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Krieg in der UkraineRussland droht mit „schärfsten Reaktionen“

Nach der Entscheidung der USA, der Ukraine Angriffe auf Russlands Hinterland zu erlauben, kommen aus Moskau empörte Stimmen. Präsident Putin schweigt.

Der russische Präsident Wladimir Putin im Kreml in Moskau, am 18. November 2024 Foto: Vyacheslav Prokofyev/reuters

Moskau taz | Für den ehemaligen russischen General Andrej Guruljow scheint alles klar: „Einfach mit dem Atomknüppel draufhauen! Erst auf die Briten, dann auf die USA! Sowohl Biden als auch Trump vom Erdboden tilgen!“

Das ist die neue – und die alte, zum wiederholten Male ausgesprochene – Antwort des Propagandisten im Propagandistenkreis um den russischen Extrem-Talker Wladimir Solowjow im russischen Staats-TV. Der 57-Jährige steht nicht allein mit den Forderungen nach einem Erstschlag mit Atomwaffen gegen den Westen. Sie sind nicht neu. Nun aber werden sie wieder laut.

Die New York Times war die erste, die darüber geschrieben hatte, dass die USA der Ukraine den Einsatz von US-Waffen mit größerer Reichweite gegen Ziele auf russischem Staatsgebiet erlaubt haben sollen. „Sollte sich das bestätigen“, raunte der russische Außenpolitiker Leonid Sluzki, so werde Russland „aufs Schärfste“ reagieren. Wie das aussähe, konkretisierte er nicht. Der „blutige Joe“, wie er den scheidenden US-amerikanischen Präsidenten Biden nannte, mache es seinem Nachfolger Donald Trump „nur schwerer, den Krieg in der Ukraine zu beenden.“

Russische Scharf­ma­che­r*in­nen wie die Ex-Spionin Maria Butina raunen vom „dritten Weltkrieg“. Verantwortlich dafür seien die USA. Ohnehin sind die USA in den Augen Russlands für alles verantwortlich, auch für den Krieg in der Ukraine. „Wir waren dazu gezwungen“, sagt Russlands Präsident Wladimir Putin stets gern, wenn er auf den Überfall Russlands auf die Ukraine angesprochen wird. Der Westen habe Russland schließlich erniedrigt.

Öl ins Feuer

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sieht nun „eine neue Qualität an Spannungen“, wie er am Montag sagte und zugleich betonte, dass Putin zu westlichen Langstreckenwaffen im September bereits alles gesagt habe. Putin hatte damals in Sankt Petersburg erklärt, dass der Einsatz solcher Waffen auf russischem Territorium eine direkte Beteiligung des Westens am Krieg bedeute. Das werde die „Natur des Konflikts“ verändern, hatte er gesagt. „Ukrainische Soldaten beherrschen diese Systeme nicht. Es sind westliche Militärs, die diese Waffen bedienen.“

Peskow wiederholte am Montag: „Die Position ist hier für jeden absolut klar. Die Signale wurden vom kollektiven Westen gelesen.“ Nun wolle die scheidende Regierung in Washington „Schritte unternehmen, um Öl ins Feuer zu gießen“ und eine „weitere Eskalation provozieren“, sagte er.

Der kremlloyale Militärexperte Konstantin Siwkow sprach von einem „schrittweisen Test“ Russlands und nannte „drei Antworten“ des Kremls: Raketen abschießen („das haben wir mittlerweile gelernt, trotz erheblichem Schaden, den das anrichtet“), russische Langstreckenwaffen an die Gruppierungen übergeben, die den USA schaden könnten, wie zum Beispiel die Hisbollah oder die Huthi-Rebellen, oder amerikanische Stützpunkte außerhalb der USA angreifen.

ATACMS-Raketen hatten die Ukrainer bereits auf der Krim und im Donbass eingesetzt, Gebiete, die Russland als sein eigenes Territorium betrachtet. Damit hätte Kyjiw bereits mehrmals Russlands „rote Linien“ überschritten.

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22 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • >Nach der Entscheidung der USA, der Ukraine Angriffe auf Russlands Hinterland zu erlauben, kommen aus Moskau empörte Stimmen. Präsident Putin schweigt.

    Jetzt hat er heute die neue Atomdoktrin in Kraft gesetzt. War also die bittere Entrüstung darüber, dass er "schweigt", doch verfrüht?

