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Ägyptens Pläne für GazaÄgyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen

Die arabischen Staaten kontern die Riviera-Pläne des US-Präsidenten Trump mit einem Vorschlag. Er setzt auf Aufbau und eine palästinensische Technokraten-Regierung.

Wer soll den Wideraufbau dieser Trümmer in Jabaliya, Nordgaza, bezahlen? Die Zerstörung in Gaza ist allgegenwärtig Foto: Abdel Kareem Hana/ap

Kairo taz | Es soll der Gegenplan zu US-Präsident Donald Trumps Idee einer Riviera ohne Palästinenser werden: der ägyptische Plan zum Wiederaufbau des Gazastreifens. Erstmals vorgestellt und diskutiert werden soll dieser in der saudischen Hauptstadt Riad. Denn dort ist am Freitag ein Fünfer-Gipfeltreffen arabischer Staaten angesetzt: Der ägyptische Präsident Abdel Fattah El-Sisi, dessen Land den Plan entwirft, der Gastgeber, der saudische Kronprinz Muhammad Bin Salman, der jordanische König Abdallah, der sich bei seiner letzten Washington-Reise Trumps Plan anhören musste, sowie die Emire der Arabischen Emirate und Katar sollen zusammenkommen.

Doch schon jetzt sind Teile des Planes über die ägyptischen und andere arabische Medien bekannt geworden. Danach soll ein Drei-bis-Fünf-Jahresplan für den Wiederaufbau des Gazastreifens entwickelt werden, der im Gegensatz zu Trumps Idee keine Vertreibung der Palästinenser beinhaltet. „Von einer technischen Perspektive haben wir die Fähigkeit Gaza innerhalb von drei Jahren neu zu errichten“, erklärte der ägyptische Premierminister Mustafa Matbouli in einer Pressekonferenz in Kairo am Mittwoch. Baufirmen in Ägypten, der arabischen oder islamischen Welt könnten und das in dieser Zeit leisten.

In einer ersten Phase, die etwa sechs Monate umfasst, soll ein Großteil der Trümmer weggeräumt werden. Nach UN-Angaben sind in etwa 70 Prozent der Gebäude des Gazastreifens zerstört oder schwer beschädigt. In dieser Phase sollen für die Einwohner des Gazastreifen temporäre Behausungen in sicheren Zonen aufgestellt werden. Auch lebenswichtige Dienstleistungen sollen in dieser Phase wieder zum Funktionieren gebracht werden. Bereits jetzt warten 60.000 Container-Behausungen an der ägyptischen Grenze in Rafah auf eine Genehmigung der israelischen Armee, in den Gazastreifen transportiert werden zu dürfen. Die wurde bisher von der israelischen Seite verweigert.

In einer zweiten Phase soll der Wiederaufbau der Infrastruktur beginnen. Details sollen in einer internationalen Konferenz ausgearbeitet werden. In einer dritten Phase, die dann den Plänen der Stadtplaner folgt, sollen Schulen, Krankenhäuser und Wohnhäuser errichtet werden. Laut Berichten aus ägyptischen Medien sollen bereits große Bauunternehmer der Regierung in Kairo Pläne vorgelegt haben.

Wer soll den Gazastreifen zwischenzeitlich kontrollieren?

Eines der größten Probleme ist, wer bei dem Wiederaufbau der Partner auf der palästinensischen Seite sein wird – also wer in dieser Zeit den Gazastreifen verwalten wird. Die Hamas soll dabei ausgeschlossen bleiben. Der ägyptische Plan schlägt vor, ein palästinensisches Komitee zu gründen. Es soll aus palästinensischen Technokraten bestehen und von der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah im Westjordanland bestimmt werden. Die soll dann aber kein weiteres Mitspracherecht bei der täglichen Arbeit der neuen technokratischen Behörde im Gazastreifen bekommen. Diese soll den Wiederaufbau, aber auch die Verwaltung des Gazastreifens, sowie die Polizei überwachen.

Bei der Finanzierung sollen die Golfstaaten und die EU eingebunden werden. Der ägyptische Premier Madbouly hatte dem Wiederaufbauplan in seiner Pressekonferenz kein Preisschild gegeben. Die Talaat Mustafa-Gruppe, eine der größten ägyptischen Baufirmen, spricht allerdings von 27 Milliarden Dollar, die für den Wiederaufbau Gazas nötig wären. Quellen aus ägyptischen Sicherheitskreise sprechen gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters von 20 Milliarden Dollar.

Dem Fünfergipfel in Riad soll ein Gipfeltreffen der Arabischen Liga in Kairo Anfang März folgen. Dieses Treffen dient vor allem dazu Trumps Plänen eine geeinte arabische Front entgegenzustellen, die den alternativen ägyptischen Plan unterstützt. US-Außenminister Marco Rubio hat bereits zum Ausdruck gebracht, dass Washington offen für alternative Pläne sei.

