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Angriffe gegen ObdachloseUnd, schauen Sie hin?

Carolina Schwarz
Kommentar von Carolina Schwarz

Innerhalb weniger Tage kam es in Dortmund zu drei Tötungsversuchen an Obdachlosen. Was die Gleichgültigkeit der Gesellschaft damit zu tun hat.

Es ist dieses Unsichtbarmachen, das das Leben von obdachlosen Menschen – neben Drogenmissbrauch und Krankheit – gefährdet Foto: D. Kerlekin/imago

W enn ich mit der U-Bahn zur Arbeit fahre, muss ich auf dem Weg über Menschen steigen. Fast jeden Tag sitzen oder liegen in der U-Bahn-Station obdachlose Menschen im Vorraum oder auf dem Treppenabsatz. Manchmal sind sie zugedeckt mit Schlafsäcken oder Folien, sodass auf den ersten Blick nicht zu erkennen ist, ob es sich um einen Stoffhaufen oder doch einen Menschen handelt. Wenn ich am Morgen an ihnen vorbeimuss, gucke ich nicht nach, ob unter dem Haufen jemand atmet, sondern steige einfach über ihre Körper.

An manchen Tagen sind diese Menschen nicht da, die U-Bahn-Station wirkt dann wie leer gefegt. Lediglich Reste von Alufolie und Zigarettenstummel erinnern daran, dass sich hier kürzlich noch jemand aufgehalten hat. Wohin die Menschen verschwunden sind, weiß ich nicht. Wurden sie von der Polizei, der Security oder Putzkräften vertrieben? Sind sie in einen anderen U-Bahnhof gegangen oder gar aus der Innenstadt vertrieben worden?

Das Leben von obdach- und wohnungslosen Menschen ist mir nicht egal. Im Gegenteil: Ich habe sowohl journalistisch dazu gearbeitet und war auch wiederholt ehrenamtlich in der Obdachlosenhilfe tätig. Doch im Alltag werden die Menschen für mich unsichtbar, verschwimmen zu einer Masse, die mich meistens nicht tangiert und manchmal nervt. An manchen Tagen so stark, dass ich lieber mit dem Fahrstuhl aufs Gleis fahre, um den Menschen auf der Treppe nicht begegnen zu müssen. Ich schäme mich dann, aber nicht genug, um an meinem Verhalten etwas zu ändern. Und damit bin ich nicht allein, mir tut es ein Großteil der Gesellschaft gleich.

Doch diese Gleichgültigkeit, diese Ignoranz, können wir uns nicht erlauben. Denn es ist dieses Unsichtbarmachen, das das Leben von obdachlosen Menschen – neben Drogenmissbrauch, Krankheit, Hitze und Kälte – gefährdet. Wohnungs- und obdachlose Menschen werden in der Öffentlichkeit bespuckt, beschimpft und mit Gegenständen beworfen, ihre Zelte und Schlafplätze werden angezündet, sie werden ausgeraubt, mit Messern bedroht oder zu Boden getreten. Und im schlimmsten Fall werden sie getötet – in Obdachlosenunterkünften, bei Polizeieinsätzen oder auf der Straße.

Mordversuche in Dortmund

Diese Gewalt gehört für sie zum Alltag, ihr Leben ist nicht sicher. Aktuell gab es allein in Dortmund drei Tötungsversuche an obdachlosen Menschen, zwei davon mit tödlichem Ausgang. Vor gut einer Woche erschoss ein Polizist einen 52-jährigen Mann bei einem Einsatz. Nur einen Tag später soll ein 13-jähriger Junge einen 31-Jährigen am Dortmunder Hafen erstochen haben. Und nun ist bekannt geworden, dass am Osterwochenende der Unterschlupf einer Frau angezündet wurde. Die 72-Jährige konnte sich verletzt aus ihrem brennenden Nachtlager retten. Die Staatsanwaltschaft bewertet die Tat als versuchten Mord aus Heimtücke. Die Polizei geht nicht davon aus, dass es Zusammenhänge zwischen den einzelnen Taten gibt.

