+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Göring-Eckardt kritisiert „Manifest für den Frieden“
Die Bundestagsvizepräsidentin kritisiert das von Sahra Wagenknecht initiierte „Manifest für den Frieden“. Die Stromversorgung im Gebiet Charkiw bleibt mangelhaft.
Göring-Eckardt: Aufruf zu Friedensgesprächen ist naiv und unehrlich
Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) übt scharfe Kritik an dem von der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und Frauenrechtlerin Alice Schwarzer initiierten Manifest gegen weitere Waffenlieferungen an die Ukraine. „Ein Appell für Friedensverhandlungen mit einem sofortigen Ende aller militärischer Unterstützung für die Ukraine ist nicht nur naiv, sondern auch unehrlich“, sagte die Grünen-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntag).
Der Vorschlag sei keineswegs eine Absage an weitere Gewalt, die Initiatorinnen befürworteten vielmehr damit, dass der russische Präsident Wladimir Putin und seine Leute weiterhin unschuldige Ukrainerinnen und Ukrainer überfallen, einsperren, vergewaltigen und verschleppen ließen. „Es ist nicht der Westen, der mit Waffen zur Verteidigung eine rote Linie überschreitet. Die rote Linie hat Putin überschritten: vor neun Jahren mit der Annexion der Krim“, sagte die Grünen-Politikerin.
Auf die russische Aggression dürfe eine freie Gesellschaft nicht mit Belohnung reagieren. „Die Ukraine verteidigt nicht nur ihr eigenes Land, sondern auch unsere Freiheit und vor allem die europäische Sicherheit“, argumentierte Göring-Eckardt, die in Ehrenämtern in der evangelischen Kirche engagiert ist.
Wagenknecht und Schwarzer hatten in dem am Freitag veröffentlichten „Manifest für Frieden“ unter anderem das Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine gefordert. Sie warnen darin vor einer Eskalation, die zu einem Atomkrieg führen könne. Das Manifest unterschrieben auf der Petitionsplattform change.org bis Sonntagmorgen bereits mehr als 210.000 Menschen. Erstunterzeichner sind neben anderen die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, der Journalist Franz Alt, der Schauspieler Henry Hübchen, die Schauspielerinnen Hanna Schygulla und Katharina Thalbach, der Sozialmediziner und ehemalige Bundespräsidentschaftskandidat Gerhard Trabert, der CSU-Politiker Peter Gauweiler, die Grünen-Politikerin Antje Vollmer, der Dirigent Justus Frantz und der Sänger Reinhard Mey. (epd)
London: Russland mit wohl größten Verlusten seit erster Kriegswoche
Russland verliert in der Ukraine nach britischen Angaben so viele Soldaten wie seit den Anfangstagen des Angriffskriegs nicht mehr. „In den vergangenen zwei Wochen hat Russland wahrscheinlich die höchste Verlustrate seit der ersten Woche des Einmarsches in die Ukraine erlitten“, erklärte das britische Verteidigungsministerium am Sonntag unter Berufung auf Statistiken des ukrainischen Generalstabs. London könne die Methodologie bei der Erhebung der Zahlen nicht im Detail prüfen, gehe aber davon aus, dass der „von den Daten illustrierte Trend wohl zutreffend ist“.
Im Durchschnitt der vergangenen sieben Tage habe es den Daten zufolge 824 russische Tote oder Verletzte täglich gegeben, was mehr als dem Vierfachen des Wertes der Monate Juni und Juli entspreche. Diese Zunahme hänge wahrscheinlich mit mehreren Faktoren zusammen, darunter der Mangel an gut ausgebildetem Personal, Koordination und Ressourcen an der Front, wie es sich zum Beispiel in Bachmut zeige. Aber auch die Ukraine erleide weiter große Verluste, schrieben die Briten. (dpa)
Wagner-Chef meldet Einnahme von Dorf bei Bachmut
Die Söldnergruppe Wagner hat ihrem Chef Jewgeni Prigoschin zufolge den Ort Krasna Hora eingenommen. Krasna Hora liegt nördlich der heftig umkämpften Stadt Bachmut, die als strategisch wichtig erachtet wird. (rtr)
Faeser: Geflüchtete aus Ukraine besser in Europa verteilen
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) beklagt eine ungleiche Belastung europäischer Staaten bei der Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine. „Sollte es eine weitere große Fluchtbewegung aus der Ukraine geben, müssen die Flüchtlinge in Europa besser verteilt werden. Dabei sollten besonders unsere osteuropäischen Nachbarn entlastet werden“, forderte sie in der Bild am Sonntag. Polen habe bislang mehr als 1,5 Millionen ukrainische Flüchtlinge aufgenommen, Spanien 160.000. „Das kann nicht so bleiben“, fügte sie hinzu.
