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Bündnis Sahra WagenknechtFeuerwerk populistischer Parolen

Die neue Partei will sich im Januar gründen. Social Media soll als Marketinginstrument „massiv“ eingesetzt werden.

Sahra Wagenknecht am Dienstag in Berlin Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin taz | Anders als die anderen Politiker will sie sein. Dazu passt der Ort ihrer Pressekonferenz. Er ist aber auch eine Notlösung: Da es die Linke-Fraktion nicht mehr gibt, steht ihr die Fraktionsebene im Bundestag nicht mehr zur Verfügung. Also lädt Sahra Wagenknecht die Journalisten in das Eingangsfoyer eines Bundestagsgebäudes, in dem Abgeordnete ihre Büros haben.

Eigentlich gibt es nur eine Formalie zu verkünden: Am Dienstag hat sich Wagenknecht mit ihren Mitstreitern im Bundestag als neue Gruppe formiert, gibt sie bekannt. Sie selbst wurde nach eigenen Angaben zur Vorsitzenden gewählt, ihr Kollege Klaus Ernst zu ihrem Stellvertreter. Bei Bundestagspräsidentin Bärbel Bas habe man beantragt, vom Bundestag als Gruppe anerkannt zu werden. Ihre ehemaligen Mitstreiter von der Linkspartei haben das Gleiche schon vor zwei Wochen getan.

Wenn das Plenum des Bundestags zustimmt, bekommen die beiden Gruppen wieder mehr Rechte und finanzielle Unterstützung. Noch steht nicht fest, wann darüber abgestimmt wird. Wagenknecht ist optimistisch, dass es im Januar sein wird. Erst muss der Ältestenrat dazu aber einen Beschluss fassen.

Wagenknecht tritt zwischen zwei Roll-ups auf, auf denen „Bündnis Sahra Wagenknecht. Für Vernunft und Gerechtigkeit“ steht. Die Partei will sie im Januar gründen – vorerst gibt es nur einen Verein, der das vorbereiten soll. Mehr als 1 Million Euro hat er bereits gesammelt, zum Teil aus dem Ausland.

Wagenknecht will darin nichts Anrüchiges erkennen. „Der Verein finanziert sich exakt so, wie sich eine Partei finanzieren würde“, sagt sie. Ein Parteirechtler habe sie beraten. „Man versucht, uns an den Karren zu fahren“, das sei „durchsichtig“, kontert sie Nachfragen – und dass sie es sehr begrüßen würde, wenn man sich auch die Spendenpraxis anderer Parteien genauer anschauen würde, fügt sie hinzu.

Asylverfahren in Drittstaaten kann sie sich vorstellen

Schon jetzt ist Sahra Wagenknecht ein Internetstar, auf Facebook und TikTok hat sie viele Fans. „Kim Kardashian der Politik“ nannte sie der Focus einmal. „Social Media wird für uns eine wichtige Rolle spielen“, sagt Wagenknecht nun. Die bisherigen Accounts liefen gut, doch man werde die Präsenz im Netz „massiv ausbauen“. Es gebe dort auch bösartige „Fake-Accounts, die bewusst dazu da sind, uns zu diskreditieren“, kritisiert sie. Dem werde man entgegentreten.

Social Media trug schon die AfD zum Erfolg, auf Facebook ist die rechtsextreme Partei noch immer führend. Wagenknecht liegt dort vor Alice Weidel, und in Sachen Populismus steht sie ihr nicht nach. In kürzester Zeit brennt sie vor den Journalisten ein wahres Feuerwerk populistischer Parolen ab: Die Willkommenskultur von Merkel habe unser Land „überfordert“, sagt Wagenknecht, das zeige jetzt die Pisa-Studie. Asylverfahren in Drittstaaten kann sie sich vorstellen.

Die Kehrtwende der CDU zeige, dass diese „lernfähig“ sei, doch „glaubwürdig“ seien weder Union noch SPD, sondern nur sie. Europa könne das Weltklima nicht allein retten, und der Klimaschutz der EU schade der Wirtschaft. „Das ist ein schlechter Tausch.“

Selbstbewusst wünscht sich Wagenknecht bald Neuwahlen, damit sie und ihre Gruppe „gestärkt“ in den Bundestag einziehen könnten, tönt sie. Und fast drohend klingt es, wenn sie sagt: „Wenn wir stärker werden, dann wird sich die Politik in Deutschland verändern.“

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38 Kommentare

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  • Ich habe keinen großen Optimismus für Parteigründungen.

