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Geheimverhandlungen in DohaBundesregierung spricht mit Taliban

Das Auswärtige Amt hat Gespräche mit den Islamisten geführt. Diese hätten versichert, sich für den Schutz früherer Ortskräfte vor Ort einzusetzen.

Die Taliban haben den Leiter des Medienbüros der Regierung ermordet; Kabul, 06. August 2021 Foto: Rahmat Gul/ap

Berlin afp/taz | Das Auswärtige Amt hat am Freitag dem ZDF bestätigt, in der vergangenen Woche in Katars Hauptstadt Doha mit Vertretern der afghanischen Taliban gesprochen zu haben. Zum Inhalt der Gespräche machte das Außenministerium demnach aber keine Angaben.

Laut ZDF, das zusammen mit der Bild-Zeitung als Erstes von den Gesprächen berichtet hatte, hätten die Taliban dabei versichert, sich für den Schutz früherer Ortskräfte der Deutschen in Afghanistan einzusetzen. Deutsche Diplomaten hätten allerdings Zweifel am Wert dieser Zusage, hieß es im ZDF weiter.

Die Abordnung der radikalislamistischen Taliban wurde dem Sender zufolge von Abdul Haq Wasiq angeführt. Der frühere Guantanamo-Häftling werde von den Taliban als „Leiter der europäischen Sektion des Islamischen Emirats Afghanistan“ bezeichnet. Die deutsche Delegation sei von dem Afghanistan-Beauftragten der Bundesregierung, Jasper Wieck, geleitet worden.

Die Taliban haben seit dem Abzug des Großteils der Nato-Truppen aus Afghanistan seit Anfang Mai weite Teile des Landes erobert. Die letzten in Afghanistan stationierten Bundeswehrsoldaten waren Ende Juni nach Deutschland zurückgekehrt. Der Einsatz westlicher Truppen hatte nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA begonnen, die letzten US-Soldaten sollen spätestens bis zu dessen 20. Jahrestag abgezogen werden.

Die Taliban sind in der Offensive

Derzeit führen die Taliban Offensiven gegen mehrere Provinzhauptstädte durch, darunter Herat, Kandahar und Lashkar Gah. Am Freitag haben sie offiziellen Angaben zufolge erstmals eine Provinzhauptstadt erobert. Die Stadt Sarandsch in Nimros im Süden des Landes sei von den radikalen Islamisten eingenommen worden, teilte die Provinzpolizei laut Reuters am Freitag mit. Deren Sprecher machte das Ausbleiben von Verstärkungen durch die Zentralregierung in Kabul für die Niederlage verantwortlich. Die Regierungstruppen sind vielfach demoralisiert. Doch greift bisher noch die US-Luftwaffe auf ihrer Seite mit Bombardierungen von Taliban-Stellungen ein.

Die Taliban haben als Vergeltung dafür angekündigt, gezielt hohe Regierungsvertreter zu töten. So hatten sie am Mittwoch in Kabul das Haus des Verteidigungsministers angegriffen und weitgehend zerstört, ihn jedoch nicht angetroffen. Am Freitag erschossen sie aber den Leiter des Medienbüros der Regierung beim Gebet in einer Moschee.

Die „Terroristen“ hätten mit der „feigen Tat einen patriotischen Afghanen zum Märtyrer gemacht“, sagte der Sprecher des Innenministeriums, Mirwais Staniksai, am Freitag über den Anschlag auf Daua Khan Menapal. Die Taliban übernahmen die Verantwortung für das Attentat. Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahid teilte mit, dass das Opfer bei einem Anschlag der „Mudschaheddin“ getötet worden sei.

Die monatelangen Gespräche zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung in Doha stocken seit Langem. Die Taliban hatten im Februar 2020 mit der US-Regierung von Donald Trump den Abzug aller US-Truppen bis Ende April 2021 vereinbart. Auf diese Gespräche und Einigung hatte die afghanische Regierung von Präsident Ashraf Ghani keinen Einfluss.

