Aktivist über Familienunternehmer: „Das ist oligarchisch“
"Die Familienunternehmer" höhlen die Demokratie schon lange aus, sagt Henning Jeschke. Und spricht von der "Hausdurchsuchung" eines ähnlichen Vereins.
taz: Henning Jeschke, als Teil der Neuen Generation haben Sie sich zuletzt viel mit Lobbyverbänden beschäftigt. Was haben Sie gedacht, als der Verband der Familienunternehmer offiziell die Brandmauer zur AfD aufgegeben hat?
Henning Jeschke: Uns hat das nicht überrascht. Seit Beginn des Jahres versuchen wir aufzuzeigen: Da ist eine Allianz zwischen der extremen Rechten und den extrem Reichen. Die kooperieren mal offen, mal indirekt. Da sind überreiche Menschen, die dadurch den Politikbetrieb fast kaufen. Das ist oligarchisch. Und die AfD wird auch dadurch stärker, dass dieser Profitlobbyismus die Lösung aller großen Probleme blockiert: Sie verhindern eine heile Natur, weil sie abbaggern wollen. Sie verhindern Frieden, weil sie Waffen verkaufen wollen. Sie verhindern Gerechtigkeit, weil sie keine Steuern zahlen.
taz: Die Deutsche Bank stellt dem Verband der Familienunternehmer keine Räume zur Miete, Rossmann und fritz-kola sind ausgetreten. Tut sich was?
Jeschke: Es ist höchste Zeit, dass Firmen austreten. Es war und ist ein Fehler, Teil dieser gefährlichen Gruppen zu sein. Aber es ist wenig authentisch, wenn einer dieser großen Akteure sagt: "Wir machen diese und jene Abgrenzung zu dem Verband." Dieses politische System ist so gewachsen. Der Verband der Familienunternehmer und ähnliche Verbände höhlen immer wieder unsere Demokratie aus, sodass sie zur Oligarchie wird. Wir müssen diese Tendenzen dadurch eindämmen, dass wir wirkliche Leute aus der Gesellschaft, aus ihren Berufen mit ihren Lebenserfahrungen in geloste Gesellschaftsräte packen. Wenn jetzt ein Akteur sagt „aber wir haben ein Statement abgegeben“, dann löst es das strukturelle Problem nicht, was dahinter steht.
taz: Bei dem fast gleichnamigen Lobbyverein „Stiftung Familienunternehmen“ haben Sie mit zwei anderen Aktivisten vor Kurzem eine satirische "Hausdurchsuchung" gemacht.
Jeschke: Das war bei der Stiftung Familienunternehmen und Politik. Wir sagen: Wir brauchen eine friedliche Revolution der Demokratie statt dieser stark verflochtenen mafiösen Strukturen zwischen unserer Bundesregierung und diesen Verbänden. Wir nennen das Merzmafia. Viele in der Merzmafia sind als Konzerndiener:in und Politiker:in in einer Person vereint – beispielsweise der Blackrock-Bundeskanzler Merz oder die Fossile-Gas-Ministerin Reiche. Diese mafiösen Verstrickungen finden wir auch bei der Stiftung Familienunternehmen. Da sind wir also mit 3 Menschen reingegangen, während 15 Leute von uns das Haus mit Polizeiband abgesperrt haben: Achtung, offizielle Durchsuchung, hier wird eine Razzia durchgeführt bei der Merzmafia.
taz: Und was haben Sie gefunden?
Jeschke: Ich werde jetzt nicht genau sagen, was da war, weil ich von der Stiftung auf Unterlassung verklagt wurde. Was ich aber sagen kann: Man ist in diesem Büro und sieht, da sind Menschen den ganzen Tag damit beschäftigt, Gesetze abzuschwächen, die eigentlich dringend notwendig sind: Erbschaftssteuer oder Lieferkettensorgfaltspflichten. Das torpedieren sie. Sie arbeiten an Steuertricks für Superreiche, sodass die möglichst gar nichts zum Gemeinwohl beitragen müssen. Auf jeden Bundestagsabgeordneten kommen Schätzungen zufolge 10 bis 12 Lobbyisten. Große Unternehmen stellen viele Leute an, die den ganzen Tag Dinner und Veranstaltungen mit Aperitif organisieren und Einfluss auf die Politik nehmen.
taz: Ist es nicht verständlich, dass nun gegen Sie vorgegangen wird? Sie sind unerlaubt in geschlossene Räumlichkeiten gegangen und haben dort gefilmt.
Jeschke: Ist es nicht eher ein Zeichen von lebendiger Demokratie, wenn Leute in einen Ort reingehen, wo dubiose Sachen abgehen, wo unsere Demokratie ausgehöhlt wird? Wir werden die Probleme von Unbewohnbarkeit ganz großer Flächen, riesiger Hungersnöte, Flucht und Krieg, von Extremwettern, die Menschenleben kosten, nie lösen, wenn Lobbyisten im Hintergrund alles sabotieren. Gegen solche Saboteure eine Kunstaktion zu machen, bei der man friedlich sagt: „Na guck mal, was ist hier los?“ – das finde ich sehr legitim.
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