Alman-Memes im Netz: Leider eher peinlich
Memes sind Netzkultur, Humor – und Selbstschutz. Der „Alman“ tritt häufig auf Social Media auf. Was, wenn die „Geschmähten“ mitmachen?
Humor ist eine großartige Bewältigungsstrategie für Marginalisierte. Gemeinsam über die kollektiven Erfahrungen und den Schmerz zu lachen verleiht Kraft. Memes bringen bekannte Situationen, Konflikte und komplexe Diskurse auf den Punkt und sind derzeit das populärste Medium im Netz, um Humor zu transportierten. Ob von Onkel Werner im Familienchat, auf Mainstream-Meme-Pages, in Nischen wie der Astro-Bubble oder in progressiven Politforen: Für jeden Geschmack gibt es passende Memes.
Stundenlang über Memes lachen ist geil. Noch geiler ist es, wenn man nicht damit rechnen muss, dass plötzlich ein Mario-Barth-Witz auf Inlinern über den Feed fahren wird. Deswegen gibt es Meme-Accounts mit einem politischen Anspruch, die sich billige Witze auf Kosten Marginalisierter verkneifen.
Am herzlichsten lacht man zwar über sich selbst. Doch in eine andere Dimension LOLt sich erst so richtig, wer mit widerständigen Witzen nach oben tritt, etwa bei antirassistischen Memes von Schwarzen, Indigenen und nichtweißen Menschen. Mit eigenen Codes, mit Slang, Bildern und Symbolen spielen Meme-Künstler_innen auf alltägliche Erfahrungen an, mit denen auch die Zielgruppe vertraut ist. Mal ist man abgefuckt vom Chef, mal von der Mutter und mal von Almans. FUBU – For Us, By Us.
Wenn aber plötzlich eine Annika und ein Andreas ebenfalls Alman-Memes machen, dann ist das der Zeitpunkt, zu dem zumindest die Alman-Memes gestorben sind.
Werbepartner von Aldi
Das ist so gerade geschehen, dank der Meme-Seite @alman_memes2.0. Knapp eine halbe Million Follower hat die auf Instagram und ist mittlerweile Werbepartner von Aldi. Weiter entfernt vom Underground geht nicht.
Dabei gibt es deutschsprachige politische Accounts wie @killjoymemes_, @yaz.memes, @urfavmemedoggo, @feministmemeschool, die komplexe Diskurse, das Zeitgeschehen, deutsche Zustände und altbekannte Mikroaggressionen pointiert zuspitzen, oft mit nur einem einzigen Bild. Sie zeigen auch: Ein Meme sagt mehr als ein Regal voller Anthologien. Zumindest wenn es richtig gut ist. Denn im Meer der großen Meme-Flut schwimmen leider – und das gilt vor allem, aber nicht nur für die unpolitischen – sehr schlechte Memes. Ein Schriftzug auf einem Foto allein macht eben noch keinen guten Witz.
Origineller und diskriminierungsarmer Meme-Content muss nicht über die Maßen offensichtlich vorgehen. Die Meme-Seite @galeria.arschgeweih etwa formuliert subtile Kritik am Kapitalismus, an Machtgefällen in romantischen Beziehungen und an Cliquendynamik mithilfe von poppigen Clips deutscher Stars und Sternchen der 2000er Jahre. Von Popstars-Kandidat_innen über Kader Loth bis hin zu Frau Keludowig sind die Stars von damals in heutigen Alltagssituation plötzlich sehr greifbar. „Für uns sind die Popstars in unserem Insta-Feed kein ‚Trash‘, sondern pures Gold“, sagten die beiden Meme-Künstler 2019 in einem Interview mit der deutschen Vogue. Sie grenzen sich von vielen Abklatschseiten und deutschem Humor im Allgemeinen ab. Die Qualität wissen auch mehr als 300.000 Follower zu schätzen.
Zugegeben, das ein oder andere @alman_memes2.0-Meme bringt mich zum Schmunzeln, aber vieles ist nicht mein Humor: zu zaghaft. Und das Autor_in-Text-Verhältnis verrät sich bei genauem Hinsehen selber: Manche Referenzen verstehe ich nicht mal. An Begriffen wie „Göttergatte“ wird klar, es handelt sich um einen Inside-Job. FABA. For Almans By Almans.
