Aktienkurs von GameStop: Wertlos bleibt wertlos
Die Videospielkette GameStop taumelt, ihr Aktienkurs steigt rasant. Diese Spekulation kann nicht funktionieren.
E s ist irre, wie teuer die Aktie von GameStop ist. Das US-Unternehmen vertreibt Videospiele, doch inzwischen zockt man im Internet. GameStop ist fast nichts mehr wert – aber genau deswegen so wertvoll. Spekulation ist paradox.
Der Mechanismus: Da die Aktie von GameStop lange fiel, lag es nahe, darauf zu wetten, dass sie noch weiter sinken würde. Der Trick heißt „Leerverkäufe“. Spekulanten leihen sich Aktien und verkaufen sie sofort. Ist die Leihfrist abgelaufen, wird die Aktie zurückgekauft, was natürlich nur Gewinne erzeugt, wenn der Kurs inzwischen gesunken ist. Diese Wette geht aber fast immer auf: Wenn viele Leerverkäufer Aktien veräußern, dann fallen die Kurse automatisch.
So lief es auch bei GameStop, doch bald setzte die unkontrollierte Gier ein: Es wurden mehr Aktien verliehen, als es Aktien gab. Also war klar, dass der Kurs irgendwann steigen würde. Denn nach der Leihfrist müssen die Leerverkäufer die Aktien ja wieder erwerben, um sie den Eigentümern zurückzugeben. Wenn es aber mehr Leerverkäufe als Aktien gibt, fehlen die nötigen Papiere. Und knappe Güter sind teuer.
Im Internet kursieren Listen über Leerverkäufe, was zu einer Gegenattacke führte: Kleinanleger begannen, auf steigende Kurse bei GameStop zu spekulieren. Animiert wurden sie von der Plattform „Wall Street bets“, die Tipps verteilt, wie man an den Börsen wetten sollte. Auch Nichtbetuchte können inzwischen spekulieren, weil einige Börsen-Apps keine Gebühr verlangen, sondern davon leben, ihre Kundendaten an professionelle Händler zu verkaufen.
David gegen Goliath?
Kleinanleger wurden plötzlich reich: Der Kurs von GameStop stieg von 2,57 auf zeitweise 483 Dollar, weil verzweifelte Hedgefonds versuchten, Aktien zu erwerben, um aus ihren Leerverkäufen auszusteigen. Es kursierte die Legende, „David hat gegen Goliath gesiegt“.
Schön wär’s. Zwar haben die großen Hedgefonds etwa eine Milliarde Dollar verloren – aber es sind keineswegs nur Kleinanleger, die davon profitiert haben. Denn die Tipps für die Kleinanleger werden nicht von Kleinanlegern geschrieben – sondern von professionellen Spekulanten.
Die Kleinanleger sind nützliche Idioten. In ihrer begeisterten Ahnungslosigkeit kaufen sie immer noch Aktien von GameStop und stabilisieren damit den Kurs – während die professionellen Anleger aussteigen und Gewinne mitnehmen. Zur Erinnerung: GameStop ist wertlos, das Geschäft findet online statt. Aber das werden die naiven Kleinanleger erst glauben, wenn sie alles verloren haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Schraubenzieher-Attacke in Regionalzug
Rassistisch, lebensbedrohlich – aber kein Mordversuch