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Antisemitismusdefinition der IHRABerliner Bekenntnispflicht

Kommentar von Jessica Ramczik

Der Berliner Senat will Förderungen in Zukunft an ein Bekenntnis zur IHRA-Antisemitismusdefinition knüpfen. Das ist unbedingt notwendig.

Israelfahne, Berlin 01.06.2019 Foto: Karsten Thielker

A b sofort beabsichtigt die Berliner Senatskulturverwaltung, Fördermittel aus dem Kulturhaushalt des Landes Berlin an die Bedingung zu knüpfen, dass Antragstellerinnen eine Antisemitismus-Klausel unterschreiben. Grundlage hierfür stellt die Arbeitsdefinition von Antisemitismus der IHRA (International Holocaust Rememberance Alliance) dar.

Darauf folgte das Erwartbare: Der offene Brief von Berliner Kulturschaffenden, die weiterhin Israel kritisieren wollen, ohne sich An­ti­se­mi­t*in­nen schimpfen lassen zu müssen. Im Brief selbst: Ängste vor dem Verlust von Meinungs- und Kunstfreiheit sowie vor dem Verlust von Diversität und juristisches Klein-Klein über die Eignung der IHRA-Definition als Förderklausel. Was fehlt: selbstkritische Positionen zu den regressiven und judenfeindlichen Tendenzen der Berliner Kulturszene oder ein klares Bekenntnis dazu, dass Israel ebenso existieren darf wie jedes andere Land. Stattdessen verweist der Brief auf die „Jerusalem Declaration on Antisemitism“. Der Grund: ihre vermeintlich größere Offenheit für Israelkritik.

Es bleibt dennoch die Frage: Würden die Protestierenden überhaupt der Implementierung irgendeiner Antisemitismus-Definition zustimmen? Dies bleibt zu bezweifeln: „Wir sind gegen diese Hierarchisierung von Diskriminierungsformen und (Auf-)Spaltung marginalisierter gesellschaftlicher Gruppen und halten dies für gefährlich“, heißt es im offenen Brief.

Doch genau hier liegt das Problem: Wer Antisemitismus lediglich als weitere Form der Marginalisierung betrachtet, hat weder dessen Wirkungsweise noch dessen Wirkmächtigkeit verstanden. Antisemitismus umfasst oft die Anschuldigung, „die Juden“ betrieben eine gegen die Menschheit gerichtete Verschwörung. Dies schlägt sich nicht selten in der Dämonisierung und Delegitimierung des Staates Israel nieder. Genau darauf baut die Definition der IHRA auf.

Braucht es also eine Arbeitsgrundlage wie die der IHRA? Ja. Wird eine solche Klausel antisemitische Tendenzen in der Berliner Kulturszene vorbeugen? Wahrscheinlich nicht. Ist sie dennoch notwendig? Zweifellos.

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42 Kommentare

 / 
  • 4G
    42798 (Profil gelöscht)

    Sehr guter Beitrag.

  • Der Link holocaustremembran...von-antisemitismus



    funktioniert nicht mehr; es kommt 404 page not found

  • Wenn dann sollte es eine allgemeine Antirassimusklausel geben. Eine Sonderstellung für Antisemitismus halte ich für äußerst problematisch weil es praktisch Kulturbetrieben ein gewisse antisemitsche Einstellung unterstellt. Selbst wenn dies stimmen würde machte es das Ganze doch nur noch schlimmer.

  • Ich bin generell skeptisch, wenn ein Bekenntnis gefordert wird. Erinnert mich eher an Kirche und an die 80er Jahre mit Berufsverboten und Radikalenerlass. Die Gesetze genügen, Bekenntnisse braucht es nicht.

  • In wessen Interesse würde eine förderung einer politkunst sein, die sich unter dem Schutz des sog. globalen Südens so offen antisemitisch geladen zeigt wie die unlängst auf der documenta in Kassel?

  • Bei einigen Kommentaren hier frage ich mich, ob entweder nie auf den Link zur Arbeitsdefinition der IHRA geklickt wurde oder davon ausgegangen wird, die anderen Leser*innen würden das nicht tun.

