Anwärter auf den CDU-Vorsitz: Drei nach Merkel
Nach dem Verzicht von AKK auf den CDU-Parteivorsitz stehen drei Kandidaten in den Startlöchern. Wir stellen das Trio vor.
Markus Söder dürfte schon mal raus sein. Der Bayer, sonst sehr von sich überzeugt, beteuert glaubhaft, nicht Kanzlerkandidat der Union werden zu wollen. In Bayern sei sein Standort und er sei bei den bayerischen WählerInnen im Wort, betonte er. Und: „Ich bin der festen Überzeugung, es wird sich jemand finden in der CDU, der unbedingt will.“ Solche Äußerungen wird Söder später nur schwer revidieren können. Wobei, im Moment ist in der Union alles möglich.
Doch zudem spricht ein formales Argument gegen Söder. Die große CDU hat gerne die Hosen an. So soll es bleiben, darauf wies Noch-CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hin, die allerdings in dem nun anstehenden Machtkampf nicht mehr viel zu sagen hat. Es sei offensichtlich, dass Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur in eine Hand gehörten, sagte sie im Parteipräsidium der CDU. Söder aber, bekanntlich Vorsitzender der bayerischen CSU, kann nicht Chef der CDU werden.
Es bleiben also – nach Stand der Dinge – drei Kandidaten, die für Kramp-Karrenbauers Nachfolge und die Kanzlerkandidatur gehandelt werden. Alle drei sind Männer, und alle bleiben erst mal in der Deckung. „Die Entscheidung von AKK verdient Respekt“, twitterte Friedrich Merz nach Kramp-Karrenbauers Ankündigung kreuzbrav. Jens Spahn betonte, bei allem, was nun komme, gelte: „Entschlossenheit, Zusammenhalt und Klarheit machen uns stark.“ Und Armin Laschet, Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, gab sich bedrückt: „Wir bedauern den heutigen Rückzug.“
Selten wird so viel geheuchelt wie nach Rücktritten von ChefInnen. Allen in der Union ist klar: Der Kampf um die Nachfolge begann in dem Moment, als Kramp-Karrenbauer ihre resigniert klingende Erklärung im Konrad-Adenauer-Haus verlas. Genau genommen hatte er schon lange vorher begonnen. Wer es wird, ist entscheidend für die Republik. Die Union hat die besten Chancen, den nächsten Kanzler zu stellen. Und ein Friedrich Merz würde anders regieren als ein Armin Laschet. Wer sind die drei?
Armin Laschet
Kurzbio: Armin Laschet, 58, wirkt in Talkshows harmlos wie ein Gute-Laune-Bär, hat es aber faustdick hinter den Ohren. Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens, des bevölkerungsreichsten Bundeslandes, und dann noch mit der FDP – das zählt viel in der Machtlogik der CDU. Laschet hat schließlich bewiesen, dass er eine Wahl gewinnen kann. Was gegen die beliebte Sozialdemokratin Hannelore Kraft nicht einfach war.
Inhaltlich steht er am ehesten für die Fortsetzung des mittigen Merkel-Kurses. Er forderte früh ein Einwanderungsgesetz und unterstützte die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin vorbehaltlos – womit er sich im konservativen Flügel viele Feinde machte. Unter dem ehemaligen CDU-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers wurde Laschet 2005 der erste Integrationsminister Deutschlands, suchte den Dialog mit Muslimen und vertrat progressive Positionen in der Integrationspolitik.
Laschet weiß natürlich, dass er auch den Konservativen Zucker geben muss, um in seiner Partei eine Chance zu haben. Im NRW-Wahlkampf 2017 holte er sich den Haudegen Wolfgang Bosbach zur Hilfe und warf Kraft Versäumnisse bei der inneren Sicherheit vor. Seit einiger Zeit zieht er verdächtig polemisch über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk her, der keinen Erfolgsdruck habe und seinen Redakteuren überdurchschnittliche Gehälter zahle. Botschaft: Laschet kann auch populistisch, wenn es der Sache nutzt.
Stärke: Ein CDU-Kanzlerkandidat Laschet würde die Räume in der Mitte eng machen. Ökoaffine Bürgerliche würden vielleicht davon abgehalten, zu den Grünen überzulaufen. Auf einem CDU-Parteitag, der die Entscheidung über den Kandidaten wohl fällen muss, hätte er gute Chancen, allein deshalb, weil sich der starke Landesverband Nordrhein-Westfalen hinter ihm versammeln würde.
Schwäche: Laschet wäre Merkel in männlich. Viele in der CDU fragen sich, wie sie mit Laschet an der Spitze die AfD kleinhalten sollen. Wobei das Projekt „Wähler von der AfD zurückgewinnen“ fragwürdig ist: Wie gewinnt man Leute mit hermetisch geschlossenem Weltbild zurück, die den Klimawandel für eine Lüge, Europa für einen bösen Kraken und Höcke nicht für einen Nazi halten?
Schwarz-Grün-Verträglichkeit: Sensationell. Laschet, Baerbock und Habeck wären das doppelte Lottchen der ökosozialen Wende, nur eben zu dritt.
