Umgang der Union mit der „Elsa“-Studie: Totschweigen durch Nina Warken
Die wissenschaftliche Studie über ungewollt Schwangere stört die Union bei ihrem Kulturkampf. Dabei ist Versachlichung dringend geboten.

S till und leise hat das Bundesgesundheitsministerium unter Nina Warken (CDU) am Mittwoch den Abschlussbericht der Elsa-Studie zu den Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer veröffentlicht – auf seiner Webseite, ohne Pressemitteilung und ohne Äußerung der Ministerin.
Ginge es nach CDU und CSU, soll es so auch möglichst still um die Inhalte der in Deutschland einzigartigen Studie bleiben: Auf mehr als 1.000 Seiten wird eine schlechte Versorgungslage für ungewollt Schwangere beschrieben, genauso wie weite Anfahrtswege, eine Stigmatisierung von Betroffenen und eine hohe Kostenbelastung.
Nach der emotionalisierten Kampagne gegen die Bundesverfassungsrichterkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf und die ihr falsch zugeschriebenen Positionen zum Thema Schwangerschaftsabbruch ist eine solche Versachlichung der Abtreibungsdebatte durch Daten, Analysen und Handlungsempfehlungen dringend nötig.

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Das Totschweigen durch Warken zeigt jedoch, dass die Union lieber weiter Kulturkampf betreibt, als sich mit wissenschaftlichen Erkenntnissen auseinanderzusetzen. Ansonsten müsste sie endlich anerkennen, dass die Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs vorrangig keine ethische Frage ist – denn Abbrüche bis zur zwölften Woche werden in Deutschland täglich hundertfach straffrei durchgeführt. Der Zugang von ungewollt Schwangeren zu einem Schwangerschaftsabbruch ist in der Realität eine Frage der Gesundheitsversorgung von Frauen und Menschen mit Uterus in Deutschland.
Um diese zu verbessern, ist und bleibt die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs zentral. Erst die Streichung des Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch und eine Neuregelung im Schwangerschaftskonfliktgesetz würden neue gesetzliche Spielräume für die medizinische Versorgung, für eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen, eine verbesserte medizinische Weiterbildung und schließlich eine Entstigmatisierung eröffnen. Und das hat sich Schwarz-Rot auch in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen.
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