    Dort steht: „Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Jüdinnen und Juden, die sich als Hass gegenüber Jüdinnen und Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen.“

    Was daran ist problematisch? Es gibt kein Recht auf gruppenbezogenen Hass und auch keines mit Wort und Tat gegen Jüd*innen vorzugehen. Ich wüsste nicht, warum Menschen, die das anders sehen, trotzdem staatliche Förderung erhalten sollten.

    • @DieLottoFee:

      "Was daran ist problematisch?"

      Problematisch ist nach meiner Auffassung, dass immer wieder der Jüdische Glauben bzw. das Judentum insgesamt von Einzelpersonen oder Jüdischen Organisationen, je nach Interessenlage, mit der Politik Israels vermengt wird.

      Da es offenbar manchmal schwierig ist, beides zu trennen kann Kritik am Handeln des STAATES Israel leicht als antisemitische Äußerung interpretiert werden.

      • @Bürger L.:

        Wenn meine Äußerung als Antisemitismus verstanden werden kann, sollte ich darüber nachdenken, ob ich sie öffentlich machen muss.

        Das können sogar Künstler.

    • @DieLottoFee:

      gemacht, gemach....das ist doch nicht das grundsätzlich Problem....

      Hinter dieser Selbstverständlichkeit

      versteckt sich, missbraucht, agiert ungeniert die rechte Netanjahu Regierung.

      Die Mär ist angekommen und wird von der rechten Netanjahu Propaganda versucht in jedes Hirn zu hämmern.

      Ablehnung und Kritik an der aktuellen israelischen Politik muß erlaubt bleiben,

      Die Selbstverständlichkeit von Kulturschaffende schließt einen Judenhass aus.

      • @Peace85:

        "Die Selbstverständlichkeit von Kulturschaffende schließt einen Judenhass aus."

        Ach was?! ((c) by Loriot)



        Die Negation Ihrer These konnte an der documenta eindrücklich bestaunt werden.

    • @DieLottoFee:

      Nicht die Formulierung an sich ist problematisch, sondern die Gefahr des Missbrauchs um unliebsame Projekte zu torpedieren. Wo die Grenze zwischen Antisemitismus und legitimer Kritik an Israel liegt ist Gegenstand vieler Diskussionen. Natürlich muss Antisemitismus bekämpft werden aber es darf kein Maulkorb gegen abweichende Meinungen werden. Begiffe wie Kolonialismus und Apartheid müssen offen Diskutiert werden können.

      • @Andreas J:

        Da die Arbeitsdefinition feststeht, ist der Verstoß gegen sie auch nicht nur propagandistisch postulierbar sondern auch knallhart justiziabel.

        Sprich: Jemand, der Fördermittel erhalten und dafür die Bekenntnis gegen Antisemitismus unterschrieben hat, muss nur zurückzahlen, wenn er gerichtsfest NACHGEWIESEN bekommt, dass irgendwelche späteren Äußerungen antisemitisch im Sinne der IHRA-Definition waren - und nicht bloß jemand aufschreit, weil er jede Kritik an Israel antisemitisch findet.

        Nur weil die IHRA-Definition den Unterschied zwischen Antisemitismus und Antizionismus nicht explizit benennt, heißt das ja nicht, dass es ihn nicht gäbe - und ein ausgebildeter Richter da nicht differenzieren könnte. Insofern sehe ich dieses Missbrauchsargument nicht - und vor allem weit weniger, als ich in den letzten Monaten umgekehrt den Missbrauch der Floskel "legitime Israelkritik" zur Ausbreitung antisemitischer Ressentiments gesehen habe.

        • @Normalo:

          Schon allein der Vorwurf und die damit verbundenen juristischen Schritte können Vereine und Projekte finanziell und personell ganz schnell überfordern und scheitern lassen. Konservative und rechte werden davon sicherlich gegen linke Projekte gebrauch machen. Letzt endlich wirkt das wie ein Maulkorb, wenn aus Angst das die Fördergelder gestrichen werden das Thema gemieden wird. Wenn gegen Israel und sein Existenzrecht gehetzt wird, gibt es genügend juristische Mittel.