Gewalt gegen obdach- und wohnungslose Menschen eint immer ein Hass, der auf Vorurteilen beruht. Nämlich, dass Menschen nichts zur Gesellschaft beitragen und damit minderwertig seien. Deswegen wollen Menschen mit Obdach darüber verfügen, wo Menschen ohne Obdach sich aufhalten dürfen – nämlich am besten außerhalb ihres Blickfeldes. Sie werden als Menschen zweiter Klasse angesehen, als einfache Opfer, mit denen man machen könne, was man will.

Dass dieser Hass der Menschen sich in Gewalt niederschlagen kann, liegt auch an der Gleichgültigkeit der Gesellschaft. Um die Menschen aus der Unsichtbarkeit zu holen, braucht es ein Hingucken von allen. Auch damit die Politik in die Verantwortung gezwungen wird.

Wohnungskrise verschärft sich

Die Bundesregierung will Obdach- und Wohnungslosigkeit bis 2030 überwinden, so steht es im Koalitionsvertrag. Hinweise darauf, dass dieses Vorhaben gelingt, gibt es wenige. An bezahlbarem Wohnraum fehlt es in Deutschland an allen Ecken und Enden, und durch politische Fehlentscheidungen wird sich die Wohnungskrise in den nächsten Jahren noch einmal verschärfen.

Besonders gefährlich ist das für alle Menschen ohne Obdach. Denn selbst wenn wir als Gesellschaft kollektiv anfangen hinzugucken und einzugreifen, bleibt der beste Schutz vor Gewalt für die Betroffenen noch immer die eigene Wohnung.

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Carolina Schwarz
Ressortleiterin taz zwei
Ressortleiterin bei taz zwei - dem Ressort für Gesellschaft und Medien. Schreibt hauptsächlich über intersektionalen Feminismus, (digitale) Gewalt gegen Frauen und Popphänomene. Studium der Literatur- und Kulturwisseschaften in Dresden und Berlin. Seit 2017 bei der taz.
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34 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Wichtig ist den Leuten zu zeigen, dass es Wege aus der Obdachlosigkeit gibt. Wer seinen Wohnraum verliert kann zum Sozialamt gehen und wird untergebracht, da musste ich selbst mal drauf zurückgreifen, als ich plötzlich rausgeworfen wurde. Die meisten dort waren entweder nach einer Trennung rausgeworfen worden, ausschließlich männlich, oder sind durch Süchte auf Probleme gestoßen. Jedoch war der Wohnungsmarkt zu dem Zeitpunkt noch weniger belastet und diese Überbrückung im Wohnheim dauerte bei mir nur einen Monat, andere, die dort schon länger waren, haben es auch mit Arbeit nicht so schnell geschafft, wieder in ein eigenständiges Leben zu finden.

    Wir haben glücklicherweise einen funktionierenden Sozialstaat, der solche Krisen abdeckt. Der Schutz kann nur gewährleistet sein, wenn die Menschen Rückzugsräume haben. Auch ich meide gerade nachts viele Gegenden, weil die Gewaltbereitschaft oft hoch ist und jeder kleinste Fehltritt einen Angriff auslösen kann.

  • Angucken = Anstarren, Sensation.



    Nicht angucken = Wegschauen, Obdachlosigkeit unter den Teppich kehren.

    Immer wieder. Und aktiv helfen? Ich gebe dem Obdachlosen die Hälfte meines veganen Brötchens, weil aus politischen Gründen das verpflichtend ist.

    Helfen = Unverständnis.

    Stigma. Du bist blöd.

  • Ich glaube, der Hass gegen Arme (nicht nur Obdachlose, man denke an die Diskussionen zum Bürgergeld) stammt aus dem Protestantismus, gekreuzt mit dem Kapitalismus. Im Katholizismus galten Arme als Gelegenheit für Barmherzigkeit. Der Protestantismus dagegen sah Reichtum als Gottes Gabe für "gute" Menschen an, Armut dagegen als Strafe für "Sünde". Bei der Geburt des Kapitalismus in England war der Protestantismus ideologiestiftend.



