„From the River to the Sea“: Freispruch nach verbotener Palästina-Parole in Berlin
Der Spruch „From the River to the Sea“ ist als vermeintliches Hamas-Symbol verboten. Ein deshalb angeklagter Student wurde nun freigesprochen.
Diese war am 2. November des Vorjahres von der damaligen Innenministerin Nancy Faeser (SPD) per Verfügung verboten worden, weil sie als Kennzeichnen der am gleichen Tag als Terrororganisation verbotenen Hamas gewertet wurde. Infolge der Verbotsverfügung war es bereits mehrfach zu Verurteilungen von Personen sowie Verboten von oder strengen Auflagen für Demonstrationen gekommen.
Dass „From the River to the Sea“ als Kennzeichen der Hamas zu verstehen sei, sah die Richterin am Freitag anders. Sie habe schon zuvor Bedenken über den ergangenen Strafbefehl geäußert, sagte sie. Durch die Vorstellung einer ausführlichen historisch-wissenschaftlichen Analyse der Parole durch eine LKA-Sachverständige kam die Richterin aus mehreren Gründen zu der Überzeugung, dass es sich nicht um ein Hamas-Kennzeichen handele.
Zwar versuche die 1987 gegründete Terrororganisation, sich den Spruch zu eigen zu machen. Allerdings, so das Urteil, müsse dessen Ursprung in den 1960er und 1970er Jahren berücksichtigt werden. Anfangs habe die Parole nicht – wie im Fall der Hamas – für die Auslöschung Israels, sondern für die Errichtung eines „multiethnischen, säkularen Staates auf dem ehemaligen britischen Mandatsgebiet Palästina“ gestanden, der auch jüdische Menschen einschließen sollte, so die LKA-Sachverständige.
Kein Hinweis auf Hamas-Verbindung
Auch werde der Spruch von der Hamas in dieser Form gar nicht verwendet, lediglich Teile davon oder in Abwandlung. Und im Übrigen nutzten andere Akteur:innen, auch in Israel, ebenfalls Varianten der Parole.
Wenn der Satz, der häufig im gesprochenen Fließtext verwendet werde, überhaupt den Charakter eines Kennzeichens irgendeiner Art erfülle, dann sei im Fall des 23-jährigen Studenten kein Hinweis zu erkennen, dass er es als Hamas-Symbolik genutzt hat, befand die Richterin. Ein Vorsatz sei nicht zu erkennen.
Für Yaşar Ohle, den Anwalt des Angeklagten, ist der Freispruch keine Überraschung: „Das Urteil zeigt, dass man, wenn man sich mit dem Sachverhalt vertieft und unter Zuhilfenahme einer Sachverständigen auseinandersetzt, nur zu diesem Ergebnis kommen kann.“ Die Verbindung zwischen der Parole und der Hamas sei „konstruiert und vom Bundesinnenministerium nicht haltbar“, sagte er der taz.
Auch die Richterin fand am Freitag deutliche Worte: Personen wegen des Spruchs „From the River to the Sea, Palestine will be free“ anzuklagen, halte sie für die „Kriminalisierung von politischem Protest“.
Für Noah Perreira, Sprecher der Studierendenorganisation „Hands off Student Rights“, ist der Freispruch ein Zeichen „gegen die Einschränkung der Meinungsfreiheit, aber auch für alle, die sich kritisch zur deutschen Außenpolitik äußern“, sagte Perreira der taz. Mehrere Unterstützer:innen der propalästinensischen Gruppe waren zum Prozess erschienen.
Dass die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen wird, hält Anwalt Yaşar Ohle für wahrscheinlich.
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