          • @Andreas J:

            So üppig sieht es mit den juristischen Mitteln nicht aus. Sonst wäre die rufmörderische "Schädigung durch Vorwurf", die Sie an die Wand malen, ja längst in vollem Gange - WENN die nicht nur eine Chimäre ist.

            • @Normalo:

              Wie sollte das im vollen Gange sein? Noch gibt es keine Bekenntnispflicht. Ich habe aber schon erlebt wie migrantische Projekte so unter vorwänden torpediert wurden, dass ihre Existenz gefährdet war, da sie nicht die Recourcen für solche Auseinandersetzungen haben. Eine Bekenntnispflicht währe ein zweischneidiges Schwert.

              • @Andreas J:

                Sie sagten, es gäbe gegen Hetze gegen Israel auch OHNE Bekenntnispflicht genug juristische Mittel. Wenn dem so wäre und es die von Ihnen postulierten Interessen gäbe, derartige juristische Mittel einzusetzen, um durch den bloßen Vorwurf Vereine oder Projekte in Misskredit zu bringen - dann MÜSSTE das doch schon haufenweise passieren, oder?

  • Müsste es nicht zu denken geben, dass die AfD die Sache vehement unterstützt, kritische Juden und Israelis aber dagegen sind?

    • @HRMe:

      Es gibt kritische Juden und Israelis, die die Ssche vehement unterstützen. Wenn die AfD dies tut, ist es doch ausnahmsweise mal begrüßenswert!? Oder sind Sie auch gegen vernünftige Entscheidungen in Wirtschaft, Bildung, Soziales etc. wenn diese von der AfD unterstützt wird? Das würde dann eher hinsichtlich Ihrer Motivlage zu denken geben.

      • @Klaus Kuckuck:

        Die AFD wird wohl kaum ihr Herz für Juden entdeckt haben. Das ist eher Sympathie für die rechte Regierung mit ihren Vernichtungs- und Vertreibungs- Phantasien die dem Denken vieler AFD-Politiker entspricht.

  • Gilt dann auch für Likud-Anhänger “between the Sea and the Jordan there will only be Israeli sovereignty" .www.jewishvirtuall...f-the-likud-party#, israelische Friedensbewegte und israelisch-palästinensiche Menschenrechtsstreiter? Gefordert wird also bedingungslose politische Solidarität mit notorisch rassistischen Rechtsradikalen, Rechtstaatsverächtern in der israelischen Regierung, messianischen Hill-Tops aus Brooklyn, Kach-Kahane Anhängern? Wenn Deutsche einmal auf dem Wege der Läuterung, kommt sowas dabei raus.

    • @hamann:

      "Gilt dann auch für Likud-Anhänger “between the Sea and the Jordan there will only be Israeli sovereignty" .www.jewishvirtuall...f-the-likud-party#, israelische Friedensbewegte und israelisch-palästinensiche Menschenrechtsstreiter?"

      --> Bekommt der Likud Gelder aus der Berliner Kulturförderung? Nein. Dann ist der Kommentar wohl sinnlos...

    • @hamann:

      "Gefordert wird also bedingungslose politische Solidarität mit notorisch rassistischen Rechtsradikalen, ..."

      Nein, woraus schließen Sie das?

      Aber das ist genau das, was man im Umfeld der sogenannten "Israelkritik" ja nie kapiert bzw. kapieren möchte: Man kann mit dem Staat Israel solidarisch sein und für seine Existenz eintreten und gleichzeitig das rechtsextremistische Siedlergesocks ablehnen.

      Oder, um Michael Wolffsohn zu zitieren: "Ich halte die Siedlungspolitik politisch für eine Torheit und viele Siedler sind mir ­zuwider." taz.de/Historiker-...konflikt/!5976741/

      • @Schalamow:

        Danke

  • Konkurrierende Definitionen

    Zitat: „Der Berliner Senat will Förderungen in Zukunft an ein Bekenntnis zur IHRA Antisemitismusdefinition knüpfen.“

    Und warum nicht an die der JDA? Sie unterscheidet bekanntlich den Antizionismus kategorisch vom Antisemitismus und will vor allem nicht-antisemitischen Antizionismus als freie Rede schützen. Sie versteht Zionismus als jüdischen Nationalismus, der einer Debatte prinzipiell offen stehe, während Bigotterie und Diskriminierung gegen Juden oder andere nie akzeptabel seien.

