piwik no script img

Angriff auf Presse bei Stuttgarter Demo„Hass deutlich gespürt“

Der Reporter Felix Zink und ein Kollege wollten von einer Kundgebung gegen Corona-Maßnahmen berichten. Dort wurden sie angeschrien und angegriffen.

Protest unter dem Motto „Es reicht!“ am Samstag in Stuttgart Foto: Christoph Schmidt/dpa
Peter Weissenburger
Interview von Peter Weissenburger

taz: Herr Zink, am Samstag in Stuttgart waren Sie als Reporter für den SWR bei der Kundgebung „Es reicht“ gegen Coronamaßnahmen. Sie wurden dort laut Medienberichten bedrängt und angegriffen. Was ist aus Ihrer Sicht passiert?

Felix Zink: Wir sind gegen 13.30 Uhr bei der Kundgebung am Oberen Schlossgarten eingetroffen. Dort hatten sich etwa 1.500 Menschen versammelt – das sind die Angaben des Veranstalters und diese decken sich mit meiner Einschätzung. Es herrschte zunächst friedliche Stimmung, ich habe zu diesem Zeitpunkt noch keine große Abneigung gegen die Presse gespürt. Allerdings trug ein Großteil keine Masken. Die Polizei machte dann eine Durchsage, Masken anzuziehen, dem sind die meisten nicht nachgekommen. Daraufhin hat nach meinem Wissen der Veranstalter die Kundgebung vorzeitig beendet.

Wie kam es zu dem Angriff?

In dem Moment, als die Teilnehmer begannen, sich in alle Richtungen zu zerstreuen, standen wir hinter der Kundgebung, noch hinter uns standen zwischen sechs und neun Personen von der Polizei in voller Schutzmontur. Wir wollten noch ein paar Übersichtsbilder drehen, da sah ich aus dem Augenwinkel einen Mann, der einen Gegenstand gezielt Richtung Kopf meines Kollegen an der Kamera warf. Der Gegenstand stellte sich später als Verpackungsmüll heraus. Juristisch gesehen ist das ein Angriff, das ist korrekt berichtet worden. Allerdings ist mir wichtig zu betonen, dass der Vorfall keine vergleichbaren Ausmaße hatte wie der Angriff auf das ZDF-Team in Berlin vor einem Jahr.

Mein Kollege wurde nicht getroffen. Sekunden später hat unsere Security eingegriffen und den Mann zur Polizei gebracht. Wir sind unverletzt geblieben. Dieses Erlebnis war für mich weniger erschreckend. Dann jedoch sind wir in die Innenstadt gegangen, weil wir hörten, dass einige Hundert Menschen da weiter demonstrierten. Dort wurden Sprechchöre an uns gerichtet, dass wir uns schämen sollten, dass wir uns verpissen sollten, dass uns keiner hier traue. Eine Gruppe Männer, groß, durchtrainiert, weiß, bedrängte uns und schrie uns an, das mündete dann in ein Pfeifkonzert der Umstehenden. Ich möchte nicht von „einkesseln“ sprechen. Aber überall um uns herum standen Menschen und schrien uns an. Ich selbst wurde unter anderem als „Hurensohn“ bezeichnet.

Wie haben Sie reagiert?

Ich habe den Dreh abgebrochen. Ich kenne die Abläufe dieser Demos und bin gewohnt, dass es aufgeheizt werden kann. Aber diese Stimmung habe ich so noch nicht erlebt. Man wird mal beleidigt. Aber Sprechchöre gegen die Presse und dass sich so viele der Umstehenden davon mitreißen lassen, das kannte ich bisher noch nicht. Man hat den Hass deutlich gespürt. Das war ganz weit weg von sachlicher Kritik – einfach nur Aggression. Das hat mir tatsächlich als Reporter Angst gemacht.

Haben Sie diese Menschen politisch zuordnen können?

Max Schorch
Im Interview: Felix Zink

27 Jahre, arbeitet seit drei Jahren als freier Reporter bei „SWR aktuell“ in Baden-Württemberg. Er und ein Kameramann machten am Samstag Aufnahmen von der Kundgebung „Es reicht“ in Stuttgart und sie sammelten O-Töne für die Nachrichtensendung am Abend. Zum Team gehörten außerdem drei Sicherheitsleute.

Ich habe keine rechten oder sonstigen politischen Symbole gesehen. Es wurde „Lügenpresse“ skandiert, was ein Begriff ist, den vor allem die rechte Szene geprägt hat, der aber mittlerweile an vielen Stellen erschreckend schnell genannt wird, wenn die Berichterstattung schlicht nicht zur persönlichen Überzeugung passt. Auf der Kundgebung zuvor habe ich eher ein Potpourri wahrgenommen: Konservative, „Hippies“, das Verschwörungsmilieu mit „Stoppt Gates“- und „Stoppt die Diktatur“-Plakaten. Auch Menschen von nebenan, die vielleicht eindeutige Antworten auf komplexe Fragen suchen. Ich habe mich ja mit einigen unterhalten, die sprachen sachlich mit mir. Mir ist auch wichtig zu sagen, dass sich nicht alle Teilnehmer an den späteren Rufen und Beleidigungen in der Innenstadt beteiligt haben. Allerdings waren diejenigen, die nicht mitmachten, in der Minderheit.

Wie schützen Sie sich?