Eine Voraussetzung für den ägyptischen Plan ist allerdings, dass sich Israel und die Hamas in der zweiten Phase des Waffenstillstands und des Austausches von israelischen Geiseln und palästinensischen Gefangenen auf einen vollkommenen Rückzug der israelischen Armee und eine permanente Waffenruhe einigen. Bisher weigert sich der israelische Premier Benjamin Netanjahu, sich auf ein permanentes Ende des Krieges einzulassen und spricht immer noch von der Zerstörung der Hamas als Kriegsziel. Damit wäre der ägyptische Plan vom Tisch.

Hinweis: Wir haben den Schlusssatz des Textes präzisiert.

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22 Kommentare

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  • Welchen Sinn macht es aus Sicht der EU, den Wiederaufbau Gazas zu bezahlen? Die ganze Gazasache ist ein seit fast 80 Jahren anhaltender Irrweg. Im Rahmen der Nakba wanderten in die umliegenden arabischen Länder etwa 250.000 arabischstämmige Menschen aus dem Gebiet ein, dass heute Israel ist. Dem stehen 750.000 aus den arabischen Nachbarstaaten nach Israel vertriebene Juden gegenüber. 1950 lebten auf einer Fläche so groß wie Berlin (Gazastreifen) 250.000 Menschen, die sich in erster Linie als Araber sahen. Das war damals eigentlich gar kein Problem und hätte man sie damals z. B. in Ägypten integriert, hätte man auch heute keines. Zum Problem wurde dies erst, als die Araber beschlossen, Israel letztlich durch ein größeres Bevölkerungswachstum besiegen zu wollen und eine palästinensische Identität zu fördern, die es so vorher gar nicht gab. Nun leben über 3 Millionen Menschen auf derselben Fläche, betrachten sich als palästinensische Nation und haben expansionistische Bedürfnisse in Richtung der Nachbarn, die da aber ja auch nicht weg können.



    Das Problem ändert sich nicht durch einen Wiederaufbau.

  • Die ganze Welt denkt, die EU verfüge über ein Riesenvermögen, dabei ist sie hochverschuldet und soll jetzt nicht nur Friedenstruppen und Wiederaufbau in der Ukraine, sondern auch in Gaza finanzieren? Die megareichen arabischen Staaten haben sich seit der Flüchtlingskrise einen schlanken Fuß gemacht. Jetzt sollten sie endlich eine finanzielle Verantwortung übernehmen.

  • Falsche Überschrift, richtig ist: Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen - Hamas und Israel zerstören das Gebaute.

  • Palästina braucht einen Marshallplan samt Enthamasifizierung.



    Die Menschen brauchen eine Perspektive, Sicherheit und die Gewissheit, dass es vorwärts geht.



    Klassische Nationbuilding.



    Dann haben destruktive Terrorideologien keine Chance.

    • @Limonadengrundstoff:

      "Dann haben destruktive Terrorideologien keine Chance."

      Terrorideologien haben doch sogar bei uns in zunehmendem Maße Chancen, obwohl Deutschland immer noch halbwegs "... Perspektive, Sicherheit und die Gewissheit, dass es vorwärts geht." bietet.

  • "... und spricht immer noch von der Zerstörung der Hamas als Kriegsziel."

    Evtl. besteht die Möglichkeit, dass die gegenwärtige gazanische Regierung mit ihren Kämpfern und deren Familien Asyl im Iran erhält. Das ist aus meiner Sicht naheliegend und könnte auch für Israel ein Kompromiss sein. Ebenso wäre dann die gazanische Bevölkerung vor diesen Menschen geschützt.



    Iran können wir, wie ich annehme, motivieren, diese Leute aufzunehmen, auch wenn ich nicht zweifelsfrei einschätzen kann, wie das Ansehen dieser Leute im Iran ist. Ich denke jedoch, dass sie dort eine Nische finden können, die ihnen ein normales Leben, sofern gewünscht, ermöglicht.

  • "Der ägyptische Präsident Abdel Fattah El-Sisi, dessen Land den Plan entwirft, der Gastgeber, der saudische Kronprinz Muhammad Bin Salman, der jordanische König Abdallah, der sich bei seiner letzten Washington-Reise Trumps Plan anhören musste, sowie die Emire der Arabischen Emirate und Katar sollen zusammenkommen."

    Es wird spannend sein zu sehen, ob sich diese fünf auf den Plan einigen könnten, in dem die Hamas keine Rolle spielt.

    Eventuell ja, da sie alle Bauchschmerzen mit dem Einfluss des Irans haben, der gleichzeitig geschwächt würde.

    Die EU täte gut daran, dann diesen Plan zu unterstützen. Aus humanitären Gründen, aber auch, um sich besser als potentieller Bündnispartner friedensstiftender Initiativen zu präsentieren.

    Das Ansehen der USA ist vermutlich grundlegend ruiniert. Es wäre gut, sie aus dieser Ecke des Welt zu vertreiben. Sie bringen auch für Europa nichts Gutes. Die Kriege nach 9/11 in diesem Jahrhundert haben nur Krieg und Elend hervorgebracht.

    Ich weiß, die arabischen Regierungen sind nicht unbedingt humanistische Führer, aber das können wir uns nicht aussuchen.