    In der Erklärung werden Beispiele von politischen Positionen benannt, die nicht per se als antisemitisch anzusehen seien, u. a.

    „- Unterstützung der palästinensischen Forderungen nach Gerechtigkeit und der vollen Gewährung ihrer politischen, nationalen, bürgerlichen und Menschenrechte, wie sie im Völkerrecht verankert sind.

    - Kritik oder Ablehnung des Zionismus als eine Form von Nationalismus oder das Eintreten für diverse verfassungsrechtliche Lösungen für Juden und Palästinenser in dem Gebiet zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer. Es ist nicht per se antisemitisch, Regelungen zu unterstützen, die allen Bewohner:innen „zwischen dem Fluss und dem



    Meer“ volle Gleichberechtigung zugestehen, ob in zwei Staaten, ei-



    nem binationalen Staat, einem einheitlichen demokratischen Staat,



    einem föderalen Staat oder in welcher Form auch immer.

    - Faktenbasierte Kritik an Israel als Staat. Dazu gehören seine Institutionen und Gründungsprinzipien, seine Politik und Praktiken im In- und Ausland, wie beispielsweise das Verhalten Israels im Westjordanland und im Gazastreifen. Es ist nicht per se antisemitisch, auf systematische rassistische Diskriminierung hinzuweisen. Im Allgemeinen gelten im Falle Israels und Palästinas dieselben Diskussionsnormen,



    die auch für andere Staaten und andere Konflikte um nationale



    Selbstbestimmung gelten.“

    Die JDA fand auch Zustimmung in den deutschen Official-Mind-Medien wie der Taz, der Frankfurter Rundschau und im Deutschlandfunk.

    • @Reinhardt Gutsche:

      Der Punkt ist doch, dass es einen nicht antisemitischen Antizionismus gar nicht gibt, seit es den Staat Israel gibt. Zionismus war ursprünglich die Forderung, dass die Juden einen Staat haben sollten, Antizionismus bedeutet dementsprechend dass es keinen jüdischen Staat geben dürfe.. Seit der Staatsgründung Israels im Jahre 1948 ist diese Forderung des Zionismus eine völkerrechtlich anerkannte Realität. Israel ist Mitglied der UN und von dieser anerkannt. Die Forderung, diesen Staat wieder abzuschaffen, richtet sich gegen die Rechte und Interessen der ganz überwiegenden Mehrheit der Juden.

      Im Übrigen weise ich darauf hin, dass es eine solche Forderung in Bezug auf bestehende Staaten ausschließlich im Fall des einzigen Staates auf der Welt mit einer jüdischen Mehrheitsbevölkerung gibt. Niemand kommt auf die Idee, z. B. den japanischen, den russischen, den iranischen, den türkischen oder den mexikanischen Staat abzuschaffen. Es gibt nicht einmal ein Wort für andere Staaten außer Israel, das mit dem Begriff "Antizionismus" gleichbedeutend wäre.

      • @Budzylein:

        Der Zionismus ist eine Bewegung innerhalb des Judentums, aber er ist nicht das Judentum. Und nach der Definition wäre Hannah Arendt eine Antisemitin gewesen.

    • @Reinhardt Gutsche:

      "Die JDA fand auch Zustimmung in den deutschen Official-Mind-Medien wie der Taz, der Frankfurter Rundschau und im Deutschlandfunk."

      Und hat aus der Antisemitismusforschung ziemlich heftige Kritik erfahren... Das wird merkwürderigerweise immer verschwiegen.

  • "klares Bekenntnis dazu, dass Israel ebenso existieren darf wie jedes andere Land."



    Wie wäre es, wenn wir wieder zu demokratischen Standards zurückkehren.



    Wenn jemand das Existenzrecht Israels in Wort und Tat ablehnt, dann ist das Antisemitismus.