Kritik von Abgeordneter der Linkspartei

Seitdem haben die Taliban aber wenig Motivation, mit der Regierung zu verhandeln, die ihnen über Neuwahlen eine Machtteilung in Aussicht stellt. Die Taliban hingegen fordern eine Kapitulation der Regierungstruppen und Freilassung gefangener Taliban. Die Regierung hat in den letzten Monaten bereits mehrere tausend Gefangene freigelassen.

Ob die Gespräche der Bundesregierung mit Zustimmung der afghanischen Regierung stattfanden oder hinter deren Rücken geführt wurden, ist unklar. Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen (Die Linke) erklärte: „Es ist unerträglich, dass die Bundesregierung versucht, mit der islamistischen Terrorgruppe Geheimvereinbarungen über das Schicksal der Ortskräfte der Bundeswehr in Afghanistan abzuschließen.“

Sie drängte auf die umgehende Aufnahme gefährdeter Ortskräfte in Deutschland, statt den Taliban Garantieversprechungen über deren Sicherheit abhandeln zu wollen. Die Bundesregierung hatte mehrfach die Aufnahme der Ortskräfte zugesagt, doch in der Praxis hohe Hürden aufgebaut. Auch wurden dabei Unstimmigkeiten zwischen verschiedenen Bundesministerien deutlich. Zugleich ist die Bundesregierung in der Kritik, weil sie auch aufgrund eines unrealistischen Lageberichts weiterhin an Abschiebungen nach Afghanistan festhält, trotz des eskalierenden Krieges und einer Bitte der afghanischen Regierung, derzeit auf Abschiebungen zu verzichten.

Die Bundesregierung müsse sich auch zu möglichen Gegenleistungen an die Taliban äußern, so Dagdelen. Sie nannte es „völlig unverständlich, dass die Taliban von der Bundesregierung offenbar als Verhandlungspartner über die Sicherheit der Ortskräfte angesehen werden, während die islamistische Terrorgruppe bei ihrem Vormarsch zahlreiche Gräueltaten gegen Andersdenkende, säkulare Afghanen oder die Angehörigen von Minderheiten begeht.“ Die Partei Die Linke hatte den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan stets abgelehnt.

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15 Kommentare

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  • +++Das Auswärtige Amt hat Gespräche mit den Islamisten geführt.+++



    Wozu?,



    Für ein gutes gewissen?



    Abhauen, die Helfer ihrem Schicksal überlassen und dann noch mit der übelsten Sorte Mensch verhandeln!

    Was soll sich denn bei der Gesinnung der Taliban geändert haben?



    Das ist keine Politik, das ist versagen auf der ganzen Linie.



    Das ganze Land wird in kürzester Zeit zurück in die Steinzeit geschickt.



    Die Afghanen können dann nur sagen, "danke für nichts".

  • Die Angriffe der Taliban werden Millionen Menschen in die Flucht schlagen, erst recht, wenn sie weite Teile des Landes erobern oder sogar ganz Afghanistan beherrschen.

    Viele afghanische Geflüchtete werden versuchen, nach Europa zu gelangen, aber die EU schottet sich weiter ab. Erdogan wird wieder der EU drohen, Geflüchtete durchzulassen, und die EU wird im Gegenzug noch mehr Geld an Erdogan zahlen, damit möglichst wenig Geflüchtete über die Türkei in die EU kommen.



    Weil die Landgrenzen ziemlich dicht sind, werden viele afghanische Geflüchtete dann den gefährlicheren Weg übers Mittelmeer versuchen, sehr viele davon werden leider ertrinken, weil es keine staatliche Seenotrettung mehr gibt.

    Der Konflikt in Afghanistan lässt sich militärisch nicht lösen.



    Aber man sollte schauen, wer die Taliban mit Geld & Waffen unterstützt. Das sind z. B. Pakistan, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Der fundamentalistische sunnitische Islamismus der Taliban findet viel Unterstützung in vielen arabischen Golfstaaten, in denen ebenfalls ein sehr konservativer sunnitischer Islam vorherrscht.



    Unterstützer der Taliban sollte man mit Wirtschaftssanktionen bestrafen u. Waffenembargos verhängen.