    Zugleich wird immer stärker einer rein wirtschaftlichen Bedeutung der Human Ressource das Wort geredet. Wer nichts für die Wirtschaft leistet, hat seine Menschenwürde verwirkt: Kranke, Arme, Alte, Geflüchtete, Behinderte, Alleinerziehende, Ungebildete... Am liebsten würden gewisse Gruppen das Bürgergeld abschaffen, fürchten jedoch die Revolte.

    • @Die Schnetzelschwester:

      Das stimmt einfach nicht. Sie schieben die großen sozialen und diakonischen Bewegungen, die aus dem Protestantismus hervorgegangen sind, einfach achtlos zur Seite.

      Die Heilsarmee beispielweise ist eine protestantische Erfindung.

      Die Liebe Christi inspiriert alle christlichen Konfessionen gleichermaßen zur Nächstenliebe. Und damit sind vor allem die Schwächsten in der Gesellschaft gemeint.

      • @Winnetaz:

        "Die Liebe Christi inspiriert alle christlichen Konfessionen gleichermaßen zur Nächstenliebe."



        Außer manche der Christ*innen werden politisch und demonstrieren gegen die Menschenrechte gegenüber Frauen (Recht auf Abtreibung) oder machen Parteipolitik a la CDU, CSU, die eine Politik der Verarmung verfestigt ...

    • @Die Schnetzelschwester:

      Ich denke sie machen es sich da zu einfach.



      Erstmal würde ich sagen: Kapitalismus gibt es seit es Geld gibt, offensichtlich.



      Dann: Religion ist seit mindestens einen Jahrhundert eher eine philosophische Richtung ohne Relevanz für die meisten Menschen, höchstens noch Tradition.

      Die Würde des Menschen ist nach wie vor unantastbar, das gilt auch weiterhin - dagegen zu verstoßen ist eine Straftat und wird auch so geahndet.



      Respekt über Würde hinaus empfinde ich aber nur Menschen gegenüber die sich einbringen und nicht pauschal, sonst wäre er nichts wert.

      Natürlich muss eine Straftat als solche geahndet werden und besonders direkte Formen der Gewalt unterbunden werden.

      Letztlich empfinde ich es nicht als falsch Human Ressources als solche respektieren zu lernen und als Wert zu erkennen.

      Ich denke von "bestimmten Gruppen" reden nur Spalter und VTler. Jeder Mensch ist erstmal Individuum und dannach Teil bestimmter Gruppen, so falsch oder richtig man diese auch wahrnimmt.

  • Sie sollten sich vor allem fragen, warum Jugendliche solchen Hass auf Obdachlose zeigen, die stecken nämlich in der letzten Zeit hinter vielen der Angriffe. Dazu passend: Letztens vor einer Schule zwei ziemlich große Jungs, aber noch jung, die einem Mann, der zwar nicht obdachlos aber doch etwas verwahrlost war und mit Bierflasche lief und auf den Gehweg gespuckt hat am hellichten Tag übelst aggressiv angegangen sind mit "du Penner" usw. - ich dachte ich sehe nicht richtig. Die haben irgendwie ihre Wertungen an der kurzen Leine um über Menschen zu richten und diese dann auch noch direkt anzugehen und einzuschüchtern. Mir ist nicht klar trotz des Lesens der Beiträge hier, warum das so ist.

    • @JK83:

      Erstmal sind es Jugendliche. So sehr man solches Verhalten auch ablehnt, sie sind in vielen Haltungen schlicht noch nicht gefestigt und testen ihre Grenzen.



      Das macht es nicht besser, aber wer Empathie fordert sollte diese auch besitzen sonst leidet die Glaubhaftigkeit.



      Jemand der mit Bier rumläuft und auf den Gehweg spuckt ist selber asozial da beides unnötig ist und einfach ekelhaft.



      Zumindest für das spucken würde ich ihn auch fragen ob er schonmal was von Anstand gehört hat.



