AfD-Parteitag in Riesa: Völkische auf dem Vormarsch
Die Reste des vermeintlich gemäßigten Meuthen-Lagers schwächeln. Und ein lebhafter Höcke baut seinen Einfluss aus.
Einen einfachen Antrag zur Tagesordnung nutzte der Thüringen-Chef gleich, um eine halbe Grundsatzrede zu halten – dabei sollte es nur darum gehen, ob zunächst Sachanträge debattiert werden oder gewählt wird. Das klang schon fast wie eine Bewerbungsrede: „Erst das Land, dann die Partei, dann die Personen.“ Dazu gab es Medien- und „Altparteien“-Bashing. Da war das erste Mal richtig Stimmung im Saal. Der offiziell aufgelöste Flügel ist auf dem Parteitag stark vertreten, soviel war klar.
Weniger schwungvoll trat AfD-Parteichef Tino Chrupalla auf. In seiner Eröffnungsrede versuchte er zu integrieren. „Wir wollen die destruktive Stimmung der Vergangenheit hinter uns lassen“, sagte er. Es müsse ein Vorstand gewählt werden, der kollektiv und vertrauensvoll zusammen arbeite, so Chrupalla. Um die „Herausforderungen im Osten genau so wie im Westen“ zu bewältigen, brauche es Disziplin. Eine inhaltliche Idee, wie er den AfD-Abwärtsstrudel aus Mitgliederschwund, Wahlniederlagen und Streitigkeiten aufhalten will, nannte er wie gewohnt nicht. Chrupalla bekam denn auch freundlichen, aber nicht gerade überschwänglichen Applaus.
Seit Freitagvormittag tagt die extrem rechte AfD in einer riesigen Mehrzweckhalle in der als NPD-Hochburg bekannten sächsischen Kleinstadt Riesa, knapp 600 Delegierte waren zugelassen. Chrupalla will wiedergewählt werden und im Vorstand einen erneuten Rechtsruck herbeiführen. Sollten er und sein Team durchkommen, hätte die völkische Strömung die Mehrheit im wichtigsten Parteigremium. Die alte Mehrheit der vermeintlich Gemäßigten des ausgetretenen Jörg Meuthen wäre dahin.
Revolte gegen Chrupalla gescheitert
Der erneute Rechtsruck schien bereits vor Beginn des Parteitags greifbar: Die große Revolte gegen Chrupalla war bereits abgeblasen – die Meuthen-Vertraute aus dem alten Vorstand Joana Cotar, die Chrupalla nach den kürzlichen Wahlniederlagen heftig kritisiert und seinen Rücktritt gefordert hatte, sagte der taz bereits vor Parteitagsbeginn, dass sie nicht wieder antreten werde. Sie rechne damit, dass die Liste von Chrupalla in großen Teilen durchgewählt werde. Cotar sagte: „Ich werde mich jetzt auf die Digitalpolitik konzentrieren, das macht ohnehin mehr Spaß als Vorstandsarbeit.“ Sie hätte auch mit einer weißen Fahne in den Saal kommen können.
Der Weg für das Führerprinzip ist jedenfalls schon mal bereitet: Als erste wichtige Entscheidung stimmte der Parteitag am Freitagnachmittag mit einer Zweidrittelmehrheit für einen Antrag der Völkischen, dass künftig auch eine Einzelspitze statt der bisherigen konfliktträchtigen Doppelspitze möglich sein soll. Zuvor hatte sich Höcke dafür ausgesprochen, der Antrag stammte unter anderem von ihm.
Durchgesetzt hat sich der Ex-Flügel vielfach auch bei der Wahl von Mitgliedern des Bundesschiedsgerichts. Gereon Bollmann aus Schleswig-Holstein etwa wurde mit 76 Prozent gewählt. Das Landesschiedsgericht hatte einst unter seinem Vorsitz die Entscheidung des Bundesvorstands zum Rauswurf von Doris Sayn-Wittgenstein wegen rechtsextremer Kontakte verworfen.
Gewählt wurde auch Roland Ulbrich aus Sachsen. Der kritisierte bei seiner Vorstellung die „systemkonformen Tendenzen“ in der AfD und versprach, mit ihm würde es „keine PAV-Orgien“ mehr geben. PAV ist die Abkürzung für Parteiausschlussverfahren. Als Beispiel führte Ulbrich ein Verfahren wegen „Teilnahme an einem Ferienlager vor der AfD-Gründung“ an.
Gemeint ist damit wohl der Brandenburger Rechtsextremist und ehemalige AfD-Landeschef Andreas Kalbitz, der aus der Partei wegen Mitgliedschaft in der neonazistischen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) ausgeschlossen wurde, Kalbitz hatte diese beim Eintritt in die AfD nicht angegeben. Die HDJ führte vor ihrem Verbot regelmäßig Zeltlager durch, es gibt Bilder von Kalbitz, die ihn bei einem von diesem zeigen.
Für Kalbitz selbst gab es auf dem Parteitag hingegen eine Niederlage. Ein Antrag, der sein Auftrittsverbot bei AfD-Veranstaltungen kippen sollte, wurde von der Tagesordnung gestimmt – und deshalb nicht behandelt. Gestellt hatte ihn die Brandenburger Landeschefin Birgit Bessin, eine Kalbitz-Vertraute.
Beatrix von Storch vor dem Ende?
Leicht resigniert wirkte Nicolaus Fest, der als Sprecher und Gegengewicht zu den Völkischen für einen ausgeglicheneren Vorstand antreten wollte. Allerdings hängt dem ehemaligen Bild-Journalisten nicht nur nach, dass er den da gerade verstorbenen EU-Präsidenten Sassioli als „Drecksschwein“ bezeichnete, sondern auch, dass er beim Parteitag nicht einmal abstimmen darf. Die 24 Berliner Delegierten des Parteitages wurden ausgeschlossen, weil es laut Urteil des Bundesschiedsgerichtes bei der Delegiertenwahl eine Wahlmanipulation gegeben hat. Fest musste deswegen im Gästebereich ganz hinten in der Halle sitzen. Kandidieren darf er trotzdem.
Verheerend könnte die Affäre auch für das alte Vorstandsmitglied Beatrix von Storch werden. Sie ließ bis zuletzt offen, ob sie wieder für den Vorstand kandidieren werde. Ihre politische Karriere in der Parteispitze der AfD könnte vor dem Ende stehen. Ebenfalls nicht zugelassen zum Parteitag waren die Delegierten aus dem Saarland. Die eigentlich für Freitagnachmittag geplante Vorstandswahl verzögerte sich unterdessen immer weiter.
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