    Hier geht es dann auch noch um nur eine Person, Sarah Wagenknecht, so etwas funktionierte zuletzte bei der Schill-Partei, aber auch nur in einer einzigen Stadt, damals Hamburg,und es endete auch mit dieser einen Person. Auch Schill hat bestimmte Inhalte aktiviert und verkörpert, das wäre hier wohl ähnlich. Und es wäre dann eben auch gleich im Bundestag so. Aber schon Benrd Lucke scheiterte schnell in 'seiner' AfD, aber die bösen Geister, die er beschwor, die geistern immer noch umher. Auch die Wagenknecht-Partei benötigt neue Mitglieder und zwar schnell ziemlich viele, sonst wird das mit der Partei nichts. Und wer soll da jetzt eintreten? Nach bisherigem Stand Leute von der Linke und ein paar von Grünen und SPD, dazu dann Unzufriedene, Neumitglieder ohne politische Erfahrung in Parlamenten oder / und Parteien. Also ein ziemlicher Allerleieintopf. Und der könnte ganz schön mies schmecken, weil gerade am Anfang einer Parteigründung ist es schwierig, zu sortieren und zu lenken.

    Dabei ist Sarah Wagenknecht für mich durchaus eine ernsthafte Politikerin, die was interessantes sagt und denkt, aber reicht das aus?

    Und sie wird bei SPD, Linken, Grünen, teilweise AfD und Union auch Wähler gewinnen, deren Stimmen könnten dann aber im Mülleimer namens 5-Prozent-Hürde landen, ob das zielführend ist?

  • Sozialpoltik der Linken, Migrationspolitik der AfD und: "Vernunft". Da die nicht weiter definiert wurde, kann damit nur Apeasement mit Diktaturen wie der russischen gemeint sein. Das ist der Wagenknechtsche Markenkern und blieb hier unerwähnt.

  • "Es gebe dort auch bösartige „Fake-Accounts, die bewusst dazu da sind, uns zu diskreditieren“, kritisiert sie. Dem werde man entgegentreten."

    Will man da gutartige Fake-Accounts gegen einsetzen? 🤪

  • Das Programm vom BSW heißt doch einfach nur: Bitte sammelt weiter, damit das Geld der selbsternannten Revolutionäre geschont werden kann. Und Old Sahra wird schon noch ein Buch für den eigenen (wirtschaftlichen) Erfolg verfassen.

  • Kim Kardashian der Politik, kein sehr schmeichelhafter Vergleich. Wirkt aber auch nicht ganz falsch, Sozialpoltik der Linken, Migrationspolitik der AfD, dazu etwas Vernunftsgeschwafel und schon fährt man hier zweistellige Werte bei der Bundestagswahl ein. Angesichts des Theaters, dass die AfD sehr erfolgreich aufführt könnte das sogar leider klappen.

    • @Bambus05:

      „Vernunftsgeschwafel“ wäre ja schon was, im Vergleich zu „Verschwörungsschwurbelei“. Die Ansprüche ans politische Angebot sinken halt in Zeiten wie diesen.



      Und wenn man‘s ganz pragmatisch sehen will: eine Halbierung der AfD wäre nicht das Schlechteste. Wie heißt es: den Teufel mit Beelzebub austreiben?

      • @Abdurchdiemitte:

        Im Angesicht der Pest wirkt die Cholera gar nicht mehr so schlimm? Mag sein, dass sie der blau-braunen Wuttruppe einige Wähler abspenstig machen kann. Allerdings sehe ich das Reservoir eher bei den (konservativen) Linken, richtige Rechtsextreme (und das sind die Wähler der AfD in wachsendem Maße) können sie eigentlich nicht wählen. Aber hier mit Logik ranzugehen hilft nur begrenzt.

        • @Bambus05:

          Nicht ohne Grund habe ich hinter meinen letzten Satz ein Fragezeichen gesetzt.



          Aber schön, dass Sie zwischen konservativen Linken und Rechtsextremisten/Faschisten wenigstens noch differenzieren - das nicht zu tun, ist nämlich Teil der linken Misere.



          Ich bin sogar der Auffassung, dass es eigentlich Aufgabe der SPD wäre, sich wieder um dieses “linkskonservative” Spektrum zu kümmern statt es Frau Wagenknecht zu überlassen. Aber mit dieser Meinung stehe ich wohl ziemlich alleine da.