      Ihre Wertung für die Jugendlichen ist doch ebenso kurz gefasst oder wissen Sie ob diese aus einen schwierigen Haushalt kommen, evtl sogar mit Alkohol Problemen, und daher wütend sind?

    • @JK83:

      Ich glaube nicht, dass es ein spezieller Hass auf Obdachlose ist. Es ist eher die charakterliche Verwahrlosung durch Dauerkonsum der angesagten Bildungs- und Unterhaltungsmedien, bei vielen das Herkunftsumfeld sowie das soziale Umfeld generell.



      Viele junge Leute, die es besser machen wollen, werden gemobbt, körperlich angegriffen, lächerlich gemacht, verdrängt oder ganz als nicht relevant oder existent ignoriert. Ein Neustart ist unvermeidlich.

  • Ich schließe mich meinen Vorrednern an und bedanke mich für diesen wichtigen Artikel.

    Was mich so bestürzt ist, dass mit mehr Geld (Wohnheimplätze, eigene Wohnungen/Zimmer etc.) und wenn gewünscht Betreuung/Therapie, vielen diesen Menschen geholfen werden kann, also die Kosten für eine zumindest geringfügige Verbesserung relativ gering wären.



    Anspruchsvoll und schlimm finde ich nur Probleme, die sich nicht mit Geld lösen lassen, was in dem Fall größtenteils nicht so ist.



    Ein so angeblich reiches Land wie Deutschland muss in dem Bereich mehr Hilfe und Unterstützung anbieten. Es scheint zwischenzeitlich nur so, dass wir kein reiches Land mehr zu sein scheinen.

    Ob die meisten Menschen Obdachlosen gegenüber wirklich gleichgültig sind, kann ich nicht einschätzen. Vielleicht sind "wir" Obdachlosen gegenüber auch nicht gleichgültiger als anderen Menschen gegenüber, von Familie und Freunden abgesehen.

    Als ich noch in einem Mehrfamilienhaus gewohnt habe, ließ ich nachts beim Nachhausekommen, wenn vor der Eingangstür Menschen Schlaf suchten, diese Leute immer ins Treppenhaus und habe ihnen gesagt, wenn sie jemand anspricht, sollen sie sich auf mich, Frau xyz beziehen. Das hat gut geklappt und selbstverständlich sage ich zu den Leuten auch immer guten Tag oder wünsche guten Appetit, wenn sie gerade essen.

    Mein Fazit: So ein paar gute, alte Benimmregeln und "Manieren" helfen meiner Meinung nach. Dann muss "man" auch nicht bei jedem einzelnen Menschen darüber nachdenken, wie man ihn behandelt und sein Verhalten davon abhängig machen, ob diese Person nun Abwehr, Antipathie oder Sonstiges auslöst, sondern man "benimmt" sich einfach. Ich finde das hilfreich, weniger anstrengend und entlastend auch für einen selbst.

    Was die Täter der im Artikel genannten Straftaten angeht, hoffe ich, sie erhalten eine angemessene Strafe. Ich als Nicht-Juristin würde diese Angriffe gerne als Attentate bewertet und entsprechend verfolgt sehen.

  • Ja, auch ich schaue, übrigens wie viele MitbürgerInnen in zahlreichen Städten genauso, hin. Das führt dazu, dass ich, weil ich auch regelmäßig Gesprächskontakte suche, die Problematik seit Jahrzehnten kenne. Und auch bei vermeintlich 'guter Kleidung' der Fragenden nehme ich die Bitte um ein wenig Geld für einen Schlafplatz als Möglichkeit, diesen Wunsch zu unterstützen.



    Was speziell Dortmund aber 'auszeichnet', denn es gibt auch diese Seite:



    www.gast-haus.org/



    /



    www.fr.de/frankfur...cken-92590441.html



    /



    www.domradio.de/person/thomas-beckmann

  • das kollektive Versagen der Gesellschaft im bereich des Wohnungswesens tötet menschen

  • Es wird leider nicht erklärt wieso die ganze Gesellschaft gleichgültig ist und nicht einfach die Täter.



    Mir und vielen aylesern sind Obdachlose nicht gleichgültig und wir sind Teil der Gesellschaft.