Eine Obergrenze für die Aufnahme von Ukrainerinnen und Ukrainern in Deutschland lehnte Faeser ab. Acht von zehn Flüchtlingen seien im vergangenen Jahr aus der Ukraine nach Deutschland gekommen, mehr als eine Million Menschen. Sie hätten ihr Leben retten können vor dem grausamen Krieg. „Für die geflüchteten Frauen und Kinder aus der Ukraine kann man keine Aufnahmegrenze definieren“, sagte sie.
„Wir haben deshalb sehr viel getan, um irreguläre Migration aus anderen Staaten zu begrenzen: zum Beispiel durch intensivere Grenzkontrollen“, argumentierte Faeser und fügte hinzu: „Wir haben aber auch zu wenige Abschiebungen durch die dafür verantwortlichen Bundesländer.“ Über all das solle am nächsten Donnerstag beim Treffen von Vertretern aus Bund, Ländern und Kommunen zur Flüchtlingspolitik gesprochen werden. (epd)
Mangelhafte Stromversorgung in Charkiw
Die jüngste Welle russischer Raketenangriffe erzwingt erneut Notreparaturen am ukrainischen Energienetz. Mehrere Wärme- und Wasserkraftwerke seien beschädigt worden, sagte der Chef des Energieversorgers Ukrenerho, Wolodymyr Kudryzkyj, am Freitagabend im ukrainischen Fernsehen. Besonders schlecht sehe es mit der Stromversorgung im Gebiet Charkiw aus. Wegen der Instabilität im ukrainischen Stromnetz musste am AKW Chmelnyzkyj ein Reaktorblock abgeschaltet werden, in den Atomkraftwerken Riwne und Südukraine wurde die Produktion gedrosselt.
Präsident Selenski verurteilte den russischen Angriff mit etwa 100 Raketen und Marschflugkörpern vom Freitag als Terror. In einer Videobotschaft berichtete er aber seinen Landsleuten, wie viel Unterstützung die Ukraine bei seiner Reise nach London, Paris und Brüssel in dieser Woche erfahren habe.
Am 24. Februar wird seit einem Jahr Krieg herrschen. US-Präsident Joe Biden kündigte einen Besuch beim wichtigen Ukraine-Unterstützer Polen kurz vor dem Jahrestag an. (dpa)
Kyjiw: Russland setzte 71 Marschflugkörper ein
Die Gefahr durch russische Raketenangriffe dauerte auch in der Nacht zu Samstag an. In der Hauptstadt Kiew wurde am späten Freitagabend zum fünften Mal für diesen Tag Luftalarm ausgelöst. „Es droht ein Angriff mit Drohnen“, teilte die Militärverwaltung des Kiewer Gebietes mit. Kampfdrohnen iranischer Bauart wurden auch über den Gebieten Mykolajiw und Odessa im Süden gesichtet und abgeschossen.
Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs setzte die russische Armee bei den Angriffen seit Freitagmorgen 71 Marschflugkörper ein. 61 davon seien abgefangen worden. Die Marschflugkörper seien von russischen Schiffen im Schwarzen Meer und von Flugzeugen aus abgefeuert worden. Außerdem habe Russland nach vorläufiger Zählung 29 Raketen des eigentlich zur Luftabwehr bestimmten Systems S-300 gegen Bodenziele in der Ukraine eingesetzt. Unabhängig überprüfbar waren die Angaben nicht. (dpa)
Reparaturen am Stromnetz
„Wir wurden von Kamikaze-Drohnen und S-300-Raketen angegriffen, und schließlich begann am Morgen ein massiver Raketenangriff“, schilderte Ukrenerho-Chef Kudryzkyj den Verlauf des Freitags. „Das Ausmaß der Schäden ist beträchtlich: Den Russen ist es gelungen, mehrere Wärme- und Wasserkraftwerke zu beschädigen.“
Dadurch seien die Pläne zur Normalisierung der Stromversorgung zurückgeworfen worden, sagte er. „Aber es ist erneut keine Katastrophe passiert.“ Auch die 14. russische Angriffswelle seit vergangenem Oktober habe nicht ihr Ziel erreicht, das ukrainische Energiesystem zu zerstören.
