Religiöse Deutungen des Trump-Attentats: Fátima hat damit nichts zu tun
Bei einem Anschlag entkam Donald Trump knapp dem Tod. Religiöse vermuten einen göttlichen Eingriff. Solche Mystifizierungen sind keineswegs harmlos.
Gott hat Trump beschützt“ – derart lakonisch vertwitterte der republikanische Senator Marco Rubio am vergangenen Sonntag das Attentat auf seinen Parteifreund. Besonders in den sozialen Medien folgten auf diesen Tweet viele Kommentare, die das Überleben des Ex-Präsidenten einem göttlichen Eingriff zuschrieben.
Teilweise wirkt es fast so, als wäre Trump bereits heiliggesprochen worden. In jedem Fall kehrt mit der religiösen Deutung des Attentats ein hypermystisches Christentum auf die politische Bühne zurück. Das ist der säkularen Gesellschaft fremd geworden. Darüber hinaus ist diese nicht darauf vorbereitet, radikalen Christ*innen argumentativ zu begegnen.
Besonders abwegig mutet eine Interpretation des Attentats an, die von katholischen Beobachter*innen dutzendfach auf der Kurznachrichtenplattform X verbreitet wurde. Trump hätte sein Leben dem Wirken Unserer Lieben Frau von Fátima zu verdanken. Angeblich erschien diese während des 1. Weltkriegs den portugiesischen Hirtenkindern Lúcia dos Santos, Francisco Marto und Jacinta Marto sechs Mal beim Schafehüten.
Anlässlich der dritten Erscheinung am 13. Juli 1917 soll die Gottesmutter dem Trio obendrein drei Geheimnisse anvertraut haben.
Entscheidend ist an dieser Stelle das dritte Geheimnis, das der Vatikan erst 2000 im Wortlaut veröffentlichte. Darin heißt es, dass ein „in Weiß gekleideter Bischof“ von einer „Gruppe von Soldaten getötet“ werden würde. Papst Johannes Paul II. interpretierte diese Prophezeiung als Hinweis auf das Attentat des türkischen Nationalisten Mehmet Ali Ağca, dem er selbst am 13. Mai 1981 auf dem Petersplatz zum Opfer fiel.
Religiöser Zynismus
Trumps Anhänger*innen sind deshalb überzeugt: Ähnlich wie damals habe die Gottesmutter just am 107. Jahrestag der Geheimnisse von Fátima Trumps Leben gerettet. Um diese sehr katholische Deutung etwas wahrscheinlicher zu machen, verknüpften sie manche Beobachter*innen mit der Hoffnung, dass Trump nun aber doch in die „Kirche Christi“ (gemeint ist natürlich die römisch-katholische Kirche) zurückkehren müsste.
Der geborene Presbyterianer versteht sich selbst als „konfessionell ungebundener Christ“ und entspricht offensichtlich nicht der üblichen Vorstellung von einem guten Christenmenschen. Scheint Gott nicht zu stören.
Trotz ihrer Exotik müssen Interpretationen, wie die der Geheimnisse von Fátima, ernst genommen werden. Sie laufen nämlich auf eine zynische Form politischer Theologie hinaus: Gott oder die Jungfrau Maria hätten zur Rettung von Trump den Tod des Feuerwehrmanns Corey Comperatore in Kauf genommen. Dieser hatte sich im Augenblick des Attentats schützend vor seine Familie geworfen.
Ein „metaphysischer Kampf“
Eine ähnliche „Logik“ lässt sich zum Beispiel in den Ansichten des Moskauer Patriarchen Kyrill I. zu Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine ausmachen: Das Oberhaupt der russischen Orthodoxie bezeichnete diesen als „metaphysischen Kampf“, der jedes Opfer wert sei.
Der säkularen Gesellschaft fehlt eine passende Antwort auf diesen politisch-theologischen Zynismus. Diesem ist nicht mehr durch langwierige Kampagnen gegen Fake News oder wohlfeile Appelle an den gesellschaftlichen Zusammenhalt beizukommen.
Die Öffentlichkeit muss sich wieder stärker mit religiösen Deutungsmustern und vor allem ihrer Widersprüchlichkeit auseinandersetzen. Das beweisen auch das Trump-Attentat und die Schnelligkeit, mit der es religiös interpretiert wurde. Möglicherweise haben sich viele Beobachter*innen angesichts des Niedergangs der Kirchen in Europa und den USA zu lange darüber hinweggetäuscht, welchen anhaltenden politischen Einfluss die christlichen Religionen weiterhin haben.
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