    Die Täter hingegen haben sich mit diesen Taten aus der Gesellschaft entfernt.

    • @Notizen aus Taiwan:

      "Es wird leider nicht erklärt wieso die ganze Gesellschaft gleichgültig ist und nicht einfach die Täter."



      Ich würde das sogar bestreiten wollen. Die meisten gucken m. E. auch deshalb weg, weil sie Angst haben, es könnte sie genauso treffen, diese Möglichkeit aber lieber ausblenden.



      Gleichgültigkeit ist das nicht.

  • Das Bedürfnis seinen "Frust" an den Schwächsten abzulassen ist nicht neu.



    Besorgniserregend ist jedoch die Zunahme und eine immer gleichgültiger werdende Gesellschaft.

  • "Innerhalb weniger Tage kam es in Dortmund zu drei Tötungsversuchen an Obdachlosen."

    Ist denn etwas über die TäterInnen bekannt? Das könnte helfen, die Ursachen zu verstehen.

  • Es ist schwierig, einen gewalttätigen Obdachlosen, der zunächst einen anderen Obdachlosen mit einer Eisenstange angreift und dann mit dieser auf Polizisten losgeht als Fallbeispiel für Gewalt gegen Obdachlose zu nehmen.

    „Gewalt gegen obdach- und wohnungslose Menschen eint immer ein Hass, der auf Vorurteilen beruht.“



    Welche Vorurteile lagen dem Angriff des 52-Jährigen auf den anderen Obdachlosen zu Grunde?

    Auch der angezündete Unterschlupf der 72-Jährigen sollte in diesem Artikel nur herangezogen werden, wenn die Motivation der Täterin/des Täters feststeht.

    Der gute Artikel hätte nicht verloren, hätte Frau Schwarz sich auf Dortmund beachränkt.

  • Ein guter und wichtiger Artikel. Aber eines möchte ich korrigieren, da es mittlerweile hinlänglich psychologisch untersucht wurde:

    "Gewalt gegen obdach- und wohnungslose Menschen eint immer ein Hass, der auf Vorurteilen beruht. Nämlich, dass Menschen nichts zur Gesellschaft beitragen und damit minderwertig seien."

    Vorurteile spielen hierbei immer eine Rolle. Der Hauptgrund für die Ablehung ist aber, dass man nicht gerne an den gesellschaftlichen Abstieg erinnert werden möchte. Viele Angriffe auf Obdachlosen stammen von Menschen aus sozialschwachen Milieus oder sind ideologisch begründet z.B. im Weltbild der Rechtsextremen. Dahinter steckt neben Vorurteilen auch immer die Angst, dass es einen selber treffen könnte.

    Daher sind Politik und auch Geschäftsleute in Innenstädten darauf bedacht, dass Obdachlose möglichst aus dem Stadtbild verschwinden und beim Bürger keine unerwünschten Assoziationen hervorrufen. Stört halt das Shopping Erlebnis.

    • @Sam Spade:

      Aus welcher Quelle stammt "hinlänglich psychologisch untersucht"?

      "Dahinter ... auch immer die Angst, dass es einen selber treffen könnte."



      Ich halte das für völligen Unsinn.

      Den postulierten Zusammenhang, dass die Obdachlosen wegen der Angst vor dem eigenen sozialen Abstieg der Käufer aus dem Innenstadtbild entfernt würden, scheint ein geradezu absurder Gedankensprung.

      Deshalb die Quelle bitte.

      • @Tripler Tobias:

        Zum Einstieg empfohlen und gut lesbar:



        Charles W. Tolman - Psychologie, Gesellschaft und Subjektivität

        Desweiter empfehle ich zu dem Thema



        Richard Brox - Deutschland ohne Dach

    • @Sam Spade:

      Ich verstehe dann aber nicht ganz, warum man Obdachlose auf diese Weise behandelt, wenn man tatsächlich Angst hat, dieses Schicksal irgendwann zu teilen.