    So lange, denke ich, sollte man im positiven davon ausgehen, dass dies jeder Mensch anerkennt.

    • @Kartöfellchen:

      Ich bin auch ein Fan von Vertrauensvorschuss.

      Leider haben wir gesehen, dass das nicht klappte.

    • @Kartöfellchen:

      ja, vollkommen richtig, aber die Frage ist, mit welcher Aussage man das Existenzrecht Israels ablehnt oder nicht.



      user "Reinhardt Gutsche" weist indirekt darauf hin: so wird das Befürworten einer Einstaatenlösung u.U. bereits als antisemitisch bezeichnet, da diese von manchen als das Existenzrecht Israels ablehnend interpretiert wird.

  • Die Verantwortung für die Gewährung von Fördermitteln liegt beim Berliner Senat.



    Die Einforderung einer entsprechenden Erklärung OHNE die Prüfung derselben ist ein Klassiker, genannt "Persilschein", in diesen Fall für den Berliner Senat.

    • @e.a.n:

      Nein.

      Es ist die Rechtsgrundage, ggf. Fördermittel zurückzufordern.

      Beispielsweise wenn sich jemand, der gefördert wurde, öffentlich antisemitisch äußert.

      Deshalb passt "Persilschein" nicht.

      Wie wen Sie vorab jemanden auf Antisemitismus prüfen, ohne ihm in den Kopf zu schauen?

      • @rero:

        Sorry, letzter Satz müsste so beginnen: "Wie wollen Sie ..."

  • "Es bleibt dennoch die Frage: Würden die Protestierenden überhaupt der Implementierung irgendeiner Antisemitismus-Definition zustimmen?" Mutmaßungen.



    Es fehlt der Hinweis darauf, dass die Jerusalem Declaration von wissenschaftlichen Kapazitäten auf dem Gebiet der NS- und Antisemitismusforschung formuliert wurde, Menschen, die völlig unverdächtig sind, Antisemitismus zu verbreiten.



    Und schließlich ist - praktisch - damit zu rechnen, dass die zuständigen Verwaltungen sich rein arbeitstechnisch einen schlanken Fuß machen (und wieso auch nicht, es ist schließlich nicht ihre Kernkompetenz) und die formalstmögliche und damit potentiell die inhaltlich-politisch unangemessenste Auslegung suchen werden.

    • @My Sharona:

      "Es fehlt der Hinweis darauf, dass die Jerusalem Declaration von wissenschaftlichen Kapazitäten auf dem Gebiet der NS- und Antisemitismusforschung formuliert wurde, Menschen, die völlig unverdächtig sind, Antisemitismus zu verbreiten."

      Das war und ist zumindest die Behauptung. Die Realität sieht dann ein wenig anders aus:

      "Es handelt sich bei den Autor:innen nämlich mehrheitlich um fachfremde Autor:innen, die sich bisher wenig oder gar nicht in ihrem Berufsleben für Antisemitismus interessiert oder diesen erforscht haben."

      www.belltower.news...sforschung-116093/

      • @DasEndeallerHoffnung:

        Genau: alle ahnungslos. Hier der Link, man sehe sich die Unterzeichnenden an: jerusalemdeclaration.org/



        Ich habe nicht durchgezählt, wie viele von denen Professuren für Jewish Studies und Antisemintismusforschung inne haben oder hatten - dutzende. Dazu kommen Menschen, deren NS-Expertise sich aus der Nennung ihres Faches (Geschichte oder Soziologie) nicht direkt ablesen lässt.



        Der von Ihnen verlinkte Rensmann gefällt sich (wie manch andere*r) darin, Antisemitismus als soziales Phänomen sui generis darzustellen, was sich nur als ein mit Siegeswille vorgetragener Aufschlag im umkämpften Feld der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit verstehen lässt.

