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Verkehrsminister droht mit FahrverbotenGo! Wissing! Go!

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Volker Wissing kündigt Wochenend-Fahrverbote an, wenn das Klimaschutzgesetz nicht vorankommt. Ist er jetzt Ehrenvorsitzender der Letzten Generation? Leider nein.

Der Verkehrsminister mit einem ihm weitgehend unbekannten Symbol Foto: Kay Nietfeld/dpa

D a hat Volker Wissing einen echten Coup gelandet. Fahrverbote am Wochenende seien notwendig, schrieb der FDP-Verkehrsminister an seine Ampel-Kolleg:innen von SPD und Grünen, falls man sich nicht zügig auf eine Reform des Klimaschutzgesetzes einige. Aber holla, was ist das denn? Der Bundesautominister, für den Verkehr gemeinhin erst dann politisch relevant wird, wenn er als motorisierter Individualverkehr mit einer Mindestgeschwindigkeit von 130 km/h durch die Republik rast, geriert sich plötzlich als Ehrenvorsitzender der Letzten Generation?

Leider nein. Denn wie immer produziert Wissing auch diesmal in Sachen Umweltpolitik vor allem eins: heiße Luft. Und dass die alles andere als gut ist für das Klima, weiß jedes Vorschulkind.

Umso enttäuschender sind die Reaktionen der üblichen Verdächtigen. Statt Wissing beim Wort zu nehmen und auf den netterweise bereitgestellten Zug für radikale Maßnahmen aufzuspringen, nörgeln sie nur herum.

Greenpeace wirft Wissing vor, Horrorszenarien auf die Straße zu malen. Die Grünen empören sich, dass der verkehrte Minister unbegründet Sorgen verbreite. Beide haben selbstverständlich recht. Aber sie zeigen damit auch nur eins: dass selbst die klimapolitische Avantgarde davor zurückschreckt, die Wäh­le­r:in­nen in der autoverliebten Nation zu verschrecken.

Klimawandel endlich ernst nehmen

Wissing selbst gibt zu, dass Fahrverbote den Menschen kaum zu vermitteln seien, wenn die Klimaziele der Bundesregierung insgesamt erreicht würden. Er will mit seinem lauten Motorgeheule natürlich auch gar keine Verbote, sondern genau das Gegenteil: mehr Abgasfreiheit für den Verkehrssektor. CO2 sparen sollen eben nicht die Autofahrer:innen, sondern die anderen. Wer auch immer das ist.

Dabei ist das Problem nicht, dass die Bundesregierung ihre Klimaziele nicht einhält. Das Problem sind die viel zu lasch gesetzten Margen der Ampel. Der Klimawandel lässt sich so nicht aufhalten. Weltweit wird seit Monaten ein Rekord nach dem anderen gebrochen. Der Januar, der Februar, der März waren warm wie nie. Die Temperaturkurve der Weltmeere brodelt so sehr nach oben, dass sich bald auch Badewannenwasserfans Sorgen machen müssen.

Das stört mittlerweile nicht nur irgendwelche In­sel­be­woh­ne­r:in­nen im fernen Pazifik, deren Heimat abzusaufen droht. Das nervt nicht nur kleine süße Pinguine, denen es auf den Galapagosinseln zu warm geworden ist. Der Klimawandel fällt uns auch hierzulande längst immer öfter auf den Kopf. Als tödlicher Starkregen à la Ahrtal.

Was nötig wäre? Ein Verkehrsminister, der seine Arbeit, sein Ressort und den Klimawandel ernst nimmt. Und Fahrverbote nicht nur als Drohkulisse in den Raum stellt, sondern als unabdingbar notwendiges Handeln. Go! Wissing! Go! Und zwar ohne jedes Tempolimit.

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Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Bluesky:@gereonas.bsky.social Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de ex-Twitter: @gereonas Foto: Anke Phoebe Peters
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25 Kommentare

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  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Dann müssen die Menschen am Freitag halt schneller fahren, damit sie früh genug zu Hause ankommen. „Erreicht den Hof mit Müh' und Not..." Wie beim Erlkönig.



    --



    Und für @SAM SPADE – zur Abwechslung ein Limerick:



    In Berlin lebt ein Autominister,



    der zieht wieder alle Register.



    Wonach steht sein Sinn?



    Er hofft auf Gewinn



    und hortet Benzin im Kanister.

  • Herr Wissing hört nur auf Lobbyisten, die ihm auf seiner Zwischenstation vom Politiker zum Berater später sicher einen gut bezahlten Job vermitteln könnten. Es sind fast ausnahmslos FDP- oder CSU-Politiker, die Automobilindustrie-hörig sowohl Tempolimits als auch andere vernünftige Verkehrskonzepte aus Prinzip ablehnen.