          Schade nur, denn die SPD wird so auf längere Sicht weiter den Bach runtergehen, Wagenknechts Projekt prophezeie ich sowieso keine lange Lebensdauer. Und die Linken? Mit deren Verengung auf “bewegungslinke” Themen wird das auch nichts mehr, um in die Parlamente zu kommen. Von den Grünen möchte ich gar nicht erst sprechen. Es drohen Atomisierung und politische Irrelevanz des linken Spektrums hierzulande

  • Erst mal abwarten, bis Wagenknechts Partei „steht“. In Ermangelung politischer Alternativen sind es mit Blick auf die kommenden Wahlen dann die Programme zweier Parteien, die ich mir genauer anschauen werde.



    Dreimal dürft ihr raten, welche Parteien das sein werden. NEIN, die AfD ist es mit Sicherheit NICHT!

    • @Abdurchdiemitte:

      Graue Panther und Tierschutzpartei?

  • Bin ja mal gespannt, wieviel Aufmerksamtkeitsspanne Frau W. dem Trumpismus von links Versuch widmet. Meine Vermutung: bis sie den Sitz im europäischen Parlament hat.

  • Nichts Neues bei Frau Wagenknecht außer der üblichen messianischen Verkündigungs-Manie.



    Alles schon da gewesen.

  • Tja, dann mal viel Glück mit dem Spagat zwischen verstaubt linken und schmierig braunen Parolen... die Pisa Ergebnisse auf die Migrationspolitik zu schieben ist nun wirklich abgründig. Man muss eben in Bildung investieren, um Bildung zu erhalten. Da gibt es viele Baustellen, aber die Folgen der Migration sind gaaanz weit unten. Ganz oben sind die fehlenden Lehrer. Ist eben gerade ein Schweinezyklus, wo die Alten in Pension gehen und die Jungen noch nicht nachrücken. Dazu dann Pandemie. So kann das laufen. Schulen brauchen mehr Geld. Nicht für Tablets und Smartboards, sondern für Lehrer und Stühle und Gebäude, Heizung etc. Bei meinen Kindern fällt täglich was aus. Aus meiner Schulzeit kenne ich das nicht. Da gab es immer einen Vertretungslehrer. Ist heute nicht drin, weil das Personal auf Kante genäht ist.



    Das Dilemma verdanken wir nicht der Migration, sondern der fehlenden Finanzierung. Man hat lieber Milliarden in Prestigeprojekte versenkt. Das ist zwar die Schuld von Union und SPD, aber nicht so, wie Wagenknecht sich das denkt.



    Allein für diese Aussage so unwählbar wie die Blau-Braunen.



    Als Sozialdemokrat ohne passende Partei bleibt mir fast nur die Linke...

  • "Sie selbst wurde nach eigenen Angaben zur Vorsitzenden gewählt..."



    Wäre auch ein echter Brüller wenn nicht, bei einer Gruppe die ihren Namen trägt...

  • Als ich jetzt nach der Auflösung der Fraktion immer wieder von der "Gruppe Wagenknecht" gehört habe, erinnerte mich das an die "Gruppe Ulbricht".



    Wenn man sich das aktuelle Personal von Frau Wagenknecht ansieht warten da einige sehnsüchtig auf Befehle aus Moskau.

  • Von einem "Feuerwerk populistischer Parolen" ist in der Überschrift die Rede. Im Text findet sich dann gerade mal eine einzige.



    Dass Social Media genutzt werden sollen, ist eine Information, mehr nicht.



    Für mich, der sich von dieser Frau und ihrem Programm ein Bild machen will, ist dieser Artikel nicht hilfreich.

    • @Meister Lampe:

      Frau Wagenknechts Ansichten und Einlassungen sind ja nun wirklich kein Geheimnis.

    • @Meister Lampe:

      "Von einem "Feuerwerk populistischer Parolen" ist in der Überschrift die Rede. Im Text findet sich dann gerade mal eine einzige."

      Mit Verlaub, lesen hilft:

      1. Die Willkommenskultur von Merkel habe unser Land „überfordert“, sagt Wagenknecht,



      2. das zeige jetzt die Pisa-Studie.



      3. Asylverfahren in Drittstaaten kann sie sich vorstellen.



      4. Europa könne das Weltklima nicht allein retten,



      5. und der Klimaschutz der EU schade der Wirtschaft.

      Und das nur bei Überfliegen.

