Ampelkoalition gescheitert: Endlich!
Olaf Scholz entlässt den Finanzminister. Auch wenn der Zeitpunkt schwierig ist: Neuwahlen sind richtig.
D rei Jahre nach ihrem Start, mit fröhlichen Selfies und dem selbstgewählten Label als „Fortschrittskoalition“, ist die erste Ampel-Koalition der Bundesrepublik Geschichte. Und die Frage ist, ob dies nun endlich passiert ist oder ausgerechnet jetzt.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) entlässt seinen Finanzminister Christian Lindner (FDP). Und er nutzt diesen Anlass, um die wohl beste Rede zu halten, die er als Bundeskanzler gehalten hat. Statt Scholzomatischer Robotik spricht er in klaren Sätzen: Lindner habe sein Vertrauen gebrochen, habe parteitaktisch agiert.
Es ist eine für Scholz' Verhältnisse emotionale Abrechnung mit seinem Finanzminister, den er noch bis vor kurzem immer verteidigt hat, oft zum Missfallen seiner eigenen Partei und seines zweiten Koalitionspartners, der Grünen.
Scholz hat diesen Schritt für Mittwochabend offenbar genau geplant: Denn er ist nicht nur klar in seiner Abrechnung, sondern auch in dem, was jetzt folgen soll: Bis Weihnachten will er die wichtigsten Gesetze in den Bundestag einbringen, um damit die Wirtschaft zu stärken. Mitte Januar will er die Vertrauensfrage stellen, damit es Ende März Neuwahlen gibt – passenderweise kurz nach den Bürgerschaftswahlen in der SPD-Hochburg Hamburg.
Mit diesem Zeitplan setzt Scholz den Oppositionsführer Friedrich Merz unter Druck. Zieht der mit, stärkt er seinen Konkurrenten ums Kanzleramt im Wahlkampf. Boykottiert Merz die Reformen zur Stärkung der Wirtschaft, könnte Scholz ihm vorwerfen, dass ihm Parteitaktik wichtiger ist als das Wohl des Landes.
Scholz mutiert zum Wahlkämpfer
Nach dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA hatten viele erwartet, dass sich die Bundesregierung an diesem Abend noch einmal zusammenraufen werde. Tatsächlich sah der für heute angesetzte Krisengipfel ja noch mal provinzieller aus als ohnehin schon: Da gewinnt ein Rechtsextremist die Wahlen in der mächtigsten Demokratie der Welt, die Zukunft des Westens ist ungewiss, und der deutsche Finanzminister will bei einem abendlichen Proseminar seinen Koalitionspartnern seine Vorstellungen von Ordoliberalismus erklären.
Doch diese Koalition ist nicht an ein paar Milliarden im Haushalt gescheitert. Lindner war längst in den Wahlkampfmodus übergegangen und handelte nur noch aus Parteitaktik. Selbst das Ergebnis der US-Wahlen hat offenbar nicht dazu geführt, dass der Finanzminister zurück in die staatspolitische Verantwortung wechselt.
Mit dem heutigen Tag ist nun auch Scholz zum Wahlkämpfer mutiert, auch wenn er nach außen sein Handeln natürlich ganz staatsmännisch mit dem Wohle Deutschlands begründet. Bleibt die Frage, warum er so lang dafür gebraucht hat, um zu erkennen, dass mit dieser FDP kein Staat mehr zu machen war, in einer langen Wirtschaftskrise und mit einem Krieg in Europa. Und ob die Wählerinnen und Wähler ihm dieses lange Abwarten bei den kommenden Neuwahlen noch vorwerfen werden oder sie vergesslich genug sind.
Nicht weiter durchwurschteln
Am 20. Januar wird Donald Trump in den USA vereidigt. Nach dem Zeitplan von Olaf Scholz steht dann bereits ein Wahltermin fest. Deutschland ist ab heute im Wahlkampf. Und es ist eine absurde Vorstellung, dass der Bundeskanzler über die Marktplätze der Republik turnen soll, um noch ein paar Rentner von der Sozialdemokratie zu überzeugen, während Trump die Weltordnung verändert, mit unabsehbaren Folgen für den gesamten Westen, aber auch die Ukraine, Israel und Palästina.
Aber ist der Schritt hin zu Neuwahlen deshalb falsch? Es stimmt, das Timing ist schwierig, und Stabilität kann manchmal ein Wert für sich sein. Doch ein Weiter-so der Ampel wäre eine noch schlechtere Nachricht gewesen. Denn eine Lehre aus Trumps Wahlsieg ist auch: Mitte-Parteien, die sich weiter durchwurschteln, haben gegen den Rechtspopulismus auf Dauer keine Chance.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Verbotskultur auf Social Media
Jugendschutz ohne Jugend