Landratswahl in Sachsen: Noch eine Klatsche für die AfD
Die CDU gewinnt bei der Landratswahl in Sachsen in fünf von sechs Kreisen. Die AfD bekommt keinen Landratsposten.
Leipzig taz | Sachsen kann aufatmen. Auch im zweiten Wahlgang der Landratswahlen in Sachsen hat es die AfD nicht geschafft, einen Landratsposten zu ergattern. Damit hat die Partei ihr großes Ziel – erstmals ein Regierungsamt zu erlangen und so nach den Wahlniederlagen in Schleswig-Holstein und NRW mal wieder richtig zu glänzen – endgültig verfehlt.
In fünf von sechs Landkreisen, in denen am Sonntag im zweiten Wahlgang abgestimmt wurde, unterlag die AfD der CDU. Am deutlichsten fiel das Ergebnis im Vogtlandkreis aus. Hier gewann CDU-Kandidat Thomas Hennig mit einem Vorsprung von 37 Prozentpunkten: Er erhielt 63,4 Prozent der Stimmen, der AfD-Kandidat Roberto Rink 26,4 Prozent.
Im Landkreis Zwickau gab es ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Posten des Landrats, allerdings nicht zwischen CDU und AfD, sondern zwischen CDU und Freien Wählern. Sowohl Carsten Michaelis von der CDU als auch Freie Wähler-Kandidatin Dorothee Obst kamen auf 35,9 Prozent. Am Ende entschied der CDU-Kandidat die Wahl für sich – mit einem Vorsprung von nur zehn Stimmen. Auf Platz drei landete weit abgeschlagen Andreas Gerold von der AfD (19,1 Prozent).
In Mittelsachsen gewinnt der parteilose Neubauer
Noch schlechter als in Zwickau schnitt die AfD im Erzgebirgskreis ab. Hier erhielt der AfD-Kandidat Torsten Gahler nur 16,3 Prozent der Stimmen und landete, ebenfalls hinter CDU und Freien Wählern, auf Platz drei. Die rechtsextreme Kleinpartei „Freie Sachsen“, die maßgeblich die Coronaproteste in Sachsen anheizt und bundesweit vom Verfassungsschutz beobachtet wird, kam auf 9,8 Prozent. In den erzkonservativen Landkreisen Bautzen und Görlitz im Osten Sachsens erzielte die AfD die besten Ergebnisse. In Görlitz bekam sie 35,8 Prozent der Stimmen, in Bautzen 27 Prozent. Der CDU-Kandidat Stephan Meyer setzte sich in Görlitz mit 56,4 Prozent durch, Udo Witschas (CDU) gewann in Bautzen mit 43,5 Prozent.
Witschas war zuvor Vizelandrat und gilt als CDU-Rechtsaußen. 2017, während der flüchtlingsfeindlichen Proteste in Bautzen, traf er sich mit einem NPD-Funktionär, im Januar 2022 kündigte er an, die Impfpflicht für medizinisches Personal im Landkreis Bautzen nicht durchzusetzen.
Der einzige Landkreis, den die CDU nicht gewonnen hat, ist Mittelsachsen. Hier setzte sich der parteilose Kandidat Dirk Neubauer mit 55,6 Prozent deutlich gegen Rolf Weigand von der AfD (24,1 Prozent) und Sven Liebhäuser von der CDU (20,4 Prozent) durch. Neubauer wurde von Linken, Grünen und SPD unterstützt.
Er ist seit acht Jahren Bürgermeister von Augustusburg und hat es mit seiner bürgernahen Politik geschafft, die Kleinstadt bei Chemnitz komplett AfD-frei zu halten. Hier hat die AfD keinen einzigen Sitz im Stadtrat. 2020 wurde der 51-jährige Bürgermeister für weitere sieben Jahre mit 70 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Sein damaliger Herausforderer Mike Moncsek von der AfD, der dem damaligen Ostbeauftragten Marco Wanderwitz (CDU) ein Jahr später bei der Bundestagswahl das Direktmandat abgenommen hat, erhielt gerade mal zehn Prozent.
Nun ist Neubauer nicht nur Bürgermeister von Augustusburg, sondern auch Landrat von Mittelsachsen. In den vergangenen dreißig Jahren hat die CDU fast ausnahmslos Sachsens Landräte gestellt, die amtierende Sozialministerin Petra Köpping war die einzige SPD-Landrätin, die es je im Freistaat gab. Von 2001 bis 2008 regierte sie den ehemaligen Landkreis Leipziger Land.
Mit seinem Wahlsieg setzt Neubauer der langjährigen Alleinherrschaft der CDU nun ein Ende. Sein Ziel ist es, die Politik in Mittelsachsen von Grund auf zu verändern. Er will als Landrat nicht über die Köpfe der Bürger:innen hinweg entscheiden, sondern mit ihnen Politik machen, sie an Entscheidungen teilhaben lassen. „Erst dann, wenn aus dem Wort Demokratie ein Erlebnis wird, die Menschen die Erfahrung machen, dass sie gehört und ernst genommen werden und selbst etwas bewegen können, erst dann kann der Glaube an die Demokratie zurückkehren“, sagte Neubauer der taz im Juni. Mit seinem Konzept der Bürgerbeteiligung will er auch auf Landkreisebene das schaffen, was er in Augustusburg geschafft hat: die AfD überflüssig machen.