  • Wir dürfen davon ausgehen, dass Biden diesen Schritt mit Trump abgestimmt hat. Putin wird keine größeren Schritte einleiten um die bevorstehenden Gespräche mit Trump nicht schwieriger zu machen, als sie für ihn ohnehin werden. Und Trump wird sagen, dass diese Entscheidung Biden getroffen hat. Putins Eskalationsmöglichkeiten sind darüber hinaus überschaubar. Tief im Feindesland stehend (aus russischer Sicht) wird er ganz sicher keine taktischen Kernwaffen einsetzen, denn dann hat er keine Freunde mehr und das bisher erreichte ist für ihn verloren. Selbstmordgefährdet sind die Nordkoreaner, die Iraner und Putins weiteren illustren Freunde wohl auch nicht. Abgesehen davon war der Schritt militärisch notwendig, da die Ukraine sich fortwährend weiter in der Defensive befindet. Diesen Schritt der Weltmacht USA darf man als klare Ansage für bevorstehende Gespräche werten.

  • Putin läßt halt seine Hunde bellen - ein Herrchen bellt ja nie selbst mit ...

  • Wir merken nicht mehr, wo die Grenzen sind, wenn wir sie immer weiter verschieben. Reicht das Vertrauen, dass es zwingend irgendwann Putin ist, der aufgibt?



    Bei mir nicht.



    Ich sitze nicht an politischer Machtschaltstelle, aber ich glaube nicht, dass derjenige dort wirklich tief darüber nachgedacht hat, ob er das verantworten kann.



    Biden ist bald Geschichte.



    Das ist der einzige Grund, aus dem er es riskiert.

    • @poesietotal:

      Gute Frage.

      Reicht das Vertrauen, dass Putin aufgibt, wenn er die Ukraine bekommen hat?

      Wird er nach der Republik Moldau und Georgien aufgeben?

      Oder kommen dann die baltischen Staaten ran?

      Wird er dann aufgeben?

      Ist dann Polen dran, weil er mit den Polen noch eine Rechnung offen hat?

      Und wenn er dann an der Oder steht, wird er schließlich aufgeben?

      Auch bei mir reicht das Vertrauen nicht.

    • @poesietotal:

      "Wir merken nicht mehr, wo die Grenzen sind, wenn wir sie immer weiter verschieben."



      Meinen Sie die ukrainisch-russischen Grenzen? Die werden von Putin verschoben, nicht von uns.

      • @Encantado:

        Vielleich sind ja die NATO Grenzen gemeint?

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Der Deutung ist gar vieles möglich... helfen Sie mir doch: wo wurden in letzter Zeit NATO-Grenzen verschoben?

      • @Encantado:

        Das finden anscheinend nicht alle nicht gut.



        Aber Massenmörder hatten schon immer auch ihre Fans...

  • Schon grotesk, diese Scharfmacherei und Drohungen mit Atomschlägen, die ja doch nie kommen werden, weil soooooo wichtig ist Putin die Ukraine auch wieder nicht, sonst hätte sie längst vollständig eingenommen. Ist das wie Hunde, die bellen und nicht beissen? Putin wurde also durch den Westen erniedrigt. Hm. Vielleicht helfen ihm ja die Drohungen, sich wieder top zu fühlen. Alles reine Psychologie. Nicht provozieren lassen.

    • @OndaOnda:

      "Schon grotesk, diese Scharfmacherei und Drohungen mit Atomschlägen, die ja doch nie kommen werden..."

      Genau solche Einstellungen führen meist in die Katastrophe.

      Konkret hat Putin schon einige Dinge getan, von denen die Hasardeure glaubten, dass er sie doch nicht tut. Bis jetzt geht die Zahl der Toten "nur" in die Hunderttausende...

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Es gibt in dieser Angelegenheit nur einen einzigen Hasardeur, und der heißt Putin. Wer Angst vor ihm und seinen Drohungen hat, sollte befürworten, dass ihm Einhalt geboten wird.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        "Konkret hat Putin schon einige Dinge getan, von denen die Hasardeure glaubten, dass er sie doch nicht tut."



        Konkret hat Putin ganz besonders das nicht getan, worauf die Hasardeure ständig verweisen: ehrliche und faire Verhandlungen, den Krieg beenden.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        "Konkret hat Putin schon einige Dinge getan, von denen die Hasardeure glaubten, dass er sie doch nicht tut."