      Mir fällt dazu eine antike Anekdote ein:



      Ein Philosoph fragt seinen Kollegen, warum man zwar blinden und kranken Bettlern etwas gebe, ein Philosoph jedoch leer ausgehe. Sein Kollege antwortet, das sei so, weil man zwar damit rechne, selbst vielleicht einmal blind oder krank zu werden. Niemand rechne jedoch damit, ein Philosoph zu werden.

      • @Aurego:

        Das kennt doch jeder. Man möchte einfach nicht daran erinnert, nicht mit Elend konfrontiert werden. Wenn ich das Elend nicht sehe, dann gibt es auch keine negativen Assoziationen.

        In Bremen gab es da vor einigen Jahren und auch heute noch lebhafte Diskussionen, weil zuviel Obdachlose das Bild der Innenstadt prägten. Politik und Handelskammer haben offen Position dazu bezogen mit dem Tenor, es ist den Leuten die ein Shoppingerlebnis möchten nicht zuzumuten. Schlecht für das Geschäft. Ein aktueller Plan sieht gar vor Betteln in der City zu verbieten. Eine perfide aber wahrscheinlich effektive Maßnahme um diese Menschen aus der City zu vertreiben.

        In Hamburg gab es übrigens ähnliche Diskussionen.

      • @Aurego:

        "Ich verstehe dann aber nicht ganz, warum man Obdachlose auf diese Weise behandelt, wenn man tatsächlich Angst hat, dieses Schicksal irgendwann zu teilen."



        Das ist nicht rational. Aber in einem solchen Fall steht der Obdachlose stellvertretend für die Gefahr, obdachlos zu werden. Und diese Gefahr soll aus der Welt geschafft werden.

  • Danke Carolina Schwarz...Gleichgültigkeit, Ignoranz, Empathielosigkeit...wo sind die Ursachen zu suchen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass solche Menschenverachter die TAZ lesen! Ich konstatiere immer mehr einen sich etablierenden Mangel an sozialer und emotionaler Intelligenz ( Daniel Goleman) und ziehe den Schluss, dass dieses Gesellschaftssystem, das man Kapitalismus nennt, die besten Voraussetzungen für solche abartigen Taten liefert. Wie Sie richtig schreiben..."Nämlich, dass Menschen nichts zur Gesellschaft beitragen und damit minderwertig seien"...passt in diese kranke, leistungsorientierte Mehrheitsgesellschaft. Liebe, Nächstenliebe hat da keinen Platz. Der/die Nächste muss mindetens mainstreamlike, konformistisch ( E. Fromm) orientiert sein, dann passt er in die richtigen rechten Ecken. Und die staatlichen Autoritäten sorgen dafür, dass destruktives Verhalten ( damit meine ich nicht die Obdachlosen) als solches, nicht allzu sehr gemaßregelt wird. Bleiben Sie am Ball und Danke nochmals!

  • Diese Wut und Gewalt ist meist schlicht Abwehr. Da sehen Menschen, was aus ihnen womöglich werden wird und sie treten es mit Füßen, weil sie das hassen, was mit ihnen passieren könnte.

    Manche Menschen sind wirklich so blöd, dass das völlig automatisch passiert, die reflektieren das absolut nicht und können es auch gar nicht. Das sind Ausnahmen, aber die gibt es. Die bekämpfen Obdachlosigkeit, indem sie Obdachlose bekämpfen. Die meinen eigentlich ihre eigene Angst davor.

    • @Mustardman:

      Das mag alles richtig sein, macht aber nichts besser.

      Was helfen würde, wenigstens in vielen Fällen wäre, Leerstand bekämpfen, Zweitwohnsitze in Großstädten begrenzen, Sozialwohnungen bereitstellen.

  • Wir werden uns an Obdachlose überall gewöhnen müssen.

    In anderen Ländern sind die Stadtbilder geprägt von Obdachlosen. Einmal durch San Francisco gehen/fahren und man weiß, was auch auf Deutschland zukommt in den Städten.

