Leitantrag für Linken-Parteitag im Mai: „Kultur der revolutionären Freundlichkeit“
Nach ihrem Wahlerfolg will die Linkspartei auf 150.000 Mitglieder anwachsen. Bei der Außenpolitik bleibt ein neuer Leitantrag vage.

Bei der Bundestagswahl hatte die Linkspartei, die nach der Abspaltung des Wagenknecht-Flügels von vielen bereits totgesagt worden war, mit 8,8 Prozent einen Überraschungscoup gelandet. Ihre Mitgliederzahl ist inzwischen von rund 50.000 Anfang 2024 auf mehr als 100.000 gestiegen. „Das uns durch die vielen Stimmen und Eintritte ausgesprochene Vertrauen ist uns Anspruch und Ansporn“, heißt es in dem Leitantrag, der am Wochenende vom Parteivorstand beschlossen wurde und der taz vorliegt.
Ein erster Schritt soll sein, bei den kommenden Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Hessen erfolgreich abzuschneiden sowie im kommenden Jahr bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz erstmals in die Parlamente einzuziehen. Ziel sei, perspektivisch in allen Landtagen vertreten zu sein und „die kommunalpolitische Verankerung in der Fläche auszubauen“.
Mindestens ebenso wichtig sei es, die Linke zu einer „kraftvollen sozialistischen Mitgliederpartei“ weiterzuentwickeln, „die auch jenseits von Wahlen in der Lage ist, Kampagnen durchzuführen und sogar zu gewinnen“. Sie müsse „eine organisierende Klassenpartei werden, die die vielfältige Mehrheit der Menschen anspricht und an ihrer Seite für ihre Interessen eintritt“.
„Ort der Gemeinschaft“
Als Lehre aus der früheren chronischen Zerstrittenheit soll „eine Kultur des Willkommens und der revolutionären Freundlichkeit“ etabliert werden. Entgegen ihrer langjährigen Praxis will die Partei künftig „ein Ort der Gemeinschaft sein, wo Menschen sich wohlfühlen, Freund:innen finden und gemeinsame Utopien entwickeln“.
Dazu sollen auch die Linken-Parlamentarier:innen stärker als bisher beitragen: „Ein Mandat der Linken verpflichtet dazu, sich am Parteiaufbau zu beteiligen und sich in den Dienst der Partei zu stellen“, heißt es dazu. Um die Glaubwürdigkeit zu stärken, sollen Konzepte für Gehaltsbegrenzung und Mandatszeitbegrenzung entwickelt werden.
Bis 2027 will die Partei ihr altes Grundsatzprogramm aus dem Jahr 2011 überarbeiten. Inhaltlich zentraler Punkt bleibt die Soziale Gerechtigkeit. Einen Fokus legt die Partei dabei auf die Wohnungsfrage und ihren Einsatz für einen bundesweiten Mietendeckel. Nicht minder wichtig sei die Verteidigung der Einkommen der lohnabhängig Arbeitenden, der Renten und Transferzahlungen.
Außen- und Verteidigungspolitik nur am Rande
Darüber hinaus wird in dem Leitantrag noch eine soziale Klimapolitik sowie das bedingungslose Einstehen für eine antirassistische und antifaschistische Haltung als vorrangig benannt. Als politischen Hauptgegner sieht die Partei neben der AfD die CDU von Friedrich Merz. „In Deutschland verkörpert Merz den Wandel vom neoliberalen Transatlantiker zum autoritären Rechtspopulisten“, steht im Leitantrag.
Auffällig ist, mit welcher Kürze die Außen- und Verteidigungspolitik abgehandelt wird. Zwar wird konstatiert, dass Donald Trump die westliche Bündnisarchitektur beende. Aber diese Feststellung bleibt freistehend im Raum, ohne dass irgendwelche Schlussfolgerungen daraus gezogen werden. Stattdessen beschränkt sich das Papier auf Altbekanntes: dass die Linke eine Friedenspartei sei und Aufrüstung ablehne.
Tunlichst wird in dem Leitantrag eine Konkretisierung vermieden, was es heißt, die Partei trete „bedingungslos für das Völkerrecht und den Schutz derjenigen ein, die unter den Kriegen dieser Welt leiden“. Der Grund dafür dürfte sein, dass der Parteivorstand „die Positionen, die uns vereinen, in den Mittelpunkt stellen“ will. Ob deshalb der russische Überfall auf die Ukraine mit keinem einzigen Wort Erwähnung findet? „Auf der Höhe der Zeit“, wie die Linke sich gerne sehen würde, wirkt das allerdings nicht.
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