  • Wir sollten einige Drogen legalisieren dann bricht die Finanzierung zusammen. Danach Bargeld abschaffen dann geht das auch nicht mehr. Dann Grundbuch, Finantamt und Co zusammenschließen und Kontolle haben.

    Nebenbei erledigen wir kriminelle Strukturen aller Art. Und dann noch die Steuereinnahmen. Schwararbeit geht auch nicht mehr..... toll

  • Was für ein leicht durchschaubares Manöver.



    Geschickt gemacht - besonders den Eindruck zu erwecken, dass sei "geleakt" worden.



    Damit versucht das Heimatministerium seinen Abschiebewahn (der ja nichts anderes ist wie ein Schleppnetz um am rechten Rand zu fischen) zu legitimieren.

    Da ist es jetzt Aufgabe der Journalisten, zu beobachten wie es den Abgeschobenen ergeht und das schonunglos an die Öffentlichkeit zu zerren.

    Aber ich bin sicher Heimatminister tut alles um die Identität der Abgeschobenen geheimzuhalten.



    Datenschutz ...wissen schon...

  • Das fügt sich nahtlos in die bisherig Migrationspolitik ein. Deals mit Verbrechern, die sich um die Migranten "kümmern" sollen, Hauptsache, sie kommen nicht hierher. Türkei, Lybien, Sudan, you name it. Dann noch viele Millionen Euro an die Verbrecher überweisen, die hier der Bevölkerung als Kosten der "Fluchtursachenbekämpfung" vorgerechnet werden. Und der feiste deutsche bin-ich-noch-lange-kein-Nazi raunzt gallig "was wir für die Flüchtlinge zahlen!!!" Ein Sittenbild der totalen Verkommenheit. Deutschland ist moralisch wieder da, wo es vor knapp 100 Jahren schon einmal war.

  • Also das ist ja ein äußerst pragmatischer Ansatz, außenpolitisch mit den künftigen alten und neuen Machthabern in Afghanistan umzugehen … Anerkennung von Realitäten eben.



    Ob man aber dem Wort der Taliban Glauben schenken kann?



    Ich denke eher, hier manifestiert sich das schlechte Gewissen der Bundesregierung - sofern man davon überhaupt sprechen kann - , das afghanische Bundeswehr-Bedienstete kaltblütig ihrem ungewissen Schicksal überlassen werden.



    Diese Geheimverhandlungen mit den Taliban wie auch die nur vorübergehend ausgesetzten Abschiebungen - weil Flieger auf afghanischen Flugplätzen wegen der Kämpfe dort nicht gefahrlos landen können-, setzen der deutschen Schande noch einen obendrauf.

  • Damit begeht die Regierung Deutschlands Verrat an Freunden und Unterstützern unseres Landes.



    Das zeigt ganz offen, zu was unsere Regierungspolitiker wirklich im Standes sind.

    Abwählen und Menschenleben retten.

  • Die Taliban werden sichnicht an Abmachungen halten. Wer das nicht begreifen will, weiss nicht, wer die Taliban sind.

  • für mich ist es unerträglich, dass z.B. die Linkspartei, wie auch ein Großteil der EKD, bereits vor 10 Jahren den aufrichtigeren unter den demokratisch legitimierten Soldat*innen in den Rücken fallen, sie zum Abzug bewegen und im Endergebnis nun auch die Frauen des freieren Teils in Afghanistan schutzlos den Tabiban-Fundimuslimen aussetzen.... Was nicht die teilweise auch geschehenen Kriegsverbrechen der USA rechtfertigen soll. - Umso wichtiger wäre ab er die Unterstützung einer moralisch-demokratisch integren Bundeswehr in Kundus gewesen! - Doch welcher dt. "Linke" denkt schon so weit? Man überlässt die BW lieber den Rechten, und ist selbst zu moralisch zu "abgehoben", dort seinen demokratischen ausgleichenden Dienst zu versehen(?)

    Wie auch immer: vielen Dank an das taz-Team für die vielen recht objektiven Beiträge der letzten Wochen auch zu dem hochkomplexen Thema Afghanistan!

