude, aber auch die Schroffheit ihrer Slums, die sich vorher in das Gewand schicker Reklame hüllten. Seit einigen Jahren ist jedoch zu beobachten, dass große Marken das Außenwerbeverbot umgehen, indem sie gesponserte Street-Art an Hauswänden anbringen lassen. Durch diese kulturindustrielle Aneignung schafft sich Werbung eine neue Ausdrucksform.

Subkulturen geraten ins Visier

Die Subkulturen in der brasilianischen Millionenmetropole geraten dabei selbst ins Visier der staatlichen „Säuberung“, etwa die Pixadores, die sich mit ihrer Kunst des pixação, einer Art Graffiti, auf Hausmauern verewigen. Was den einen als urbane Kalligrafie gilt, ist für die anderen schlicht Schmiererei. Die Polizei geht mit aller Härte gegen die Straßenkünstler vor. Was zeigt, wie gefährlich es ist, ästhetische Kriterien an Freiheit anzulegen.

Der Historiker David Henkin hat in seinem Buch „City Reading“ geschrieben, dass im New York des 19. Jahrhunderts die Lektüre „urbaner Texte“ – von Flugblättern über Geldscheine bis hin zu Graffiti – für die Teilnahme am öffentlichen Leben essenziell war. Im 21. Jahrhundert scheint es dagegen weniger um Lesbarkeit als mehr um die Kontrolle urbaner Zeichen zu gehen. Das reicht von der Umbenennung von Straßennamen über das Aufstellen von Tempo-30-Schildern bis hin zu Werbeverboten, wie sie nun in Genf beschlossen wurden.

Calvinistisches Verständnis

Die Idee eines Adblockers für Städte zeugt von einem puristischen, calvinistischen Verständnis von Öffentlichkeit, als müsse man die Städ­te­r:in­nen vor dem lasterhaften Konsumkapitalismus bewahren. Nach dem Motto: Bloß keine nackte Haut, bloß kein Alkohol! In der urbanen Filterblase soll jeder optische Reiz, jeder Sichtkontakt zum Frivolen unterbunden werden.

Was auf Dauer aber blind für das Andere macht. Denn Werbung ist ein Spiegel der Gesellschaft – und konstitutiv für die Identität von Städten. Shibuya Crossing in Tokio oder der Times Square in New York ohne Neonlichter und Leuchtreklame? Unvorstellbar! Würde man das Licht ausmachen, würde man einer ganzen Stadt den Stecker ziehen. Wer Werbetafeln demontiert, demontiert auch einen Teil der Öffentlichkeit.

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38 Kommentare

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  • "Den meisten Stadt­be­woh­ne­r:in­nen fallen diese Werbetafeln kaum noch auf..."



    Sie nehmen sie mir die Sicht, lenken mich ab, versuchen sich in mein Gehirn zu fressen, Rechenzeit auf meinem Gehirn zu stehlen. Und Geld aus der Arschtasche hinten rechts.



    Auf diese "Kultur" kann ich gerne verzichten.

    • @sollndas:

      "...Sie nehmen sie mir die Sicht, lenken mich ab, versuchen sich in mein Gehirn zu fressen, Rechenzeit auf meinem Gehirn zu stehlen. Und Geld aus der Arschtasche hinten rechts..."



      Nur wenn Sie das zulassen. Ihre Entscheidung.

  • Point-of-sale-Werbung am Geschäft oder Werbung mit Ortsbezug (z.B. Theaterprogramm des Ortes) ist etwas gänzlich anderes als undifferenzierte Einheitswerbung für internationale Markenprodukte.

  • Nicht zu vergessen die Aufsteller vor den Läden. Meist missglückte Typografie und Gestaltung und obendrein ein echtes Hindernis für Fußgänger, noch mehr für Kinderwagen, Rollator oder Rollstuhl. Scheußliche, unnütze Dinger, die auch noch den engen Raum für die Menschen versperren.

  • Die Frage ist doch, wem gehört der öffentliche Raum, der Öffentlichkeit oder Unternehmen? Rein juristisch darf ich keine Suchanzeige für meine vermisste Katze im öffentlichen Raum aufhängen, denn das bedarf der behördlichen Genehmigung. Also bestimmt schlussendlich Geld, was Bürger zu sehen bekommen, wenn sie sich in der Stadt bewegen.

  • So schlimm fände ich jetzt nicht.

    Sicherlich könnte man über Werbezonen und werbefreie Zonen nachdenken. Z.B. Werbung direkt an großen Einkaufszentren erlaubt, auf der Straße nicht.