      • @DasEndeallerHoffnung:

        Das sind diskreditierende Behauptungen, die immer wieder von Gegnern kolportiert werden, aber völlig bizarr wirken, wenn man sich die Liste der Erstunterzeichner ansieht: Schon auf den ersten Blick findet man darunter eine ganze Reihe von Professoren und Leitern von Instituten für Antisemitismus-Forschung (Wolfgang Benz, Werner Bergmann, David Feldman, Uffa Jensen, Stefanie Schüler-Springorum, Peter Ullrich) und für Holocaust-Studien (Aleida Assmann, Elissa Bemporad, Micha Brumlik, Alon Confino, Debórah Dwork, Amos Goldberg, Nitzan Lebovic, Michael Rothberg, Raz Segal, Uğur Ümit Üngör), und unter den weiteren Unterzeichnern sind noch mehr.

  • Finde ich mehr als fragwürdig

  • Gut so. Unter dem Deckmäntelchen der Israelkritik wurde und wird hier allzu oft Schindluder betrieben. Und an all die Krakeler die hier was von Missachtung der Meinungsfreiheit und Gesinnungsterror schwafeln: Jeder kann weiterhin seine Meinung haben; leider Gottes auch eine antisemitische. Aber es ist gut, wenn es dafür keine Förderung vom Staat mehr gibt.

  • Schade, dass die taz sich dem "bekenne-dich"ismus so vorbehaltlos anschließt. Dass die IHRA-Definition äußerst kritisch zu bewerten ist, bleibt hier völlig außen vor. Und immer wieder von der Unterstellung lesen zu müssen, dass diejenigen, welche den israelischen Staat in seiner derzeitigen Verfassung (nicht erst seit dem 7.Oktober 2023) kritisieren, ja "eigentlich" Antisemiten seien, tut schon sehr weh.

    Schade taz.

    • @Jörg Levin:

      Und wer bewertet die IHRA-Definition "äußerst kritisch"?

      Sie allein?

      Ich möchte mir da gerne ein Urteil bilden, aber dafür bräuchte ich einige Fakten.

      Was den "bekenne-dich"ismus angeht. Wir leben in Deutschland nun einmal mit einer sehr speziellen Geschichte. Das erfordert ab und zu ein stärkeres Bekenntnis zu Israel, als in anderen Nationen.

      Wir können nicht einerseits verlangen, daß alle endlich prüfen, was ihre Groß- und Urgroßeltern vpn 1933 bis 45 so angestellt haben, und woher deren Möbel stammten, aber andererseits für uns selbst "großzügigere Maßstäbe" gelten lassen.

      Israel und seine Politik wurde und wird sehr scharf kritisiert. Da ist es nicht nötig, daß auch alle deutschen Kulturschaffenden unbedingt auch noch ihren Senf dazu geben müssen.

      Wir sind nicht auf den Weg in eine Gesinnungsdiktatur, nur, weil wir uns hier etwas Zurückhaltung auferlegen.

    • @Jörg Levin:

      Unmittelbarer Auslöser für die neue Förderklausel der Berliner Senatskulturverwaltung schei-nen ja die Vorgänge im Kulturzentrum "Oyoun" gewesen zu sein. Dort ging es nämlich offen-sichtlich nicht um Kritik am "israelischen Staat in seiner derzeitigen Verfassung", wie Sie das so schön umschreiben, sondern neben anderem um das Auftreten von Gruppen, deren Ziel die Auslöschung Israels ist. www.tagesspiegel.d...youn-10864342.html

      Im Oyoun hält man derlei aber keineswegs für antisemitisch, sondern besitzt im Gegenteil noch die Chuzpe, sich in einem offenen Brief ausgerechnet den Schutz jüdischen Lebens auf die Fahnen schreiben zu wollen (auf die im Tagesspiegel erhobenen Vorwürfe geht der Brief erwartungsgemäß mit keiner Silbe ein). Offensichtlich glaubt man dort auch, eine einfache Versicherung, man sei nicht antisemitisch, reiche völlig aus.

      Dass die Berliner Kulturpolitik angesichts dieser Kombination von Dreistigkeit und Unein-sichtigkeit dem Treiben eines nicht unerheblichen Teils der dortigen Kulturszene und nicht länger gutgläubig zuschauen möchte, kann ich wiederum sehr gut nachvollziehen.