Pro-Palästina-Bewegung in Berlin: Differenzen bei Dreiecks-Deutung

KZ-Abzeichen, Hamas-Symbol oder die neue Wassermelone? im Zuge des Nahost-Kriegs scheiden sich bei der Definition von Dreiecks-Graffiti die Geister.

Menschen mit Palästinatüchern und einer Palästinaflagge

Manche der HU-BesetzerInnen interpretieren das Dreieck als Bestandteil der palästinensischen Flagge Foto: IMAGO / Jens Schicke

BERLIN taz | Es bleibt kompliziert um das vermeintliche Hamas-Symbol – seit Oktober taucht das nach unten zeigende, rote Dreieck immer wieder in Berlin auf. Erst im April war es als Grafitti am Hermannplatz zu sehen, dann prangte ein Dreieck an der Fassade des Techno Clubs „About blank“ am Markgrafendamm, am Dienstag wurden mehrere Dreiecke an die Scheibe der Neuköllner Kneipe Bajszel geklebt. Letztere Einrichtungen werden von Pro-Palästina Ak­ti­vis­t:in­nen als pro-israelisch und zionistisch bezeichnet und teilweise boykottiert. Vor allem aber fällt das Dreieck im Zuge der Uni-Besetzungen auf, wie zuletzt an der Humboldt-Universität am Mittwoch und Donnerstag.

Teilweise begleitet von „From the river to the sea“ oder auch „Resistance is justified“ Schriftzügen ist dort das Dreieck rot auf weiß auf Wänden im sozialwissenschaftlichen Institut zu sehen. Bei einigen Betrachtern könnte es auf den ersten Blick direkt zu Nazi-Assoziationen kommen: Denn ausgerechnet das rote, nach unten zeigende Dreieck wurde in Konzentrationslagern benutzt, um politische Gefangene zu markieren. Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) benutzt es deshalb auch als Teil ihres Logos, das an eine Häftlingsuniform mit genau diesem Dreiecks-Aufnäher angelehnt ist.

Im Zuge der aktuellen Pro-Palästina-Verwendung ist die Connection zum Symbol allerdings mehrheitlich eine andere: Die Hamas benutzt das rote Dreieck seit dem 1. November besonders in Propaganda-Videos und Social-Media-Grafiken als Feindesmarkierung. In Videos von Angriffen auf israelische Ziele wird es reinretuschiert und zeigt wie ein Pfeil auf feindliche Panzer und Soldaten. Die Dreiecke erinnern an Ziel-Markierungen in Videospielen wie Ego-Shootern und Kriegsspielen, wo es um die Vernichtung des Gegners geht, so der Verein Democ, der demokratiefeindliche Bewegungen analysiert.

„Red-trianglen“ auf Social-Media und Protesten

Auf X, TikTok und Instagram kursieren zahlreiche Videos und Memes, die das Dreieck als Symbol aufgreifen. Auch online gilt es als Feindesmarkierung. Teilweise richtet sich das Dreieck auf Fotos an Pro-Israel-De­mons­tran­t:in­nen oder israelische Soldat:innen, weitere Memes zeigen das rote Dreieck, das wie eine Guillotine auf israelische Flaggen und Panzer fällt und sie zermatscht. Das „red-trianglen“ treffe besonders vermeintlich israelfreundliche Menschen und Jüd:innen, so Democ. Weiter erläutert der Verband: „Oft ist die Verwendung damit antisemitisch und impliziert massive Gewalt bis hin zur Todes- bzw. Vernichtungsdrohung.“

Es liegt nahe, dass es sich bei dem Symbol um ein eindeutiges Hamas-Symbol handelt, das Ansprühen an eine Hauswand würde demnach diesen Ort als nächstes Angriffsziel markieren. Doch bei Betrachtung der aktuellen Verwendung fällt auf, dass es von einigen Ak­ti­vis­t:in­nen genau wie Wassermelone, Kuffiya und Palästina-Flagge verwendet wird, als Solidaritäts-Symbol des palästinensischen Wiederstands. Es ist auf T-Shirts, Pullovern und Demoplakaten zu sehen.

Ein reines Hamas-Symbol?

Viele Ak­ti­vis­t:in­nen legen das Dreieck für sich anders aus: „Das rote Dreieck symbolisiert für uns das rote Dreieck, das Teil der palästinensischen Flagge ist“ sagte ein Aktivist der pro-palästinensischen Student Coalition an der HU gegenüber der Berliner Morgenpost am Donnerstag. „Wir verbinden es nicht mit der Hamas“, so der Aktivist bei der Besetzung der Universität. Eine direkte Anfrage der taz an die Student Coalition Berlin blieb unbeantwortet.

Ein Vertreter von Democ meint dagegen: „Es mag vereinzelte Personen geben, die das Dreieck ohne die Intention nutzen, sich damit mit der Hamas zu solidarisieren oder zur Gewalt aufzurufen. Das ändert nichts an der Herkunft und ursprünglichen Bedeutung des Symbols und der Wirkung auf von Antisemitismus Betroffene.“ Die Definition und aktuelle Auslegung des Symbols bleibt also vielschichtig.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.