Jens Spahn
Kurzbio: Jens Spahn, 39, ist ein Tausendsassa. Der Freund markiger Sprüche, die in seiner Homebase im Münsterland für Begeisterung sorgen, vereint lässig all die Widersprüchlichkeiten der Moderne in seiner Person. Schwul und konservativ, wirtschaftsliberal und sozial, gut gelaunt und staatstragend, jung und schon ewig dabei. Spahn ist irgendwie alles gleichzeitig.
Früher liebte Spahn es, die Linken mit starken Sprüchen auf die Palme zu bringen. Er lästerte über Englisch sprechende Hipster in Berliner Cafés. Oder gab den Armen der Republik ein paar Tipps aus dem Dienstwagen: „Hartz IV bedeutet nicht Armut, sondern ist die Antwort unserer Solidargemeinschaft auf Armut“, das kam nicht so gut an. Große Aufregung, tagelange Diskussion. So etwas liebte Spahn. Aber Spahn ist wandlungsfähig. Seitdem er Gesundheitsminister ist, gibt er eher den sozialen Kümmerer. So sorgte er zum Beispiel dafür, dass Angehörige der Mittelschicht die Pflegekosten ihrer Eltern nicht mehr übernehmen müssen.
Spahn gilt als verlässlich. Und wird auch von politischen Gegnern gelobt. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach kommt zum Beispiel gut mit ihm klar. Wenn es ihm in den Kram passt, ist Spahn zu erstaunlich progressiven Vorstößen fähig. Er war für die Ehe für alle, obwohl die übergroße Mehrheit in der CDU dagegen war. Er verbot Konversionstherapien, bei denen Pseudoheiler Homosexualität „kurieren“. Nicht unwichtig: Er versteht sich wirklich gut mit führenden Grünen.
Stärke: Humor. Schicke Brille – und auch sonst stylemäßig vorne in dem Trio. Spahn steht als einziger für einen Generationenwechsel. Seine Kandidatur könnte junge Leute eher begeistern als die eines Friedrich Merz. Denn ja, mit 39 ist man in der CDU noch jung. Thematisch breit aufgestellt, könnte Spahn konservative und mittige WählerInnen ansprechen.
Schwäche: Rückhalt in der CDU eher so: puh. Spahn trat schon im Herbst 2018 an, als es beim Bundesparteitag um die Merkel-Nachfolge im CDU-Vorsitz ging – und landete abgeschlagen auf dem dritten Platz. Hinter Kramp-Karrenbauer und Merz.
Schwarz-Grün-Verträglichkeit: Gut. Spahn würde ohne mit der Wimper zu zucken mit den Grünen koalieren. Und die Grünen auch mit ihm.
Friedrich Merz
Kurzbio: Friedrich Merz, 64, ist die Sehnsuchtsfigur vieler Konservativer, die sich das Gestern zurückwünschen – oder das Vorgestern. Ein katholischer Sauerländer, klar marktliberal, erfolgreich in der Wirtschaft, der ein Steuerkonzept auf dem Bierdeckel skizziert. Merz’ Ansage, mit ihm könne die CDU die AfD halbieren, weckt Träume von alter 40-Prozent-Dominanz.
Dass das wenig realistisch ist, spielt dabei kaum eine Rolle. Merz ist ein Redner, der Säle mitreißen und zuspitzen kann. Sein umstrittener Begriff der „deutschen Leitkultur“ ist bis heute ein Renner in Diskurszirkeln am Berliner Ku’damm. Noch ein Plus: Liberalkonservative Medien schreiben ihn hoch. Und sein Selbstbewusstsein ist fast so groß wie das von BlackRock verwaltete Vermögen. Jenes, nur zur Orientierung, lag 2018 bei 5,98 Billionen US-Dollar.
Seine politische Bilanz ist durchwachsen. Merz schaffte es nie in ein Ministeramt, er verfügt über keinerlei administrative Erfahrung. Die Unionsfraktion führte er nur zwei Jahre lang, bevor er den Vorsitz 2002 an Angela Merkel abgeben musste. 2004 zog er sich frustriert aus der CDU-Spitze zurück, wechselte 2005 in die Wirtschaft – und tauchte erst wieder auf der politischen Bühne auf, als Merkel ihren Rückzug vom Parteivorsitz verkündete.
Stärke: Merz hat eine große Fanbase. Viele Mitglieder und Funktionäre lieben ihn. Er unterlag im Wettrennen mit Kramp-Karrenbauer nur knapp. Der Wirtschaftsflügel der Union findet ihn toll, die knallrechte Werteunion, eine lautstarke Splittergruppe, auch. Praktisch: Merz besitzt ein Kleinflugzeug und den Pilotenschein. Er könnte kostengünstig und fotogen zu CDU-Parteitagen anreisen.
Schwäche: Mäßige Frustrationstoleranz. Ungeduld. Merz neigt manchmal dazu, unbedacht vorzupreschen. Und viele in der Union halten einen merkeligen Mittekurs gegen die starken Grünen für erfolgversprechender als Konservatismus pur. Eine Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock gegen Merz – da klingt ein Sieg der Grünen gar nicht mehr so unwahrscheinlich, oder?
Schwarz-Grün-Verträglichkeit: Mäßig. Bei den Grünen gibt es Vorbehalte gegen Merz. Mit ihm würde es schwierig, heißt es. Aber wäre das so? Unser Tipp: Beide Seiten wären biegsam genug, um das Liebenswerte aneinander zu entdecken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül