Drohender Krieg im Nahen Osten: Netanjahu setzt auf Eskalation

Israels Premier Netanjahu zündelt, um an der Macht zu bleiben. Die Menschen in der Region, die Frieden wollen, drohen unter die Räder zu geraten.

Rauch steigt vom Ort eines israelischen Luftangriffs in Beirut auf

Nach einem Luftangriff in Beirut am 3. Oktober Foto: Hassan Ammar / ap

In den vergangenen zwei Wochen wurden im Libanon über 1.700 Menschen getötet, Tausende verletzt, mehr als 1,2 Millionen Menschen sind im Land auf der Flucht. Am Donnerstag rief die israelische Armee die Libanesen im Süden dazu auf, die Region bis zum Fluss Awali sofort zu verlassen. Er verläuft 60 Kilometer von der Grenze entfernt.

Netanjahu setzt auf Eskalation. Erst vor einer Woche hatten die USA und weitere Staaten Israel und den Libanon aufgefordert, einen sofortigen 21-tägigen Waffenstillstand zu akzeptieren. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah soll dem zugestimmt haben, sagte der libanesische Außenminister Abdullah Bu Habib dem US-Sender CNN. Kurz darauf warfen israelische Kampfjets mehrere Ein-Tonnen-Bomben auf einen Wohnblock im Süden Beiruts, unter dem das Hauptquartier der Hisbollah lag, und töteten Nasrallah und seine Führung. Während man in Israel frohlockte, stand US-Präsident Joe Biden einmal mehr düpiert da.

Mehrfach hat sich Netanjahu über Einwände seines wichtigsten Partners hinweggesetzt. Im Mai zog Biden eine rote Linie, um Israel von einem Einmarsch in Rafah abzuhalten. Netanjahu ignorierte das und ließ die israelische Armee in den Süden des Gazastreifens. Mit einem Waffenstillstand in Gaza, der längst ausgehandelt schien, ließ er ihn ebenfalls auflaufen. Nun hat sich Joe Biden gegen einen israelischen Angriff auf Atomanlagen des Irans ausgesprochen. Doch wer sollte Netanjahu davon abhalten?

Die Rechte in Israel sieht derzeit eine günstige Gelegenheit, die Karte des Nahen Ostens neu zu zeichnen; das Regime im Iran will sie am liebsten stürzen. Netanjahus Konkurrent Naftali Bennett spricht das offen aus. Dass Iran am Dienstag 200 Raketen auf Israel abschoss, bietet Anlass zur Vergeltung. Netanjahu hat ein persönliches Interesse daran, den Krieg auszuweiten, um weiter an der Macht zu bleiben.

Siedler schaffen Fakten

Er weiß, dass die USA an seiner Seite stehen werden. Vor den Präsidentschaftswahlen wird sich niemand trauen, ihm in den Arm zu fallen. Den Rest der Welt glaubt er ignorieren zu können, wie die Einreisesperre gegen UN-Generalsekretär António Guterres zeigt. Wie Schlafwandler taumelt die Welt einem Krieg in der Region entgegen, den alle vermeiden wollten.

Im Westjordanland schaffen Siedler und Soldaten derweil Fakten. Den Gazastreifen möchte Netanjahu wieder auf Dauer besetzen, seine messianischen Koalitionspartner wollen dort wieder Siedlungen bauen. Die Menschen in der Region, die Frieden wollen, drohen unter die Räder zu geraten; wie die Geiseln der Hamas, die Netanjahu längst aufgegeben hat.

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Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er schreibt über Politik und Popkultur – inbesondere über die deutsche Innen- und Außenpolitik, die Migrations- und Kulturpolitik sowie über Nahost-Debatten und andere Kulturkämpfe, Muslime und andere Minderheiten sowie über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 folgte das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”

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