    Stattdessen könnte man viel mehr aktuelle Nachrichten, interessante Fakten, warum nicht auch Schulstoff (qausi riesige Spicker für schwer zu merkenden, wichtigen Schulstoff als Nudging zum Nachschlagen/ Lernen) im öffentlichen Raum zeigen. Einige ÖPVN-Unternehmen zeigen ja schon Schlagzeilen der Lokalpresse an. Statt Werbung erfährt man, wer sich zur Bürgermeisterwahl stellt, wie die heimische Handballmannschaft gespielt hat, wo mehr Bäume gepflanzt werden sollen. Man hat also gleich Gesprächsstoff fürs Büro oder den Feierabend.

    Werbung müsste nicht ganz verschwinden, wer aktuelle Plakate für erhaltenswert hält, könnte sicher Bildbände damit füllen, die dann von den Interessierten gekauft würden.

    Statt Werbung könnte man so viel Sinnvolles auf Plakate drucken. Vehrkehrsregeln, Sportübungen als Nudging zur Gesundherhaltung, Bilder vom gesunden, selbst gemachten Essen, Ideen für kostenlose Aktivitäten in der Umgebung, für Familienausflüge, Werbung für Museen oder Musikunterricht oder Sportvereine. Etwas, das den Menschen tatsächlich zugute kommt und zu einem besseren Leben führen könnte.

    • @BlauerMond:

      Wer entscheidet was dann "gute" Informationen sind und was dann präsentiert wird? Wenn schon dann muss konsequent alles entfernt werden. Die Rückkehr von großflächiger politischer Propaganda im Straßenbild braucht kein Mensch.

  • Ich hoffe doch, Adrian Lobe spielt hier Advocat*in Diaboli!? Der Kern von Werbung ist Umsatz- und Konsumsteigerung, setzen von Trends, Kommerzialisierung bzw. Kapitalverwertung von Kultur, bzw. das Vortäuschen von Kultur. Insbesondere Leuchtreklame und moderne Video/Animationsreklame nimmt Raum ein und ist aggressiv. Konsumdruck führt zu Arbeitsdruck, Konkurrenzdruck, "Selbstoptimierung" usw.. Noch dazu ist Werbung, neben seiner Wirkung der Umsatzsteigerung, selbst unökologisch ...



    Werbung? Nein, danke!

    • 1G
      164 (Profil gelöscht)
      @Uranus:

      Da hättest Du den Teufel aber ruhig auch gendern können ;-)

      • @164 (Profil gelöscht):

        Da wäre ich mit meinem Latein am Ende ;-)

  • Ein Werbeverbot im öffentlichen Raum würde auch vermitteln, dass es nicht immer und überall um Konsum geht. Es wäre keine Symptombehandlung, da die Konsummaschinerie wesentlich auf Werbung basiert, sondern schon fast ein Paradigmenwechsel. Nicht schlecht. Ich informiere mich, wann ich es für richtig halte. Ich kaufe, wenn ich etwas brauche und für brauchbar halte. Ich möchte mit offenen Augen durch eine Stadt gehen können und nicht die Hälfte der Zeit damit verbringen, die visuelle und akustische Umweltverschmutzung wegzufiltern. Außerdem könnte jede Menge Energie eingespart werden. Einfach mal gute Produkte herstellen, die muss man nicht anpreisen wie Sauerbier.

    Es geht ja nicht darum, die Wirtschaft abzuschaffen, aber sie muss eben nicht jeden Lebensaspekt dominieren, sondern einfach ihre Funktion erfüllen, nicht mehr, nicht weniger.

    Dann noch Internet ohne tracking und die Menschheit wäre ein gutes Stück weiter.

  • In Sao Paolo gab es mmn nach dem Grossplakate Verbot einen Rückgang der Kriminalität. Ein guter Grund den visuellen Schmutz abzuschaffen.

    Was haben die Plakate denn je für uns getan?

    • @Magic Dave:

      Und wie genau soll das Verbot von Grossplakaten das bewirkt haben?

  • "Man denke an die Benetton-Schockwerbung über HIV-Positive in den 90er Jahren, die eine Debatte über den Umgang mit Aidskranken ... provozierte."

    Das habe ich aber ganz anders in Erinnerung. Die Debatte war weltweit in vollem Gange und Benetton hat sich als Trittbrettfahrer betätigt. Jedenfalls brauchte es keiner kommerziellen Werbung um das Thema des Umgangs mit AIDS-Kranken an die Öffentlichkeit zu bringen.