  • Die EU sollte den Wiederaufbau nicht mitfinanzieren, zuviel Geld ist in der Vergangenheit zweckentfremdet worden. Die Aaabischen Staaten sind reich, haben den Terror der Hamas bewusst finanziert und müssen jetzt für die Schäden einstehen.

  • Millardäre teilen sich ganze Länder unter sich auf. Wow. Könnte mal jemand bitte den Planeten anhalten, damit ich aussteigen kann? Die sind ja alle miteinander völlig durch! Ich schreibe Romane, aber so einen miesen Plot könnte ich mir nicht ausdenken, wenn mein Leben davon abhinge!

  • Trump jetzt also tatsächlich der Auslöser dafür, dass aus der arabischen Welt so etwas wie ein Plan kommt, der den Namen verdient? Die Welt ist pervers.



    Was sagt die Hamas dazu?



    Und Europa einmal mehr nur als Zahlmeister? Sauber.

    • @Encantado:

      Die arabischen Staaten haben seit 2002 einen Plan, nennt sich arabische Friedensinitiative.

      • @Momo Bar:

        Es gibt seit 50 Jahren einen Plan, bekannt als "Zweistaatenlösung".

        • @Tungsten:

          Und seit 2002 befürworten auch 57 arabische Staaten diese Lösung. Welche Staaten lehnen sie nach wie vor ab?

      • @Momo Bar:

        Die UN hatte schon 1947 einen Plan. Resolution 118.

        • @Stoffel:

          League of Nations zuvor, anders als die anderen Pläne übrigens völkerrechtlich verbindlich.

          Die Friedensinitiative ist übrigens von Hamas abgelehnt worden.

  • Wichtig wäre bei diesem Plan, dass die unterirdischen Strukturen vollständig gesprengt/vernichtet werden!

    A) schon aus statischen Gründen und b) natürlich wegen der Hamas, die nach dem Wiederaufbau zurückkehren würde.







    Gibt es Informationen, wie die Hamas vertreiben wird und dann auch daran gehindert wird, den Gazastreifen wieder zu dominieren?

    Sonst sehe ich schwarz für Investitionen (aus Europa). Geld verdienen wollen alle gerne, aber zurückzahlen?

  • "Bei der Finanzierung sollen die Golfstaaten und die EU eingebunden werden. "



    Welchen Anteil am Wiederaufbau trägt Israel?

    • @Trabantus:

      Israel steht mit Sicherheit bereit hier zu helfen. Allerdings werden wohl einige Vorausetzungen zu erfüllen sein wie Freilassing aller Geiseln, Übergabe aller Hamasterroristen und vollständige Entwaffnung des Gazastreifens.



      Glauben Sie das ist eine realistische Option für die Palästinenser?



      Sehen Sie - darum wird Israel nicht erwähnt.



      ,

  • Da bin ich aber gespannt ob man die Hamas aus einer Art Regierung draußen halten kann. Sollte die Hamas noch einige tausend Kämpfer dort haben, man spricht von 15-20 tausend, muss man diese erstmal entwaffnen. Viel Spaß Ägypten.

  • Das ist doch verrückt.

    Die EU sollte einen Teufel tun und auch nur einen Backstein bezahlen!

  • "vollkommen Rückzug der israelischen Armee " und wer überwacht, dass nicht neue Terrortunnel mit EU Geldern finanziert werden?

    "...von der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah im Westjordanland bestimmt werden"

    Ah, okay. Also eine homophobe, korrupte, Bande die Kinder zum Hass aufstachelt bestimmt wer diese "Technokraten" sein sollen.

    www.mena-watch.com...-hass-schulbucher/

    Na dann wird ja alles gut.

    • @Pawelko:

      „Von einer technischen Perspektive haben wir die Fähigkeit Gaza innerhalb von drei Jahren neu zu errichten“ [...] "In einer ersten Phase, die etwas sechs Monate umfasst, soll ein Großteil der Trümmer weggeräumt werden."



      Das ist totaler Quatsch. Ich habe lange in der Katastrophenhilfe gearbeitet und diese Sprüche in dutzenden Ländern gehört. Erfahrungsgemäß haben Geberländer nach Katastrophen kein Interesse an Aufräumarbeiten, was aber Voraussetzung für Wiederaufbau ist.



      Die UN werden mal wieder vergeblich versuchen, das händisch mit "emergency employment" zu lösen.



      Spätestens ein halbes Jahr nach Waffenstillstand wird das öffentliche Interesse sich auf eine andere Krise stürzen, und in 20 Jahren wird irgendjemand fragen, warum die Palästinenser im Gazastreifen immer noch in Zelten leben.



      Und die israelischen Regierungen werden bis dahin den Transport von Baumaschinen und -materialien in den Gazastreifen blockieren, wie sie es in der Vergangenheit schon oft getan haben. Zement wird wahrscheinlich durch die illegalen Tunnel aus Ägypten kommen. Lage und Größe dieser Tunnel sind dem israelischen Militär übrigens seit Jahren bekannt, daran ist nichts neu oder spektakulär.