In der Großstadt Charkiw werde daran gearbeitet, die Stromversorgung über das Wochenende wieder herzustellen. „Die kritische Infrastruktur von Charkiw wurde mit Strom versorgt“, betonte der Ukrenerho-Chef. Auch in der Region Chmelnyzkyj und in Odessa werde an einer Stabilisierung der Lage gearbeitet. In der Hauptstadt Kiew gibt es derzeit immer sechs Stunden Strom, dann drei Stunden lang nicht. (dpa)
Stoltenberg will Amtszeit nicht verlängern
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg will seine Amtszeit laut seiner Sprecherin nicht verlängern. „Das Mandat von Generalsekretär Jens Stoltenberg wurde dreimal verlängert und er hat insgesamt fast neun Jahre gedient“, schrieb Oana Lungescu auf Anfrage von Reuters am Sonntagmorgen. „Die Amtszeit des Generalsekretärs endet im Oktober dieses Jahres und er hat nicht die Absicht, eine weitere Verlängerung seines Mandats anzustreben.“ Der norwegische frühere Ministerpräsident Stoltenberg ist seit 2014 Nato-Chef, seine Amtszeit endet am 30. September. (rtr)
Präsident zieht positives Fazit zu Europareise
„London, Paris, Brüssel – überall habe ich in diesen Tagen darüber gesprochen, wie wir unsere Soldaten stärken können“, sagte Selenski am Freitagabend in einer Videobotschaft. „Es gibt sehr wichtige Vereinbarungen, und wir haben gute Signale erhalten.“ Dies gelte für Raketen mit höherer Reichweite und Panzer. An der erhofften Lieferung von Kampfflugzeugen als nächster Stufe der Zusammenarbeit „müssen wir aber noch arbeiten“.
In London habe er gespürt, dass die Briten der Ukraine wirklich den Sieg über die russische Invasion wünschen. Das Treffen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Paris sei wichtig gewesen, um Argumente auszutauschen. „Es wird mehr Unterstützung geben“, sagte Selenski.
Seine folgenden Besuche beim EU-Gipfel und beim Europäischen Parlament nannte er den „Beginn einer neuen Etappe“, in der die Ukraine nicht mehr Gast der europäischen Institutionen sein werde, sondern vollwertiges Mitglied. Nach seinem Besuch in Washington im Dezember war es für Selenski die zweite Auslandsreise seit der russischen Invasion vor knapp einem Jahr. (dpa)
Botschafter: Ukraine wird bis zum Sieg durchhalten
Beim Zeitplan für einen EU-Beitritt wolle die Ukraine keine Sonderrabatte, sie habe aber eine Sonderrolle, sagte der ukrainische Botschafter in Berlin, Oleksii Makeiev. Daher verdiene sie – bei Einhaltung aller Kriterien – auch besondere Geschwindigkeit, sagte er im Deutschlandfunk. Die Korruption in der Ukraine nannte der Botschafter eine Pest, die gerade überwunden werde. Das sei nicht nur wichtig mit Blick auf eine Aufnahme in die EU, sondern auch eine entscheidende Sicherheitsfrage im Abwehrkampf gegen Russland.
Sein Land werde bis zu einem Sieg gegen Russland durchhalten, sagte Makeiev. Die Ukraine habe keine andere Wahl, auch wenn sie gegen einen Riesen kämpfe. Schließlich sei nicht nur die Freiheit des Landes bedroht, sondern seine Existenz als eigenständiger Staat. (dpa)
Biden in Polen, Putin in Moskau
US-Präsident Biden wird vor dem ersten Jahrestag des Kriegsbeginns an die Nato-Ostflanke nach Polen reisen. Er werde bei seinem Besuch vom 20. bis 22. Februar unter anderem den polnischen Präsidenten Andrzej Duda treffen, kündigte das Weiße Haus an. Geplant sei auch eine Rede Bidens mit Blick auf den 24. Februar. Polen ist ein wichtiger Unterstützer der Ukraine. Über seine östliche Grenze kommt ein Großteil der ausländischen Militärhilfe in das angegriffene Land.
Bidens Besuch wird sich mit einem wichtigen Auftritt des russischen Präsidenten Wladimir Putin überschneiden. Der Kremlchef will am 21. Februar in Moskau seine alljährliche Rede an die Nation halten – ebenfalls abzielend auf den Jahrestag. 2022 war die Rede ausgefallen. (dpa)
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