    Dabei würde ein Tempolimit jetzt in doppelter Hinsicht Leben retten - weniger tödliche Unfälle durch Geschwindigkeitsbegrenzung, beispielsweise auf 120 auf Autobahnen, der Zustand der deutschen Fahrspuren vielfach für nicht mehr taugt, aber auch durch weniger Klimaschaden und entsprechend weniger Erkrankungen. Und bei den Stadtkonzepten stellt sich Herr Wissing auch grundsätzlich quer. Dem Auto darf man in Deutschland nicht in die Quere kommen. Paris und Rad-freundliche Städte zeigen, dass man in Deutschland auf dem völlig falschen Weg ist.

  • Meine Empfehlung an die Koalitionspartner: Kompromisslösung - Reform der Sektorziele ja, aber nur gegen Tempolimit innerorts und außerorts (30 oder 40 innerorts/80 Landstraße/120 Autobahn), und Reform der Zulassungsvorschriften für PKW (limitiertes Maximalgewicht und limitierte maximale Motorleistung einhergehend mit limitiertem Maximalverbrauch).

  • Das waäre doch ein schöner Flopp für die FDP, wenn Ihr Tunichtviel Verbote für VERBRENNER aussprechen müßte und Elektroautos haben freie Fahrt! So geht seine derzeitige Strategie nämlich nach hinten los!

  • Warum sollte Wissing nach zwei Jahren plötzlich die große Eingebung kommen? Am Ende herrscht immer noch der große Irrglaube, dass das mit dem Klima schon nicht so schlimm wird. Und wenn doch ziehen wir das CO2 halt irgendwie aus der Atmosphäre. Massives Umsteuern, weg vom Individualverkehr hin zu einem leistungsstarken und bezahlbaren ÖPNV? Selbst die Grünen enttäuschen hier, von den Sozis und der FDP ganz zu schweigen. Man erinnert sich an die grüne Umweltdezernentin in Frankfurt, die mit einer wild entschlossenen Ignoranz jegliches Fahrverbot in Frankfurt trotz viel zu hoher Luftbelastung ausgeschlossen hat. Der Autoverkehr ist die heilige Kuh, die bedenkenlos krank machen, das Klima verschlechtern oder wegen zu hoher Geschwingkeiten töten darf. Es zeigt leider mal wieder die Bigotterie und Inkonsequenz der Diskussion. Dass die Schwellen- und Dritte-Welt-Länder dies kritisieren ist mehr als verständlich.

  • Wissing hätte auch positiv argumentieren können, nämlich: E-Autos droht KEIN Fahrverbot.

    • @Ludowig:

      Angesichts der Tatsache, dass Elektroautos momentan nur finanziell leistbar sind ab (oberer) Mittelschicht aufwärts, wäre das eine problematische Regelung.

    • @Ludowig:

      Genau die Strategie sollte man verfolgen! Er merkt nämlich nicht, dass da ein Bummerang!

  • Vor dem Wochenendfahrverbot, oder nennen wir es Mobilitaetsverbot fuer die Nichtstaedter, sollte man vielleicht die AFD verbieten.

  • Nicht zu Unrecht hat dieser Mann den Titel "Klima-Bla-Bla-Wissing". Diese Äußerung hat er auf dem FDP-Parteitag in RP im vorigen Jahr getan. Doch er ist damit nicht allein. Die gesamte Führungsriege der Pseudo-Partei FDP will keine Änderungen an Klimapolitik und wollte das auch nie. Die sind in die Koa nur deswegen reingegangen, um genau diese Destruktionspolitik betreiben zu können - und sie tun das mit allen Mitteln. Das ist unredlich. Verlogen. Hinterhältig. Es bleibt zu hoffen, dass die bei sämtlichen Wahlen künftig unter "ferne liefen" gebucht werden. Erwas anderes haben die nicht verdient.

  • Frei nach Norbert Blüm: "Immer wenn es darum geht, den Gürtel enger zu schnallen, wird zuerst am Gürtel des Nachbarn rumgemacht !"



    Wozu braucht es in den heutigen Zeiten einen Verkehrsminister, dem es - im Sinne seiner Klientel - um nichts anderes geht, als den eher rückwärtsgewandten Status Quo aufrecht zu erhalten, natürlich zu Lasten seiner "Kollegen".

  • Immerhin hat Wissing das 50-EURO Ticket eingeführt.

    Für die Elektromobilität ist Habeck zuständig.

    • @Pi-circle:

      Ironie, oder?

  • Was für eine Volte von Wissing! Greenpeace, die Umweltverbände und die Grünen stehen blank da, weil Wissing ihnen vorrechnet, was für Maßnahmen im Verkehrssektor nötig sind. Dieses Wissen ist in der Bundesregierung seit einem Jahrzehnt vorhanden, aber es wurde nie entsprechend von der Politik gehandelt.



    Jetzt macht Wissing die Rechung auf und die Umweltverbände und die Grünen tauchen unisono ab! Verlogener kann der Umgang mit Klimaschutz kaum sein.

    Französische Wissenschaftler visualierten, was der Anstieg der Welttemperatur für die Küstenbewohner Frankreichs bedeutet: riesige Küstenstreifen entlang der Küsten Frankreichs werden aufgrund von Überschwemmungen unbewohnbar sein. Diese Gefahr droht auch den Küsten Deutschlands. Frankreichs Wasserreserven an Trinkwasser sind aufgrund der großen Trockenheit schon jetzt enorm bedroht.