    Der Kapitalismus produziert genau diese Gesellschaften. Einige haben sehr viel und können sich alles leisten. Viele müssen sehr viel arbeiten um sich noch eine Wohnung leisten zu können und die Abgehängten werden als Obdachlose enden.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Ich habe hier in Taiwan in inzwischen 3 Jahren EINEN Obdachlosen gesehen, der hat in einer speziellen Röhre in der Nähe eines Parks geschlafen. In dem Park gibt es kostenlose Toiletten und Duschen.

      Dabei ist Taiwan sicher nicht weniger kapitalistisch als Deutschland und Wohnung sind auch nicht günstiger.



      Alkohol Konsum ist allerdings weit weniger verbreitet.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Ich habe hier in Taiwan in inzwischen 3 Jahren EINEN Obdachlosen gesehen, der hat in einer speziellen Röhre in der Nähe eines Parks geschlafen. In dem Park gibt es kostenlose Toiletten und Duschen.

      Dabei ist Taiwan sicher nicht weniger kapitalistisch als Deutschland und Wohnung sind auch nicht günstiger.



      Alkohol Konsum ist allerdings weit weniger verbreitet.

      • @Notizen aus Taiwan:

        In Taipei einfach mal um den Bahnhof laufen (bin da immer mal wieder alle paar Jahre, zuletzt vor ca 3 Wochen). Da sehen sie mehr als Einen und leider hat es etwas zugenommen, meinem subjektivem Empfinden nach (Vor / Nach Covid)

        Es gibt allerdings - durchaus gute Netzwerke die versuchen zu helfen und bei der geringen Anzahl auch helfen können.

        Und ja - im Median (siehe auch Gini Faktor) ist Taiwan auch wesentlich besser aufgestellt als D, das hilft bei der Problematik auch, denn so reich wie in Taiwan sind die Bürger in D halt bei weitem nicht.

        en.wikipedia.org/w...y_wealth_per_adult

    • @Gnutellabrot Merz:

      Ich habe Mad Max mal als Endzeit-Science-Fiction betrachtet, muss jetzt aber umdenken.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Ich fürchte auch, dass wir in Europa auf ein riesiges Problem zusteuern. Wohnraum ist für Geringverdiener unerschwinglich. In Dublin zahlt man für ein 1-Zimmer-Loch 2000,- € kalt.



      Pendeln wird auch immer teurer. Wo sollen die Niedriglöhner aber leben? Die halbe Bevölkerung auf Dauer finanziell zu alimentieren, kann nicht funktionieren.



      In den USA kommt die Opioidkrise hinzu. Bei Statista habe ich gelesen, dass jeder 8. (!) US-Amerikaner drogen- oder medikamentenabhängig ist, Alkohol nicht mit einbezogen!



      Grenzenloser Wohnungsbau ist aus verschiedenen Gründen nicht möglich, aber es sollte der Spekulation und der Geldwäsche mit Immobilien stärker entgegengewirkt werden. Leerstände ab einer gewissen Dauer sollten enteignet werden dürfen.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Da haben Sie vielleicht den Nagel auf den Kopf getroffen.



      Aus zeit.de 2019❗



      "Vor elf Jahren lag die Zahl der Wohnungslosen in Deutschland noch bei rund 227.000 – seither ist sie rasant angestiegen. So verfügten im Jahr 2016 etwa 860.000 Menschen über keinen mietvertraglich abgesicherten Wohnraum. Die meisten von ihnen leben in Übergangswohnheimen, Notunterkünften und Frauenhäusern oder kommen vorübergehend bei Freunden unter."



      (...) Weiter dort:



      " ... also gehen manche Kommunen mit besonderem Engagement voran.



      Dazu gehört die Stadt Karlsruhe, die seit 2005 über 700 Wohnungen angemietet und gezielt an sozial Benachteiligte vergeben hat, die auch sozialpädagogisch betreut werden. Das Karlsruher Modell hat unter anderem in Ulm bereits Nachahmer gefunden."



      Also sollten wir einen Fokus auch auf Verfügbarkeit von Wohnraum legen und vielleicht auch darüber nachdenken:



      de.wikipedia.org/w...keit_des_Eigentums