  • Was hier völlig zu kurz kommt, wie sollen sich kleine Ladengeschäfte, Werkstätten, Restaurants etc. ohne Werbung gegen große Ladenketten und Konzerne halten können? McDonalds kennt jeder und deren Budget reicht aus, um das TV, Radio und Internet mit Werbung vollzuballern. Die kleine Gastätte, die um jeden Besucher kämpft, nicht.

    Jede Stadt hat Möglichkeiten Werbeflächen zu beschränken. Aber ein generelles Verbot ist nicht zu Ende gedacht.

    • @Deep South:

      War gerade in einer kleinen Kneipe mit Holzbackofen und allerbester Pizza. Drei Leute schmeißen das Ding mit den winzigen Tischen. Keine Werbung, nur gutes Produkt. Ausgebucht und außer Haus Verkauf.

      • @Maria Burger:

        Natürlich gibts auch kleine Kneipen und Geschäfte, vor Allem die mit langjähriger Stammkundschaft, die das nicht brauchen.

        Aber gerade neue Geschäfte, oftmals auch welche mit alternativen Konzepten, die sich erst noch etablieren müssen, haben kaum eine Chance, ohne sich zu bewerben. Und für Veranstaltungen und Sonderausstellungen wirds komplett schwierig, ohne jegliche Außenwerbung.

        Den Vorschlag unten (von @Karim Abidi) fänd ich zum Beispiel okay. Würde auch die regionalen Händler und Anbieter gegenüber Großkonzernen stärken.

        Maximalforderungen halt ich dagegen einfach für nicht sinnvoll.

    • @Deep South:

      Welche kleinen Ladengeschäfte, Werkstätten, Restaurants etc. nutzen den großformatige Werbeplakate,Anzeigentafeln u.ä.? Es sind doch genau die großen Ketten und Konzerne die das machen.



      Wenn eine Gaststätte ,speziell ein Restaurant,"um jeden Besucher kämpft" dann mag das an vielen Gründen liegen ,wie bspw. ungünstige Lage,miese Küche,schlechter Service,aber zu wenig Werbung rangiert eher weiter unten auf der Liste.

      • @Mustardmaster:

        Bei einem Komplettverbot gehts aber nicht nur um Großformate. Das Beispiel Sao Paulo verbietet ja jegliche Außenwerbung, sogar die am eigenen Geschäft.

        Und wie ich bereits schrieb, hab ich gar nichts gegen Reduzierung von Werbung, aber etwas gegen Komplettverbote.

    • @Deep South:

      Man könnte ja sagen, dass kleine regionale Betriebe Werbung machen dürfen

      • @Karim Abidi:

        Das wäre ein ansatz. Auch könnte man auch bestimmte Formate verbieten/reduzieren. Find ich generell nicht falsch.

        Das größte Problem bei der Umsetzung dürfte sein, dass die Kommunen und zum Beispiel auch städtische Verkehrsbetriebe am Meisten an großformatiger Außenwerbung verdienen.

  • Ich halte die Aversionen gegen Werbung im öffentlich Raum, ehrlich gesagt, für völlig hysterisch. Überkonsum? Bullshit, als ob jemand nach Sichtung eines Poster wie ein Zombie in den Laden rennt und irgendwas kauft. Visuelle Umweltverschmutzung? Eine ziemlich hochnäsige und arrogante Behauptung. Dazu ist die Qualität von Werbebotschaften viel zu unterschiedlich. Werbung gehört einfach in ein Stadtbild und ist völlig simple Infomationen über Waren oder Dienstleistungen. Aufgehübscht, oft übertrieben und beschönigend aber trotzdem nur simple Infomationen. Die kann man annehmen oder es auch sein lassen. Die Werbe-Gegner halten aus ihrer hochnäsigen Blase die Bevölkerung für ziemlich veblödet, wenn sie meinen, Werbung sei ja soooo manipulativ. Das ist völliger Unsinn. Es sind mal schöne, mal hässliche bunter Bilder mit kurzen Botschaften. Völlig harmlos.



    Ein Verbot würde übrigens auch Information über neue Kinofilme, Theaterstücke, Tanzaufführungen, Jahrmärkte; Musikfestivals, Stadtfeste und Konzerte verhindern. Ist ja auch Werbung.



    Wenn ihr Plakate und Banner scheisse findet, zieht doch aufs Land.

    • @Stefan L.:

      Man könnte eine Ausnahme für regionale kleine Betriebe und Kultur (Museum, Theater, Kino) machen

  • Der Autor pflegt einen bemerkenswert euphemistischen Blick auf die Kommerzialisierung des öffentlichen Raums.



    Werbung ist keine kulturelle Botschaft, jedenfalls nur in marginalen Umfang.



    Es besteht auch kein Risiko, aus dem Verbot dieser gewerblichen Nutzung schwarzmalerisch die Ausweitung auf alle anderen öffentlichen Äußerungen zu unterstellen.



    Sonstige Plakattierung ist schließlich durchs GG geschützt...

  • "Shibuya Crossing in Tokio oder der Times Square in New York ohne Neonlichter und Leuchtreklame? Unvorstellbar! Würde man das Licht ausmachen, würde man einer ganzen Stadt den Stecker ziehen."



    Ich weiß ja nicht wie hoch der Anteil der ganzen Leuchtreklame am Gesamteinenergieverbrauch ist,aber auf jeden Fall ist das unnötige Energieverschwendung. Ist doch nicht gleich zappenduster ohne Leuchtwerbung. Straßenbeleuchtung wurde genau dafür erfunden!Wenn die Energiewende wegen Klimaschutz halbwegs ernst gemeint ist ,dann ist Ästhetik ( "Alles so bunt hier") kein Argument.

  • werbung kann auch humorvoll sein ...

    so zu beobachten in london underground.

    wo ebenso sehr viele kulturelle angebote beworben werden.

  • "Klar, es gibt dann keine sexistischen Werbeplakate mehr in den Städten. Aber auch keine öffentliche Debatte mehr darüber."



    Als ob so eine Debatte Selbstzweck wäre. Mit dem Argrument der Debatte liese sich ebenso gut eine Wiedereinführung von Körperstrafen oder der Leibeigenschaft fordern weil es nach deren Verbot ja keinen Grund mehr gibt eine öffentliche Debatte über sie zu führen.



    "Man denke an die Benetton-Schockwerbung über HIV-Positive in den 90er Jahren"



    Na ja, wenn man um ein zitierfähiges Beispiel zu finden ganze drei Jahrzehnte zurückgehen muss, scheint es mit dem "konfrontativen und subversiven Charakter" der Werbung ja im Allgemeinen doch nicht so weit her zu sein.



    "Kann es sein, dass die Purifizierung des öffentlichen Raums auch eine kulturelle „Säuberung“ impliziert?"



    OMG, wehret den Anfängen, wenn man auch nur laut darüber nachdenkt die immer weiter ausufernde Werbeflut etwas weiter zu regulieren, lauern Mao und Stalin spätestens hinter der nächsten Ecke um uns zu sagen was wir noch sagen dürfen. Erst war es die Zigarettenwerbung im Kinderprogramm, nun fordern sie die Umgestaltung des öffentlichen Raumes in eine Dauerwerbesendung zu begrenzen und als nächstes drohen Kommunismus und Gulag. Und, nein, Großplakate die für Hundefutter, Handyverträge oder das nächste Großbordell werben sind ebenso wenig relevante Beiträge zum gesellschaftlichen Diskurs noch Kunst im öffentlichen Raum wie nicht beseitigter Hundekot.



    ...

    • @Ingo Bernable:

      ...



      "In der urbanen Filterblase soll jeder optische Reiz, jeder Sichtkontakt zum Frivolen unterbunden werden."



      Auch das scheint mir ein (bewusstes?) Missverständnis zu sein. Es geht nicht darum dies pauschal zu unterbinden, sondern den Menschen die (Wahl-)Freiheit zuzugestehen welchen optischen Reizen sie sich aussetzen möchten und welchen nicht. Wenn ich zwangsweise an jeder Ecker mit der Hackfresse von B-Promi Soundso konfrontiert werde der*die mir aggressiv vermittelt wie geil doch das neueste Staubsaugermodell für jetzt nur 99€ ist, dann hat das absolut gar nichts mit genussvoller Frivolität, zu tun, und auch nicht mir politisch-gesellschaftlicher Kontroverse oder einem erweiterten Kunstbegriff, sondern ist einfach nur übergriffig.

  • Werbung als Informationsaustausch zu bezeichnen finde ich schwierig. Werbung kommuniziert erstmal nur einseitig. Dann erlaubt es viel Spielraum für Falschinformation und suggestive Irreführung. Nicht zuletzt kann sie äußerst manipulativ sein. Ich finde, dass sind schon ziemlich viele gute Gründe über eine Abschaffung oder zumindest Einschränkung von (kommerzieller) Werbung nachzudenken. Ausnahmen für Kulturstätten, die idR tatsächlich Informationsaustausch oder Bildung ermöglichen, könnte es ja geben.

  • 2Wer Werbetafeln demontiert, demontiert auch einen Teil der Öffentlichkeit."

    Also Werbetafeln als Teil der kulturellen Identität? Aber nur solche, die den Kriterien entspricht.



    Klar, die gehen mit der Kultur einher. Aber kann man nur schwer eine zivilisatorische Errungenschaft machen, zumal zahllose Argumente zumindest gegen ein Überhandnehmen sprechen.

    Eine Einschränkung scheint sinnvoll, trotz der Ikonen in New York und anderswo. Die kann man ja unter Denkmalsschutz stellen.

  • Nicht jeder will sich beim Einkaufen unbedingt 5 Meter hohe Fotos von Frauen in Dessous anschauen! Das dürfte im multikulturellen Genf ein wichtiges Argument gegen Werbung in der Öffentlichkeit gewesen sein. Weniger Ablenkung würde ausserdem zu weniger Unfällen im Strassenverkehr führen. Im Internet wird wegen guter Adblocker niemand gezwungen, sich Werbung anschauen, warum dann unbedingt im echten Leben?

  • Man will keine Werbung sehen, aber kaufen tut man den Scheiß trotzdem.

    Das passt wunderbar zu dem Geplapper von einer "Green Economy, das vorgaukelt, man könnte ein System, das zur Realisierung des Profits über Leichen geht, Kriege anfängt, lokale Ökonomien zerstört, Hunger verursacht und die Umwelt in einem ungeheuren Maßstab zerstört, einfach so eben mal in einen braven Öko-Kapitalismus verwandeln, der Mutter Natur mehr zurückgibt als er ihr entnimmt.

    • @Jim Hawkins:

      wie recht du hast. trotzdem nerven die stadtmöbel gewaltig und stehen oft auch noch dem blick auf den verkehr im weg. und heut sinds eben nich mehr paar neonröhren, sondern zunehmend bildschirme, die dann dem verkehrsteilnehmer alle möglichen bewegungen in die augenwinkel projizieren, die mensch fahrer zufußgeher erstmal vom wahren verkehrsgeschehen mental separieren muss. es geht in der debatte nich bloß um inhalte (werbung konsum menschenverachtung vereinnahmung), es geht auch um die vereinnahmung meines sicht-feldes - und des hörens dazu: überlaut und am penetrantesten in den supermärkten der REWE-gruppe. da ist politisch gewollter schutz auch im halböffentlichen raum gefragt.

      • @lesnmachtdumm:

        Da hast Du ja recht.

        Dennoch finde ich Werbung ganz interessant.

        Neulich sah ich einen Werbeblock im Privat-TV. Erst eine Beauty-Reklame.



        Die Schauspieler:innen in dem Spot waren eine derartig queere und diverse Ansammlung, wie man sie im wahren Leben nie antreffen würde.

        Dann wurde ein Waschmittel beworben, das sauber und grün wäscht. Es wurde der Eindruck erweckt, man könnte das Zeug auch trinken.

        Jeder zweite Beauty- oder Modespot erweckt diesen Eindruck:

        Alles easy, wir akzeptieren alle und jeden, alles ganz normal.

        Dazu kurven wir mit einem E-Mobil in der Weltgeschichte umher, das Lavendelduft ausstößt.

        Die Werbung hält ihr manipulatives Näschen in den Wind und sagt, alles wird gut, wenn Du kaufst, was ich Dir zeige.

        Leider ist das gelogen. Aber interessant.

        Schließlich

  • Ganz werbefrei würde ich eine Stadt nicht machen. Sicherlich werde ich Autos, Bundeswehr, Fleisch und Modemodels auf Bushaltestellen nicht vermissen. Aber was ist mit Kultur? Musik? Kino? Oder Aktionen der UNICEF oder vom WWF?

    • @Troll Eulenspiegel:

      Ich begrüßte es, wenn man im allerersten Schritt die Werbung des WWF verböte. Der Rest kann dann nach und nach folgen.

      • @Toto Barig:

        Mir würde es bei dieser "Werbung" nicht um Werbung sondern um Sensibilisierung der Bewahrung der Natur gehen. Oder warum wäre der WWF ungeeignet dazu?