piwik no script img

Umgang der Union mit der „Elsa“-StudieTotschweigen durch Nina Warken

Kommentar von Amelie Sittenauer

Die wissenschaftliche Studie über ungewollt Schwangere stört die Union bei ihrem Kulturkampf. Dabei ist Versachlichung dringend geboten.

Nett lächeln und nichts sagen, so kennen wir Nina Warken wenns um reproduktive Angelegenheiten geht Foto: Britta Pedersen/dpa Pool

S till und leise hat das Bundesgesundheitsministerium unter Nina Warken (CDU) am Mittwoch den Abschlussbericht der Elsa-Studie zu den Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer veröffentlicht – auf seiner Webseite, ohne Pressemitteilung und ohne Äußerung der Ministerin.

Ginge es nach CDU und CSU, soll es so auch möglichst still um die Inhalte der in Deutschland einzigartigen Studie bleiben: Auf mehr als 1.000 Seiten wird eine schlechte Versorgungslage für ungewollt Schwangere beschrieben, genauso wie weite Anfahrtswege, eine Stigmatisierung von Betroffenen und eine hohe Kostenbelastung.

Nach der emotionalisierten Kampagne gegen die Bundesverfassungsrichterkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf und die ihr falsch zugeschriebenen Positionen zum Thema Schwangerschaftsabbruch ist eine solche Versachlichung der Abtreibungsdebatte durch Daten, Analysen und Handlungsempfehlungen dringend nötig.

Das Logo der taz: Weißer Schriftzung t a z und weiße Tatze auf rotem Grund.
taz debatte

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.

Das Totschweigen durch Warken zeigt jedoch, dass die Union lieber weiter Kulturkampf betreibt, als sich mit wissenschaftlichen Erkenntnissen auseinanderzusetzen. Ansonsten müsste sie endlich anerkennen, dass die Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs vorrangig keine ethische Frage ist – denn Abbrüche bis zur zwölften Woche werden in Deutschland täglich hundertfach straffrei durchgeführt. Der Zugang von ungewollt Schwangeren zu einem Schwangerschaftsabbruch ist in der Realität eine Frage der Gesundheitsversorgung von Frauen und Menschen mit Uterus in Deutschland.

Um diese zu verbessern, ist und bleibt die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs zentral. Erst die Streichung des Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch und eine Neuregelung im Schwangerschaftskonfliktgesetz würden neue gesetzliche Spielräume für die medizinische Versorgung, für eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen, eine verbesserte medizinische Weiterbildung und schließlich eine Entstigmatisierung eröffnen. Und das hat sich Schwarz-Rot auch in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Warum die Union das Thema totschweigt, ist mir vollkommen klar.



    Wieso sollte sie eine Studie veröffentlichen, die sie nicht in Auftrag gegeben hat UND die ihrer Agenda komplett konträr gegenübersteht?



    Das ist doch völlig logisch und kein Skandal. Die Union macht eben Union Sachen. So erwartbar, so banal.



    Was mich viel mehr bewegt ist, dass die Studie letzten Sommer fertig wurde und spätestens im Herbst alle Ergebnisse komplett ausgewertet vorlagen. Wieso verdammt hat die Ampel die Ergebnisse nicht veröffentlicht???



    Spätestens als SPD und Grüne allein in der Koalition waren, gab es keinen nachvollziehbaren Grund mehr, die Veröffentlichung zu verzögern.



    Selbst Frau Faeser hat noch kurz vor dem Ende ihrer Amtszeit die Veröffentlichung des Gutachtens zur Einstufung der AfD hinbekommen (wenn auch katastrophal schlecht).



    Mir will es einfach nicht in den Kopf, warum rot-grün die Veröffentlichung zurückgehalten hat. Darauf wäre eine Antwort, wie bei so vielen anderen verpassten Chancen der Ampel, wirklich interessant.