Stark-Watzinger und Fördergeldaffäre: Unglaubwürdig, unplausibel

Am Mittwoch musste Ministerin Stark-Watzinger in den Bildungsausschuss. Viele Fragen der Abgeordneten zur Affäre um Gaza-Proteste blieben offen.

Bettina Stark-Watzinger rückt einen Stuhl am Kabinetsstisch

In der Kritik: Stark-­Watzinger vergangene Woche im Kabinett Foto: Hannibal Hanschke/epa

BERLIN taz | Viele Fragen, wenige Antworten: Am Mittwoch stand Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) dem Bildungsausschuss im Bundestag Rede und Antwort zur Entlassung ihrer Staatssekretärin Sabine Döring. Viele Fragen der Abgeordneten ließ die Ministerin unbeantwortet, stattdessen wiederholte sie Aussagen aus vergangenen Pressekonferenzen und -statements.

Hintergrund der Affäre ist eine Prüfung dienst-, förder- und strafrechtlicher Konsequenzen für Hochschullehrer:innen, die einen offenen Brief unterzeichnet hatten. Dieser hatte sich gegen die Räumung eines propalästinensischen Protestcamps an der Freien Universität Berlin durch die Polizei gerichtet. Der Prüfauftrag wurde am 11. Juni durch Recherchen des NDR bekannt.

In der Befragung am Mittwoch betonte Stark-Watzinger, die Fördermittelaffäre in drei verschiedene Vorgänge einordnen zu wollen. Zuerst habe Staatssekretärin Döring am 13. Mai per Telefon ein Referat beauftragt, den offenen Brief der Wis­sen­schaft­le­r:in­nen juristisch zu prüfen.

Laut Stark-Watzinger ist dieses Telefonat offensichtlich so missverstanden worden, dass Mit­a­bei­te­r:in­nen auch von einer förderrechtlichen Prüfung ausgingen. „Ich habe die Prüfung förderrechtlicher Konsequenzen nicht erteilt und nicht gewollt“, wiederholte Stark-Watzinger ihre Aussage von der Bundespressekonferenz am vergangenen Dienstag.

Vom zweiten Vorgang habe die Ministerin gewusst. Es ging um die Frage, ob der Inhalt des offenen Briefs von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Das bejahten die zuständigen Mitarbeiter:innen.

Neue Mailverläufe aus dem Bildungsministerium

Als Letztes sei schließlich der Auftrag ergangen, eine Liste aller Wis­sen­schaft­le­r:in­nen zu erstellen, die den offenen Brief unterschrieben hatten und in Verbindung mit dem Bildungsministerium (BMBF) stehen. Dieser Auftrag wurde am Montag durch die Internetplattform „Frag den Staat“ bekannt.

Sie veröffentlichte interne Mailverläufe, die zudem zeigen, dass Mit­ar­bei­te­r:in­nen des Ministeriums mit der Prüfung nicht einverstanden waren. „Ich möchte Ihnen nicht verhehlen, dass es unter den Kolleginnen und Kollegen großes Unwohlsein ausgelöst hat, Namen in Listen zu markieren“, heißt es in einer Mail.

Stark-Watzinger erklärte nun im Ausschuss, dass die Liste erstellt werden sollte, um Nachfragen der Presse zuvorzukommen. Ihr selbst sei sie nie vorgelegt worden. Weder sie noch der zuständige Abteilungsleiter habe diese Liste in Auftrag gegeben. Wer es stattdessen war, ließ sie offen. Thomas Jarzombek, bildungspolitischer Sprecher der CDU/CSU, bezweifelt die Darstellung.

Datenschutzrechtlich wäre es nicht möglich gewesen, die Namen der Presse zu nennen. „Aus diesem Grund heraus ist das ziemlich wenig plausibel, dass das eine Aktion gewesen sein könnte, um daraus Pressestatements zu generieren“, sagte er der taz. Jarzombek warf Stark-Watzinger vor, seine Fragen bewusst nicht zu beantworten. Auch nach mehreren Nachfragen, wer denn die Liste in Auftrag gegeben hätte, wollte sich Stark-Watzinger nicht äußern. „Es geht um den Schutz von Mitarbeitenden, die jetzt unter Feuer stehen“, sagte sie.

Gohlke (Linke) hält es für unplausibel, dass Stark-Watzinger nur von einem der Prüfaufträge wusste

Zweifel über die Aussagen der Ministerin

Nicole Gohlke (Linke) hält es für unplausibel, dass Stark-Watzinger nur von einem der Prüfaufträge wusste. Im Ausschuss sagte sie: „Es ist unglaubwürdig, dass alle möglichen Mitarbeiter Prüfaufträge zeitgleich aufgegeben haben und Sie davon nichts gewusst haben“, sagte sie.

Mehrere Abgeordnete äußerten zudem Sorgen über einen Vertrauensverlust von Wis­sen­schaft­le­r:in­nen gegenüber dem Ministerium. „Wir haben eine sehr aufgebrachte, aufgewühlte und verunsicherte Wissenschaftscommunity“, sagte Anja Reinalter von den Grünen. Es habe einen gravierenden Vertrauensschaden gegeben.

Auf die Frage von Ali Al-Dailami, Abgeordneter für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), zu Rücktrittsforderungen gegen Stark-Watzinger, antwortete diese: „Ich sehe dazu keine Veranlassung.“ Mittlerweile haben über 3.200 Wis­sen­schaft­le­r:in­nen einen zweiten offenen Brief unterzeichnet, der den Rücktritt der Ministerin fordert.

An ihrer Kritik am ersten Brief hielt Stark-Watzinger weiterhin fest. „Der Brief war ein Meinungsbeitrag, dem habe ich eine Meinung entgegengesetzt. Eine Meinung hat kein Recht auf Zustimmung“, so die Ministerin in der Befragung.

Auch bei der Regierungsbefragung kein Entkommen

Dass Stark-Watzinger auch bei turnusmäßiger Befragung der Regierung am Mittwochnachmittag im Bundestag Rede und Antwort stehen muss, ist Zufall. Anfangs spricht sie über das Startchancen-Programm, Bafög-Reform und Fusionsforschung, dann äußert sie sich zu der Förderaffäre in ihrem Ministerium. Doch neues gab es auch dabei nicht.

Die angeschlagene Ministerin wiederholte, was sie in den vergangenen Tagen bereits häufig selbst sagte oder ihre Sprecherinnen sagen ließ. Sie bleibe bei ihrer Kritik an dem offenen Brief, aber dieser sei von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Die Wissenschaftsfreiheit aber sei ebenfalls ein hohes Gut, „ein Schatz“, so Stark-Watzinger. „Im BMBF vergeben wir Fördermittel nach wissenschaftlicher Exzellenz, nicht nach politischer Weltanschauung. Das ist das Kernprinzip von Wissenschaftsfreiheit.“ Dafür stehe sie auch persönlich.

Stark-Watzingers Glück an diesem Nachmittag vor laufenden Kameras: Die Zeit in der Regierungsbefragung ist begrenzt, die Regeln sind streng. Drei CDU-Fachpolitiker:innen versuchten es trotzdem – und erhielten wie am Morgen nur ausweichende Antworten.

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