      • @Encantado:

        Würde mir eher die Hand abhacken als sie zu wählen, aber:



        Was soll an den 5 Punkten 'populistisch' sein?



        Klingt in meinen Ohren eher nach gesundem Menschenverstand.

    • @Meister Lampe:

      Ist ja auch wirklich schwer, sich von Wagenknecht ein Bild zu machen, so unbekannt sie als absolute Newcomerin ist.

  • Was passiert mit den weit über 1 Million vom Verein BSM eingesammelten Spendengeldern, u. a. anonym aus dem Ausland, was anders als im Parteiengesetz im Vereinsgesetz möglich ist, wenn Sahra Wagenknecht wie bei der Kampagne Aufstehen 2018 hinschmeißt, die Parteigründung ausfällt?

  • Herr Bax, man muss Sahra Wagenknecht nicht mögen. Ich habe in vielen Punkten auch Probleme mit ihrer politischen Agenda. Doch leider habe ich es in den letzten Jahren viel zu oft erlebt, dass man Politikern, mit deren Meinung man nichts anfangen konnte, Populismus vorwarf, weil sie bei einer Klientel gut ankamen, die nicht der eigenen Blase angehören.

    • @Nikolai Nikitin:

      Genauso ist es. Verblasung der Gesellschaft, die Blase, die am lautesten schreit bekommt dann Recht. Inhalts- und Lösungsorientierte Diskussion geht anders.

      • @Leningrad:

        „Verblasung der Gesellschaft“, danke, das find‘ ich gut. Werde ich mir mal merken.

      • @Leningrad:

        Warum darf man jetzt Populismus nicht Populismus nennen?



        Dass es sich beim BSW um einen Verein handelt, Wagenknecht aber die Spendenpraxis "anderer Parteien" untersucht wissen will, zeigt doch, dass sie mit Falsch-Informationen auf Stimmenfang geht. Natürlich unterliegen Parteispenden strengeren Vorschriften, u.a. was die Transparenz der Herkunft angeht.

  • Partei für Vernunft und Gerechtigkeit.......

    Ein Feuerwerk populistischer Parolen.....

    Finde den Fehler! :)

    • @Tom Bombadil 93:

      "Partei für Vernunft und Gerechtigkeit......"



      Anderswo nennt man sich 'Recht und Gerechtigkeit'. Hat denselben Duft.

  • Ich kann beim besten Willen in diesen extrem sachlichen Artikel, vollgestopft mit neutralen Adjektiven, nicht erkennen, ob der Autor Wagenknecht mag oder nicht. XD

    • @Fabian Wetzel:

      :-D

    • @Fabian Wetzel:

      Na, Sie mögen sie ja... glaube ich jetzt mal zu erkennen...

    • @Fabian Wetzel:

      Dann hat der Autor des Artikels ja alles richtig gemacht - persönliche Einschätzungen gehören nicht in einen Bericht, " extrem sachlichen Artikel" sind mittlerweile eine kostbare Seltenheit.

  • Man muss SW nicht mögen, um zu erkennen, dass die TAZ außer der AFD keiner Partei gegenüber im Duktus so negativ gegenüber steht.

    Leider sind die anderen immer verwechselbarer geworden

    Auch in dem nacheifern der von der AFD vorgezeichneten Linien!

    Alle sind "gegen Rechts" aber alle kopieren die Rechten , und das täglich mehr...

    • @Peter Kraus:

      "Alle sind "gegen Rechts" aber alle kopieren die Rechten , und das täglich mehr..."



      Wobei die gute Sarah keine Ausnahme darstellt, siehe ihre Ansichten bezüglich Asylverfahren oder Russland.

    • @Peter Kraus:

      Das war seinerzeit bei der SED/Linken Liste/PDS nicht viel anders, den damaligen Autoren der taz passte der neue Konkurrent der Grünen überhaupt nicht.



      Heute reibt man sich die Augen.

  • Viel Erfolg! Wir werden sie wählen und dann schauen wir mal.

    • @Ria Hummelhain:

      Ich auch, vielleicht kann ich ja mal als Zoni wieder eine politische Heimat finden.

      • @Leningrad:

        Wenn sie sich heute noch als Zoni bezeichnen, da scheinen sie aber wohl ihre politische Heimat schon gefunden zu haben.

    • @Ria Hummelhain:

      Das dürft "ihr" gerne tun, wer immer auch dazugehört. Ich wähle sie nicht.