Angriff auf Letzte Generation in Hamburg: Alle Gewalt geht vom Autofahrer aus

Klimaaktivisten der Letzten Generation kleben sich auf den Hamburger Elbbrücken fest. Ein Trucker rastet aus und tritt einem Blockierer in den Bauch.

Ein Lastwagenfahrer tritt einen liegenden Aktivisten der Letzten Generation in den Bauch

Per Video dokumentiert: Lastwagenfahrer tritt Aktivisten in den Bauch Foto: Jonas Walzberg/dpa

HAMBURG taz | Dass Klimaaktivisten am Wochenende den Elbübergang in Hamburg lahmgelegt und stundenlange Staus verursacht haben, hat ein Nachspiel. Gegen einen Lastwagenfahrer, der einen Blockierer der Letzten Generation in den Bauch getreten hat, wird strafrechtlich ermittelt. Gegen die Klimakleber hat die Polizei ein Ermittlungsverfahren wegen Nötigung eingeleitet, zwei von ihnen hat sie nach dem Sicherheits- und Ordnungsgesetz für zehn Tage in Gewahrsam genommen.

Mitglieder der Letzten Generation hatten sich am Sonnabendvormittag mit schnellbindendem Beton auf den Elbbrücken festgeklebt. Darüber hinaus stellten sie zwei Transporter quer und versteckten die Autoschlüssel. Für ihre Aktion hatten sich die Aktivisten einen neuralgischen Zeitpunkt ausgesucht. Denn an diesem Wochenende war auch der Autobahn-Elbtunnel aufgrund von Bauarbeiten komplett gesperrt, sodass Hamburg von Süden her nicht mehr auf Fernstraßen zu erreichen war.

Auf Videos ist zu sehen, wie Autofahrer versuchen, sich zu Beginn der Aktion einen Weg zu bahnen. Ein Fahrzeug schiebt einen Aktivisten vor sich her, der sich ihm entgegenstellt. Ein weißhaariger Mann schubst einen Aktivisten. Brutal handelt ein Lastwagenfahrer, der einen Aktivisten zunächst von der Fahrbahn schleift und ihn dann im Weggehen mit dem Fuß in den Bauch tritt. Daraufhin verfolgt er noch einen Fotografen, der die Szene beobachtet hat.

Der Lastwagenfahrer habe schon eine ganze Weile getobt, erzählt der Fotograf Jonas Walzberg. „Ab dem Moment, in dem sein Lkw ganz vorne stand, ist er gegen alles vorgegangen, was nach Aktivist aussah oder eine Kamera hatte“, erinnert sich Walzberg. Mindestens einmal habe er Gas gegeben und er habe mehrere Aktivisten von der Straße gezerrt.

Führerscheinentzug muss nicht sein

Christian Hieff, Sprecher des ADAC Hansa, hat Verständnis dafür, dass bei solchen Aktionen die Emotionen hochkochen. Für viele Kraftfahrer gehe es um mehr als nur den Zeitverlust. „Dass da irgendwann Grenzüberschreitungen passieren, ist erwartbar gewesen“, sagt er. Das heiße aber nicht, dass es Verständnis für ein gewaltsames Vorgehen geben dürfe. Das Verhalten des Lastwagenfahrers sei möglicherweise nicht nur strafrechtlich relevant, sondern unter Umständen auch für seine Fahrerlaubnis.

Einschlägig ist hier die Fahrerlaubnis-Verordnung. Sie sieht vor, dass die Eignung zum Führen eines Fahrzeuges gutachterlich überprüft werden kann, „bei Straftaten, die im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung stehen, insbesondere wenn Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial bestehen“.

Die Hamburger Rechtsanwältin Doris Dierbach findet das Handeln des Lkw-Fahrers zwar schockierend. Mit seiner Fahrerlaubnis habe das aber erst mal nichts zu tun, obwohl das auch nicht völlig ausgeschlossen sei. Bei der Verordnung gehe es in erster Linie um Taten, die mit dem Auto verübt würden, wie illegale Rennen oder Nötigung.

Dementsprechend musste eine Autofahrerin, die Anfang März in Bremen einen auf der Straße knienden Klimakleber mit ihrem Wagen berührte, ihren Führerschein abgeben. Den Führerschein des Hamburger Lastwagenfahrers beschlagnahmte die Polizei dagegen nicht. Der Tritt in den Bauch sei aber auf jeden Fall als Körperverletzung zu werten, sagt Dierbach. „Wenn er Sicherheitsschuhe getragen haben sollte, wäre es eine schwere Körperverletzung.“ Die werde mit mindestens sechs Monaten Freiheitsentzug bestraft.

Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft bekräftigte zwar, dass sie das Anliegen der Letzten Generation für richtig halte. Es sei allerdings die Frage, ob die gewählte Protestform zielführend sei. Andererseits stehe für die Linke fest, dass die am Sonnabend dokumentierten Gewaltausbrüche von Au­to­fah­re­r:in­nen Konsequenzen haben müssten.

Die Linke fordert, Ak­ti­vis­t:in­nen und Politik sollten aufeinander zugehen

„Diese um sich schlagenden und tretenden Menschen sind ein Risiko für den Verkehr“, sagte der Bürgerschaftsabgeordnete Stephan Jersch. Wichtig sei es, jetzt Akzeptanz für Maßnahmen zur Klimarettung in der gesamten Gesellschaft zu schaffen. „Dazu müssen Aktivist­:in­nen und Politik aufeinander zugehen“, forderte Jersch.

Die Hamburger Regierungsfraktionen, SPD und Grüne, hatten dazu in der vergangenen Woche einen Anlauf genommen. Sie trafen Vertreter der Letzten Generation zu vertraulichen Gesprächen, nachdem Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sich geweigert hatte, mit den Aktivisten zu verhandeln. Eine entsprechende Aufforderung der Letzten Generation wertete er als Drohung und leitete sie an den Staatsschutz weiter. Die Letzte Generation hat sich für die inkriminierte Formulierung inzwischen entschuldigt.

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