Bei Demos nehmen wir beim SWR mittlerweile oft Personenschutz mit. Bei Demos gegen die Coronamaßnahmen ist es inzwischen Standard. Der Personenschutz hat gute Arbeit geleistet, das Team war für mich und meinen Kollegen da, als es gebraucht wurde. Gerade wegen des Security-Teams bin ich eingangs nicht mit einem schlechten Gefühl zur Demo gegangen. Und obwohl uns nichts geschehen ist, war ich am Ende einfach froh, dass es dabei war. Allein diese Erkenntnis finde ich erschreckend.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

16 Kommentare

 / 
  • Wenn ich feststelle, dass ich einem Menschen gegenüberstehe, der Corona leugnet, sage ich immer: Sie haben gewiss recht, denn die Frau vom Papst glaubt auch nicht an Covid-19, wie ich aus zuverlässiger Quelle weiß.



    ;-)

  • In ihren Gruppen rufen die Veranstalter explizit dazu auf, politisch zuzuordnende Fahnen und Symbole zuhause zu lassen. Man hat die sichtbare Nähe zur rechtsradikalen Szene als hinderlich erkannt und bittet um Tarnung. Die alle einende Querverbindung ist noch immer Q.

  • Warum sollen wir denn nun die Coronaimpfungen stoppen? Die sind doch alle freiwillig.

    • @Bunte Kuh:

      Das habe ich mich auch gefragt. Da sieht man, was für Intelligenz bei den Corona-Demos mitmarschiert.

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @Bunte Kuh:

      Weil...



      Hatte letztens ganz viele Hochglanzprospekte der Querdenker im Briefkasten. Da waren die Gründe aufgezählt. Genetische Veränderung des deutschen Volkes war einer. Ich kann sie ihnen schicken...

      • @4813 (Profil gelöscht):

        Man konnte sich schon denken, dass die selbsternannten Querdenker auch von Biologie keine Ahnung haben.

  • Es berichten nicht alle Medien so objektiv wie die TAZ. Die Demonstranten können das nicht differenzieren. Sie sehen nur, wie sie in manchen Medien als Verrückte und Radikale dargestellt werden. Das kennt man von den 68er-Demonstrationen, wo sogar Autos angezündet wurden. Man sollte für die "Paranoia" der Demonstranten Verständnis haben.

    • @Wolfdieter Hötzendorfer:

      Aha. Nennen Sie doch mal ein paar konkrete Beispiele, statt Nebelkerzen zu werfen

    • @Wolfdieter Hötzendorfer:

      Warum sollte man für die Paranoia Verständnis haben? Wieso entwickeln nur bestimmte Teile der Bevölkerung eine Paranoia (angeblich aufgrund der Presse), während die Mehrheit resistent gegen diese Paranoia zu sein scheint?

    • @Wolfdieter Hötzendorfer:

      Wenn mich jemand von der Presse als verrückt und radikal bezeichnen könnte, sollte ich dem also zuvorkommen, indem ich - wie ein Verrückter und/oder Radikaler - verbal oder gar körperlich auf ihn losgehe?



      Diesen Gedankengang will ich gar nicht fortführen. Sonst bringe ich so denkende Menschen noch auf falsche Ideen, die für sie eventuell ganz logisch klingen.

    • @Wolfdieter Hötzendorfer:

      Nee, dafür braucht man keinerlei Verständnis haben. Jeder ist für sein Handeln verantwortlich. Das sind keine kleinen Kinder. Und die Presse ist durch ihre kritische Berichterstattung selbst schuld wenn sie angepöbelt und angegriffen wird? Das erinnert mich nicht an die 68er sondern an Pegida und co. Gehts noch?

    • @Wolfdieter Hötzendorfer:

      Das SIND Verrückte und Radikale.

      Diese Leute beschweren sich doch sonst immer, daß man seine Meinung nicht mehr sagen darf. Nun, ich meine: Das sind Verrückte und Radikale.

      Die können bloß keine Kritik vertragen - sie teilen massiv aus, aber können nicht einstecken.

      Verrückt, bei Demos keine FFP-Masken zu tragen, bzw. im Moment da überhaupt hinzugehen.

      Radikal, "stoppt die Diktatur" und "Merkel muß weg" zu fordern.

      Blöde, "Lügenpresse" zu brüllen, weil man das irgendwo im Internet gesehen hat.

      Tut mir leid, aber wer sich so exponiert, der muß halt auch mit Gegenwind rechnen.

    • @Wolfdieter Hötzendorfer:

      "Sogar Autos"? Also nicht nur Pressevertreter oder wie?

      Und in wie fern sollte man für solch ein Denken und Verhalten Verständnis haben?



      Sicherlich sind bei Umsetzung und Kommunikation politischer Maßnahmen gravierende Fehler gemacht worden. Aber entbindet das den Einzelnen davon, Verantwortung für seine Ansichten und Taten zu übernehmen?

  • Es berichten nicht alle Medien so objektiv wie die TAZ. Die Demonstranten können das nicht differenzieren. Sie sehen nur, wie sie in manchen Medien als Verrückte und Radikale dargestellt werden. Das kennt man von den 68er-Demonstrationen, wo sogar Autos angezündet wurden. Man sollte für die "Paranoia" der Demonstranten Verständnis haben.

  • "Corona-Impfung stoppen"? Was für Irre sind das denn?

  • Die Schreihälse sollten lieber zur Kenntnis nehmen, dass die Abneigung gegen sie immer größer wird.