        Wohl wahr! Allerdings vor allem deshalb, weil unter anderem die Entscheidungsträger in der deutschen Politik und ihr mediales Umfeld ganz fest die Augen vor dem Offensichtlichen verschlossen haben: Dass nämlich Putin ein hochaggressiver Akteur ist, der sich auf imperialer Mission wähnt, und "Entspannunspolitik" à la Steinmeier für pures Gedöns hält. Nur noch weltfremd ist es zu glauben, man müsse nun ausgerechnet diese Form der "Ostpolitik", die die Sicherheitsinteressen der osteuropäischen Länder schon bisher systematisch ignoriert hat, fortführen, um Frieden zu erreichen. Die wirklich durch nichts gerechtfertigte Hoffnung, Putin würde sich durch ostentative Friedfertigkeit, unterwürfige Gesprächsangebote und nicht zuletzt durch militärische Schwäche nachhaltig beeindrucken und zur Umkehr bewegen lassen, darf man dann getrost als Appeasment bezeichnen. "Hasardeure" sind vor allem diejenigen, die im Jahre 2024 ungebrochen auf den guten Willen Putins setzen.

  • Ziemlich klar, was Russland fordert: völlige Unterwerfung sowohl durch die Ukraine, aber letztlich durch alle, die Russland und Putin nicht großartig finden. Bundeskanzlerin Weidel wird dem in 2025 wunschgemäß nachkommen. BSW wird zustimmen. Dann ist endlich Friede auf Erden.

  • wie im letzten Absatz dargestellt, ist es höchste Zeit für ein aktives und effektives Vorgehen gegen die Angriffe Russlands gegenüber der Ukraine, damit das diktatorische Regim in Russland endlich an den Verhandlungstisch gezwungen wird und Frau Wagenknecht sich endlich wieder auf bundesdeutsche Probleme konzentrieren kann.

    • @Sonnenhaus:

      Letzteres wäre ja mal was. Sozial- und wirtschaftspolitisch hat unsere stramme Salonsozialistin in den letzten Jahren sehr wenig von sich hören lassen - diese Felder sind also offenkundig NICHT die Sorgen ihrer Wähler. Jene sehen sich mehr so als Experten in antiamerikanischer Geopolitik und Ethnologie.

  • Weiß Biden noch, dass er das gesagt hat?

  • "Nach der US-Entscheidung, Kyjiw Angriffe auf russisches Hinterland zu erlauben, kommen aus Moskau empörte Stimmen. Präsident Wladimir Putin schweigt. "



    Sogenannte Angstgranaten. Scharfe verbale Äußerungen, ohne dass sich Putin exponieren würde. Mal sehen, ob der Westen ängstlich in Deckung geht.

  • Das ist schon lange überfällig. Putin beginnt erneut mit seinen Terrorschlägen und dem Versuch die Ukraine mit ihren Menschen in eine humanitäre Krise zu stürzen. Die Zerstörung der Infrastruktur für Strom und Wärme, sowie der Versorgung ist für die Ukrainer vor dem vor der Tür stehenden Winter eine Katastrophe. Genau das will Putin. Nur die Möglichkeit russische und neuerdings auch nordkoreanische Ziele im Landesinneren Russlands zu bekämpfen macht bei der russischen Luftüberlegenheit Sinn. Stellen wir uns nicht gegen Putin verlieren wir nicht nur die Ukraine. Die europäische Sicherheit wird mit der Entschiedenheit der Unterstützung der Ukraine stehen oder fallen. Auch für Taiwan ist das eine Blaupause. China wird sich das Verhalten der Westmächte und der Nato sehr genau ansehen.

  • "„Wir waren dazu gezwungen“, sagt Russlands Präsident Wladimir Putin stets gern, wenn er auf den Überfall Russlands auf die Ukraine angesprochen wird. Der Westen habe Russland schließlich erniedrigt." Mit den Worten eines Kindes! Und diese Nation lässt sich immer noch von diesem "Kind" terrorisieren? War Russland intellektuell jemals weiter? Vermutlich nicht.

  • Naja Russland wird die Sache schnell tot schweigen, sobald sie "durch" ist.



    Aber wir werden uns von Sara, AFD und den restlichen Mitgliedern der fünften Kolonne noch lange anhören dürfen, dass man die Kriegstreiber lieber machen lassen soll, statt die Opfer zu unterstützen.