    • @Martin L.:

      Weder Linkspartei noch EKD bewegten die deutschen Soldat*innen zum Abzug. Diese sind abgezogen, weil die USA den Abzug der ausländischen Truppen mit den Taliban ausgehandelt hatten!

      Krieg in Afghanistan ist nicht zu gewinnen, das mussten die Briten im 19. Jahrhundert erfahren, die Sowjetunion 1979 - 1989 u. die NATO-Staaten ab 2001.



      Die USA haben selbst 1979 – 1989 die Taliban unterstützt u. bewaffnet.

      Die deutsche Regierung versuchte im Inland, den Kriegseinsatz ab 2001 als „rein humanitäre Aktion“ zu verkaufen, als würden die Soldat*innen dort nicht kämpfen, sondern nur Brunnen u. Mädchenschulen bauen.

      In sogenannten „Krieg gegen den Terror“ starben bei Drohnenangriffen der USA u. Angriffen auf Siedlungsgebiete zu über 98 % unschuldige Zivilist*innen. Das ist kein Terrorbekämpfungsprogramm, sondern eher ein „Terrorzuchtprogramm“, denn viele Hinterbliebene bekamen Hass auf die USA u. die mit ihnen verbündet afghanische Regierung, einige Hinterbliebene wandten sich radikalen Islamisten wie Taliban u. IS zu.

      Auch Deutschland hat Kriegsverbrechen begangen, z. B. als Oberst Klein 2009 einen Angriff auf 2 Tanklaster in Kundus befahl, bei dem ca. 150 afghanische Zivilist*innen starben.

      Was man den USA u. auch Deutschland vorwerfen muss, ist dass man in Afghanistan eine militärische Lösung versucht hat u. es versäumt hat, stabile staatliche u. zivile demokratische Strukturen aufzubauen. Stattdessen haben sie auch mit afghanischen Warlords u. korrupten Politikern zusammengearbeitet, welche in der afghanischen Bevölkerung ziemlich unbeliebt sind. Viele der Warlords haben selbst auch schwere Menschenrechtsverstöße (z. B. Folter, Morde an Zivilist*innen) begangen.

      Die Bundeswehr macht nicht gerade Werbung für sich in eher linken Kreisen.



      Auch die vielen rechtsextremen Vorfälle in der Bundeswehr wirken sehr abschreckend auf Linke, die sonst gerne dort Dienst getan hätten.

  • Demnächst: Hirte verhandelt mit Wolf. Dieser versichert, gut auf die Schafe aufzupassen.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Wenn ich mir immer anschaue wem die Bundesregierung immer alles glaubt und meint das sich die andere Seite an Verträge hält, dann frage ich mich echt ob die auch auf die email von nigerianischen Prinzen reinfallen?

    • @83379 (Profil gelöscht):

      Ich vermute, dass da eher Kalkül dahinter steckt.

      Man kann so sagen, die Taliban hätten eine Garantie für die Ortskräfte abgegeben und so muss man sie nicht nach Deutschland holen.

      Das ist natürlich eine ganz üble Nummer, allerdings auch nicht übler als die Folterlager in Libyen.

      • 8G
        83379 (Profil gelöscht)
        @Jim Hawkins:

        Ja aber das ist doch inkonsequent entweder man glaubt an Asyl dann sollte man es den Ortskräften gewähren oder nicht dann soll man den Weg Dänemarks gehen aber dieses man macht was um was gemacht zu haben ist armselig und das kauft die Bevölkerung auch nicht ab. Ein Staat kann als grausam gelten ohne Probleme, als barmherzig auch ohne Probleme aber ein Staat der seine Bürger in einer Demokratie für Idioten hält der hält sich nicht. Afghanische Vergewaltiger und Islamisten abschieben und Ortskräfte herholen und wenn man schon dabei ist jede Frau die mit will nach Deutschland. Die afghanische Armee kann dann die Rückkehrer in Bewährungsbattalione stecken.

        • @83379 (Profil gelöscht):

          Sie haben wirklich Recht.