    Und Deutschlands Klimaschützer sehen sich nicht einmal in der Lage, Fahrverbote für die breite Masse an Autofahrern am Wochenende zu organisieren, obwohl das von allen Politikern propagierte 1,5 Gradziel schön längst nicht mehr zu erreichen ist!

    Wissings Rechung zeigt: bequeme Otto Normalverbraucher und die sich nach Ihnen richtenden Politiker und Umweltverbände wollen der Wahrheit nicht ins Auge schauen, bevorzugen bequeme Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr, die an der Wahrheit bei Klimaschutzmaßnahmen vorbei geht. Wie beim Frosch im Kochtopf, der aufgrund des lansamen Temperaturanstieges nicht merkt, dass er langsam aber sicher gekocht wird.

  • Der größte Fehler der Grünen war es, nicht das Verkehrsressort zu übernehmen - oder überhaupt mit der Möwenpick Partei für Besserverdienende Hoteliers zu koalieren. GO Volker GO!

  • Wissing und die FDP sind die Totengräber 'grüner' Möchtegerne, die sich im parlamentarischen Alltag der Kenntnisnahme der aktuellen Klimarealität fast vollständig verweigern: Kein Wort von einer eigentlich NOTwendigen NOTBREMSE mehr aus Angst davor, sich ihrem Publikum mit ehrlichen Aussagen (schon lange nicht mehr 'nur' Prognosen!!) offenbaren zu müssen. So hat sie die so kleine FDP mit ihren Progromen zu Mittätern gemacht, wenn ein 'Klimaschutz (!)- Minister mit den Konzernbossen, die die Klimakatastrophe zu verantworten haben, aushandelt, wie viel CO²- Einsparungen denn noch verkraftet werden können, bevor das ganze Profitsystem einstürzt (Wer Kohei Saito ,'Systemsturz' studiert, weiss, dass es so kommt!). Mit dem Schreckenswort: FAHRVERBOT wird die ganze 'grüne' 'Politik' mit dem Nasenring noch einmal durch die Manege getrieben, wenn es nicht si traurig wäre, es wäre Kabarett oder ein Thema für das taz-Lab(er)....

  • Gerade das Bundesministerium für Verkehr ist bekannt für seine ausgeklügelten Nebelkerzen. Glückwunsch. Mit Tempolimit bräuchten wir das Fass gar nicht aufmachen.

  • Ja, so wird es kommen. Nicht nur am Wochenende. Aber was dieser Move soll, ist doch klar. Unfrieden in der Koalition stiften, bis eine der anderen Parteien das Handtuch wirft. Also sollten die die FDP überstimmen, damit die die Koaltion verlässt. Dann ist klar, wer Schuld ist.

    • @Matt Gekachelt:

      Das spielt eh keine Rolle - in 2 Jahren haben wir wieder eine GroKo und der Spuk ist vorbei.

  • Sonntagsfahrverbote, oh war das schön.



    Damals vor 50 Jahren haben wir den Blick in eine wunderbare mögliche Welt geworfen. Wir waren traurig, als das wieder endete.



    Natürlich fürchten alle, die am Auto verdienen, dass der "Bedarf" oder besser gesagt die "Nachfrage" und die Verkaufszahlen von Autos sinken. Aber für uns Menschen mit zwei Beinen gibts ja nichts schöneres, als all die viele viele Fläche zu betreten, die frei wird, wenn keine Autos mehr fahren.



    Wir können auf der Straße Federball spielen oder tanzen oder einen Stuhlkreis machen. Die Kinder kriegen bunte Straßenkreide und malen einen Parcours für ihr Fahrradrennen.



    Am Sonntag muss man nicht in ein "Erholungsgebiet" fahren und vor dem Gasthaus ewig Parkplatz suchen, man radelt durch den Stadtpark in eine Ecke der Stadt, wo man noch nie war.



    Und auf dem Land besucht man die Freunde im Nachbardorf und beredet das Wachsen des Getreides und das Gedeihen der Schweine auf der alten Bank vor dem Haus.

    Ach, es ist so lang her und so viele Menschen können sich nicht an autofreie Tage erinnern, welch ein Trauriger Verlust an Lebenserfahrung.

    • @Zeit und Raum:

      Stimmt alles, Danke

  • Typischer FDP-Move. Am Ende ist wieder die Ampel schuld und besonders die Grünen.

    Dann wählen die Leute schwarz-gelb und die FDP sonnt sich unter der schwarzen Sonne. Oder es gibt schwarz-blau, was für die garnicht so schlimm ist. Lass die Großen das machen, weniger Kritik gegen die Liberalen.

  • Eine "Avantgarde" hätte wohl gefodert: sofortige Umsetzung + danach Rücktritt wegen erwiesener Unfähigkeit.

  • JA, BITTE!

    Ich bin noch so alt, ich erinnere mich an die 1970er. Es war einfach nur geil.