Was lieben Alman-Annette und Alman-Achim, zwei wiederkehrende Figuren der Meme-Seite? Ihren Thermomix, Bier, Pünktlichkeit, schlechte Wortwitze wie „Schankedön“ statt „Dankeschön“, ihren 20 verliehenen Cent hinterherlaufen – und Aldi. Der für seine günstigen Preise bekannte Supermarkt ist jedoch nicht Peak Alman-Culture, sondern die Shopping-Adresse für alle, die gern sparen oder wenig Geld besitzen. Ökonomisch benachteiligt sind in Deutschland jedoch auch, und zwar nicht zu wenig, Migrant_innen.
Dass meine Eltern bei Aldi einkauften, hat mich in der Schulzeit eher mit Scham als mit Stolz erfüllt. Wenn ich sie beim Einkaufen begleitete, hoffte ich, niemand aus meiner Schule würde uns auf dem Parkplatz, den sich Aldi mit dem benachbarten Edeka teilte, sehen: uns, die Bilderbuchkanaken, die bei Aldi einkaufen und dort auch noch bei den heruntergesetzten Lebensmitteln zugreifen.
Das war, noch bevor der Aldi-Stoffbeutel zum hippen Accessoire wurde und Lars Eidinger eine Aldi-Ledertüte zum It-Bag kürte, um vor wohnungslosen Menschen zu posen. Aldi gefallen die Memes jedenfalls gut genug für eine Markenkooperation.
Almans klauen von Kanax und werden zum Werbetool für Aldi. Das Phänomen ist so edgy wie der PayPal-Truck auf dem CSD. Neu sind Memes als Marketingtool jedoch nicht. 2017 gab Gucci die Kampagne #TFWGucci in Auftrag – unter anderem mit Sebastian Tribbie Matheson von der Meme-Seite @youvegotnomale. Memes für Werbung waren damals schon nicht cool. Stichwort: Zielgruppe jung gebliebene Reiche. Denn welche Jugendlichen auf Instagram werden sich schon eine Armbanduhr für rund 900 Euro kaufen?
Bruch mit Regeln antirassistischer Meme-Kultur
Auch inhaltlich bricht @alman_memes2.0 mit einigen impliziten Regeln antirassistischer Meme-Kultur. So kommt es etwa regelmäßig zu Digital Blackfacing. Digital Blackfacing ist die Verwendung von Fotos Schwarzer Menschen in Memes oder Reaktions-GIFs durch nichtSchwarze Personen. Aber von weißen Leuten erwartet man ja auch nichts anderes als die Reproduktion von Rassismus.
Almans, die sich selbstironisch selbst Almans nennen, ein Cringe für sich. Weder macht es sie weniger alman, noch kommen sie dadurch irgendwie locker oder cool rüber. Genauso wie Heten, die sich über andere Heten aufregen, um sich als edgy Heten zu profilieren.
Vor allem machen sich self-titled Almans nicht zu antirassistischen Kompliz_innen. Sie machen sich nur zu Clowns. Man könnte ja auch eigene Begriffe entwickeln, anstatt sich bei der Sprache jener zu bedienen, über die man nicht nur strukturelle Macht hat, sondern über die man sich bis vor wenigen Jahren mit sehr großer Wahrscheinlichkeit noch lustig gemacht hat – vor allem über deren (vermeintlich mangelhaftes) Deutsch. Dass dieses „mangelhafte Deutsch“ auch ein Stilmittel zur Abgrenzung und nicht, wie Sarrazin-Fans behaupten würden, genetisch bedingte Dummheit ist, verstehen jüngere bürgerliche weißdeutsche Generationen, an denen der Hype um Deutschrap nicht vorbeigegangen ist, mittlerweile auch. Dass dieser Slang kein „Zu verschenken“-Wühltisch für ihre Internetkarriere ist, scheint jedoch noch nicht überall angekommen zu sein.
Wie wäre es mit ein wenig Originalität und eigenem Slang? Nennt euch Germans. Tyskar. Allemands. Piefkes. Oder Nazi-Enkel_innen. Und da ist der Knackpunkt: Bei politischer Analyse und schonungsloser Kritik an deutschen Zuständen wird die Handbremse gezogen. Dort, wo es schmerzt, sucht man vergeblich nach Hieben. Als Alman lacht man eben nur dann über sich, wenn es um Aldi oder um den Thermomix-Fetisch geht, nicht um (Mit-)Täter_innenschaft, Enteignung oder um den Zusammenhang zwischen Nazis und dem Verfassungsschutz. Was nicht schmerzt, eckt nicht an und bleibt auch für die rassistischen Weißen verdaulich.
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