Noch am Sonntagabend postete Neubauer ein Video auf Facebook, das ihn in schwarzem Hemd auf dem Augustusburger Marktplatz zeigt. „Ein herzliches Dankeschön an alle, die mich unterstützt haben auf diesem Weg, die geflyert haben, plakatiert haben, gespendet haben, mir den Rücken gestärkt haben“, sagt Neubauer. „Danke auch an alle, die mir ihr Vertrauen geschenkt haben. Ich weiß ganz genau, was das in diesen Zeiten bedeutet. Das ist ein großes Geschenk, und werde alles dafür tun, euch nicht zu enttäuschen.“ Mehr, sagt Neubauer, könne er für heute nicht sagen, er sei zu überwältigt von dem „wunderbaren“ Ergebnis. „Ich werde mir jetzt, glaube ich, eine Flasche Bier aufmachen und versuchen, zu verstehen, was da heute passiert ist.“
Obwohl die CDU nun zum ersten Mal seit 14 Jahren nicht mehr alle Landkreise in Sachsen regiert, ist der sächsische CDU-Generalsekretär Alexander Dierks zufrieden mit dem Wahlausgang: „Die CDU ist heute klar stärkste Kraft bei den Kommunalwahlen geworden. In 8 von 9 Landkreisen, in denen gewählt wurde, haben unsere Kandidaten das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler erhalten.“
Die Wahlbeteiligung war, wie schon im ersten Wahlgang am 12. Juni, sehr niedrig. Sie lag in allen Kreisen bei unter 40 Prozent. Am wenigsten Bürger:innen gingen im Landkreis Zwickau wählen (28,9 Prozent), am meisten im Landkreis Görlitz (39,8 Prozent). In den Landkreisen Nordsachsen, Leipzig und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge stehen die Landräte – alle CDU – schon seit dem ersten Wahlgang fest. Weil sie im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit gewannen, war kein zweiter Wahlgang nötig.
Leser*innenkommentare
Frank Stippel
Wenn die so weitermachen, enden die noch wie die Linken.
Gorch
Bei hohen Temperaturen sind Landratsstichwahlen ganz offensichtlich nicht der Reisser. Und das parteiübergreifend.
Ganz allgemein, braucht es mehr politische Bildung im Lande. Demokratie findet auf allen Ebenen statt und nicht nur in Berlin. Mit dem Finger dort hin zu zeigen ist leicht. Nur in sehr vielen Fällen die falsche Richtung, wenn es darum geht Probleme regional oder vor Ort zu lösen.
Zudem ist Demokratie ein System zum Mitmachen. Das gilt nicht nur für die Parteien, sondern insbesondere für Vereine und Organisationen. Engagement lernen gehört zum allgemeinen Bildungsauftrag.
Klaus Waldhans
Einerseits schön, dass die AFD kein Regierungsamt gewann, andererseits sind 20-30% alles andere als beruhigend.
Affi
@Klaus Waldhans vor allem in Kombination mit nur 40 % Wahlbeteiligung...
Pfanni
@Affi Allerdings: Erinnern Sie sich, dass die (von mir gefühlte) Mehrheit der Wahlprognosen besagte: Eine geringe Wahlbeteiligung würde gerade der AfD zugute kommen. Denn die AfD-Wähler würden auf jeden Fall zur Wahl gehen!
Pfanni
Die Verwunderung über das schlechte Abschneiden der AfD kommt einfach nur daher, dass, wie so oft, die Lautstärke dieser Partei mit deren tatsächlichen Chancen bei den Wählern verwechselt wurde. Sachsen ist wohl doch nicht das „rechte Zentrum“ in D.! Da hat womöglich die AfD eine „große Zukunft“ HINTER sich?
Andy Krisst
Mit Verlaub, die erschreckend hohen Ergebnisse der Rechtsaußen - Partei sind mitnichten eine "Klatsche", sondern weiterhin besorgniserregend!
Sciaridae
"Noch eine Klatsche für die AfD"
Ein kleiner Lichtblick neben der eigentlichen Klatsche für unsere Demokratie - "Die Wahlbeteiligung war, wie schon im ersten Wahlgang am 12. Juni, sehr niedrig. Sie lag in allen Kreisen bei unter 40 Prozent."
Das sind katastrophale Werte!
Šarru-kīnu
Da die TAZ meinen Wahlkreis jetzt immer mit dem Adjektiv erzkonservativ versieht, plädiere ich für einen Wechsel zu reaktionär. Mit Konservatismus hat das meiner Meinung nach nicht wirklich was zu tun. Wir Sorben in der Region sind vielleicht erzkonservativ. Die deutschen Nazis um die es hier aber geht, sind alles aber ganz sicher nicht konservativ.
Das hier keiner mehr zur Wahl geht wenn die einzigen Alternativen sächsiche CDU oder AfD sind, verstehe ich sehr gut. Die AfD ist hier doch nichts Anderes als der Wurmfortsatz der sächsischen CDU den Frau Dr. Merkel für urbane Wählerschichten aufgegeben hat. So gut wie alle AfD Leute die ich hier in der Stadt sehe, wären vor 10 Jahren noch in der CDU gewesen. Wozu soll ich bei so einer Art von Wahl meine Stimme abgeben?